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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
9C_52/2017  
   
   
 
 
 
Urteil vom 13. Juni 2017  
 
II. sozialrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichterin Pfiffner, Präsidentin, 
Bundesrichterinnen Glanzmann, Moser-Szeless, 
Gerichtsschreiber R. Widmer. 
 
Verfahrensbeteiligte 
Stiftung Auffangeinrichtung BVG, 
vertreten durch Advokatin Gertrud Baud, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Thomas Stark, 
Beschwerdegegner. 
 
Gegenstand 
Berufliche Vorsorge, 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich vom 12. Dezember 2016. 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.   
Der 1969 geborene A.________ arbeitete als Lagerist. Von März 2009 bis Oktober 2010 war er arbeitslos und bei der Stiftung Auffangeinrichtung BVG für die berufliche Vorsorge versichert. Mit Verfügung vom 10. Januar 2014 sprach ihm die IV-Stelle des Kantons Zürich rückwirkend ab 1. August 2012 aufgrund einer ausgeprägten, zu voller Arbeitsunfähigkeit führenden Cervicobrachialgie links mit Wurzelreizsymptomatik C6 und C7 bei massiven degenerativen Veränderungen der Segmente C5/6 und C6/7 eine ganze Rente der Invalidenversicherung zu. 
 
B.   
Am 12. April 2013 ersuchte der Versicherte die Stiftung Auffangeinrichtung BVG um Gewährung von Invalidenleistungen aus der beruflichen Vorsorge. Dieses Gesuch beschied die Stiftung abschlägig. Am 2. Februar 2015 liess A.________ beim Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich Klage gegen die Stiftung Auffangeinrichtung BVG einreichen. Mit Entscheid vom 12. Dezember 2016 verpflichtete das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich die Stiftung in Gutheissung der Klage, dem Versicherten rückwirkend ab 1. August 2012 eine volle Invalidenrente der beruflichen Vorsorge auszurichten, zuzüglich Verzinsung der monatlichen Rentenbetreffnisse im Sinne der Erwägungen. 
 
C.   
Die Stiftung Auffangeinrichtung BVG führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten mit dem Rechtsbegehren, unter Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheides sei festzustellen, dass sie nicht leistungspflichtig ist. 
Während der Versicherte auf Abweisung der Beschwerde schliessen und um Bewilligung der unentgeltlichen Rechtspflege ersuchen lässt, verzichtet das Bundesamt für Sozialversicherungen auf eine Vernehmlassung. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.   
Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann u.a. die Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG), die Feststellung des Sachverhalts nur, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 lit. a BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG). Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG). 
 
2.   
Die Vorinstanz hat die Bestimmungen über den Anspruch auf Invalidenleistungen und deren Umfang (Art. 23 lit. a und 24 Abs. 1 BVG) sowie die Rechtsprechung zum erforderlichen engen sachlichen und zeitlichen Zusammenhang zwischen der während des Vorsorgeverhältnisses eingetretenen Arbeitsunfähigkeit und einer nach Beendigung des Vorsorgeverhältnisses eingetretenen Invalidität (BGE 130 V 270 E. 4.1 S. 275 mit Hinweisen) zutreffend dargelegt. Es wird darauf verwiesen. 
 
Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass für den Eintritt der Arbeitsunfähigkeit im Sinne von Art. 23 lit. a BVG die Einbusse an funktionellem Leistungsvermögen im bisherigen Beruf massgeblich ist. Der zeitliche Zusammenhang zur später eingetretenen Invalidität als weitere Voraussetzung für den Anspruch auf Invalidenleistungen der damaligen Vorsorgeeinrichtung beurteilt sich hingegen nach der Arbeitsunfähigkeit resp. Arbeitsfähigkeit in einer der gesundheitlichen Beeinträchtigung angepassten zumutbaren Tätigkeit. Darunter fallen auch leistungsmässig und vom Anforderungsprofil her vergleichbare Ausbildungen. Diese Tätigkeiten müssen jedoch bezogen auf die angestammte Tätigkeit die Erzielung eines rentenausschliessenden Einkommens erlauben (BGE 134 V 20 E. 5.3 S. 27). 
 
3.  
 
3.1. Die Vorinstanz gelangte in Würdigung der medizinischen Unterlagen zur Auffassung, dass nebst dem unbestrittenen sachlichen auch der zeitliche Zusammenhang zwischen der während der Versicherungsdauer bei der Stiftung Auffangeinrichtung BVG eingetretenen Arbeitsunfähigkeit und der ab Dezember 2011 durch echtzeitliche ärztliche Berichte ausgewiesenen Invalidität ein ununterbrochener zeitlicher Zusammenhang erstellt sei, auch wenn für den Zeitraum von Mitte Januar 2010 bis Dezember 2011 ärztliche Stellungnahmen zur Arbeitsunfähigkeit fehlen. Für diese Zeitspanne sei von einer erheblichen kontinuierlichen qualitativen Einschränkung der Arbeitsfähigkeit mit intermittierend auch quantitativen Limitierungen aufgrund der nämlichen Gesundheitsstörung auszugehen.  
 
3.2. Die Beschwerdeführerin wirft der Vorinstanz vor, den rechtserheblichen Sachverhalt offensichtlich unrichtig ermittelt zu haben. Daher habe sie zu Unrecht geschlossen, dass der zeitliche Konnex nicht unterbrochen wurde. Weiter macht die Vorsorgeeinrichtung geltend, im Gesundheitszustand des Versicherten sei zwischen Januar 2010 und Dezember 2011 eine Besserung eingetreten; dies gehe aus mehreren Arztberichten und der Tatsache hervor, dass er in den Monaten Juli bis September 2011 jeweils während einiger Tage bei der früheren Arbeitgeberin B.________ AG tätig gewesen sei. Gesundheitliche Probleme habe diese nicht festgestellt. Soweit das kantonale Gericht eine qualitative Einschränkung für belegt und deswegen den zeitlichen Konnex als nicht unterbrochen erachtet, handle es sich um reine Spekulation. Die Beweiswürdigung sei willkürlich. Eine zu Recht auch vom kantonalen Gericht vorausgesetzte überzeugende medizinische Einschätzung, ordentlicherweise echtzeitlicher Natur, fehle.  
 
4.   
Streitig ist, ob der für die Leistungspflicht der Vorsorgeeinrichtung vorausgesetzte zeitliche Zusammenhang zwischen dem Eintritt der Arbeitsunfähigkeit und der nach Beendigung des Vorsorgeverhältnisses mit der Beschwerdeführerin gemäss Feststellungen der IV-Stelle am 1. August 2012 eingetretenen Invalidität gegeben ist, wie die Vorinstanz annimmt, oder ob dieser Konnex entsprechend den Einwendungen der Beschwerdeführerin unterbrochen wurde. Dabei geht es um die Zeitspanne zwischen Januar 2010 und Dezember 2011, für welche keine echtzeitlichen ärztlichen Bescheinigungen zum Grad der Arbeitsunfähigkeit vorhanden sind. 
 
4.1. Dem kantonalen Gericht ist nicht entgangen, dass die rechtsprechungsgemäss für den Nachweis des zeitlichen Zusammenhangs zwischen Eintritt der Arbeitsunfähigkeit und Beginn der Invalidität vorausgesetzten echtzeitlichen Arztberichte für den Zeitraum von Januar 2010 bis Dezember 2011 nicht vorliegen, die im angefochtenen Entscheid angenommene, ohne wesentlichen Unterbruch andauernde Arbeitsunfähigkeit, insbesondere in einer der gesundheitlichen Beeinträchtigung angepassten zumutbaren Tätigkeit, somit nicht hinreichend erstellt ist. Im Entscheid der Vorinstanz findet sich denn auch keine klare Aussage des Inhalts, dass der Beschwerdegegner ohne wesentlichen Unterbruch in einem bestimmten Ausmass arbeitsunfähig gewesen sei. Es wird im Gegenteil festgestellt, dass der Versicherte zwischen Dezember 2009/Januar 2010 und Dezember 2011 mit überwiegender Wahrscheinlichkeit für leichte, wechselbelastende und nackenschonende Tätigkeiten ganztätig einsatzfähig war, er damit aber sein vor April 2009 bestandene Arbeitsfähigkeit nicht vollständig wiedererlangt hatte.  
 
Wenn die Vorinstanz für den Zeitraum von 2009 bis 2011 von einer - invalidenversicherungsrechtlich erheblichen - kontinuierlichen qualitativen Einschränkung der Arbeitsfähigkeit mit intermittierend auch quantitativen Limitierungen aufgrund der nämlichen Gesundheitsstörung ausgeht, nimmt sie eine unzulässige Interpretation der medizinischen Befunde, namentlich bildgebender Art, vor, welche dem Arzt oder der Ärztin vorbehalten ist. Mit diesem der gefestigten Rechtsprechung zuwiderlaufenden Vorgehen und mit der Schlussfolgerung, wegen Fehlens echtzeitlicher ärztlicher Bescheinigungen während rund zweier Jahre könne nicht angenommen werden, dass der zeitliche Zusammenhang unterbrochen wurde, hat die Vorinstanz die bundesrechtlichen Beweis- und Beweislastregeln verletzt. Es geht nicht an, den fehlenden Nachweis einer (relevanten) Arbeitsunfähigkeit in einer leidensangepasste Tätigkeit durch spekulative Überlegungen (oder nachträglichen medizinischen Annahmen) zu ersetzen. Was die Aussage zum fehlenden Zusammenhang betrifft, ist daran zu erinnern, dass aus beweisrechtlicher Sicht der unbewiesen gebliebene zeitliche Konnex sich zum Nachteil des Versicherten auswirkt, der aus dem geltend gemachten Sachverhalt - dem zeitlichen Zusammenhang zwischen dem Eintritt der Arbeitsunfähigkeit und der später eingetretenen Invalidität - einen Anspruch auf Invalidenleistungen gemäss BVG ableiten wollte (Urteile 9C_915/2013 vom 2. April 2014 E. 2 und 9C_597/2008 vom 3. Dezember 2008 E. 2.2.1). 
 
4.2. Mit Blick auf die erwähnten Bundesrechtsverletzungen, die aus formellen (beweisrechtlichen), sinngemäss auch in der Beschwerde geltend gemachten, und materiellen Gründen (Bejahung des Leistungsanspruchs trotz Fehlens echtzeitlicher ärztlicher Arbeisunfähigkeitsatteste für die Dauer von beinahe zwei Jahren) zu einer Aufhebung des angefochtenen Entscheids führen, erübrigt sich eine nähere Prüfung der Frage, inwieweit zutrifft, ob die Vorinstanz den rechtserheblichen Sachverhalt willkürlich (E. 1 hievor) festgestellt und dabei spekulative Annahmen getroffen habe, wie ihr seitens der Beschwerdeführerin vorgeworfen wird.  
 
5.   
Dem Verfahrensausgang entsprechend sind die Gerichtskosten dem unterliegenden Beschwerdegegner aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 Satz 1 BGG). Da seinem Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege stattzugeben ist (Art. 64 Abs. 1 BGG), werden die Kosten vorläufig auf die Bundesgerichtskasse genommen. Sein Rechtsvertreter wird zufolge Gewährung der unentgeltlichen Verbeiständung aus der Bundesgerichtskasse entschädigt (Art. 64 Abs. 2 BGG). Der Beschwerdegegner wird indessen auf Art. 64 Abs. 4 BGG aufmerksam gemacht. Danach hat die Partei der Bundesgerichtskasse Ersatz zu leisten, wenn sie später dazu in der Lage ist. 
Hingegen hat die obsiegende Beschwerdeführerin als mit öffentlich-rechtlichen Aufgaben betraute Institution keinen Anspruch auf eine Parteientschädigung (Art. 68 Abs. 3 BGG). 
 
 
 Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird gutgeheissen und der Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich vom 12. Dezember 2016 aufgehoben. Die Klage des Beschwerdegegners wird abgewiesen. 
 
2.   
Dem Beschwerdegegner wird die unentgeltliche Rechtspflege gewährt. 
 
3.   
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden dem Beschwerdegegner auferlegt, indes vorläufig auf die Bundesgerichtskasse genommen. 
 
4.   
Rechtsanwalt Thomas Stark wird aus der Bundesgerichtskasse eine Entschädigung von Fr. 2'400.- ausgerichtet. 
 
5.   
Die Sache wird zur Neuverlegung der Parteientschädigung des vorangegangenen Verfahrens an das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich zurückgewiesen. 
 
6.   
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 13. Juni 2017 
 
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Die Präsidentin: Pfiffner 
 
Der Gerichtsschreiber: Widmer