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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
5A_838/2016  
   
   
 
 
 
Urteil vom 13. März 2017  
 
II. zivilrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichterin Escher, präsidierendes Mitglied, 
Bundesrichter Marazzi, Schöbi, 
Gerichtsschreiber Buss. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________ GmbH, 
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Michael Iten, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
B.________ GmbH, 
vertreten durch Rechtsanwalt Jan Donghi, 
Beschwerdegegnerin, 
 
Betreibungsamt U.________. 
 
Gegenstand 
Nichtigkeit einer Betreibung, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts 
des Kantons Zug, II. Beschwerdeabteilung, Aufsichtsbehörde über Schuldbetreibung und 
Konkurs, vom 20. Oktober 2016. 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Im Juli 2016 liess die B.________ GmbH die A.________ GmbH für einen Betrag von 3 Millionen Franken zuzüglich Zins von 5 % seit 18. Juli 2016 betreiben. Als Grund der Forderung gab sie an: "Anwalts- und Beratungskosten, Schadenersatzansprüche aus Verletzung/Kündigung Kooperationsvertrag; Marktverwirrungsschaden; Gewinnherausgabe für Kennzeichenverletzung; Rufschädigung; Verjährungsunterbrech." Der Zahlungsbefehl vom 19. Juli 2016 in der Betreibung Nr. xxx des Betreibungsamtes U.________ wurde der A.________ GmbH am 3. August 2016 zugestellt, worauf diese am 8. August 2016 Rechtsvorschlag erhob. 
 
B.  
Mit Eingabe vom 16. August 2016 erhob die A.________ GmbH Beschwerde an das Obergericht des Kantons Zug als Aufsichtsbehörde über Schuldbetreibung und Konkurs und verlangte, die Betreibung Nr. xxx des Betreibungsamtes U.________ sowie den in dieser Betreibung erlassenen Zahlungsbefehl für nichtig zu erklären, eventualiter aufzuheben. Das Betreibungsamt sei anzuweisen, die Betreibung Nr. xxx im Betreibungsregister zu löschen. Mit Urteil vom 20. Oktober 2016 wies das Obergericht die Beschwerde ab. 
 
C.  
Mit Eingabe vom 7. November 2016 ist die A.________ GmbH (Beschwerdeführerin) an das Bundesgericht gelangt. Sie beantragt die Aufhebung des obergerichtlichen Urteils und erneuert im Wesentlichen ihre im kantonalen Verfahren gestellten Begehren. 
Das Bundesgericht hat die Akten beigezogen, aber keine Vernehmlassungen eingeholt. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Entscheide der oberen oder einzigen kantonalen Aufsichtsbehörde in Schuldbetreibungs- und Konkurssachen unterliegen streitwertunabhängig der Beschwerde in Zivilsachen (Art. 72 Abs. 2 lit. a, Art. 74 Abs. 2 lit. c und Art. 75 Abs. 1 BGG).  
 
1.2. Mit vorliegender Beschwerde kann u.a die Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG). In der Beschwerdeschrift ist in gedrängter Form darzulegen, inwiefern der angefochtene Akt Recht verletzt (Art. 42 Abs. 2 BGG). Die Verletzung von verfassungsmässigen Rechten ist in der Beschwerdeschrift vorzubringen und zu begründen (Art. 106 Abs. 2 BGG), wobei das Rügeprinzip gilt (BGE 133 III 589 E. 2 S. 591).  
 
2.  
Vorliegend ist umstritten, ob die Beschwerdegegnerin die gegenständliche Betreibung Nr. xxx rechtsmissbräuchlich angestrengt hatte, was von der (einzigen) kantonalen Aufsichtsbehörde verneint wurde. Die Beschwerdeführerin macht im Wesentlichen geltend, dass die Beschwerdegegnerin das Instrument der Betreibung missbraucht habe, um sich einen Wettbewerbsvorteil zu verschaffen. 
 
2.1. Das SchKG erlaubt die Einleitung eines Betreibungsverfahrens, ohne dass der Betreibende den Bestand seiner Forderung nachweisen muss. Ein Zahlungsbefehl als Grundlage des Vollstreckungsverfahrens kann grundsätzlich gegenüber jedermann erwirkt werden, unabhängig davon, ob tatsächlich eine Schuld besteht oder nicht (BGE 125 III 149 E. 2a S. 150; 113 III 2 E. 2b S. 3; Urteil 5A_773/2014 vom 10. Juli 2015 E. 3.1 mit Hinweisen).  
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichts ist die Schwelle zum Rechtsmissbrauch erst dann überschritten, wenn mit der Betreibung offensichtlich Ziele verfolgt werden, die mit der Zwangsvollstreckung nicht das Geringste zu tun haben. Nichtigkeit wegen Rechtsmissbrauchs kann dann vorliegen, wenn mit einer Betreibung sachfremde Ziele verfolgt werden, etwa wenn bloss die Kreditwürdigkeit des (angeblichen) Schuldners geschädigt werden soll oder wenn zwecks Schikane ein völlig übersetzter Betrag in Betreibung gesetzt wird (vgl. 140 III 481 E. 2.3.1 S. 483 mit Hinweisen). Allerdings steht es weder dem Betreibungsamt noch der Aufsichtsbehörde zu, über die Begründetheit der in Betreibung gesetzten Forderung zu entscheiden. Der Vorwurf des Betriebenen darf sich deshalb nicht darauf beschränken, dass der umstrittene Anspruch rechtsmissbräuchlich erhoben werde. Solange der Betreibende mit der Betreibung tatsächlich die Einforderung eines von ihm behaupteten Anspruchs bezweckt, ist Rechtsmissbrauch weitgehend ausgeschlossen (vgl. BGE 113 III 2 E. 2b S. 4; Urteil 5A_250/2015 vom 10. September 2015 E. 4.1; THOMAS ENGLER, Die nichtige Betreibung, ZZZ 2016 S. 48). 
 
2.2. Auf Beschwerde gemäss Art. 72 ff. BGG hin kann das Bundesgericht als Rechtsfrage prüfen, ob die kantonale Aufsichtsbehörde von einem zutreffenden Begriff des offenbaren Rechtsmissbrauchs ausgegangen ist. Vorbehältlich ausnahmsweise zutreffender Sachverhaltsrügen (Art. 97 Abs. 1 BGG) legt das Bundesgericht seinem Entscheid die Tatsachenfeststellungen der kantonalen Aufsichtsbehörde insbesondere darüber zugrunde, vor welchem Hintergrund und mit welcher Absicht der Betreibende seine Betreibung angehoben hat (Art. 105 Abs. 1 BGG; vgl. BGE 115 III 18 E. 3c S. 21 f.; Urteile 5A_317/2015 vom 13. Oktober 2015 E. 2.2, in: Pra 2016 Nr. 7 S. 55; 5A_588/2011 vom 18. November 2011 E. 3.3).  
 
2.3. Die Vorinstanz hat namentlich gewürdigt, dass die Beschwerdegegnerin im Beschwerdeverfahren die Hintergründe der Betreibung beleuchtet und auch Angaben zur Plausibilität ihrer Forderung gemacht hat. So habe die Beschwerdegegnerin ausgeführt, die Höhe der (Schadenersatz-) Forderung ergebe sich aus der "Umsatzstärke der Parteien", der "Erheblichkeit und Anzahl der Verstösse der Beschwerdeführerin", der "Vielzahl der durchgeführten und noch andauernden Rechtsverfahren" und der "langen Dauer, während der die Beschwerdeführerin insbesondere gegen marken- und kennzeichenrechtliche Bestimmungen verstossen habe". Eine (Schadenersatz-) Forderung in der Höhe eines Pauschalbetrags von 3 Millionen Franken im Zusammenhang mit der Verletzung von Markenrecht, Namensrecht und unlauterem Wettbewerb erscheine nicht derart abwegig, dass darin ein Indiz für eine rechtsmissbräuchliche Betreibung erblickt werden könnte. Im Übrigen sei es nicht Aufgabe der Aufsichtsbehörde über die Begründetheit der in Betreibung gesetzten Forderung zu entscheiden. Entsprechend seien auch die Ausführungen der Parteien über die Gründe des Abbruchs der Geschäftsbeziehungen bzw. die damit zusammenhängenden gegenseitigen Vorwürfe für das vorliegende Verfahren irrelevant. Sodann hat die Vorinstanz den zeitlichen Konnex zwischen der gegenständlichen Betreibung und dem Entscheid des Handelsgerichts St. Gallen vom 5. Juli 2016 hervorgehoben, aus welchem sich nach Auffassung der Beschwerdegegnerin die dem Schadenersatzanspruch zugrundeliegenden Verletzungen betreffend Marken- und Kennzeichnungsrecht klar ergäben. Diesen Entscheid habe die Beschwerdegegnerin auf entsprechende Aufforderung des Betreibungsamtes gemäss Art. 73 SchKG eingereicht und er sei der Beschwerdeführerin im Übrigen aus dem entsprechenden Verfahren vor dem Handelsgericht St. Gallen auch bekannt gewesen. Die Beschwerdegegnerin habe die Betreibung nicht als Retorsionsmassnahme auf das erst- und zweitinstanzliche Unterliegen im Beschwerdeverfahren im Kanton St. Gallen betreffend Rechtsmissbräuchlichkeit einer von der Beschwerdeführerin im August 2015 eingeleiteten Betreibung angestrengt. Schliesslich hat die Vorinstanz unter Hinweis auf ein Urteil des Bundesgerichts (5A_250/2015 vom 10. September 2015 E. 4.2) das Mittel der Verjährungsunterbrechung ausführlich erörtert. Mit der Betreibung zur Unterbrechung der Verjährung werde weder ein sachfremdes Ziel verfolgt, noch könne von blosser Absich t zur Schädigung der Kreditwürdigkeit oder Schikane gesprochen werden.  
 
2.4. Inwieweit die Vorinstanz in Willkür verfallen sein soll, wenn sie von einer fehlenden Retorsionsabsicht ausgegangen ist, ist nicht ersichtlich. Der Zahlungsbefehl in der von der Beschwerdeführerin eingeleiteten Betreibung über den Betrag von Fr. 3'911'331.49 wurde der Beschwerdegegnerin bereits am 26. August 2015 zugestellt. Obwohl die von der Beschwerdegegnerin dagegen erhobene Beschwerde zweitinstanzlich durch das Kantonsgericht St. Gallen als obere kantonale Aufsichtsbehörde für Schuldbetreibung und Konkurs erst am 28. Juni 2016 abgewiesen wurde, scheint die Würdigung der Vorinstanz einleuchtend und jedenfalls nicht offensichtlich unhaltbar, dass die Beschwerdegegnerin die gegenständliche Betreibung bereits viel früher eingeleitet hätte, wenn sie damit bloss einen Racheakt bezweckt hätte. Die gegenteiligen Vorbringen der Beschwerdeführerin sind bloss appellatorischer Natur. Wie die Vorinstanz unter Beachtung ihrer Kognition zutreffend erkannt hat, kann - anders als z.B. in den den Urteilen 5A_588/2011 vom 18. November 2011 und 5A_453/2016 vom 30. August 2016 zugrunde liegenden Sachverhalten - auch nicht davon gesprochen werden, dass die betreibende Partei die Forderung nicht im Ansatz zu plausibilisieren vermocht hätte. Ob die Forderung tatsächlich besteht und durchgesetzt werden kann, ist - wie erwähnt (s. E. 2.1 vorne) - nicht entscheidend. Schliesslich sind die Vorwürfe, die Vorinstanz habe keine Gesamtschau vorgenommen sowie das Konkurrenzverhältnis und die "schwerwiegenden und zahlreichen prozessualen Auseinandersetzungen" zwischen den Parteien ausser Acht gelassen bloss allgemeiner Art und vermögen den Schluss der Vorinstanz, es gehe der Beschwerdegegnerin tatsächlich um die Durchsetzung einer behaupteten Forderung, nicht als bundesrechtswidrig auszuweisen. Folglich hat die Vorinstanz kein Bundesrecht verletzt, wenn sie den Ausnahmefall des offensichtlichen Rechtsmissbrauchs vorliegend als nicht gegeben erachtet hat.  
 
3.  
Aus den dargelegten Gründen muss die Beschwerde abgewiesen werden, soweit darauf einzutreten ist. Bei diesem Ausgang des Verfahrens wird die Beschwerdeführerin kosten-, nicht hingegen entschädigungspflichtig, zumal keine Vernehmlassungen eingeholt wurden (Art. 66 Abs. 1 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
 
2.   
Die Gerichtskosten von Fr. 5'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt. 
 
3.   
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Betreibungsamt U.________ und dem Obergericht des Kantons Zug, II. Beschwerdeabteilung, Aufsichtsbehörde über Schuldbetreibung und Konkurs, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 13. März 2017 
 
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Das präsidierende Mitglied: Escher 
 
Der Gerichtsschreiber: Buss