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[AZA 7] 
I 339/00 Ge 
 
III. Kammer 
 
Bundesrichter Schön, Spira und Bundesrichterin Widmer; 
Gerichtsschreiberin Fleischanderl 
 
Urteil vom 13. November 2000 
 
in Sachen 
Bundesamt für Sozialversicherung, Effingerstrasse 20, Bern, Beschwerdeführer, 
gegen 
X. und Y. K.________, Beschwerdegegner, vertreten durch ihre Eltern, 
und 
Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen, St. Gallen 
 
A.- Die beiden Brüder X.________ (geb. 1994) und Y.________ (geb. 1997) K.________ leiden an Mukoviszidose (zystischer Fibrose), einer angeborenen, als Geburtsgebrechen anerkannten Stoffwechselkrankheit (Ziff. 459 GgV-Anhang). Die Invalidenversicherung leistete u.a. 
Kostengutsprache für die zur Behandlung notwendigen medizinischen Massnahmen, gab Hilfsmittel ab und gewährtefür X.________ ab 1. Oktober 1996 Pflegebeiträge bei einer Hilflosigkeit leichten Grades. Gestützt auf einen Antrag der Eltern um Zusprechung von Hauspflegebeiträgen holte die IV-Stelle des Kantons St. Gallen die Abklärungsberichte vom 17. November 1997 ein. Darin wurde der invaliditätsbedingt zu leistende tägliche Betreuungsaufwand auf je eine Stunde und 45 Minuten pro Kind veranschlagt. Nach Durchführung des Vorbescheidverfahrens lehnte die IV-Stelle einen Anspruch auf Hauspflegekosten ab, da im Tagesdurchschnitt weder eine zusätzliche invaliditätsbedingte Hauspflege von mehr als zwei Stunden noch eine dauernde Überwachung notwendig seien (Verfügungen vom 26. Januar 1998). 
 
 
B.- X.________ und Y.________ K.________ erhoben hiegegen, vertreten durch ihre Eltern, Beschwerden, welchen sie eine "Aufstellung Mehraufwand" des Sozialberatungsdienstes des Kinderspitals Z.________ vom 13. Februar 1998 sowie ein Schreiben des Dr. med. E.________, Kinderspital Z.________, Pädiatrische Klinik, Pneumologie/Allergologie, vom 23. Februar 1998 beilegten. Das angerufene Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen vereinigte die Verfahren und hiess die Rechtsmittel in dem Sinne gut, als es die angefochtenen Verwaltungsverfügungen aufhob und die Sache zur Festlegung des Anspruchsbeginns und zur Vergütung der tatsächlichen Kosten der Haushalthilfe, bis Ende November 1997 höchstens im Betrag eines Viertels der maximalen einfachen Altersrente sowie ab Dezember 1997 höchstens im Betrag der Hälfte der maximalen einfachen Altersrente für beide Kinder zusammen, an die IV-Stelle zurückwies (Entscheid vom 27. April 2000). 
 
C.- Das Bundesamt für Sozialversicherung (BSV) führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Begehren um Aufhebung des kantonalen Entscheides. 
Während Vorinstanz und IV-Stelle auf eine Vernehmlassung verzichten, beantragen die durch ihre Eltern vertretenen X.________ und Y.________ K.________ die Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. 
 
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: 
 
1.- Das kantonale Gericht hat die vorliegend massgeblichen Bestimmungen über den Anspruch minderjähriger Versicherter auf die zur Behandlung von Geburtsgebrechen notwendigen Massnahmen (Art. 13 IVG), den Umfang der medizinischen Eingliederungsmassnahmen (Art. 14 Abs. 1 lit. a IVG) sowie die Übernahme der Kosten für zusätzlich bedingte Hilfskräfte, sofern der invaliditätsbedingt zu leistende Betreuungsaufwand in Hauspflege voraussichtlich während mehr als drei Monaten im Tagesdurchschnitt zwei Stunden überschreitet oder eine dauernde Überwachung notwendig ist (Art. 14 Abs. 3 IVG in Verbindung mit Art. 4 Abs. 1 und 2 IVV), zutreffend dargelegt. Gleiches gilt für die Erwägungen, wonach sich die Höchstgrenze der Entschädigung im Einzelfall nach dem Ausmass des Betreuungsaufwandes richtet, wobei dieser als sehr hoch gilt, wenn eine intensive Pflege von täglich durchschnittlich mindestens acht, als hoch, wenn mindestens sechs, als mittel, wenn mindestens vier und als gering, wenn mindestens zwei Stunden notwendig sind (Art. 4 Abs. 3 und 4 IVV). Richtig ist ferner der Hinweis auf die relevante Rechtsprechung (BGE 120 V 280). Darauf kann verwiesen werden. 
 
