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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
6B_831/2016  
   
   
 
 
 
Urteil vom 13. Februar 2017  
 
Strafrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Denys, Präsident, 
Bundesrichter Oberholzer, Rüedi, 
Gerichtsschreiber Matt. 
 
Verfahrensbeteiligte 
AX.________, 
handelnd durch BX.________ und CX.________, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
1. Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich, Florhofgasse 2, 8090 Zürich, 
2. A.________, 
Beschwerdegegner. 
 
Gegenstand 
Nichtanhandnahme (schwere Körperverletzung), 
 
Beschwerde gegen die Verfügung und den Beschluss des Obergerichts des Kantons Zürich, III. Strafkammer, vom 23. Juni 2016. 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.   
Am 14. Oktober 2015 erstattete der Vater der am xx.yy.2008 geborenen AX.________ im Namen seiner Tochter Strafanzeige wegen Körperverletzung gegen Dr. med. A.________. Dieser soll am 3. Januar 2011 im Zusammenhang mit der zweiten MMR-Impfung (Masern, Mumps, Röteln) seine Aufklärungspflichten verletzt, insbesondere nicht auf die möglichen (negativen) Impffolgen hingewiesen haben. Aufgrund dessen sei es nicht möglich gewesen, die Einwilligung zur Impfung zu geben. Die beim Kind am 20. März 2014 diagnostizierte globale Entwicklungsstörung im sprachlichen und kognitiven Bereich sei auf die Impfung zurückzuführen. 
 
B.   
Die Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich verfügte am 8. April 2016 die Nichtanhandnahme einer Strafuntersuchung. Mit Beschluss vom 23. Juni 2016 wies das Obergericht des Kantons Zürich die dagegen erhobene Beschwerde von AX.________ ab. 
 
C.   
AX.________ beantragt mit Beschwerde in Strafsachen, der Beschluss des Obergerichts sei aufzuheben und die Sache sei zur Durchführung eines Strafverfahrens wegen schwerer, eventuell einfacher Körperverletzung an die Staatsanwaltschaft zurückzuweisen. AX.________ ersucht um unentgeltliche Rechtspflege im bundesgerichtlichen Verfahren. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
Der Privatklägerschaft wird ein rechtlich geschütztes Interesse zuerkannt, wenn der angefochtene Entscheid sich auf die Beurteilung ihrer Zivilansprüche auswirken kann (Art. 81 Abs. 1 lit. b Ziff. 5 BGG). Dies verlangt grundsätzlich von der Privatklägerschaft, dass sie bereits adhäsionsweise Zivilforderungen geltend gemacht hat. Bei Nichtanhandnahme oder Einstellung des Strafverfahrens wird auf dieses Erfordernis verzichtet. In diesen Fällen muss im Verfahren vor Bundesgericht aber dargelegt werden, aus welchen Gründen sich der angefochtene Entscheid inwiefern auf welche Zivilforderungen auswirken kann, sofern dies (etwa aufgrund der Natur der untersuchten Straftat) nicht ohne Weiteres aus den Akten ersichtlich ist (BGE 141 IV 1 E. 1.1). Die Beschwerdeführerin macht eine schwere, eventuell einfache Körperverletzung infolge ungenügender Aufklärung über Impfnebenwirkungen geltend. Aus der Natur der untersuchten Straftat ist die Art der Zivilforderung ohne Weiteres ersichtlich. Die Beschwerdeführerin ist zur Beschwerde legitimiert. Darauf ist einzutreten. 
 
2.  
 
2.1.  
 
2.1.1. Gemäss Art. 310 Abs. 1 lit. a StPO verfügt die Staatsanwaltschaft die Nichtanhandnahme der Untersuchung, sobald aufgrund der Strafanzeige oder des Polizeirapports feststeht, dass die fraglichen Straftatbestände oder die Prozessvoraussetzungen eindeutig nicht erfüllt sind. Obschon das Gesetz dies nicht ausdrücklich erwähnt, kann eine Nichtanhandnahme auch verfügt werden, wenn offenkundig ein Rechtfertigungsgrund besteht (Urteil 6B_1242/2014 vom 15. Oktober 2015 E. 2.3 mit Hinweis).  
Die Frage, ob ein Strafverfahren über eine Nichtanhandnahme erledigt werden kann, beurteilt sich nach dem aus dem Legalitätsprinzip abgeleiteten Grundsatz "in dubio pro duriore" (Art. 5 Abs. 1 BV sowie Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 319 Abs. 1 und Art. 324 Abs. 1 StPO; BGE 138 IV 86 E. 4.2 S. 91). Danach darf eine Nichtanhandnahme durch die Staatsanwaltschaft gestützt auf Art. 310 Abs. 1 lit. a StPO nur in sachverhaltsmässig und rechtlich klaren Fällen ergehen. Im Zweifelsfall, wenn die Gründe der Nichtanhandnahme nicht mit absoluter Sicherheit gegeben sind, muss das Verfahren eröffnet werden (vgl. BGE 137 IV 285 E. 2.3 S. 287 f.). Der Grundsatz "in dubio pro duriore" ist unter Würdigung der im Einzelfall gegebenen Umstände zu handhaben. Die Staatsanwaltschaft und die Beschwerdeinstanz verfügen insoweit über einen gewissen Spielraum, den das Bundesgericht nur mit Zurückhaltung überprüft (zur Verfahrenseinstellung: BGE 138 IV 86 E. 4.1.1 f./4.2 S. 90 f. mit Hinweisen; Urteil 6B_1053/2015 vom 25. November 2016 E. 4.2.1). 
 
2.1.2. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Es ist weder an die in der Beschwerde geltend gemachten Argumente noch an die Erwägungen der Vorinstanz gebunden; es kann eine Beschwerde aus einem anderen als dem angerufenen Grund gutheissen oder mit einer von der Argumentation der Vorinstanz abweichenden Begründung abweisen. Mit Blick auf die Begründungspflicht der beschwerdeführenden Partei (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG) behandelt es aber grundsätzlich nur die geltend gemachten Rügen, sofern die rechtlichen Mängel nicht geradezu offensichtlich sind (BGE 140 III 115 E. 2 S. 116; 137 III 580 E. 1.3 S. 584; 135 III 397 E. 1.4 S. 400; je mit Hinweisen). Die Beschwerde ist hinreichend zu begründen, andernfalls wird darauf nicht eingetreten. Unerlässlich ist im Hinblick auf Art. 42 Abs. 2 BGG, dass die Beschwerde auf die Begründung des angefochtenen Entscheids eingeht und im Einzelnen aufzeigt, worin eine Verletzung von Bundesrecht liegt (BGE 140 III 115 E. 2 S. 116; Urteil 6B_154/2016 vom 15. Juni 2016 E. 1.1).  
Die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz kann vor Bundesgericht nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG). Offensichtlich unrichtig ist die Sachverhaltsfeststellung, wenn sie willkürlich ist (BGE 141 IV 249 E. 1.3.1 mit Hinweis; vgl. zum Willkürbegriff: BGE 141 I 369 E. 6.3, 305 E. 1.2; je mit Hinweisen). Die Willkürrüge muss in der Beschwerde explizit vorgebracht und substanziiert begründet werden (Art. 42 Abs. 2 und Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 141 IV 249 E. 1.3.1; 136 I 65 E. 1.3.1; je mit Hinweisen). Auf eine rein appellatorische Kritik am angefochtenen Entscheid tritt das Bundesgericht nicht ein (BGE 141 IV 369 E. 6.3, 317 E. 5.4; je mit Hinweisen). 
 
2.2. Es ist unbestritten, dass der Beschwerdegegner eine empfohlene Impfung vorgenommen und diese kunstgerecht durchgeführt hat. Ebenso ist unbestritten, dass die Eltern der Beschwerdeführerin in die Impfung einwilligten. Die Vorinstanz nimmt daher grundsätzlich zu Recht an, es liege eine Einwilligung vor. Sie begründet überzeugend, weshalb sich die Behauptung der Beschwerdeführerin, wonach ihre Eltern nicht ausreichend über die möglichen Nebenwirkungen der Impfung aufgeklärt worden seien und die Einwilligung daher ungültig sei, nicht nachweisen lässt. Soweit die Beschwerde den gesetzlichen Anforderungen überhaupt genügt (vgl. oben E. 2.1.2), ist sie nicht geeignet, den angefochtenen Beschluss als rechtsfehlerhaft erscheinen zu lassen.  
 
2.2.1. Die Beschwerdeführerin setzt sich mit der vorinstanzlichen Begründung nicht auseinander. Sie macht nicht geltend, es seien ausser dem Beschwerdegegner weitere Personen am Beratungsgespräch oder bei der Impfung zugegen gewesen, welche ihre Behauptung mangelnder Aufklärung stützen könnten. Ein Geständnis des Beschwerdegegners ist zwar möglich. Die Vorinstanz erwägt aber zu Recht, dass davon nicht auszugehen ist. Ebenso weist sie zutreffend darauf hin, dass die - ohnehin stark zu bezweifelnde, allgemeine - Behauptung, wonach 99 % der Ärzte die Aufklärung unterlassen würden, keinen Nachweis für eine Unterlassung des Beschwerdegegners im konkreten Fall darstellt. Sie begründet auch nachvollziehbar, weshalb dies ebenso für den fehlenden Eintrag einer Aufklärung über sämtliche Nebenwirkungen im Patientendossier gilt. Es ist unbestritten, dass die Beschwerdeführerin über gewisse Nebenwirkungen, wie eine leichte lokale Rötung und Fieber, aufgeklärt wurde und dass auch dies im Patientendossier nicht vermerkt wurde. Es ist daher nicht zu beanstanden, wenn die Vorinstanz erwägt, das Fehlen eines Vermerks im Patientendossier lasse nicht den Schluss zu, dass die Aufklärung ungenügend gewesen wäre. Hingegen stellt die Tatsache, dass der Beschwerdegegner die Eltern der Beschwerdeführerin über gewisse Nebenwirkungen aufgeklärt hat, ein gewichtiges Indiz für eine lege artis erfolgte Aufklärung dar. Der Schluss der Staatsanwaltschaft und ihr folgend der Vorinstanz, es lägen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass der Beschwerdegegner eine Aufklärung in dem Masse, wie sie die Schweizer und internationalen Gesundheitsbehörden der Öffentlichkeit gegenüber vornehmen würden, unterlassen habe, ist nachvollziehbar. Die Beschwerdeführerin bestreitet dies auch gar nicht.  
 
2.2.2. Die Vorinstanz weist ferner zutreffend darauf hin, dass die Beschwerdeführerin am inkriminierten Datum zum zweiten Mal geimpft wurde. Dies ist ebenso unbestritten, wie die vorinstanzliche Annahme, dass die erste Impfung komplikationslos verlaufen war. Es ist deshalb überzeugend anzunehmen, es sei unwahrscheinlich, dass die Eltern der Beschwerdeführerin von der Einwilligung in die zweite Impfung abgesehen hätten. Dies selbst unter der Annahme, der Beschwerdegegner habe sie vor der zweiten Impfung ausführlich über die verschiedenen, gelegentlich bis sehr selten auftretenden Nebenwirkungen informiert. Es habe denn auch nicht der Sinn einer Aufklärung sein können, von einer Zweitimpfung abzuraten, da erst diese den Impfschutz gewährleiste. Angesichts des problemlosen Verlaufs der ersten Impfung sei anzunehmen, dass die Eltern der Beschwerdeführerin trotz des geringen Risikos einer unerwünschten Nebenwirkung in die Impfung eingewilligt hätten. Dies gelte umso mehr, als sie Impfungen nicht grundsätzlich kritisch gegenüber gestanden seien. Die Beschwerdeführerin setzt sich auch mit dieser Argumentation nicht auseinander.  
 
2.2.3. Die Vorinstanz verletzt kein Bundesrecht, wenn sie erwägt, der Beweis mangelnder Aufklärung und infolge dessen fehlender Einwilligung in die Impfung lasse sich mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht führen. Es kann offen bleiben, ob die Vorinstanz auch einen Kausalzusammenhang zwischen der Impfung und der Entwicklungsstörung zu Recht verneint. Sie begründet dies jedoch ebenfalls überzeugend.  
 
2.3. Die Beschwerdeführerin rügt, die Vorinstanz habe ihr die unentgeltliche Rechtspflege zu Unrecht verweigert. Sie legt jedoch nicht dar, inwiefern die Vorinstanz Bundesrecht verletzt, wenn sie annimmt, die Beschwerde sei aussichtslos. Solches ist praxisgemäss anzunehmen, wenn die Gewinnaussichten eines Begehrens beträchtlich geringer sind als die Verlustgefahren, sodass dieses kaum als ernsthaft bezeichnet werden kann (Art. 29 Abs. 3 BV; vgl. BGE 138 III 217 E. 2.2.4; 129 I 129 E. 2.3.1).  
 
2.4. Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege ist infolge Aussichtslosigkeit abzuweisen. Die Gerichtskosten sind der Beschwerdeführerin aufzuerlegen (Art. 64 Abs. 1 BGG). Bei deren Festsetzung ist ihrer finanziellen Lage Rechnung zu tragen.  
 
 
 Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf eingetreten wird. 
 
2.   
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen. 
 
3.   
Die Gerichtskosten von Fr. 800.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt. 
 
4.   
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zürich, III. Strafkammer, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 13. Februar 2017 
 
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Denys 
 
Der Gerichtsschreiber: Matt