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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
1C_337/2022  
 
 
Urteil vom 13. Dezember 2022  
 
I. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Kneubühler, Präsident, 
Bundesrichter Chaix, Haag, 
Gerichtsschreiber Uebersax. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.A.________, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
1. B.________, c/o Schule C.________, 
2. D.________, c/o Schule C.________, 
3. E.________, c/o Schule C.________, 
Beschwerdegegner, 
 
Staatsanwaltschaft Winterthur/Unterland, Hermann Götz-Strasse 24, Postfach, 8401 Winterthur, 
Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich, Güterstrasse 33, Postfach, 8010 Zürich. 
 
Gegenstand 
Ermächtigung zur Strafverfolgung, 
 
Beschwerde gegen den Beschluss des Obergerichts des Kantons Zürich, III. Strafkammer, vom 21. April 2022 (TB220030-O/U/BEE). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Der im Jahre 2010 geborene F.A.________ besuchte im Herbst 2021 die 5. Primarklasse an der Schule C.________/ZH. Am 6. September 2021 drückte sein Vater A.A.________ gegenüber der Schule seinen Unmut über ein Informationsschreiben im Zusammenhang mit der Covid-19-Pandemie aus. Nachdem A.A.________ im Dezember 2021 an Covid-19 erkrankt war und sich mit seinem Sohn in Quarantäne begeben hatte, ergab sich ein intensiver Austausch zwischen ihm und der Schule über die künftige pandemiebedingte Gestaltung des Schulbesuchs seines Sohnes. Insbesondere beanstandete A.A.________ die eingeführte Maskentragpflicht und machte geltend, sein Sohn sei davon aus gesundheitlichen Gründen zu dispensieren, ohne vorerst ein von der Schule verlangtes entsprechendes ärztliches Zeugnis einzureichen. Nachdem F.A.________ Anfang Januar 2022 nicht mehr in der Schule erschienen war, reichte die Schulpflege C.________ mit Präsidialbeschluss vom 6./11. Januar 2022 beim Statthalteramt Andelfingen Strafanzeige gegen A.A.________ ein und übermittelte der zuständigen Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde (KESB) eine Gefährdungsmeldung. A.A.________ erstattete wiederum am 19. Januar 2022 Strafanzeige mit entsprechendem Strafantrag gegen B.________, Präsidentin der Schulpflege C.________, D.________, Mitarbeiter der Schulpflege C.________, sowie E.________, Leiterin der Schulverwaltung C.________, wegen Drohung, Nötigung und Verleumdung. Am 29. Januar 2022 zog er den Strafantrag gegenüber E.________ zurück. 
 
B.  
Am 16. Februar 2022 überwies die Staatsanwaltschaft Winterthur/ Unterland die Akten über die Oberstaatsanwaltschaft dem Obergericht des Kantons Zürich, um über die allfällige Erteilung der Ermächtigung zur Durchführung einer Strafuntersuchung wegen Nötigung oder eines anderen Offizialdelikts gegen die drei angezeigten Behördenmitglieder zu entscheiden. Dabei beantragte die Staatsanwaltschaft, die Ermächtigung nicht zu erteilen. Mit Beschluss vom 21. April 2022 verweigerte die III. Strafkammer des Obergerichts die Ermächtigung zur Strafverfolgung in der fraglichen Angelegenheit. Zur Begründung führte sie im Wesentlichen aus, die Schulbehörden hätten von A.A.________ ein ärztliches Attest verlangen dürfen und dazu auch ausreichend Gelegenheit gegeben. Indem er seinen Sohn vom Schulunterricht ferngehalten habe, habe er gegen die entsprechenden gesetzlichen Verpflichtungen der Eltern im Zusammenhang mit der Grundschulpflicht von F.A.________ verstossen. Dafür, dass dieser, wie von A.A.________ geltend gemacht werde, zuhause mit einem ausreichenden Homeschooling unterrichtet worden sei, sei weder die erforderliche Zustimmung der Mutter noch die nötige behördliche Bewilligung vorgelegen. Da sich die Behörden demgemäss korrekt verhalten hätten, sei von vorneherein keine Straftat ersichtlich, weshalb die Ermächtigung zur Strafverfolgung zu verweigern sei. 
 
