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Eidgenössisches Versicherungsgericht 
Tribunale federale delle assicurazioni 
Tribunal federal d'assicuranzas 
 
Sozialversicherungsabteilung 
des Bundesgerichts 
 
Prozess 
{T 7} 
I 65/02 
 
Urteil vom 13. September 2002 
II. Kammer 
 
Besetzung 
Präsident Schön, Bundesrichterin Widmer und Bundesrichter Frésard; Gerichtsschreiberin Weber Peter 
 
Parteien 
M.________, 1950, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Alex Beeler, Frankenstrasse 3, 6003 Luzern, 
 
gegen 
 
IV-Stelle Obwalden, Brünigstrasse 144, 6060 Sarnen, Beschwerdegegnerin 
 
Vorinstanz 
Verwaltungsgericht des Kantons Obwalden, Sarnen 
 
(Entscheid vom 28. Dezember 2001) 
 
Sachverhalt: 
A. 
Der 1950 geborene M.________ erlitt am 22. April 1994 einen Arbeitsunfall, bei dem das rechte Knie durch einen Elektrobohrer verletzt wurde. Nach zwei Rückfällen in den Jahren 1997 und 1999, mit jeweils anschliessendem operativen Eingriff, konnte er seinen angestammten Beruf als Hilfsarbeiter auf dem Bau nicht mehr ausüben. Nach einer beruflichen Abklärung in der Klinik X.________ vom 5. Januar bis 2. Februar 2000 sprach ihm die SUVA mit Verfügung vom 11. August 2000 eine Invalidenrente von 20 % ab 1. August 2000 zu, welche sie mit Einspracheentscheid vom 12. Dezember 2000 bestätigte. 
 
Am 3. Mai 2000 meldete sich M.________ bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug (Rente und berufliche Massnahmen) an. Die IV−Stelle Obwalden zog die SUVA-Unterlagen bei. Zudem holte sie einen Arbeitgeberbericht vom 13. Juli 2000, einen Bericht des Hausarztes Dr. med. H.________ vom 9. September 2000 sowie eine Stellungnahme der internen Berufsberatung vom 26. Oktober 2000 ein. Nach Durchführung des Vorbescheidverfahrens wies die IV-Stelle das Leistungsbegehren aufgrund eines Invaliditätsgrades von 20 % ab. Berufliche Massnahmen wurden geprüft, aber als nicht angezeigt beurteilt (Verfügung vom 11. Januar 2001). 
B. 
Die hiegegen erhobene Beschwerde, mit welcher eine zusätzliche Stellungnahme des Hausarztes Dr. med. H.________ vom 20. Januar 2001 ins Recht gelegt wurde, wies das Verwaltungsgericht des Kantons Obwalden mit Entscheid vom 28. Dezember 2001 ab, soweit es darauf eintrat. 
C. 
Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde lässt M.________ beantragen, es seien die Verwaltungsverfügung und der kantonale Entscheid aufzuheben und die Sache zur Beweisergänzung (psychiatrisches Gutachten) an die Vorinstanz bzw. die Verwaltung zurückzuweisen. 
 
Während IV-Stelle und Verwaltungsgericht auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde schliessen, verzichtet das Bundesamt für Sozialversicherung auf eine Stellungnahme. 
 
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: 
1. 
Das kantonale Gericht hat die Bestimmungen und Grundsätze über die Voraussetzungen und den Umfang des Rentenanspruchs (Art. 28 Abs. 1 IVG), über die Ermittlung des Invaliditätsgrads nach der Einkommensvergleichsmethode (Art. 28 Abs. 2 IVG) sowie über den Anspruch auf Eingliederungsmassnahmen im Allgemeinen (Art. 8 Abs. 1 IVG), auf Umschulung (Art. 17 Abs. 1 IVG; BGE 122 V 77 mit Hinweisen; siehe auch BGE 124 V 109 f. Erw. 2a und b), Berufsberatung (Art. 15 IVG) und Arbeitsvermittlung (Art. 18 IVG; BGE 116 V 80) im Besonderen zutreffend dargelegt. Darauf kann verwiesen werden. Richtig sind ferner auch die Erwägungen zur Beweiswürdigung ärztlicher Berichte und Gutachten (BGE 122 V 160 f. Erw. 1c mit Hinweisen; vgl. ferner BGE 125 V 352 Erw. 3a und b mit Hinweisen) und zur Koordination der Invaliditätsbemessung durch Invaliden- und Unfallversicherung (BGE 119 V 470 Erw. 2b mit Hinweisen; vgl. auch BGE 127 V 135 Erw. 4d, 126 V 291 Erw. 2a, 123 V 271 Erw. 2a). 
 
Zu ergänzen bleibt, dass das Sozialversicherungsverfahren vom Untersuchungsgrundsatz beherrscht ist; danach haben Verwaltungsträger und im Beschwerdefall das Gericht von Amtes wegen für die richtige und vollständige Abklärung des rechtserheblichen Sachverhaltes zu sorgen (BGE 125 V 195 Erw. 2, 122 V 158 Erw. 1a, je mit Hinweisen). 
2. 
2.1 Was die Arbeitsvermittlung und die Berufsberatung betrifft, ist die Vorinstanz mangels Rechtsschutzinteresses auf die Beschwerde zu Recht nicht eingetreten, erbringt doch die IV-Stelle die verlangten Leistungen. 
2.2 Streitig und zu prüfen sind der Anspruch auf eine Invalidenrente sowie auf berufliche Massnahmen. Dabei steht zunächst in Frage, ob auf Grund der vorhandenen ärztlichen Akten abschliessend beurteilt werden kann, in welchem Umfang der Beschwerdeführer in seiner Arbeitsfähigkeit eingeschränkt ist. Zu Recht unbestritten ist die in Übereinstimmung mit der SUVA festgestellte Einschränkung in somatischer Hinsicht. Uneinigkeit besteht hingegen hinsichtlich der psychischen Ausgangslage. 
3. 
3.1 Der Beschwerdeführer stellt sich auf den Standpunkt, die Untersuchungsmaxime gebiete eine psychiatrische Begutachtung. Die konkrete Diagnose sei von einem Psychiater zu erheben, welcher sich zudem über die Auswirkung allfälliger psychischer Beschwerden auf die Arbeitsfähigkeit und die Möglichkeit des Beschwerdeführers, die Beschwerden allenfalls zu überwinden, äussere. 
3.2 Die Vorinstanz hält in ihren Erwägungen u.a. fest, es sei nachvollziehbar, dass der Beschwerdeführer durch seine Situation psychisch belastet werde, umso mehr, als seine Frau ebenfalls unter den Folgen eines Unfalls leide. Nachdem die Depression nach Auffassung des Hausarztes zu einem nicht unerheblichen Teil auf das Gefühl der "Nutzlosigkeit" infolge Untätigkeit zurückgeführt werden könne, bedeute es jedoch einen Widerspruch, wenn der Beschwerdeführer für seine psychischen Beschwerden eine ganze IV-Rente beanspruchen und sich somit aus dem Arbeitsprozess zurückziehen wolle. Selbst wenn eine berufliche Wiedereingliederung angesichts seiner Kniebeschwerden, seines Alters und seiner Fähigkeiten nicht einfach sei, könne doch nicht ausgeschlossen werden, dass sich dadurch die psychische Verfassung des Beschwerdeführers erheblich verbessern könnte. Die IV-Stelle sei somit zu Recht davon ausgegangen, dass der Beschwerdeführer keine psychischen Beschwerden habe, die ihn in seiner Erwerbsfähigkeit einschränken, es bestünden im Gegenteil Anzeichen, dass eine Wiedereingliederung in den Arbeitsprozess die depressive Verstimmung aufhellen könnte. Aus diesem Grunde könne auch auf die beantragte psychiatrische Begutachtung verzichtet werden. 
4. 
4.1 Soweit die Vorinstanz ihren Entscheid, wonach keine psychisch bedingte Einschränkung in der Erwerbsfähigkeit vorliegt, mit der Verbesserungsfähigkeit bzw. Behandelbarkeit der psychischen Beschwerden zu begründen scheint, hält dies vor Bundesrecht nicht stand. Nach der in BGE 127 V 294 ff. dargelegten Rechtsprechung schliesst die (prognostische) Behandel- bzw. Therapierbarkeit einer psychischen Störung weder deren Krankheitswert noch das Bestehen einer anspruchsbegründenden Invalidität aus. Die Entstehung des Anspruchs auf eine Invalidenrente setzt einzig eine während eines Jahres ohne wesentlichen Unterbruch andauernde Arbeitsunfähigkeit von durchschnittlich mindestens 40 % (Art. 29 Abs. 1 lit. b IVG) sowie eine anschliessende rentenerhebliche Erwerbsunfähigkeit voraus (vgl. Art. 28 Abs. 1bis und 1ter IVG, Art. 27 Abs. 2 IVG oder Art. 5 Abs. 1 IVG in Verbindung mit Art. 28 Abs. 3 IVG und Art. 27 f. IVV). Entscheidend ist dabei die nach einem weitgehend objektivierten Massstab zu erfolgende Beurteilung, ob und inwiefern dem Versicherten trotz seines Leidens die - nach dem Grundsatz der Selbsteingliederung und der Schadenminderungspflicht verlangte - Verwertung seiner Restarbeitsfähigkeit auf dem ihm nach seinen Fähigkeiten offen stehenden ausgeglichenen Arbeitsmarkt noch sozialpraktisch zumutbar und für die Gesellschaft tragbar ist (BGE 127 V 297 Erw. 4b/cc und 4c mit Hinweisen). 
4.2 Was die medizinische Aktenlage betrifft, gilt es festzustellen, dass mehrere Hinweise für eine psychogene Störung vorliegen. So stellt der SUVA-Kreisarzt Dr. med. K.________ in seinem Abschlussbericht vom 23. Mai 2000 eine "somatoforme Symptomausweitung mit psychogener Überlagerung bei Fehlverarbeitung des Unfalls" fest. Der Hausarzt Dr. med. H.________ weist im Bericht an die IV-Stelle vom 9. September 2000 darauf hin, dass sich durch die Untätigkeit und "Nutzlosigkeit" eine zunehmende depressive Verstimmung entwickelt habe, welche sich sehr ungünstig auf den Krankheitsverlauf auswirke. Wesentlich beeinflusst werde dieser Zustand zudem durch Partnerschaftsprobleme mit seiner seit Jahren invaliden Ehefrau. In der neuesten Stellungnahme vom 20. Januar 2001 bestätigt Dr. med. H.________ die Entwicklung einer ausgeprägten depressiven Verstimmung und Veränderung der Persönlichkeit. Zwar ist mit der Vorinstanz festzustellen, dass trotz des längeren stationären Aufenthalts des Beschwerdeführers in der Klinik X.________ im Austrittsbericht vom 23. Februar 2000 kein Hinweis auf psychische Störungen zu finden ist. Hingegen lässt dies - insbesondere bei der aufgezeigten medizinischen Ausgangslage - nicht ohne weiteres auf deren Nichtvorhandensein schliessen. So wurde einerseits nicht explizit danach gefragt; zudem bestand zu diesem Zeitpunkt noch Hoffnung, beim bisherigen Arbeitgeber eine angepasste Tätigkeit zu finden. Überdies sind die tatsächlichen Verhältnisse zum Zeitpunkt des Verfügungserlasses (BGE 121 V 366 Erw. 1b mit Hinweisen) massgebend, und - wie der Beschwerdeführer zu Recht vorträgt - können ein schwieriger Heilungsverlauf sowie erfolglose Operationen zu psychischen Fehlentwicklungen führen. Die verwaltungsinternen Stellungnahmen der IV-Stellenärztin vermögen den Verzicht auf eine psychiatrische Begutachtung ebenfalls nicht zu rechtfertigen (zum Beweiswert eines Arztberichts vgl. BGE 122 V 160 Erw. 1c mit Hinweisen). 
 
Angesichts der bestehenden medizinischen Aktenlage kann nicht zuverlässig beurteilt werden, ob ein invalidenversicherungsrechtlich relevanter psychischer Gesundheitsschaden mit Auswirkungen auf die Leistungsfähigkeit des Versicherten vorliegt. Insofern ist der Sachverhalt in medizinischer Hinsicht unzureichend abgeklärt, weshalb die Sache zur dahingehenden Prüfung unter Einholung eines psychiatrischen Gutachtens an die IV-Stelle zurückzuweisen ist (vgl. zu den Anforderungen an eine psychiatrische Begutachtung AHI 2000 S. 152 f. Erw. 2c mit Hinweisen). Diese wird anschliessend über den Leistungsanspruch neu verfügen. 
5. 
Das Verfahren ist kostenlos (Art. 134 OG). Dem Prozessausgang entsprechend steht dem Beschwerdeführer eine Parteientschädigung zu (Art. 159 in Verbindung mit Art. 135 OG; BGE 122 V 280 Erw. 3e/aa). 
 
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht: 
 
1. 
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird in dem Sinne gutgeheissen, dass der Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Obwalden vom 28. Dezember 2001 und die Verfügung vom 11. Januar 2001 aufgehoben werden und die Sache an die IV-Stelle Obwalden zurückgewiesen wird, damit sie, nach erfolgter Abklärung im Sinne der Erwägungen, über den Leistungsanspruch neu verfüge. 
2. 
Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
3. 
Die IV-Stelle Obwalden hat dem Beschwerdeführer für das Verfahren vor dem Eidgenössischen Versicherungsgericht eine Parteientschädigung von Fr. 2500.- (einschliesslich Mehrwertsteuer) zu bezahlen. 
4. 
Das Verwaltungsgericht des Kantons Obwalden wird über eine Parteientschädigung für das kantonale Verfahren entsprechend dem Ausgang des letztinstanzlichen Prozesses zu befinden haben. 
5. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Obwalden, der Ausgleichskasse Obwalden und dem Bundesamt für Sozialversicherung zugestellt. 
Luzern, 13. September 2002 
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts 
Der Präsident der II. Kammer: Die Gerichtsschreiberin: