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Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 7} 
I 515/06 
 
Urteil vom 14. März 2007 
II. sozialrechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter U. Meyer, Präsident, 
Bundesrichter Lustenberger, Seiler, 
Gerichtsschreiber Fessler. 
 
Parteien 
F.________, 1958, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Christian Heldstab, c/o Widmer Müller Gibor, Rämistrasse 3, 8001 Zürich, 
 
gegen 
 
IV-Stelle des Kantons Zürich, Röntgenstrasse 17, 8005 Zürich, Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Invalidenversicherung, 
 
Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich vom 31. März 2006. 
 
Sachverhalt: 
A. 
Nachdem der Anspruch auf eine Rente der Invalidenversicherung zweimal rechtskräftig abgelehnt worden war (Verfügungen vom 24. Januar 1994 und 15. Februar 2001), meldete sich der 1958 geborene F.________ am 1. Oktober 2002 erneut zum Rentenbezug an. Nach Abklärungen lehnte die IV-Stelle das Leistungsbegehren mit Verfügung vom 7. Januar 2003 ab, was sie mit Einspracheentscheid vom 1. Juli 2003 bestätigte. Mit Entscheid vom 30. März 2004 hob das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich diesen Verwaltungsakt auf und wies die Sache an die IV-Stelle zurück, damit sie nach erfolgter Abklärung im Sinne der Erwägungen über den Leistungsanspruch neu verfüge. Nach weiteren Erhebungen verneinte die IV-Stelle mit Verfügung vom 27. Januar 2005 den Anspruch des F.________ auf eine Invalidenrente. Daran hielt sie mit Einspracheentscheid vom 10. August 2005 fest. 
B. 
Die Beschwerde des F.________ wies das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich mit Entscheid vom 31. März 2006 ab. 
C. 
F.________ lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen mit dem Rechtsbegehren, der kantonale Gerichtsentscheid sei aufzuheben und die Sache sei zur Neubeurteilung an die IV-Stelle zurückzuweisen, unter Gewährung der unentgeltlichen Verbeiständung. 
Die IV-Stelle beantragt die Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Das Bundesamt für Sozialversicherungen verzichtet auf eine Vernehmlassung. 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 
 
