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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
                 
 
 
1C_149/2018  
 
 
Urteil vom 13. September 2018  
 
I. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Merkli, Präsident, 
Bundesrichter Chaix, Kneubühler, 
Gerichtsschreiber Dold. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________ AG, 
Beschwerdeführerin, 
vertreten durch Rechtsanwalt Theo Strausak, 
 
gegen  
 
Einwohnergemeinde Gerlafingen, Gemeindepräsidium, Kriegstettenstrasse 3, Postfach, 4563 Gerlafingen, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Niklaus Studer, Dammstrasse 14, Postfach 927, 2540 Grenchen, 
Regierungsrat des Kantons Solothurn, Rathaus, Barfüssergasse 24, 4509 Solothurn, 
vertreten durch das Bau- und Justizdepartement des Kantons Solothurn, Werkhofstrasse 65, Rötihof, 4509 Solothurn. 
 
Gegenstand 
Planungszone, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Solothurn vom 6. März 2018 (VWBES.2017.250, VWBES.2017.253). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.   
Der Einwohnergemeinderat Gerlafingen erliess am 27. Oktober 2016 für das Gebiet "Zielmatten" (Parzellen Nrn. 71, 1091, 1092, 2821, 2822, 90036 und 90037) eine Planungszone für die Dauer von fünf Jahren. Die öffentliche Auflage hatte vom 3. Juni bis zum 4. Juli 2016 stattgefunden. Der Regierungsrat des Kantons Solothurn hiess am 26. Juni 2017 eine von der A.________ AG dagegen erhobene Beschwerde teilweise gut und bestimmte, dass die Planungszone für die der Beschwerdeführerin gehörenden Parzellen Nrn. 71, 1091, 1092 und 2821 nur für drei Jahre gelte. 
Dagegen erhoben sowohl die A.________ AG als auch die Einwohnergemeinde Gerlafingen Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Mit Urteil vom 6. März 2018 wies das Verwaltungsgericht des Kantons Solothurn beide Beschwerden ab, soweit es darauf eintrat. 
 
B.   
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten an das Bundesgericht vom 6. April 2018 beantragt die A.________ AG, das Urteil des Verwaltungsgerichts, der Beschluss des Regierungsrats und der Beschluss des Gemeinderats seien aufzuheben. Eventualiter sei die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. 
Das Verwaltungsgericht, der Regierungsrat und die Einwohnergemeinde beantragen, die Beschwerde sei abzuweisen, soweit darauf einzutreten sei. Die Beschwerdeführerin hat dazu Stellung genommen. Die Einwohnergemeinde und die Beschwerdeführerin haben weitere Stellungnahmen eingereicht. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Angefochten ist ein kantonal letztinstanzlicher Entscheid in einer öffentlich-rechtlichen Angelegenheit (Art. 82 ff. BGG). Der Erlass einer Planungszone stellt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts einen Endentscheid dar (Art. 90 BGG; Urteil 1C_141/2014 vom 4. August 2014 E. 1.1 mit Hinweis, in: ZBl 116/2015 S. 194). Die Beschwerdeführerin ist als Eigentümerin der Parzellen Nrn. 71, 1091, 1092 und 2821 im Perimeter der Planungszone zur Beschwerde legitimiert (Art. 89 Abs. 1 BGG). Auf ihre Beschwerde ist grundsätzlich einzutreten.  
 
1.2. Nicht einzutreten ist auf die Beschwerde dagegen insoweit, als sie sich gegen die Beschlüsse des Regierungsrats und des Gemeinderats richtet. Diese sind im Rahmen des Streitgegenstands durch das Urteil des Verwaltungsgerichts ersetzt worden (Devolutiveffekt) und gelten als inhaltlich mitangefochten (BGE 134 II 142 E. 1.4 S. 144 mit Hinweis).  
 
1.3. Nicht einzutreten ist zudem auf die erst in der Replik vorgetragene Kritik an der vorinstanzlichen Sachverhaltsfeststellung betreffend die aktuelle Nutzung im Bereich der Planungszone. Diese hätte die Beschwerdeführerin bereits in ihrer Beschwerde vorbringen können (vgl. BGE 135 I 19 E. 2.2 S. 21 mit Hinweisen). Zudem zeigt sie nicht auf, dass die Sachverhaltsfeststellung offensichtlich unrichtig ist (Art. 42 Abs. 2 und Art. 97 Abs. 1 BGG).  
 
2.  
 
2.1. Müssen Nutzungspläne angepasst werden oder liegen noch keine vor, so kann die zuständige Behörde für genau bezeichnete Gebiete Planungszonen bestimmen. Innerhalb der Planungszonen darf nichts unternommen werden, was die Nutzungsplanung erschweren könnte (Art. 27 Abs. 1 RPG [SR 700]). Auf kantonaler Ebene finden sich die entsprechenden Regelungen in § 23 des Planungs- und Baugesetzes des Kantons Solothurn vom 3. Dezember 1978 (BGS 711.1; im Folgenden: PBG/SO). Gemäss Abs. 1 dieser Bestimmung kann der Gemeinderat bis zum Erlass oder während der Änderung von Nutzungsplänen für genau bezeichnete Gebiete Planungszonen festlegen, in denen keine baulichen Veränderungen oder sonstigen Vorkehren getroffen werden dürfen, die der laufenden Planung widersprechen. Nach Abs. 4 dürfen die Planungszonen für 3 Jahre, ausnahmsweise für höchstens 5 Jahre verfügt werden. Nach Abs. 5 Satz 1 werden die Planungszonen mit der Publikation der Auflage wirksam.  
 
2.2. Die genannten Bestimmungen bezwecken die Sicherung der Entscheidungsfreiheit der Planungsbehörden. Künftigen Nutzungsplänen und -vorschriften wird durch den Erlass einer Planungszone eine sogenannte negative Vorwirkung zuerkannt, indem Baubewilligungen nur noch erteilt werden, wenn dadurch die vorgesehene Neuordnung nicht erschwert wird (BGE 136 I 142 E. 3.2 S. 145 mit Hinweisen). Gleichzeitig bewirkt die Festsetzung von Planungszonen eine öffentlich-rechtliche Eigentumsbeschränkung und ist mit Art. 26 BV nur vereinbar, wenn sie auf einer gesetzlichen Grundlage beruht, im öffentlichen Interesse liegt und verhältnismässig ist (Art. 36 BV).  
 
2.3. Die gesetzliche Grundlage für den Erlass der Planungszone ist vorliegend nicht umstritten. Ob eine Eigentumsbeschränkung im öffentlichen Interesse liegt und ob dieses das entgegenstehende private Interesse überwiegt, prüft das Bundesgericht grundsätzlich frei. Dabei auferlegt es sich jedoch Zurückhaltung, soweit die Beurteilung von einer Würdigung der örtlichen Verhältnisse abhängt, welche die kantonalen Behörden besser kennen und überblicken, und soweit sich ausgesprochene Ermessensfragen stellen, wie namentlich bei der Festsetzung befristeter Planungszonen, mit denen lediglich eine im Gange befindliche Planung gesichert werden soll (BGE 105 Ia 223 E. 2b S. 226 f.; Urteil 1C_287/2016 vom 5. Januar 2017 E. 3.3; je mit Hinweisen).  
 
2.4. Die Beschwerdeführerin bringt vor, sie müsse sich als Grundeigentümerin auf eine gewisse Planbeständigkeit verlassen dürfen. Die Parzellen Nrn. 1091 und 1092 seien erst im Jahr 2005 der Gewerbezone zugewiesen worden.  
Eine Planungszone stünde nur dann mit dem Grundsatz der Planbeständigkeit (Art. 21 Abs. 2 RPG) bzw. mit der Rechtssicherheit im Widerspruch, wenn schon eine blosse Überprüfung der bisherigen Zonenordnung ausgeschlossen werden müsste, weil die Nutzungsvorschriften gerade erst den bestehenden Verhältnissen angepasst worden sind oder sich seit deren Erlass keinerlei Änderungen ergeben haben, die sich für die Raumplanung überhaupt als erheblich erweisen könnten (Urteil 1P.304/1994 vom 2. Februar 1995 E. 3 mit Hinweis, in: ZBl 97/1996 S. 229). Dies macht die Beschwerdeführerin freilich nicht geltend und ist auch nicht erkennbar. 
 
2.5. Die Beschwerdeführerin wirft der Gemeinde ein rechtsmissbräuchliches Verhalten vor, weil sie vor Erlass der Planungszone mit ihr keinen Kontakt aufgenommen habe. Damit rügt sie sinngemäss eine Verletzung des rechtlichen Gehörs, jedoch zu Unrecht. Nach der Rechtsprechung entfällt bei der Festsetzung einer Planungszone, die eine vorsorgliche Sicherungsmassnahme von beschränkter Dauer darstellt und ihren Zweck nur erreichen kann, wenn sie unmittelbar wirksam wird (vgl. § 23 Abs. 5 Satz 1 PBG/SO), die Gewährung des rechtlichen Gehörs (Urteil A.342/1981 vom 3. November 1982 E. 4d, in: ZBl 84/1983 S. 542). Die Beschwerdeführerin konnte ihre Anliegen im Rechtsmittelverfahren vortragen. Dass ihr die Gemeinde bestimmte Zusicherungen gemacht hätte, behauptet sie im Übrigen nicht.  
 
2.6.  
 
2.6.1. Die Beschwerdeführerin bestreitet das Vorliegen eines öffentlichen Interesses. Das Verwaltungsgericht hielt dazu fest, die Gemeinde habe die Planungszone erlassen, weil sie das Gebiet Zielmatten gemäss dem Raumplanungsbericht vom 31. Mai 2016 kontrolliert und mit guter Aussenraumqualität überbauen wolle. In Teilen des Areals sei im Rahmen der nun hängigen Ortsplanungsrevision auch eine Wohnnutzung zu prüfen. Zu prüfen sei insbesondere, ob die heutigen Flächen für Gewerbenutzung in eine Mischzone und/oder eine reine Wohnzone umgezont werden sollten. Die Beschwerdeführerin hält dem entgegen, Flächen für das Gewerbe seien in der Region Mangelware. Hingegen bestehe kein Bedarf nach neuem Wohnraum.  
 
2.6.2. Im vorliegenden Fall ist zu befürchten, dass ohne Planungszone private Nutzungen bewilligt werden müssten, welche die tatsächlichen Verhältnisse grundlegend verändern könnten. Dadurch würden die Behörden in ihrer Freiheit, die geltende Ordnung sachgemäss zu revidieren, in nicht mehr vertretbarer Weise eingeschränkt. Zwar entfiele das öffentliche Interesse, wenn die hinter der Planungszone stehende Planungsabsicht offensichtlich unzulässig oder sinnlos wäre (BGE 113 Ia 362 E. 2a/bb S. 365; 105 Ia 223 E. 2d S. 228 f.; Urteil A.342/1981 vom 3. November 1982 E. 6a und c/aa, in: ZBl 84/1983 S. 542). Davon ist vorliegend jedoch nicht auszugehen, selbst wenn zutreffen sollte, dass ein grösserer Bedarf an Gewerbe- als an Wohnflächen besteht. Das Verwaltungsgericht verwies in dieser Hinsicht auf die Feststellungen des Regierungsrats, wonach in der Gemeinde fast die gesamte Wohnzone überbaut und das betroffene Gebiet auf drei Seiten von Wohnblöcken umgeben sei. Die Annahme, dass ein Bedarf nach neuem Wohnraum bestehe und eine Wohnnutzung zweckmässig sein könnte, ist unter diesen Voraussetzungen nicht zu beanstanden.  
 
2.7.  
 
2.7.1. Die Beschwerdeführerin beruft sich schliesslich auf überwiegende private Interessen und legt dar, sie habe die betroffenen, heute in der Gewerbezone liegenden Parzellen in den Jahren 2007 und 2008 gekauft, um das Areal nach ihrem bisher sehr erfolgreichen Geschäftsmodell mit Gewerbebauten zu überbauen und diese anschliessend zu vermieten. Nach dem Erwerb seien die Parzellen vollständig erschlossen worden, wofür sie insgesamt rund Fr. 1'000'000.-- bezahlt habe. Mittlerweile habe sich ihr die Möglichkeit geboten, vier Werkhallen der SBB zu erwerben, deren Stahlgerüst sie mit einer neuen Gebäudehülle versehen wolle. In die Vorbereitung für die geplanten Bauten habe sie fast Fr. 1'500'000.-- investiert. Von der vorgesehenen Planungszone habe sie erst mit Eingabe des Baugesuchs für die Errichtung der ersten Halle auf dem Gewerbeareal erfahren. Ihre Investitionen würden nutzlos werden. Dasselbe gelte auch für das bereits erstellte Bürogebäude und die Zufahrtsstrasse, welche für eine Wohn- oder Mischnutzung nicht mehr verwendet werden könnten.  
 
2.7.2. Die finanziellen Interessen der Beschwerdeführerin an der Verwirklichung ihres Bauprojekts sind zwar erheblich, doch ist unzutreffend, dass sich die bisherigen Investitionen als unnütz erweisen würden. Wie bereits die Vorinstanz hervorhob, ist vorliegend nicht über die in Aussicht genommene Änderung der Zonierung zu entscheiden, sondern lediglich über ein zeitlich befristetes Sicherungselement, das die Entscheidungsfreiheit des Planungsträgers erhalten soll. Dieses erscheint angesichts der Dauer von drei Jahren für die Beschwerdeführerin nicht als unzumutbar, auch wenn zu berücksichtigen ist, dass sie bereits ein Baugesuch für die Errichtung der ersten Halle eingereicht hatte (vgl. dazu BGE 118 Ia 510 E. 4d S. 514 und Urteil 1P.539/2003 vom 22. April 2004 E. 2.7, wo allerdings die planungsrechtliche Baureife erst im Rechtsmittelverfahren entfiel bzw. erst in diesem Stadium eine Planungszone erlassen wurde).  
 
2.7.3. Je nach Ausgang der Nutzungsplanung können die genannten finanziellen Interessen der Beschwerdeführerin unter Umständen die Grundlage für ein Entschädigungsbegehren wegen materieller Enteignung (Art. 5 Abs. 2 RPG) oder für einen vertrauensschutzrechtlichen Entschädigungsanspruch (Art. 9 BV) bilden. Die bereits erstellten Bauten und Anlagen werden zudem bei der Nutzungsplanung im Rahmen der erforderlichen umfassenden Interessenabwägung mitzuberücksichtigen sein (zum Ganzen: Urteile Urteil 1C_287/2016 vom 5. Januar 2017 E. 3.5; 1P.304/1994 vom 2. Februar 1995 E. 4f mit Hinweis, nicht publ. in: ZBl 97/1996 S. 229). Diese Fragen sind indessen nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens.  
 
3.   
Die Beschwerdeführerin beruft sich schliesslich auf die Wirtschaftsfreiheit (Art. 27 BV). Dieses Vorbringen führt vorliegend jedoch zu keinem anderen Ergebnis. Eine Verletzung der Wirtschaftsfreiheit läge nur vor, wenn Planungsmassnahmen bloss ein Vorwand wären, um Wirtschaftspolitik zu betreiben, etwa um bestimmte Gewerbezweige oder Betriebe vor Konkurrenz zu schützen (Urteil P.99/1984 vom 27. Juni 1984 E. 7, nicht publ. in BGE 110 Ia 163). So verhält es sich hier nicht; die Beschwerdeführerin macht dies auch nicht geltend. Die Planungszone verletzt somit auch nicht die Wirtschaftsfreiheit. 
 
4.   
Die Beschwerde erweist sich daher als unbegründet und ist abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. 
Bei diesem Verfahrensausgang trägt die Beschwerdeführerin die Gerichtskosten (Art. 66 Abs. 1 BGG). Eine Parteientschädigung ist nicht auszurichten (Art. 68 Abs. 1-3 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
 
2.   
Die Gerichtskosten von Fr. 4'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt. 
 
3.   
Es wird keine Parteientschädigung zugesprochen. 
 
4.   
Dieses Urteil wird der Beschwerdeführerin, der Einwohnergemeinde Gerlafingen, dem Regierungsrat des Kantons Solothurn und dem Verwaltungsgericht des Kantons Solothurn schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 13. September 2018 
 
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Merkli 
 
Der Gerichtsschreiber: Dold