C.  
Mit Beschwerde in öffentlichen Angelegenheiten vom 25. Mai 2022 an das Bundesgericht beantragt A.A.________ sinngemäss, den Entscheid des Obergerichts aufzuheben und die strittige Ermächtigung zur Strafverfolgung zu erteilen. Es habe genügend Hinweise für Atembeschwerden seines Sohnes gegeben, die einen Dispens von der Maskentragpflicht gerechtfertigt hätten. Dass die federführenden Personen der Schulbehörden daran festgehalten und ihn verzeigt hätten sowie an die KESB gelangt seien, obwohl er einzig seinen Sohn vor dem für diesen gesundheitsschädigenden Maskentragen habe schützen wollen, sei daher strafrechtlich relevant. Mit Eingabe vom 25. Mai 2022 ersuchte A.A.________ sinngemäss um unentgeltliche Rechtspflege. 
 
In einer gemeinsamen Eingabe an das Bundesgericht beantragen B.________, D.________ sowie E.________, auf die Beschwerde nicht einzutreten; eventuell sei sie abzuweisen. Die Staatsanwaltschaft Winterthur/Unterland stellt den Antrag, auf die Beschwerde nicht einzutreten. Die Oberstaatsanwaltschaft reichte keine Vernehmlassung ein. Das Obergericht verzichtete auf eine Stellungnahme. Weitere Rechtsschriften gingen beim Bundesgericht nicht ein. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Nach Art. 7 Abs. 2 lit. b StPO in Verbindung mit § 148 des Zürcher Gesetzes über die Gerichts- und Behördenorganisation im Zivil- und Strafprozess vom 10. Mai 2010 (GOG [LS 211.1]) entscheidet das Obergericht über die Eröffnung oder Nichtanhandnahme einer Strafuntersuchung gegen Beamtinnen und Beamte im Sinn von Art. 110 Abs. 3 StGB wegen im Amt begangener Vergehen oder Verbrechen. Mit dem angefochtenen Entscheid hat es das Obergericht abgelehnt, die Staatsanwaltschaft zur Strafverfolgung der angezeigten Personen zu ermächtigen. Damit fehlt es an einer Prozessvoraussetzung für die Durchführung des Strafverfahrens, womit das Verfahren abgeschlossen ist. Die angezeigten Mitarbeitenden der kommunalen Schulbehörden gehören nicht den obersten kantonalen Vollziehungs- und Gerichtsbehörden an, weshalb der Ausschlussgrund von Art. 83 lit. e BGG nicht greift (vgl. BGE 137 IV 269 E. 1.3.2). Angefochten ist demnach ein Endentscheid (Art. 90 BGG) einer letzten kantonalen Instanz (Art. 86 Abs. 1 lit. d BGG), wogegen nach der Rechtsprechung die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten zulässig ist (BGE 137 IV 269 E. 1.3.1).  
 
1.2. Der Beschwerdeführer, der am kantonalen Verfahren als Anzeigeerstatter und Partei beteiligt war, ist als potentieller Geschädigter, der allenfalls Zivilansprüche geltend machen könnte (Art. 115, Art. 118 und Art. 122 Abs. 1 i.V.m. Art. 104 Abs. 1 lit. b StPO), zur Beschwerdeerhebung befugt (Art. 89 Abs. 1 BGG).  
 
2.  
Mit der Beschwerde an das Bundesgericht kann insbesondere, von hier nicht interessierenden weiteren Möglichkeiten abgesehen, die Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG). Das Bundesgericht wendet das Recht grundsätzlich von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Gemäss Art. 42 Abs. 2 BGG ist jedoch in der Begründung in gedrängter Form darzulegen, inwiefern der angefochtene Akt Recht verletzt. Der Beschwerdeführer muss sich wenigstens kurz mit den Erwägungen des angefochtenen Entscheids auseinandersetzen. Eine reine Wiederholung des Parteistandpunkts ohne Bezug zum angefochtenen Entscheid genügt nicht. Die vorliegende Beschwerdeschrift erfüllt diese Voraussetzungen in grossen Teilen nicht, woran nichts ändert, dass sich der Beschwerdeführer angeblich bemüht haben will, Art. 42 Abs. 2 BGG zu beachten. Auf die Beschwerde kann daher nur im nachfolgenden engen Umfang eingetreten werden. 
 
3.  
Das Bundesgericht legt seinem Urteil den von der Vorinstanz festgestellten Sachverhalt zugrunde (Art. 105 Abs. 1 BGG), es sei denn, dieser sei offensichtlich unrichtig oder beruhe auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG (vgl. Art. 97 Abs. 1 und Art. 105 Abs. 2 BGG). Der Beschwerdeführer vermag nicht darzutun, dass die tatsächlichen Feststellungen des Obergerichts an einem massgeblichen Mangel leiden, namentlich offensichtlich unrichtig sind. Die vorinstanzlichen Sachverhaltsfeststellungen sind daher für das Bundesgericht verbindlich. 
 
4.  
 
4.1. Gemäss Art. 7 Abs. 2 lit. b StPO können die Kantone vorsehen, dass die Strafverfolgung der Mitglieder ihrer Vollziehungs- und Gerichtsbehörden wegen im Amt begangener Verbrechen oder Vergehen von der Ermächtigung einer nicht richterlichen Behörde abhängt. Diese Bestimmung bietet den Kantonen die Möglichkeit, die Strafverfolgung sämtlicher Mitglieder ihrer Vollziehungs- und Gerichtsbehörden von einer Ermächtigung abhängig zu machen. Im Ermächtigungsverfahren dürfen - ausser bei obersten Vollziehungs- und Gerichtsbehörden - nur strafrechtliche Gesichtspunkte berücksichtigt werden (BGE 137 IV 269 E. 2.4). Das Ermächtigungserfordernis dient namentlich dem Zweck, Behördenmitglieder und Beamte vor mutwilliger Strafverfolgung zu schützen und damit das reibungslose Funktionieren staatlicher Organe sicherzustellen. Nach der Rechtsprechung ist für die Erteilung der Ermächtigung ein Mindestmass an Hinweisen auf strafrechtlich relevantes Verhalten zu verlangen. Dabei muss eine Kompetenzüberschreitung oder eine gemessen an den Amtspflichten missbräuchliche Vorgehensweise oder ein sonstiges Verhalten, das strafrechtliche Konsequenzen zu zeitigen vermag, in minimaler Weise glaubhaft erscheinen und es müssen genügende Anhaltspunkte für eine strafbare Handlung vorliegen (Urteil des Bundesgerichts 1C_355/2018 vom 14. November 2018 E. 2.3, mit Hinweisen).  
 
4.2. Da sich der Beschwerdeführer einzig in knapp nachvollziehbarer Weise auf den Straftatbestand der Nötigung und keine weiteren Tatbestände beruft, ist auch nur zu prüfen, ob allenfalls eine Strafverfolgung mit Blick auf dieses Delikt in Betracht fiele. Der Nötigung gemäss Art. 181 StGB macht sich strafbar, wer jemanden durch Gewalt oder Androhung ernstlicher Nachteile oder durch andere Beschränkung seiner Handlungsfreiheit rechtswidrig nötigt, etwas zu tun, zu unterlassen oder zu dulden. Eine Nötigung ist unrechtmässig, wenn das Mittel oder der Zweck unerlaubt ist oder wenn das Mittel zum angestrebten Zweck nicht im richtigen Verhältnis steht oder wenn die Verknüpfung zwischen einem an sich zulässigen Mittel und einem erlaubten Zweck rechtsmissbräuchlich oder sittenwidrig ist (vgl. BGE 141 IV 437 E. 3.2.1 mit Hinweisen).  
 