1. 
Der angefochtene Entscheid erging am 31. März 2006. Das Verfahren richtet sich somit nach dem Bundesgesetz über die Organisation der Bundesrechtspflege (OG). Das am 1. Januar 2007 in Kraft getretene Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (BGG [AS 2006 1205 ff.]) ist nicht anwendbar (Art. 132 Abs. 1 BGG; BGE 132 V 393 E. 1.2 S. 395). Da die Verwaltungsgerichtsbeschwerde vor dem 1. Juli 2006 anhängig gemacht worden ist, bestimmt sich die Überprüfungsbefugnis im vorliegenden Streit um eine Rente der Invalidenversicherung nach Art. 132 OG, in der bis 30. Juni 2006 gültig gewesenen Fassung (lit. c der Übergangsbestimmungen zur Änderung des IVG vom 16. Dezember 2005 [AS 2006 2003 f.]). Das Bundesgericht (bis 31. Dezember 2006: Eidgenössisches Versicherungsgericht) kann somit auch die Unangemessenheit des angefochtenen Entscheides prüfen und es ist an die vorinstanzliche Feststellung des Sachverhalts nicht gebunden. 
2. 
Das kantonale Gericht hat durch Einkommensvergleich (alt Art. 28 Abs. 2 IVG und Art. 16 ATSG sowie BGE 128 V 29 E. 1 S. 30 in Verbindung mit BGE 130 V 343) einen Invaliditätsgrad von 36 % ([[Fr. 33'278.- - Fr. 21'378.-]/Fr. 33'278.-] x 100 %; zum Runden BGE 130 V 121) ermittelt, was keinen Rentenanspruch ergibt (Art. 28 Abs. 1 IVG). Das Valideneinkommen (Fr. 33'278.-) hat es dem Verdienst gleichgesetzt, den der Versicherte 2002 als Gerüstmonteur bei der Firma I.________ AG mit einem hälftigen Arbeitspensum erzielt hätte. Das Invalideneinkommen (Fr. 21'378.-) hat die Vorinstanz auf der Grundlage der Schweizerischen Lohnstrukturerhebung 2002 des Bundesamtes für Statistik (LSE 02) bestimmt (BGE 129 V 472 E. 4.2.1 S. 475 f., 124 V 321). Dabei hat sie den Tabellenlohn im Sinne von BGE 126 V 75 um 25 % gekürzt. Weiter ist sie von einer trotz gesundheitlicher Beeinträchtigung zumutbaren Arbeitsfähigkeit von 50 % ausgegangen. 
3. 
In der Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird vorgebracht, die vorinstanzliche Invaliditätsbemessung beruhe auf widersprüchlichen und aus weiteren Gründen willkürlichen Annahmen. Der rechtserhebliche Sachverhalt sei insbesondere in Bezug auf das ohne gesundheitliche Beeinträchtigung geleistete erwerbliche Arbeitspensum nicht genügend festgestellt. Sodann sei der Invaliditätsgrad nicht durch Einkommensvergleich, sondern in Anwendung der gemischten Bemessungsmethode (vgl. dazu BGE 125 V 146 E. 2a-c S. 148 ff. sowie BGE 130 V 393 und SVR 2006 IV Nr. 42 S. 151 [I 156/04]) zu ermitteln. 
3.1 
3.1.1 Mit dem kantonalen Gericht ist davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer ohne gesundheitliche Beeinträchtigung als (Gerüst- und Fassadenlift-)Monteur tätig wäre. Zum zeitlichen Umfang hat die Vorinstanz erwogen, aufgrund der Akten sei der Versicherte in den 90er Jahren zu etwa 50 % als Übersetzer und Versicherungsberater tätig gewesen. Daneben habe er zwar zeitweise in nicht unbedeutendem Umfang als Packer/Chauffeur in der Firma W.________ AG gearbeitet. Damit lasse sich jedoch kein höheres hypothetisches Arbeitspensum als 50 % begründen, könne doch diese Tätigkeit bei Rückenbeschwerden jedenfalls nicht als optimal bezeichnet werden. Dem Versicherten sei denn auch von der Arbeitgeberin auf Ende Juni 1999 gekündigt worden, da aufgrund der gesundheitlich bedingten Einschränkungen keine Einsatzmöglichkeiten mehr bestanden hätten. Damals habe indessen in einer dem Leiden angepassten, leichten bis mittelschweren, wechselbelastenden Tätigkeit vollständige Arbeitsfähigkeit bestanden. Er wäre somit in der Lage gewesen, vollzeitlich als Übersetzer/Versicherungsberater zu arbeiten. Der Versicherte habe somit aus freien Stücken, zumindest nicht aus invalidenversicherungsrechtlich bedeutsamen Gründen lediglich ein Teilzeitpensum von durchschnittlich 50 % ausgeübt. Damit sei mit überwiegender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass der Versicherte auch im Gesundheitsfall lediglich zu 50 % erwerbstätig wäre, und zwar in der angestammten Tätigkeit als Monteur oder Hilfsarbeiter. 
3.1.2 Es besteht kein Grund, bei der Frage nach dem erwerblichen Arbeitspensum ohne gesundheitliche Beeinträchtigung die Tätigkeit in der Firma W.________ AG im Zeitraum November 1995 bis Juni 1999 unberücksichtigt zu lassen. Dass die Einsatzmöglichkeiten beschränkt waren und der Beschwerdeführer nur Packarbeiten ausführen und dabei leichte Sachen tragen konnte, ist unerheblich. Entscheidend ist der trotz der somatisch bedingt eingeschränkten Leistungsfähigkeit manifestierte Arbeitswille. Aufgrund der Lohnangaben im Fragebogen für den Arbeitgeber vom 25. November 1999 betrug das Arbeitspensum im Zeitraum 1997 bis Juni 1999 durchschnittlich 40 % bis 50 % der normalen Arbeitszeit im Betrieb. Umgekehrt ist fraglich, ob der Beschwerdeführer ab 1997 tatsächlich zu 50 % als Übersetzer und Versicherungsberater für die A.________ GmbH tätig war, wie die Vorinstanz aufgrund der Angaben der Firma im Fragebogen für den Arbeitgeber vom 22. Oktober 2002 annimmt. Die in den Akten befindlichen Auszüge aus dem individuellen Konto weisen erst ab 2000 verabgabte Lohnzahlungen aus. Anderseits ist nicht auszuschliessen, dass der seit 1993 von seiner Ehefrau gerichtlich getrennte Beschwerdeführer damals wieder bei seiner Familie wohnte, wobei er und seine gemäss IK-Auszug ebenfalls erwerbstätige Ehefrau gemeinsam den Haushalt besorgten und die Kinder betreuten. Diese Aufgabe fiel mit der definitiven Trennung und dem Verlust des elterlichen Sorgerechts für die Kinder bei der Scheidung im April 2002 dahin, was die Erweiterung der erwerblichen Tätigkeit ermöglichte. Unter diesen Umständen und in Berücksichtigung, dass der Beschwerdeführer ab 1. März 1988 bis zur Kündigung aus gesundheitlichen Gründen auf Ende Januar 1991 zu 100 % in der Firma I.________ AG gearbeitet hatte, ist von einer Vollzeittätigkeit ohne gesundheitliche Beeinträchtigung auszugehen. Der Invaliditätsgrad ist somit durch Einkommensvergleich zu ermitteln. Die gemischte Methode der Invaliditätsbemessung ist nicht anwendbar. Dabei beträgt das Valideneinkommen Fr. 66'556.- (2 x Fr. 33'278.-; E. 2). 
3.2 
3.2.1 In Bezug auf das Invalideneinkommen ist unbestritten, dass der Beschwerdeführer aus somatischer Sicht zu 75 % und aus psychiatrischer Sicht zu 50 % arbeitsfähig ist. Nach Auffassung des kantonalen Gerichts ist es dem Versicherten unter Berücksichtigung der physischen und psychischen Beschwerden möglich und zumutbar, ein Pensum von 50 % in einer behinderungsangepassten Tätigkeit zu verrichten. Aufgrund der medizinischen Beurteilung des somatischen Gesundheitsschadens könne angenommen werden, dass die bereits aus psychischen Gründen angezeigte Einschränkung der Berufstätigkeit von 50 % sich gleichzeitig auch in somatischer Hinsicht entlastend auswirke. Dem ist beizupflichten. Gemäss dem psychiatrischen Gutachten des Dr. med. P.________ vom 18. Oktober 2004 besteht eine chronifizierte rezidivierende depressive Störung mittelgradigen Ausmasses (ICD-10 F33.11) mit somatischen und neurasthenischen Begleitsymptomen. Aufgrund dieses Leidens ist die Arbeitsfähigkeit zu 50 % einschränkt. Die Frage, ob die Arbeitsfähigkeit von 75 % aus somatischer Sicht aus psychiatrischen Gründen zusätzlich eingeschränkt sei, beantwortete der Experte in dem Sinne, dass seit Anfang Januar 2002 aufgrund einer zunehmenden depressiven Symptomatik eine etwa 50%ige generelle und anhaltende Einschränkung der Arbeitsfähigkeit gegeben sei. Diese Aussage ist dahingehend zu verstehen, dass entsprechend der Diagnose die somatischen und neurasthenischen Symptome bei der Einschätzung der Arbeitsfähigkeit mitberücksichtigt wurden. 
3.2.2 Entgegen der Vorinstanz ist das Invalideneinkommen auf der Grundlage der beruflich-erwerblichen Situation nach Eintritt des psychischen Gesundheitsschadens im Januar 2002 zu ermitteln (vgl. BGE 129 V 472 E. 4.2.1 S. 475, 126 V 75 E. 3b/aa S. 76). Es trifft zwar zu, dass die Angaben zum Arbeitspensum «ca. 25-30 %» im Fragebogen vom 22. Oktober 2002 nicht restlos klar sind. Zu beachten ist indessen Folgendes: Gemäss Dr. med. P.________ beeinträchtigen die mit der depressiven Antriebshemmung assoziierten Störungen der Konzentration und Aufmerksamkeit auch klar die Tätigkeit als Dolmetscher und Versicherungsverkäufer. Dabei kämen dem Exploranden seine albanischen Sprachkenntnisse, die er im Sinne einer Nischentätigkeit einsetzen könne, zugute. Ohne diese Möglichkeit wäre er noch weitgehender arbeitsunfähig. Eine zeitlich vorbestimmte Teilzeittätigkeit würde ihn als Dolmetscher klar überfordern. Die Reduktion der Konzentration und Aufmerksamkeit sowie die allgemeine depressive Schwerfälligkeit seien ein klares Beispiel für die Leistungsschwäche des Exploranden. Aufgrund dieser Aussagen ist davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer die ihm verbliebene Arbeitsfähigkeit als Übersetzer und Versicherungsberater in der Firma A.________ GmbH grundsätzlich mit besserem erwerblichen Erfolg als auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt verwerten kann. Allerdings kann der im Fragebogen für den Arbeitgeber vom 22. Oktober 2002 angegebene Lohn von Fr. 24'000.- (12 x Fr. 2000.-) nicht als Invalideneinkommen gelten. Dieser Verdienst entspricht einem Arbeitspensum von rund 30 %. Zumutbar ist indessen grundsätzlich ein Pensum von 50 %. Auch unter Berücksichtigung der von Dr. med. P.________ beschriebenen Leistungsschwäche ist daher davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer ein Einkommen von wenigstens Fr. 30'000.- erzielen könnte. 
3.3 Aus der Gegenüberstellung von Valideneinkommen (Fr. 66'556.-) und Invalideneinkommen (Fr. 30'000.-) ergibt sich eine Erwerbseinbusse von höchstens Fr. 36'556.-, was einem Invaliditätsgrad von 55 % entspricht. Somit besteht Anspruch auf eine halbe Rente der Invalidenversicherung (Art. 28 Abs. 1 IVG; Art. 132 Abs. 1 lit. c OG), wobei die IV-Stelle den Rentenbeginn noch festzusetzen haben wird. 
4. 
Das Verfahren ist kostenlos (Art. 134 OG in der bis 30. Juni 2006 gültig gewesenen Fassung). Dem Prozessausgang entsprechend hat der Beschwerdeführer Anspruch auf Parteientschädigung (Art. 159 Abs. 1 und 2 OG in Verbindung mit Art. 135 OG). Das Gesuch um unentgeltliche Verbeiständung ist demzufolge gegenstandslos. 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
1. 
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird in dem Sinne gutgeheissen, dass der Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich vom 31. März 2006 und der Einspracheentscheid der IV-Stelle des Kantons Zürich vom 10. August 2005 aufgehoben werden mit der Feststellung, dass der Beschwerdeführer im Sinne von E. 3.3 Anspruch auf eine halbe Rente der Invalidenversicherung hat. 
2. 
Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
3. 
Die IV-Stelle des Kantons Zürich hat dem Beschwerdeführer für das Verfahren vor dem Bundesgericht eine Parteientschädigung (einschliesslich Mehrwertsteuer) von Fr. 2500.- zu bezahlen. 
4. 
Das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich hat die Parteientschädigung für das kantonale Verfahren entsprechend dem Ausgang des letztinstanzlichen Prozesses festzusetzen. 
5. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich, der Ausgleichskasse des Kantons Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherungen zugestellt. 
Luzern, 14. März 2007 
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: