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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
                 
 
 
1B_166/2018  
 
 
Urteil vom 13. Juni 2018  
 
I. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Merkli, Präsident, 
Bundesrichter Karlen, Fonjallaz, Eusebio, Kneubühler. 
Gerichtsschreiber Störi. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
Beschwerdeführer, 
vertreten durch Rechtsanwalt Karl Mathis, 
 
gegen  
 
Karl Knopf, 
c/o kantonale Staatsanwaltschaft des Kantons Aargau, 
Bleichemattstrasse 7, 5001 Aarau, 
Beschwerdegegner. 
 
Gegenstand 
Strafverfahren; Ausstand, 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Obergerichts des Kantons Aargau, Beschwerdekammer in Strafsachen, vom 12. Februar 2018 
(SBK.2017.386 / CHB / va [KSTA ST.2016.19]). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.   
Staatsanwalt Karl Knopf von der Staatsanwaltschaft des Kantons Aargau führt gegen A.________ eine Strafuntersuchung wegen ungetreuer Geschäftsbesorgung und weiterer Delikte. 
Am 12. Dezember 2017 stellte A.________ ein Ausstandsgesuch gegen Staatsanwalt Knopf, welches vom Obergericht des Kantons Aargau am 12. Februar 2018 abgewiesen wurde. 
 
B.   
Mit Beschwerde vom 28. März 2018 beantragt A.________, diesen Entscheid des Obergerichts aufzuheben, das Ausstandsgesuch gutzuheissen und Karl Knopf zu verpflichten, im Verfahren gegen ihn in den Ausstand zu treten. Eventuell sei die Sache zur Neubeurteilung ans Obergericht zurückzuweisen. 
 
C.   
Das Obergericht verzichtet auf Vernehmlassung. Staatsanwalt Knopf beantragt, die Beschwerde abzuweisen. 
A.________ hält in seiner Replik an der Beschwerde fest. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.   
Der angefochtene Entscheid schliesst das Strafverfahren nicht ab, er ermöglicht vielmehr dessen Weiterführung. Es handelt sich um einen selbständig eröffneten, kantonal letztinstanzlichen Zwischenentscheid über ein Ausstandsbegehren, gegen den die Beschwerde in Strafsachen nach Art. 92 Abs. 1 BGG zulässig ist. Als Beschuldigter ist der Beschwerdeführer zur Beschwerde berechtigt (Art. 81 Abs. 1 lit. a und b BGG). Die übrigen Sachurteilsvoraussetzungen geben zu keinen Bemerkungen Anlass, weshalb auf die Beschwerde einzutreten ist. 
 
2.  
 
2.1. Gemäss Art. 56 lit. f StPO tritt eine in einer Strafbehörde tätige Person in den Ausstand, wenn sie aus anderen Gründen, insbesondere wegen Freundschaft oder Feindschaft mit einer Partei oder deren Rechtsbeistand, befangen sein könnte. Bei dieser Bestimmung handelt es sich um eine Generalklausel, welche alle Ausstandsgründe erfasst, die in Art. 56 lit. a-e StPO nicht ausdrücklich vorgesehen sind. Sie entspricht Art. 30 Abs. 1 BV und Art. 6 Ziff. 1 EMRK. Danach hat jede Person Anspruch darauf, dass ihre Sache von einem unparteiischen, unvoreingenommenen und unbefangenen Richter ohne Einwirken sachfremder Umstände entschieden wird. Die Rechtsprechung nimmt Voreingenommenheit und Befangenheit an, wenn Umstände vorliegen, die bei objektiver Betrachtung geeignet sind, Misstrauen in die Unparteilichkeit des Richters zu erwecken. Solche Umstände können namentlich in einem bestimmten Verhalten des Richters begründet sein. Dabei ist nicht auf das subjektive Empfinden einer Partei abzustellen. Das Misstrauen in die Unvoreingenommenheit muss vielmehr in objektiver Weise begründet erscheinen. Es genügt, wenn Umstände vorliegen, die bei objektiver Betrachtung den Anschein der Befangenheit und Voreingenommenheit erwecken. Für die Ablehnung ist nicht erforderlich, dass der Richter tatsächlich befangen ist (BGE 141 IV 178 E. 3.2.1 S. 179 mit Hinweisen).  
 