4.3. Es ist notorisch, dass in der Schweiz im Herbst und Winter 2021/2022 im öffentlichen Bereich eine weitgehende Maskentragpflicht galt, die verschiedentlich auch an Schulen Anwendung fand. Dass eine solche Pflicht bestand, ist denn auch im vorliegenden Zusammenhang gar nicht strittig. Weiter ist es weder missbräuchlich noch unverhältnismässig, für einen Dispens davon ein ärztliches Attest zu verlangen. Dem Beschwerdeführer waren die Maskentragpflicht und das Erfordernis eines ärztlichen Zeugnisses für einen Dispens schon seit spätestens September 2021 bekannt, ohne dass er das nötige Attest vorgelegt hätte. Nachdem er den Schulbehörden am 10. Dezember 2021 mitgeteilt hatte, an Covid-19 erkrankt zu sein und mit seinem Sohn in Quarantäne zu bleiben, wurde er mit Schreiben vom 14. Dezember 2021 unter anderem aufgefordert, ein Zeugnis für den verlangten Maskentragdispens für seinen Sohn einzureichen, andernfalls nach Ablauf der Quarantänezeit, voraussichtlich ab dem 3. Januar 2022, wieder die Schulpflicht für seinen Sohn gelte. Es musste auch dem Beschwerdeführer klar sein, dass damit sinngemäss gemeint war, der Schulbesuch habe unter den für alle Schülerinnen und Schüler anwendbaren pandemiebedingten Modalitäten zu erfolgen, wozu weiterhin die Maskentragpflicht gehörte. Auch dies bestreitet er im Übrigen an sich nicht. Die dem Beschwerdeführer eingeräumte Frist erscheint angesichts der Vorgeschichte trotz der Feiertage ausreichend und zumutbar. Dass er sich allenfalls mit der Mutter seines Sohnes nicht über die Möglichkeit von Homeschooling zu einigen vermochte, ist nicht den Behörden anzulasten. Mit Blick auf die Grundschulpflicht nach Art. 62 Abs. 2 BV und der entsprechenden, unter Strafdrohung stehenden gesetzlichen Pflichten der Eltern im kantonalzürcherischen Recht (vgl. insbes. §§ 57 und 76 Volksschulgesetzes des Kantons Zürich vom 7. Februar 2005, VSG [LS 412.100]) ist daher nicht zu beanstanden, dass die kommunalen Schulbehörden den Beschwerdeführer wegen des Fernhaltens seines Sohnes vom Schulunterricht angezeigt hatten, nachdem die Frist zur Einreichung des ärztlichen Zeugnisses unbenutzt verstrichen war. Zudem waren sie nach § 51 VSG verpflichtet, wegen einer möglichen Gefährdung des Kindeswohls die für Kindesschutzmassnahmen zuständige Behörde zu informieren. Daran ändert nichts, dass allenfalls später ein solches Attest erlangt und eingereicht werden konnte.  
 
4.4. Mit der Vorinstanz ergibt sich damit, dass keine Hinweise auf eine Straftat vorliegen. Der angefochtene Entscheid verletzt Bundesrecht nicht.  
 
5.  
Die Beschwerde erweist sich als unbegründet und ist abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. 
Aufgrund der besonderen Umstände des vorliegenden Falles kann ausnahmsweise von der Erhebung von Kosten für das bundesgerichtliche Verfahren abgesehen werden (vgl. Art. 66 Abs. 1 BGG). Über das Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege braucht damit nicht entschieden zu werden. Eine Parteientschädigung ist nicht zuzusprechen (vgl. Art. 68 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
 
2.  
Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
 
3.  
Dieses Urteil wird den Parteien, der Staatsanwaltschaft Winterthur/ Unterland, der Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich und dem Obergericht des Kantons Zürich, III. Strafkammer, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 13. Dezember 2022 
 
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Kneubühler 
 
Der Gerichtsschreiber: Uebersax