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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
{T 0/2} 
 
6B_666/2012  
   
   
 
 
 
 
Urteil vom 13. Juni 2013  
 
Strafrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Mathys, Präsident, 
Bundesrichterin Jacquemoud-Rossari, 
Bundesrichter Oberholzer, 
Gerichtsschreiber Briw. 
 
Verfahrensbeteiligte 
X.________,  
vertreten durch Rechtsanwältin Manuela B. Vock, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich, Florhofgasse 2, 8001 Zürich,  
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Versuchte Nötigung, mehrfache sexuelle Belästigung; Willkür, rechtliches Gehör, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich, II. Strafkammer, vom 11. September 2012. 
 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Nach der Anklageschrift begegnete Y.________ anfangs des Jahres 2008 erstmals X.________ in einer Sportanlage. Er versuchte sie anzusprechen, beobachtete sie und trainierte möglichst neben ihr. Sie gab ihm zu verstehen, dass sie kein Interesse an ihm hatte. In der Folge trainierte sie in einem anderen Fitnesszentrum und ab Oktober 2009 wieder in der Sportanlage, wo sie auch Kindern Turnstunden gab. Er sprach sie erneut gegen ihren Willen an und beschimpfte sie. Ende November/Anfang Dezember 2009 hielt er sie an den Oberarmen fest und fragte nach dem Namen ihres Freundes. Sonst werde sie schon sehen, was passiere. Sie entwand sich seinem Griff und rannte in die Garderobe. Am 5. Januar 2010 sandte X.________ ihrem Freund eine SMS: "Danke, dass ich mir Y.________ einige Male ausleihen durfte (...) ". Am 25. Januar 2010 schrieb er ein E-Mail an mehrere Adressen und an die Schulleitung des Kindergartens. Y.________ habe eine Brustvergrösserung vornehmen lassen. Er bezweifle, dass das "zur Schau gestellte Frauenbild von der Schulleitung geteilt wird". Ab Ende November 2009 ging er in der Sportanlage jeweils hinter ihr durch, wenn sie am Crosstrainer war, und streifte seine Hand von hinten über ihre Brust, drückte ihr den Oberarm und sagte "Hallo". Die Staatsanwaltschaft klagte ihn wegen mehrfacher Nötigung, eventuell Drohung, sowie wegen mehrfacher sexueller Belästigung an. 
 
B.  
Das Bezirksgericht Zürich (Einzelgericht) fand X.________ am 19. Dezember 2011 der versuchten Nötigung (Ende November/Anfang Dezember 2009) schuldig und sprach ihn im Übrigen frei. 
 
 Auf Berufung von X.________ sowie Anschlussberufungen von Y.________ und der Staatsanwaltschaft sprach ihn das Obergericht des Kantons Zürich am 11. September 2012 der versuchten Nötigung (Ende November/Anfang Dezember 2009) und der mehrfachen sexuellen Belästigung (Berühren der Brust) schuldig. Von der Anklage der mehrfachen Nötigung sprach es ihn frei. Es bestrafte ihn mit einer bedingten Geldstrafe von 45 Tagessätzen zu Fr. 100.-- sowie Fr. 1'000.-- Busse. 
 
C.  
X.________ erhebt Beschwerde in Strafsachen mit den Anträgen, das obergerichtliche Urteil aufzuheben, die Sache zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen und ihm die unentgeltliche Rechtspflege zu gewähren. 
 
 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung von Art. 343 StPO. Die Vorinstanz sei angesichts widersprüchlicher Aussagen der Geschädigten gehalten gewesen, diese einzuvernehmen, obwohl er das im Berufungsverfahren nicht beantragte.  
 
 Vor der Vorinstanz verzichteten der Beschwerdeführer und die Staatsanwaltschaft auf eine Beweisergänzung. Anträge des Beschwerdeführers auf Datenauswertung und der Geschädigten auf Schriftedition wies die Vorinstanz ab (Urteil S. 8). 
 
 Gemäss Art. 343 StPO, der auch im Berufungsverfahren Anwendung findet (Art. 405 Abs. 1 StPO), erhebt das Gericht neue und ergänzt unvollständige Beweise (vgl. Urteil 6B_614/2012 vom 15. Februar 2013 E. 3.1). Die Vorinstanz sah keine Veranlassung für weitere Einvernahmen. Nachdem der Beschwerdeführer auf Beweisergänzungen verzichtet hatte, verletzte sie kein Bundesrecht. 
 
1.2. Der Beschwerdeführer macht sinngemäss eine Verletzung von Art. 29 Abs. 2 BV geltend. Er habe zum Vorwurf der mehrfachen sexuelle Belästigung mangels Beschwer nicht plädiert. Die Vorinstanz hätte ihn darauf aufmerksam machen müssen, dass eine solche Verurteilung im Raume stand (Beschwerde S. 12).  
 
 In beiden Anschlussberufungen wurden Schuldsprüche wegen mehrfacher sexueller Belästigung beantragt (Urteil S. 5 und 6). Es war klar, dass die Vorinstanz die Anklage beurteilen musste und eine Verurteilung in Betracht kam. Eine Gehörsverletzung ist nicht ersichtlich. 
 
1.3. Der Beschwerdeführer bringt vor, er habe in einem "Selbstversuch" dokumentiert, dass eine Brustberührung während der Benutzung des Crosstrainers nicht möglich ist. Die Vorinstanz habe diesen entlastenden Umstand nicht gewürdigt und sein rechtliches Gehör verletzt (Beschwerde S. 15).  
 
 Das Gericht muss sich mit erheblichen Vorbringen auseinandersetzten (BGE 136 I 229 E. 5.2). Das Training am Crosstrainer oder an der "Stepmaschine" (Aussage der Geschädigten am 25. Januar 2010; kantonale Akten, act. 4) verunmöglicht eine Brustberührung keineswegs. 
 
 Die Vorinstanz verweist zur Glaubwürdigkeit der Befragten und Glaubhaftigkeit ihrer Aussagen auf überzeugende Ausführungen der Erstinstanz (Urteil S. 9). Sie setzte sich mit dieser Frage auseinander. 
 
2.  
Der Beschwerdeführer erklärt, die Beweiswürdigung sei einseitig, unvollständig, teilweise aktenwidrig und willkürlich. 
 
2.1. Das Bundesgericht ist an den festgestellten Sachverhalt gebunden (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann einzig gerügt werden, dieser sei offensichtlich unrichtig festgestellt worden oder beruhe auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG und die Behebung des Mangels sei für den Ausgang des Verfahrens entscheidend (Art. 97 Abs. 1 BGG). "Offensichtlich unrichtig" bedeutet "willkürlich" (BGE 136 II 304 E. 2.4). Die Beweiswürdigung ist willkürlich, wenn sie unhaltbar ist oder mit der tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch steht (BGE 135 I 313 E. 1.3). Das Bundesgericht hebt einen Entscheid nur auf, wenn er nicht bloss in der Begründung, sondern im Ergebnis unhaltbar ist. Dass eine andere Lösung ebenfalls vertretbar oder zutreffender erscheint, genügt nicht (BGE 134 I 140 E. 5.4). Auf appellatorische Kritik am Urteil ist nicht einzutreten (BGE 137 IV 1 E. 4.2.3 S. 5; 134 II 244 E. 2.2 ).  
 
2.2. Zum Schuldspruch wegen versuchter Nötigung (Ende November/ Anfang Dezember 2009) erläutert der Beschwerdeführer ausführlich, warum der Sachverhalt nicht zutreffen könne.  
 
 Die Aussagen der Geschädigten sind ein vollwertiges Beweismittel und frei zu würdigen (Art. 10 Abs. 2 StPO; vgl. Urteil 6B_97/2013 vom 15. April 2013 E. 2.6). Die Geschädigte erklärte in ihrer Befragung am 29. April 2010 (act. 7/1), dass der Beschwerdeführer sie mit beiden Händen an den Oberarmen festhielt und den Namen ihres Freundes wissen wollte (Urteil S. 12). Entscheidend ist, dass er sie im Griff hielt, um sie zu einer Auskunft zu zwingen. Es ist kein Grund ersichtlich, warum diese Aussage nicht glaubhaft sein sollte. 
 
2.3. Auch beim Sachverhalt betreffend die mehrfache sexuelle Belästigung handelt es sich nicht um "eine reine Mutmassung" der Vorinstanz. Entscheidend sind die Aussagen der Geschädigten (Einvernahmen vom 25. Januar und 29. April 2010; act. 4 und 7/1). Weshalb die Vorinstanz an der Kernaussage der Geschädigten hätte zweifeln müssen, ist nicht ersichtlich. Die Einwände und Bestreitungen des Beschwerdeführers sind appellatorisch.  
 
3.  
Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege ist wegen Aussichtslosigkeit der Rechtsbegehren (vgl. BGE 138 III 217 E. 2.2.4) abzuweisen (Art. 64 BGG). Der finanziellen Lage des Beschwerdeführers ist mit herabgesetzten Gerichtskosten Rechnung zu tragen (Art. 65 Abs. 2 und Art. 66 Abs. 1 BGG). 
 
 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
 
2.  
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen. 
 
3.  
Die Gerichtskosten von Fr. 800.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
4.  
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Obergericht des Kantons Zürich, II. Strafkammer, und Y.________ schriftlich mitgeteilt. 
 
Lausanne, 13. Juni 2013 
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Mathys 
 
Der Gerichtsschreiber: Briw