2.2. Art. 30 Abs. 1 BV und Art. 6 Ziff. 1 EMRK sind bei der Ablehnung eines Staatsanwalts nur anwendbar, wenn er ausnahmsweise in richterlicher Funktion tätig wird, wie das bei Erlass eines Strafbefehls zutrifft. Amtet er jedoch als Strafuntersuchungsbehörde, beurteilt sich die Ausstandspflicht nach Art. 29 Abs. 1 BV. Wohl darf der Gehalt von Art. 30 Abs. 1 BV nicht unbesehen auf nicht richterliche Behörden bzw. auf Art. 29 Abs. 1 BV übertragen werden. Hinsichtlich der Unparteilichkeit des Staatsanwalts im Sinne von Unabhängigkeit und Unbefangenheit kommt Art. 29 Abs. 1 BV allerdings ein mit Art. 30 Abs. 1 BV weitgehend übereinstimmender Gehalt zu. Auch ein Staatsanwalt kann abgelehnt werden, wenn Umstände vorliegen, die objektiv geeignet sind, den Anschein der Befangenheit zu erwecken. Das gilt allerdings nur für das Vorverfahren. Nach Erhebung der Anklage wird die Staatsanwaltschaft dagegen wie die beschuldigte Person und die Privatklägerschaft zur Partei (Art. 104 Abs. 1 StPO; BGE 141 IV 178 E. 3.2.2 S. 179 f.).  
 
2.3. Gemäss Art. 61 lit. a StPO leitet die Staatsanwaltschaft das Verfahren bis zur Anklageerhebung. Sie gewährleistet insoweit eine gesetzmässige und geordnete Durchführung des Verfahrens (Art. 62 Abs. 1 StPO). Sie untersucht die belastenden und entlastenden Umstände mit gleicher Sorgfalt (Art. 6 Abs. 2 StPO). Zwar verfügt sie bei ihren Ermittlungen über eine gewisse Freiheit. Sie ist jedoch zu Zurückhaltung verpflichtet. Sie hat sich jeden unlauteren Vorgehens zu enthalten und sowohl die belastenden als auch die entlastenden Umstände zu untersuchen. Sie darf keine Partei zum Nachteil einer anderen bevorteilen (BGE 138 IV 142 E. 2.2.1 S. 145 mit Hinweisen). Fehlerhafte Verfügungen und Verfahrenshandlungen des Staatsanwalts begründen für sich keinen Anschein der Voreingenommenheit. Anders verhält es sich, wenn besonders krasse oder wiederholte Irrtümer vorliegen, die eine schwere Verletzung der Amtspflichten darstellen (BGE 141 IV 178 E. 3.2.2 S. 180 mit Hinweisen).  
 
3.  
 
3.1. Vor Obergericht hat der Beschwerdeführer sein Ablehnungsbegehren einerseits mit angeblichen Verfahrensfehlern der Staatsanwaltschaft begründet. Das Obergericht hat dazu erwogen, Verfahrenshandlungen der Staatsanwaltschaft seien in erster Linie auf dem Beschwerdeweg anzufechten, was der Beschwerdeführer auch getan habe; drei Verfahren seien hängig. Materielle oder formelle Verfahrensfehler würden nur dann einen Ausstandsgrund darstellen, wenn sie besonders krass seien oder wiederholt aufträten, was der Beschwerdeführer nicht substantiiert dargelegt habe (angefochtener Entscheid E. 2.3 S. 6 f.).  
Als weiteren Ausstandsgrund nannte der Beschwerdeführer ein Telefongespräch zwischen Staatsanwalt Knopf und seinem Verteidiger, in welchem ersterer das Verhalten des Beschwerdeführers vor den Strafverfolgungsbehörden mit demjenigen von B.________ verglichen habe, was ein absolutes "NO GO" darstelle. Das gelte auch für die Aussage des Staatsanwaltes über ihn, wonach er es gewohnt sei, dass "alle nach seiner Pfeife tanzen" würden und er alle Aargauer Behörden kritisiere, die seine Auffassung nicht teilten. Das Obergericht erwog dazu, der Vergleich mit B.________ stelle zwar eine "pointierte Aussage" dar; entscheidend sei aber, "dass der Vergleich das Auftreten des Gesuchstellers im Zusammenhang mit Verfahren vor Strafbehörden umschreibt und damit nicht auf die Person von B.________ als solche abzielt". Die Bemerkung stelle daher keinen Ausstandsgrund dar. Das gelte auch für die Stellungnahme von Staatsanwalt Knopf vom 11. Januar 2018, da sich daraus nicht ableiten lasse, er fühle sich persönlich angegriffen und sei ausserstande, die Angelegenheit mit der nötigen Sachlichkeit zu behandeln (angefochtener Entscheid E. 2.4.2 S. 7 f.). 
 
3.2. Der Beschwerdeführer macht vor Bundesgericht nicht mehr geltend, Staatsanwalt Knopf sei befangen, weil ihm viele schwere Verfahrensfehler unterlaufen seien. Abgesehen von Vorfällen, die sich zeitlich nach dem angefochtenen Urteil ereignet haben sollen und damit neu und in diesem Verfahren nicht zu prüfen sind (Art. 99 Abs.1 BGG), begründet der Beschwerdeführer seine Befangenheitsrüge einzig mit dem Geschehen um den "B.________-Vergleich".  
 
3.3. Nach der Darstellung des Beschwerdeführers hat sein Verteidiger Staatsanwalt Knopf "die Prüfung einer Strafanzeige wegen Amtsmissbrauchs in Aussicht" gestellt, als dieser sich weigerte, eine Kontosperre für die Begleichung einer Steuerforderung teilweise aufzuheben. Der Verteidiger hat dem Staatsanwalt somit nach seiner eigenen Darstellung unverhohlen mit dem Einreichen einer Strafanzeige gedroht für den Fall, dass er seinem Gesuch nicht entspreche. Es handelt sich damit um einen Druckversuch seitens des Verteidigers, der zumindest grenzwertig erscheint, und keineswegs bloss um ein höfliches Ersuchen, wie der Verteidiger sein Verhalten selber beschreibt. Dass sich Staatsanwalt Knopf in dieser vom Verteidiger angeheizten Gesprächssituation dazu hinreissen liess, dessen Mandanten mit B.________ zu vergleichen, um damit möglicherweise auf ein gewisses selbstherrliches Verhalten hinzuweisen, war zwar, wovon auch das Obergericht ausgeht, unprofessionell. Die Bemerkung wäre daher besser unterblieben, vermag ihn aber nicht als befangen erscheinen zu lassen, insbesondere weil sie nach dem Vorgefallenen noch nachvollziehbar erscheint:  
Im Hinblick auf eine Einvernahme vom 26. Januar 2018, die offenbar auch der Befragung zur Person dienen sollte, sandte der Beschwerdeführer dem polizeilichen Sachbearbeiter eine auf den 25. Januar 2018 datierte Eingabe zu. Darin legt er seine Jugendzeit dar und reicht einen Katalog mit Fragen und Antworten ein, die den Sachverhalt aus seiner Sicht darlegen sollen. Der Beschwerdeführer schildert, dass er in der DDR aufgewachsen sei und erlebt habe, wie die Staatsanwaltschaft seinem politisch missliebigen Vater mit "zielführenden Fragestellungen" die Schuld am Einsturz eines Portalkrans habe zuschieben wollen, für dessen Betrieb er gar nicht zuständig gewesen sei. "Niemals hätte ich gedacht, dass ich in der freien Welt einmal selbst einer Staatsanwaltschaft gegenüber stehen würde, die genau wie im Falle meiner Eltern etwas beweisen will, was nicht stattgefunden hat. Ich frage mich nur, was an die Stelle des fehlenden Parteibuches getreten ist - Ignoranz, Unfähigkeit -, der Machtmissbrauch ist allerdings gleich. Einen Vorteil hatten meine Eltern, ihnen wurde nicht suggeriert: wir ermitteln ergebnisoffen, auch zu Ihrer Entlastung" (S. 2). Damit unterstellt der Beschwerdeführer nicht nur Staatsanwalt Knopf, sondern auch dem polizeilichen Sachbearbeiter, dass sie weder fähig noch willens seien, die Untersuchung objektiv und neutral zu führen, sondern nur darauf aus seien, ihn fälschlicherweise zu belasten, wie es damals die Staatsanwaltschaft im Unrechtsstaat DDR mit seinem Vater gehalten habe. 
Dass der Beschwerdeführer über diese unbelegte Unterstellung hinaus noch die ihm genehmen Fragen mitsamt seinen Antworten mitliefert und damit auch noch den Part der von ihm als unfähig und böswillig eingestuften Befrager übernimmt, kann man auch bei zurückhaltender Beurteilung durchaus als selbstherrlich und selbstgerecht empfinden. In dieser angespannten Situation, die der Beschwerdeführer und sein Verteidiger mit den Anwürfen an bzw. dem Druckversuch auf die Staatsanwaltschaft zumindest massgeblich mitverursacht haben, lässt die einmalige polemische Entgegnung von Staatsanwalt Knopf diesen noch nicht als befangen erscheinen. Drücken sich ein Beschuldigter und sein Anwalt derart unzimperlich aus wie im vorliegenden Fall, so müssen sie sich in einem gewissen Rahmen auch eine unwirsche Entgegnung gefallen lassen. Die Befangenheitsrüge ist unbegründet. 
 
4.   
Die Beschwerde ist somit abzuweisen. Bei diesem Ausgang des Verfahrens trägt der Beschwerdeführer die Kosten (Art. 66 Abs. 1 BGG). 
 
 
 Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.   
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
3.   
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Aargau, Beschwerdekammer in Strafsachen, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 13. Juni 2018 
 
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Merkli 
 
Der Gerichtsschreiber: Störi