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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
9C_576/2016  
   
   
 
 
 
Urteil vom 13. Juni 2017  
 
II. sozialrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichterin Pfiffner, Präsidentin, 
Bundesrichter Meyer, Bundesrichterin Moser-Szeless, 
Gerichtsschreiber Furrer. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Josef Flury, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
IV-Stelle Nidwalden, Stansstaderstrasse 88, 6371 Stans, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Invalidenversicherung (Arbeitsunfähigkeit; Invalideneinkommen), 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts Nidwalden vom 
21. März 2016. 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.   
A.________, gelernter Metallbauschlosser, zuletzt von 1. Juni 2012 bis 28. Februar 2013 als Mitarbeiter Schlosserei und Allrounder bei der B.________ AG vollzeitig angestellt gewesen, meldete sich am 10. Dezember 2012 unter Hinweis auf eine Depression bei der IV-Stelle Nidwalden (fortan: IV-Stelle) zum Leistungsbezug an. Die IV-Stelle gewährte Frühinterventionsmassnahmen in Form eines Belastbarkeitstrainings und veranlasste eine polydisziplinäre Begutachtung durch die SMAB AG, Bern (Expertise vom 16. Juni 2014). Nach durchgeführtem Vorbescheidverfahren, in dessen Rahmen u.a. ein Konsiliarbericht des Dr. med. C.________, Facharzt für Allgemeine Innere Medizin und Rheumatologie, vom 18. Mai 2015 zu den Akten gereicht wurde, und Stellungnahme des Regionalen Ärztlichen Dienstes verneinte die IV-Stelle mit Verfügung vom 9. Juni 2015 den Anspruch auf eine Invalidenrente (Invaliditätsgrad von 30 %). 
 
B.   
Eine hiegegen erhobene Beschwerde des A.________ wies das Verwaltungsgericht Nidwalden mit Entscheid vom 21. März 2016 ab. 
 
C.   
A.________ führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten mit dem Antrag, der angefochtene Entscheid und die Verfügung der IV-Stelle vom 9. Juni 2015 seien aufzuheben, und die Sache sei an die IV-Stelle zurückzuweisen, damit diese ergänzende medizinische Abklärungen treffe und hernach über den Rentenanspruch neu verfüge. Eventualiter sei ihm eine Rente ab dem frühestmöglichen Zeitpunkt zuzusprechen. Gleichzeitig ersucht er um unentgeltliche Rechtspflege im Sinne der Kostenbefreiung und der unentgeltlichen Verbeiständung. 
 
Die Beschwerdegegnerin trägt auf Abweisung der Beschwerde an, während sich das Bundesamt für Sozialversicherungen nicht vernehmen lässt. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.   
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen Rechtsverletzungen gemäss Art. 95 und 96 BGG erhoben werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Es legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz auf Rüge hin oder von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 beruht, und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 105 Abs. 2 BGG und Art. 97 Abs. 1 BGG). 
 
2.   
Die Vorinstanz hat die für die Beurteilung der Streitsache massgeblichen materiell- und beweisrechtlichen Grundlagen gemäss Gesetz und Rechtsprechung zutreffend dargelegt. Dies betrifft namentlich die Bestimmungen und Grundsätze zum Begriff der Invalidität (Art. 8 Abs. 1 ATSG in Verbindung mit Art. 4 Abs. 1 IVG), zur ärztlichen Aufgabe bei der Invaliditätsbemessung (BGE 140 V 193 E. 3.2 S. 195 f.; 132 V 93 E. 4 S. 99 f.), zum nach dem Grad der Invalidität abgestuften Anspruch auf eine Invalidenrente (Art. 28 Abs. 2 IVG) sowie zum Beweiswert und zur Beweiswürdigung medizinischer Berichte und Gutachten (BGE 134 V 231 E. 5.1 S. 232; 125 V 351 E. 3 S. 352 ff. mit Hinweisen). Darauf wird verwiesen. 
 
3.   
Das kantonale Gericht erwog nach einlässlicher Würdigung der medizinischen Akten, die polydisziplinäre Expertise der SMAB AG vom 16. Juni 2014 sei beweiskräftig, auch im Lichte der nach der Begutachtung entstandenen Arztberichte. Zu den monierten Widersprüchen in rheumatologischer Hinsicht legte die Vorinstanz dar, die von der SMAB-Expertin und Dr. med. C.________ beschriebenen Funktionseinbussen und Belastungsprofile divergierten nur marginal, Abweichungen ergäben sich primär in der Beurteilung der Arbeitsfähigkeit. Dabei falle u.a. auf, dass die Einschätzungen der beiden Rheumatologen auf unterschiedlichen Arbeitsprofilen beruhten. Während Dr. med. C.________ das Arbeitsprofil der letzten Tätigkeit nicht bekannt gewesen sei, habe die begutachtende Fachärztin eine Berufsanamnese erhoben. Gemäss dieser sei der Beschwerdeführer in den letzten Jahren nur noch in der Werkstatt tätig gewesen, wo er Kleinteile repariert bzw. angefertigt habe, ohne dass er durch krankheitsbedingte Beschwerden - insbesondere Rückenbeschwerden - eingeschränkt gewesen sei. Dr. med. C.________ habe zwar eine Gesundheitsverschlechterung festgehalten, doch habe er sich darauf beschränkt, pauschal auf die neu gestellten Diagnosen zu verweisen. Inwiefern diese Auswirkungen auf die funktionelle Leistungsfähigkeit hätten oder auch nicht, habe er offen gelassen. Damit vermöge er keine Zweifel am rheumatologischen Gutachten zu wecken. Gestützt auf das Gutachten, wonach der Beschwerdeführer in der zuletzt ausgeübten sowie in einer leidensadaptierten Tätigkeit ohne Minderung der Leistungsfähigkeit 70 % arbeitsfähig sei, hat die Vorinstanz die rentenverneinende Verfügung der IV-Stelle vom 10. Dezember 2012 bestätigt. 
 
4.   
Der Beschwerdeführer rügt im Wesentlichen, die Vorinstanz habe den Sachverhalt ungenügend abgeklärt und damit den Untersuchungsgrundsatz (Art. 61 lit. c ATSG) sowie den Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 29 Abs. 2 BV) verletzt, weil sie trotz des Berichts des Dr. med. C.________ vom 18. Mai 2015 auf weitere Abklärungen verzichtet habe. Gemäss diesem Bericht habe seit der Begutachtung durch die SMAB AG eine Verschlechterung des (somatischen) Gesundheitszustands stattgefunden, was anhand der neu hinzugekommenen bzw. verschlimmerten Diagnosen sowie der beschriebenen Funktionseinbussen und Belastungsprofile ersichtlich sei. Entgegen der Vorinstanz handle es sich nicht bloss um eine (unbeachtliche) abweichende Einschätzung der Arbeitsfähigkeit basierend auf demjenigen Sachverhalt, der schon von den SMAB-Gutachtern beurteilt worden sei, sondern es liege ein anderer Sachverhalt vor. 
 
Der Beschwerdeführer bringt nichts vor, was die für das Bundesgericht grundsätzlich verbindlichen (E. 1 hievor) vorinstanzlichen Feststellungen zur Arbeitsfähigkeit bzw. zur Frage, ob sich diese im Zeitraum zwischen Begutachtung und Erlass der Verfügung vom 9. Juni 2015 massgebend verändert hat (vgl. Urteil 9C_981/2012 vom 27. März 2013 E. 2), als offensichtlich unrichtig oder sonstwie bundesrechtswidrig erscheinen liesse. Allein der Umstand, dass - wie in concreto - seit der gutachtlichen Untersuchung neue Diagnosen gestellt wurden, ist mit dem kantonalen Gericht nicht entscheidend. Zwischen ärztlich gestellter Diagnose und Arbeitsunfähigkeit besteht - und zwar sowohl bei somatisch dominierten als auch bei psychisch dominierten Leiden - keine Korrelation (BGE 140 V 193 E. 3.1 S. 195 mit Hinweis). Was die bildgebend festgestellten Bandscheibenprotrusionen betrifft, stellte Dr. med. C.________ in der klinischen Untersuchung - abgesehen von der bereits von der rheumatologischen Gutachterin beschriebenen eingeschränkten Beweglichkeit der Lendenwirbelsäule - keine relevanten pathologischen Befunde fest, insbesondere fand er weder Anhaltspunkte für eine lumbo-radikuläre Reiz- oder Ausfallsymptomatik noch Zeichen einer Segmentsinstabilität. Auch betreffend die von Dr. med. C.________ diagnostizierte manifeste Coxarthrose rechts, die aktivierte mediale Gonarthrose links sowie die beidseitige Femoropatellararthrose sind mit Blick auf die körperliche Untersuchung - im Vergleich zu jener im Rahmen der Begutachtung - keine anspruchsrelevanten Veränderungen erkennbar. Damit kann der Beschwerdeführer aus diesen neuen bzw. im Schweregrad veränderten Diagnosen nichts zu seinen Gunsten ableiten. Was die ebenfalls neu diagnostizierte leichte Impingementsymptomatik der linken Schulter betrifft, leitete Dr. med. C.________ daraus zwar eine zusätzliche, potentiell relevante Einschränkung des Zumutbarkeitsprofils in Form des Ausschlusses von Verrichtungen mit dem linken Arm an bzw. über der Schulterhorizontalen ab. Nach den unbestritten gebliebenen Ausführungen der Sachverständigen hat die praktisch identische Einschränkung betreffend den rechten Arm indes keinerlei Auswirkungen auf die Arbeitsfähigkeit in der zuletzt ausgeübten Tätigkeit in der Werkstatt. Mithin ist davon auszugehen, dass Verrichtungen über der Schulterhorizontalen für diese Tätigkeit nicht erforderlich sind, womit die Impingementsymptomatik der linken Schulter keine Auswirkungen auf die Arbeitsfähigkeit in der bisherigen Tätigkeit zeitigt. Die weiteren Abweichungen des Zumutbarkeitsprofils sind allesamt untergeordneter Natur, wobei die Relevanz derselben in Bezug auf die zuletzt ausgeübte Tätigkeit weder ersichtlich ist noch vom Beschwerdeführer dargetan wird. 
 
Nach dem Gesagten ist der sinngemässe Schluss der Vorinstanz, die (tiefere) Einschätzung der Arbeitsfähigkeit des Rheumatologen Dr. med. C.________ basiere nicht auf massgeblich veränderten bzw. verschlechterten somatischen Verhältnissen, sondern sei der hohen Variabilität der medizinischen Folgenabschätzung (BGE 140 V 193 E. 3.1 S. 195) geschuldet, im Ergebnis nicht zu beanstanden. Entsprechend durfte das kantonale Gericht auf das beweiskräftige Gutachten abstellen und, ohne den Untersuchungsgrundsatz sowie den Anspruch auf rechtliches Gehör zu verletzen, in antizipierter Beweiswürdigung (BGE 124 V 90 E. 4b S. 94; 122 V 157 E. 1d S. 162) auf weitere medizinische Abklärungen verzichten. 
 
5.   
Betreffend die Invaliditätsbemessung moniert der Beschwerdeführer, Verwaltung und Vorinstanz hätten Art. 16 ATSG verletzt, indem sie für die Ermittlung des Invalideneinkommens auf den bei der letzten Tätigkeit effektiv erzielten Lohn abgestellt hätten, obschon dieses Arbeitsverhältnis aufgelöst worden sei. Weil somit von Vornherein nicht auf einen konkreten Lohn abgestellt werden könne, müsse das Invalideneinkommen anhand von Tabellenlöhnen festgesetzt werden. Dabei dränge sich die Gewährung eines leidensbedingten Abzugs auf. 
 
Diese Rüge dringt nicht durch. Für die Festsetzung des Invalideneinkommens ist nach der Rechtsprechung primär von der beruflich-erwerblichen Situation auszugehen, in welcher die versicherte Person konkret steht (BGE 135 V 297 E. 5.2 S. 301). Wenn eine versicherte Person trotz der gesundheitlichen Einschränkungen in der Lage ist, die bisher ausgeübte Erwerbstätigkeit weiterzuführen, allenfalls mit eingeschränkter Leistungsfähigkeit, besteht keine Notwendigkeit, statistische Werte beizuziehen (Urteile I 733/99 vom 31. Mai 2000 E. 4b/bb; 9C_599/2011 vom 13. Januar 2012 E. 4.1; vgl. auch MEYER/ REICHMUTH, Bundesgesetz über die Invalidenversicherung [IVG], 3. Aufl., 2014, Rz. 78 zu Art. 28a IVG). Nach den verbindlichen Feststellungen der Vorinstanz (E. 4 hievor) ist der Beschwerdeführer in der bisherigen Tätigkeit als Mitarbeiter Schlosserei und Allrounder bei der B.________ AG noch zu 70 % arbeitsfähig. Daher durften Verwaltung und kantonales Gericht - ohne Bundesrecht zu verletzen - zur Festsetzung des Invalideneinkommens konkrete Zahlen in Form des bei der letzten Arbeitsstelle in einem 100 %-Pensum erzielten Einkommens (von Fr. 71'500.-) heranziehen. Da sowohl beim Validen- als auch beim Invalideneinkommen vom gleichen Lohn ausgegangen wird, entspricht der Invaliditätsgrad dem Grad der Arbeitsunfähigkeit von 30 %. Damit muss es beim angefochtenen Entscheid sein Bewenden haben. 
 
6.   
Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend hat der Beschwerdeführer grundsätzlich die Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 Satz 1 BGG). Seinem Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege kann jedoch entsprochen werden (Art. 64 BGG). Er hat der Bundesgerichtskasse Ersatz zu leisten, wenn er später dazu in der Lage ist (Art. 64 Abs. 4 BGG). 
 
 
 Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.   
Dem Beschwerdeführer wird die unentgeltliche Rechtspflege gewährt und Rechtsanwalt Josef Flury wird als unentgeltlicher Anwalt bestellt. 
 
3.   
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt, indes vorläufig auf die Bundesgerichtskasse genommen. 
 
4.   
Dem Rechtsvertreter des Beschwerdeführers wird aus der Bundesgerichtskasse eine Entschädigung von Fr. 2'800.- ausgerichtet. 
 
5.   
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht Nidwalden, Sozialversicherungsrechtliche Abteilung, und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 13. Juni 2017 
 
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Die Präsidentin: Pfiffner 
 
Der Gerichtsschreiber: Furrer