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Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
6B_694/2007/bri 
 
Urteil vom 14. April 2008 
Strafrechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter Schneider, Präsident, 
Bundesrichter Favre, Mathys, 
Gerichtsschreiberin Binz. 
 
Parteien 
X.________, 
Beschwerdeführer, vertreten durch Advokat Alain Joset, 
 
gegen 
 
A.________, 
Beschwerdegegner, vertreten durch Fürsprecher Serge Flury, 
Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Landschaft, Bahnhofplatz 3a, 4410 Liestal, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Mehrfache Gefährdung des Lebens (Art. 129 StGB), 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Kantonsgerichts Basel-Landschaft, Abteilung Zivil- und Strafrecht, vom 28. August 2007. 
 
Sachverhalt: 
 
A. 
X.________ zielte am 30. Juli 2004 mit einem geladenen Revolver mit gespanntem Schlaghammer auf B.________, C.________, D.________ und A.________, um diese an der Räumung seines Estrichs zu hindern. Bevor er zum ersten Mal schoss, drückte ihm A.________ den rechten Arm nach unten, so dass die Kugel eine Kommode traf. Beim zweiten Schuss traf X.________ A.________ in den Brustkorb, woraufhin dieser schwere Verletzungen erlitt. Das Strafgericht des Kantons Basel-Landschaft sprach X.________ mit Teilurteil vom 14. April 2005 der mehrfachen Gefährdung des Lebens sowie der fahrlässigen schweren Körperverletzung schuldig. Mit Teilurteil vom 13. März 2006 verurteilte es ihn zu einer Gefängnisstrafe von 18 Monaten. Den Strafvollzug schob es auf und wies X.________ gemäss Art. 44 Ziff. 1 Abs. 1 aStGB in eine suchtspezifische Einrichtung ein. 
 
B. 
Gegen dieses Urteil erklärte X.________ Appellation. Das Kantonsgericht Basel-Landschaft, Abteilung Zivil- und Strafrecht, ordnete mit Urteil vom 28. August 2007 in teilweiser Gutheissung der Appellation und in Anwendung des neuen Rechts eine ambulante Massnahme gemäss Art. 56 StGB i.V.m. Art. 63 StGB an. Im Übrigen wies es die Appellation ab. 
 
C. 
X.________ führt Beschwerde in Strafsachen mit dem Antrag, das Urteil des Kantonsgerichts Basel-Landschaft vom 28. August 2007 sei aufzuheben und die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Er sei vom Vorwurf der mehrfachen Gefährdung des Lebens freizusprechen und wegen fahrlässiger schwerer Körperverletzung zu einer angemessenen Strafe zu verurteilen. Zudem ersucht er um unentgeltliche Rechtspflege. 
 
Erwägungen: 
 
1. 
Am 1. Januar 2007 ist der revidierte Allgemeine Teil des Strafgesetzbuches in Kraft getreten. Dieses neue Recht gelangt jedoch auf Taten, welche noch unter Geltung des alten Rechts begangen wurden, nur zur Anwendung, wenn es für den Täter das mildere ist (Art. 2 Abs. 2 StGB). Im vorliegenden Fall ist das neue Recht nicht milder, womit das alte Recht anwendbar bleibt (vgl. angefochtenes Urteil E. 5.4 S. 14). 
 
2. 
Der Beschwerdeführer rügt die Verletzung von Bundesrecht durch falsche Anwendung von Art. 129 StGB. Er macht geltend, der subjektive Tatbestand, insbesondere das Tatbestandsmerkmal der Skrupellosigkeit, sei nicht erfüllt. 
 
2.1 Wer einen Menschen in skrupelloser Weise in unmittelbare Lebensgefahr bringt, wird mit Zuchthaus bis zu fünf Jahren oder mit Gefängnis bestraft (Art. 129 aStGB). 
 
2.2 Die Vorinstanz führt zur Skrupellosigkeit aus, der Beschwerdeführer habe mit einer geladenen Waffe mit gespanntem Schlaghammer auf die beteiligten Personen gezielt, um sie am Wegschaffen seiner im Estrich gelagerten Habseligkeiten zu hindern. Ein solches Verhalten sei klar unverhältnismässig und unter ethischen Gesichtspunkten nicht zu rechtfertigen, weshalb es skrupellos sei. Zwar sei der Beschwerdeführer durch seine Persönlichkeitsstörung, den Alkoholeinfluss und die zum Tatzeitpunkt herrschende Aufregung in seiner Zurechnungsfähigkeit eingeschränkt gewesen. Eine teilweise Einschränkung der Zurechnungsfähigkeit schliesse jedoch skrupelloses Verhalten nicht aus. Der Beschwerdeführer habe weiter mit direktem Gefährdungsvorsatz gehandelt. Weil er gewusst habe, dass er die Personen, auf welche er zielte, in unmittelbare Lebensgefahr brachte, könne auf eine willentliche Begehung geschlossen werden. Die aus den genannten Gründen eingeschränkte Zurechnungsfähigkeit des Beschwerdeführers vermöge am Wissen und Wollen des Verhaltens nichts zu ändern. Der Beschwerdeführer sei in seiner Einsichtsfähigkeit nicht beeinträchtigt gewesen und seine Steuerungsfähigkeit sei lediglich leicht bis höchstens mittelgradig beeinträchtigt gewesen. Die verminderte Zurechnungsfähigkeit stelle somit keinen Schuldausschluss-, sondern nur einen Schuldminderungsgrund dar (angefochtenes Urteil E. 4.1.2 S. 9 f.). 
 
2.3 Der Beschwerdeführer wendet dagegen ein, nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung handle ein Täter nicht skrupellos, wenn vom Gesetz anderweitig als entlastend anerkannte Umstände vorliegen, beispielsweise wenn er die Tat in Notwehrüberschreitung, auf Provokation durch das Opfer hin, in entschuldbarer Gemütsbewegung oder unter grosser seelischer Belastung begangen habe. Der Täter könne nicht skrupellos und gleichzeitig in einer schuldmindernden Ausnahmesituation handeln. Die Vorinstanz sei aufgrund seiner Persönlichkeitsstörung, dem Alkoholeinfluss sowie der zum Tatzeitpunkt herrschenden Bedrohungssituation von einer verminderten Zurechnungsfähigkeit ausgegangen und habe die Strafe entsprechend gemildert. In Anbetracht der gesamten Tatumstände und seines innerpsychischen Zustandes könne seine Tat nicht als in schwerem Grad vorwerfbar qualifiziert werden. Weil er während Jahren von seinem Vermieter D.________ gedemütigt worden sei, habe sich seine Wut entladen, als dieser zusammen mit seinen Gehilfen seine Habseligkeiten im Estrich räumen wollte. Es sei zu einem unübersichtlichen Gerangel gekommen, wobei sich die beiden Schüsse gelöst hätten, nachdem er von einem Beteiligten am Hals gewürgt worden sei. Das Tatgeschehen habe er nicht mit Wissen und Willen gesteuert, weshalb weder direkter Vorsatz noch Skrupellosigkeit gegeben seien. Er habe die Eindringlinge einschüchtern, aber nicht einer lebensbedrohlichen Gefährdung aussetzen wollen. Schliesslich habe er die Waffe für eine Schreckschusspistole gehalten (Beschwerde S. 5 ff.). 
 
2.4 Für die Gefährdung des Lebens ist in subjektiver Hinsicht direkter Vorsatz in Bezug auf die unmittelbare Lebensgefahr erforderlich; Eventualvorsatz genügt nicht (BGE 133 IV 1 E. 5.1 S. 8, mit Hinweisen). Des Weiteren verlangt der subjektive Tatbestand von Art. 129 StGB, dass die Möglichkeit des Todeseintritts so wahrscheinlich erscheint, dass sich wissentlich darüber hinwegzusetzen als skrupellos erscheint (BGE 121 IV 67 E. 2b/aa S. 70, mit Hinweisen). Gemeint ist damit ein qualifizierter Grad der Vorwerfbarkeit, eine besondere Hemmungs- oder Rücksichtslosigkeit des Täters (Günter Stratenwerth/ Guido Jenny, Schweizerisches Strafrecht, Besonderer Teil I, 6. Auflage Bern 2003, § 4 N 13). Zu berücksichtigen sind die Tatmittel, die Tatmotive sowie die konkrete Tatsituation. Die Skrupellosigkeit muss sich mithin als Qualifikation der Tat ergeben (Peter Aebersold, Basler Kommentar, Strafgesetzbuch II, 2. Aufl. Basel 2007, Art. 129 StGB N 33). Je grösser die Gefahr ist, die der Täter verursacht, je weniger seine Beweggründe Beachtung verdienen, umso eher wird man auf Skrupellosigkeit schliessen (BGE 107 IV 163 E. 3 S. 164, mit Hinweisen). 
 
2.5 Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Was der Täter wusste, wollte und in Kauf nahm, betrifft sog. innere Tatsachen und ist damit Tatfrage (BGE 133 IV 9 E. 4.1 S. 17). Die Vorinstanz hat das Tatgeschehen und somit das Wissen des Beschwerdeführers um die Lebensgefahr verbindlich festgestellt (angefochtenes Urteil E. 4.1 S. 10). Auf seine Rüge, er habe nicht vorsätzlich gehandelt, ist nicht einzutreten. 
 
2.6 Die Auffassung des Beschwerdeführers, ein Täter könne nicht gleichzeitig skrupellos und in einer entschuldbaren Ausnahmesituation handeln, trifft nicht zu. Die Beurteilung der Skrupellosigkeit erfolgt nach ethischen Gesichtspunkten. Leidet der Täter beispielsweise an einer Persönlichkeitsstörung, aufgrund welcher sein Verhalten aus medizinischer, nicht jedoch aus ethischer Sicht nachvollziehbar ist, handelt er dennoch skrupellos. Die verminderte Zurechnungsunfähigkeit ist ihm Rahmen der Strafzumessung zu berücksichtigen (vgl. unveröffentlichte Entscheide des Bundesgerichts 6P.58/2004 vom 25. Oktober 2004 E. 5.2.2 und 6S.334/2004 vom 30. November 2004 E. 3.2, mit Hinweis). Der Täter kann auch aus Wut und unter Alkoholeinfluss oder in einem entschuldbaren Notwehrexzess skrupellos handeln (vgl. unveröffentlichte Entscheide des Bundesgerichts 6S.16/ 2004 vom 13. Februar 2004 E. 2.4.2 und 6S.192/2004 vom 26. August 2004 E. 2.4). Die Gefährdung des Lebens wurde weiter bejaht in einem Fall, wo der Täter eine Pistole mit der Kugel im Lauf auf nahestehende Personen richtete (BGE 121 IV 70 E. 2 d S. 75). Im vorliegenden Fall hat der Beschwerdeführer mit geladener Waffe mit gespanntem Schlaghammer auf mehrere Personen gezielt, um diese an der Räumung seines Estrichs zu hindern. Die Vorinstanz führt zu Recht aus, dieses Verhalten sei trotz verminderter Zurechnungsfähigkeit unverhältnismässig und unter ethischen Gesichtspunkten nicht zu rechtfertigen und demnach skrupellos. Die Verurteilung des Beschwerdeführers wegen Gefährdung des Lebens verletzt kein Bundesrecht. 
 
3. 
Demgemäss ist die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. Weil die Rechtsbegehren des Beschwerdeführers von vornherein aussichtslos erschienen, ist sein Ersuchen um unentgeltliche Rechtspflege abzuweisen. Der Beschwerdeführer hat daher die bundesgerichtlichen Kosten zu zahlen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Seiner finanziellen Lage ist mit einer herabgesetzten Gerichtsgebühr Rechnung zu tragen (Art. 65 Abs. 2 BGG). 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
 
2. 
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen. 
 
3. 
Die Gerichtskosten von Fr. 800.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
4. 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Kantonsgericht Basel-Landschaft, Abteilung Zivil- und Strafrecht, schriftlich mitgeteilt. 
Lausanne, 14. April 2008 
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin: 
 
Schneider Binz