2.- Streitig und zu prüfen ist, ob bei den Beschwerdegegnern ein das zumutbare Mass überschreitender, invaliditätsbedingt zu leistender Betreuungsaufwand in Hauspflege ausgewiesen ist. 
Während das Beschwerde führende Bundesamt und die IV-Stelle dies im Hinblick auf den in den Abklärungsberichten vom 17. November 1997 festgehaltenen täglichen Pflegeaufwand von einer Stunde und 45 Minuten je Kind verneinen, machen Vorinstanz und Beschwerdegegner demgegenüber geltend, bei der Prüfung der Hauspflegebeitragsberechtigung sei der Aufwand zu beachten, der für Pflege und Betreuung beider Kinder gemeinsam anfalle; das kantonale Gericht gelangte hierauf zum Schluss, es sei bis Ende November 1997 von einem Betreuungsaufwand geringen sowie ab Dezember 1997 - in Berücksichtigung des namentlich bei X.K.________ ab diesem Zeitpunkt angefallenen zusätzlichen Pflegebedarfs gemäss "Aufstellung Mehraufwand" vom 13. Februar 1998 - mittleren Grades auszugehen. 
 
3.- a) In BGE 120 V 287 Erw. 5 hat das Eidgenössische Versicherungsgericht folgendes festgehalten: 
"Was endlich die Frage des Ausmasses des Betreuungsaufwandes anbelangt, ist die Vorinstanz der Annahme der Verwaltung gefolgt, die für alle drei Knaben zusammen von insgesamt sieben Stunden ausging, was gemäss Art. 4 Abs. 4 lit. b IVV einem hohen Aufwand entspricht. Soweit sie dabei ausgeführt hat, die Festsetzung auf sieben Stunden erscheine nicht als willkürlich und völlig unhaltbar, besteht für eine derartige Kognitionseinschränkung keine Grundlage und hat eine volle Ermessensprüfung auch in dem hier in Frage liegenden Bereich zu erfolgen. Aber auch bei Ausübung der mit der uneingeschränkten Kognition verbundenen Angemessenheitskontrolle ist nichts auszumachen, was die Annahme eines sehr hohen Betreuungsaufwandes von über acht Stunden täglich (Art. 4 Abs. 4 lit. a IVV) als naheliegender erscheinen liesse. Namentlich scheint es - bei allem Respekt vor der geleisteten Hingabe - nicht angängig, die den drei Knaben täglich zu erbringende Pflege und Betreuung kurzerhand zu einem Gesamtaufwand zu summieren, wie es die Ärztin (Dr. med. R.) des Spitals W.________ in ihren Berichten getan hat. Vielmehr dürfte sich die hier allmählich von sämtlichen Beteiligten erworbene Erfahrung in einem nicht unerheblichen Zeitgewinn niedergeschlagen haben, zumal die drei Knaben seit 1987, als der Vater den reinen Behandlungsaufwand - wenn auch vorsichtig - auf viereinhalb Stunden eingeschätzt hatte, doch einiges älter geworden sind, so dass ihnen im Gegensatz zu früher ein besseres Mitmachen bei der täglichen Atem- und Physiotherapie, Medikamenteneinnahme usw. möglich ist. " 
Aus dieser Rechtsprechung erhellt zum einen, dass der relevante Hauspflegeaufwand in Fällen der Betreuung von mehreren behinderten Geschwistern nicht einfach durch Addition des je einzeln berechneten Pflegebedarfs zu eruieren ist. Anderseits hat das Eidgenössische Versicherungsgericht die Angelegenheit im zitierten Urteil auch nicht an die Verwaltung zur Abklärung des für jedes Kind einzeln verursachten Aufwandes zurückgewiesen, woraus die Schlussfolgerung zu ziehen gewesen wäre, es sei stets vom Betreuungsaufwand pro Kind und damit von einer strikt getrennten Berechnungsweise auszugehen. Vielmehr wird der letztlich als massgebend betrachtete Mehraufwand von sieben Stunden auf Grund einer Gesamteinschätzung des invaliditätsbedingten Pflegebedarfs für alle drei Kinder festgelegt. Diese Lösung entspricht Sinn und Zweck von Art. 4 IVV, welcher auf die finanzielle Abgeltung des vermehrten Masses an familiärer Betreuung in Form von zeitlicher, psychischer und physischer Inanspruchnahme zielt (ZAK 1992 S. 86 ff.; Meyer-Blaser, Rechtsprechung des Bundesgerichts zum IVG, Zürich 1997, S. 112). Dass dieser Aufwand bei Vorhandensein mehrerer Pflegebedürftiger grösser ist als bei einem Einzelkind, erscheint trotz eines gewissen Synergieeffekts offenkundig. 
 
Die in Art. 4 Abs. 3 IVV enthaltene Formulierung "im Einzelfall" weist somit entgegen der vom BSV vertretenen Auffassung nicht darauf hin, dass sich die Höchstgrenze der Entschädigung zwingend nach dem Ausmass des Betreuungsaufwandes jedes einzelnen, im gleichen Haushalt zu pflegenden behinderten Kindes richtet, sondern - dies ist der Kerngehalt von BGE 120 V 287 Erw. 5 -, dass die Beurteilung einzelfallweise im Hinblick auf die gesamten Umstände auf Grund der konkret geleisteten Pflege und Betreuung zu erfolgen hat. 
 
b) Nach dem Gesagten, von welchem abzuweichen kein Anlass besteht, geht es im vorliegenden Fall nicht an, einen Anspruch auf Hauspflegebeiträge mit der Begründung zu verneinen, es sei für die Beschwerdegegner lediglich ein täglicher Pflegebedarf von je einer Stunde und 45 Minuten ausgewiesen. 
Ebenso wenig wird eine reine Summierung der gesondert berechneten Aufwände den tatsächlichen Verhältnissen gerecht. Vielmehr ist auf den für die Geschwister zusammen geleisteten Betreuungsaufwand abzustellen, bei dessen Einschätzung auch die durch die Mehrzahl der zu pflegenden Kinder bedingte Aufwandminimierung sowie andere, stets zu beachtende Faktoren wie das höhere Alter und die damit einhergehende vermehrte Selbstständigkeit der Betreuungsbedürftigen, die Routine der Beteiligten, etc. zu berücksichtigen sind. Da den Akten indes keine diesbezüglichen Angaben zu entnehmen sind, ist die Sache an die IV-Stelle zurückzuweisen. Diese wird das Ausmass des gemeinsamen Pflegebedarfs nach dem Sachverhalt abzuklären haben, wie er sich zur Zeit des Verfügungserlasses dargestellt hat (26. Januar 1998; BGE 121 V 366 Erw. 1b mit Hinweisen). 
Hiebei wird sie auch den gemäss "Aufstellung Mehraufwand" vom 13. Februar 1998 und durch Dr. med. E.________ in seinem Schreiben vom 23. Februar 1998 geltend gemachten höheren Betreuungsaufwand prüfen. Ferner bleibt auf Grund der Akten unklar, ob im vorliegend massgeblichen Zeitraum bereits eine Haushalthilfe beschäftigt wurde und sich die Beschwerdegegner über zusätzliche, effektiv entstandene Kosten für fremdes Hilfspersonal auszuweisen vermögen. Sollte dies zu verneinen sein, entfiele eine unmittelbar auf Art. 4 IVV gestützte Hauspflegebeitragsberechtigung (AHI 1997 S. 245 Erw. 3). Ausnahmsweise kann indes - in Anwendung der von Lehre und Rechtsprechung anerkannten Rechtsfigur der Austauschbefugnis (BGE 120 V 285 f. Erw. 4a mit Hinweisen) - auch für den Fall, dass keine Dritthilfe beigezogen wurde, ein Anrecht auf diejenigen Beiträge bejaht werden, welche die betreute Person nach Art. 4 IVV beanspruchen könnte. Die Verwaltung wird auch diesen Punkt abzuklären und - soweit notwendig - in Nachachtung der massgeblichen Kriterien der Austauschbefugnis (BGE 120 V 286 Erw. 4b; AHI 1997 S. 246 Erw 4a und b; vgl. auch Rz 3.1, in der seit 1. Januar 1998 geltenden Fassung, des Anhangs 3 zum bundesamtlichen Kreisschreiben über die medizinischen Eingliederungsmassnahmen der Invalidenversicherung [KSME]) den Anspruch zu prüfen haben. 
 
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht: 
 
I. Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird in dem Sinne 
gutgeheissen, dass der Entscheid des Versicherungsgerichts 
des Kantons St. Gallen vom 27. April 2000 und 
die Verwaltungsverfügungen vom 26. Januar 1998 aufgehoben 
werden und die Sache an die IV-Stelle des Kantons 
St. Gallen zurückgewiesen wird, damit sie, nach 
erfolgter Abklärung im Sinne der Erwägungen, über den 
Anspruch der Beschwerdegegner auf Übernahme der Hauspflegekosten 
neu verfüge. 
 
II. Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
III. Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen und der IV-Stelle des Kantons St. Gallen zugestellt. 
 
 
Luzern, 13. November 2000 
 
Im Namen des 
Eidgenössischen Versicherungsgerichts 
Der Präsident der III. Kammer: 
 
Die Gerichtsschreiberin: