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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
6B_793/2010 
 
Urteil vom 14. April 2011 
Strafrechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter Favre, Präsident, 
Bundesrichter Wiprächtiger, Bundesrichterin 
Jacquemoud-Rossari, 
Gerichtsschreiber Keller. 
 
Verfahrensbeteiligte 
X.________, vertreten durch Rechtsanwalt Urs Schlegel, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen 
 
1. Staatsanwaltschaft des Kantons St. Gallen, Schützengasse 1, 9001 St. Gallen, 
Beschwerdegegnerin 1; 
 
2. A.________, vertreten durch Rechtsanwältin 
Dr. Nicole Zürcher Fausch, 
Beschwerdegegnerin 2. 
 
Gegenstand 
Mehrfache sexuelle Handlungen mit Kindern etc., 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Kantonsgerichts St. Gallen, Strafkammer, vom 8. Juni 2010. 
 
Sachverhalt: 
 
A. 
A.a Das Kreisgericht Obertoggenburg-Neutoggenburg sah es als erwiesen an, dass X.________ in (mindestens) drei Fällen jeweils während eines Hafturlaubs zwischen dem 12. September 2004 und dem 2. November 2006 am Wohnort der Familie in B.________ die Scheide seiner damals zwei- bis vierjährigen Tochter A.________ mit dem Finger und seinem Penis berührte, ihr den Genitalbereich leckte sowie sie dazu brachte, sein Glied zu lecken. 
A.b 
Am 11. September 2008 befand das Kreisgericht Obertoggenburg-Neutoggenburg X.________ der mehrfachen sexuellen Handlungen mit einem Kind und der mehrfachen Schändung für schuldig. Es sprach, teilweise als Zusatz zum Urteil des Bezirksgerichtes Hinwil vom 12. Mai 2005, eine Freiheitsstrafe von 3 ½ Jahren aus und ordnete eine ambulante, vollzugsbegleitende, deliktsorientierte und rückfallpräventive Massnahme an. 
 
B. 
Das Kantonsgericht St. Gallen wies am 8. Juni 2010 - ausser im Genugtuungspunkt - die Berufung sowie die Anschlussberufung der Staatsanwaltschaft ab. 
 
C. 
Gegen dieses Urteil richtet sich die Beschwerde in Strafsachen des X.________. Er beantragt Aufhebung des angefochtenen Urteils und Freispruch, eventualiter Aufhebung und Rückweisung, und es sei ihm die unentgeltliche Rechtspflege zu gewähren. 
 
D. 
In ihrer Beschwerdeantwort beantragt A.________ Abweisung der Beschwerde. In seiner Stellungnahme zur Beschwerdeantwort hält X.________ an seinen Ausführungen fest. 
 
E. 
Mit Verfügung vom 1. November 2010 gewährte das Bundesgericht A.________ die unentgeltliche Rechtspflege und bestellte Rechtsanwältin Dr. Nicole Zürcher Fausch für das bundesgerichtliche Verfahren als Anwältin im Sinne von Art. 64 Abs. 2 BGG
 
Erwägungen: 
 
1. 
1.1 Die Vorinstanz setzt sich ausführlich und unter Hinweis auf die bundesgerichtliche Rechtsprechung sowie auf die Literatur mit den Aufgaben eines aussagepsychologischen Gutachtens auseinander. Sie kommt zusammenfassend zum Schluss, dass das Vorgehen der Gutachterin nicht zu beanstanden sei. Sie sei nach der richtigen Methodik und nicht in Widerspruch zur bundesgerichtlichen Rechtsprechung vorgegangen (angefochtenes Urteil S. 11 f.). 
 
1.2 Der Beschwerdeführer kritisiert das methodische Vorgehen der Vorinstanz. Die Feststellung in Erwägung III/8a des angefochtenen Entscheids sei aktenwidrig, denn die Analyse der Entstehungsgeschichte mit Blick auf die Suggestionshypothese habe im Gegenteil ergeben, dass diese unter Berücksichtigung der suggestiven Einflüsse nicht mehr habe zurückgewiesen werden können. Soweit die Entstehungsgeschichte gemeint gewesen sei, wäre die entsprechende Feststellung offensichtlich falsch. Insoweit sei die Feststellung unrichtig nach Art. 97 BGG und verstosse als aktenwidrige Annahme auch gegen Art. 9 BV (Beschwerde S. 4). 
1.3 
1.3.1 Bedeutsam für die Wahrheitsfindung ist die Glaubhaftigkeit der konkreten Aussage, die durch methodische Analyse ihres Inhalts darauf überprüft wird, ob die auf ein bestimmtes Geschehen bezogenen Angaben einem tatsächlichen Erleben des Zeugen entspringen. Damit eine Aussage als zuverlässig erachtet werden kann, ist sie insbesondere auf das Vorhandensein von Realitätskriterien und umgekehrt auf das Fehlen von Fantasiesignalen zu überprüfen. Dabei wird zunächst davon ausgegangen, dass die Aussage gerade nicht realitätsbegründet ist, und erst, wenn sich diese Annahme (Null-Hypothese) als Grund der festgestellten Realitätskriterien nicht mehr halten lässt, wird geschlossen, dass die Aussage einem wirklichen Erlebnis entspricht und wahr ist (BGE 133 I 33 E. 4.3 S. 45 f. mit Hinweis auf BGE 129 I 49 E. 5 S. 58 f. und 128 I 81 E. 2 S. 85 f. und auf die dort zahlreich aufgeführte Literatur; vgl. neuestens Rolf BENDER/ARMIN NACK/WOLF-DIETER TREUER, Tatsachenfeststellungen vor Gericht, 3. Aufl., München 2007, N. 294 f.; GÜNTHER KÖHNKEN, Methodik der Glaubwürdigkeitsbegutachtung, in: Jörg Michael Fegert (Hrsg.), Begutachtung sexuellen Missbrauchs der Kinder, Neuwied 2001, S. 29 f.; SUSANNE NIEHAUS, Begutachtung der Glaubhaftigkeit von Kinderaussagen, FAMPRA.ch 2/2010, S. 315 ff.; MARCO FERRARI, Erkenntnisse aus der Aussagenpsychologie, Plädoyer 4/2009, S. 34 ff.; HANS WIPRÄCHTIGER, Aussagepsychologische Begutachtung im Strafrecht, Forumpoenale 1/2010, 40 ff.; vgl. auch die Urteile des Bundesgerichtes 6B_536/2008 vom 5. November 2008, 6B_729/2008 vom 8. Juli 2009, 6B_35/2009 vom 19. Juni 2009, 6B_59/2009 vom 9. Juli 2009 und 6B_165/2009 vom 10. Juli 2009. 
1.3.2 Auch wenn Gerichte Gutachten grundsätzlich frei zu würdigen haben, dürfen sie in Fachfragen nicht ohne triftige Gründe von ihnen abrücken und müssen Abweichungen begründen. Umgekehrt kann das Abstellen auf nicht schlüssige Gutachten gegen das Verbot willkürlicher Beweiswürdigung verstossen (Art. 9 BV). Ein Gutachten stellt namentlich dann keine rechtsgenügliche Grundlage dar, wenn gewichtige, zuverlässig begründete Tatsachen oder Indizien die Überzeugung des Gerichtes ernstlich erschüttern (neuestens etwa Urteil des Bundesgerichts 6B_251/2008 vom 14. August 2008 mit zahlreichen Hinweisen, insbesondere auf BGE 129 I 49 E. 4 und 128 I 81 E. 2.). Dabei genügt es nach ständiger Rechtsprechung nicht, wenn das Urteil sich nur in der Begründung als unhaltbar erweist. Vielmehr rechtfertigt sich eine Aufhebung erst, wenn es im Ergebnis verfassungswidrig ist (BGE 136 III 552 E. 4.2 mit Hinweisen). Willkür kann als unrichtige Feststellung des Sachverhaltes im Sinne von Art. 97 Abs. 1 BGG beim Bundesgericht angefochten werden. 
1.3.3 Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers liegen keine offensichtlich unrichtige Feststellung nach Art. 97 BGG und auch keine aktenwidrige Annahme beziehungsweise Willkür nach Art. 9 BV vor. Wie die Beschwerdegegnerin 2 zutreffend ausführt, ist die vorinstanzliche Erwägung III/8a als einleitende Zusammenfassung aufzufassen, während in den Erwägungen III/8b-III/8g auf einzelne Aspekte eingegangen wird, unter anderem auf die Entstehungsgeschichte der Aussage E. III/8d. Die Vorinstanz hat die Aussage der Klägerin nur soweit als glaubhaft eingestuft, als diese nicht das Erzählverbot betrifft, wo eine suggestive Einflussnahme als möglich erachtet wurde, und ihren Entscheid auch nur aufgrund der für glaubhaft erachteten Aussagen der Klägerin gefällt (Beschwerdeantwort S. 5). 
 
2. 
2.1 Im Weiteren führt die Vorinstanz aus, der Einwand des Verteidigers, es fehle im Gutachten ein Einbezug der Umgebung des Opfers, obwohl dieser unerlässlich sei, um eine Motivanalyse durchführen zu können, sei nicht stichhaltig. Insgesamt könne nicht davon ausgegangen werden, dass das notwendige domänenspezifische Wissen und die kognitiven Fähigkeiten zur Ausgestaltung einer komplexen Falschaussage bei der Beschwerdegegnerin 2 vorhanden seien. Fehle es bereits an der Fähigkeit zu einer Falschaussage, so erübrige sich eine ausführliche Auseinandersetzung mit allfälligen Motiven für eine solche. Daran änderten auch die vom Beschwerdeführer geltend gemachten Einflüsse aus dem Kindergarten oder vom Fernsehen her nichts, wobei ohnehin nicht vorstellbar sei, dass die Beschwerdegegnerin 2 durch Kindergartengespräche oder Fernsehbilder zu ihrer Aussage mit all den geschilderten Details motiviert sein könne. Die beantragte Umgebungsanalyse insbesondere betreffend Sexualisierung, Erziehung durch die Mutter und das schulische Umfeld könne somit nichts Beweisrelevantes ergeben. Der entsprechende Beweisantrag sei abzuweisen (angefochtenes Urteil S. 15). 
 
2.2 Der Beschwerdeführer rügt, das Gutachten und das sich darauf stützende angefochtene Urteil seien widersprüchlich bei den "Grundannahmen betreffend kognitive Fähigkeiten zwischen Vorwurf und Entlastung". Dies habe zur Folge, dass er sich zwar ein Detail ohne Handlungskontext vorwerfen lassen müsse, ihm aber verwehrt sei zu beweisen, woher das Kind die entsprechende Ausdrucksweise beziehungsweise den Zusammenhang habe. Das angefochtene Urteil argumentiere logisch falsch, indem es die Unmöglichkeit einer eigenständigen Falschaussage zum Ausschluss von anderen Motiven benutze. Es leide mit der Folgerung aus dem Negativen auf das Andere an einem groben Fehler. Die Ablehnung des Beweisantrages sei willkürlich, weil widersprüchlich, und verstosse gegen Art. 9 BV sowie ebenfalls gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs nach Art. 29 BV (Beschwerdeschrift S. 5 und 6). 
 
2.3 Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts ist die antizipierte Beweiswürdigung zulässig, wenn die Strafbehörde aufgrund bereits abgenommener Beweise ihre Überzeugung gebildet hat und die beantragte Beweiserhebung daran nichts zu ändern vermag (BGE 134 I 140 E. 5.3; Urteil 6B_165/2009 vom 10. Juli 2009 E. 2.6 und 6B_699/2008 vom 6. März 2009 E. 2.2). Hierfür muss sie das derzeit bestehende vorläufige Beweisergebnis hypothetisch um die Fakten des Beweisantrages ergänzen und würdigen. Zulässig ist die Ablehnung des Beweisantrags, wenn die zu beweisende Tatsache nach dieser Würdigung als unerheblich, offenkundig, der Strafbehörde bekannt oder bereits rechtsgenügend erwiesen anzusehen ist (BSK StPO-HOFER, Art. 10 N. 68). Gleich verhält es sich im Fall der sog. Wahrunterstellung, bei der die Strafbehörde die mit dem Beweisantrag verbundene Tatsachenbehauptung zugunsten des Antragsstellers als wahr ansieht. Bei der Abweisung von Beweisanträgen in antizipierter Beweiswürdigung ist Zurückhaltung geboten, wird damit doch der Anspruch auf das rechtliche Gehör eingeschränkt. Es darf nicht leichthin angenommen werden, dass das Beweisergebnis aufgrund der bereits abgenommenen Beweise feststeht (BGE 103 IV 299 E. 1a). Lehnt die Strafbehörde den Beweisantrag ab, hat sie nicht nur darzulegen, weshalb sie aufgrund der bereits abgenommenen Beweise eine bestimmte Überzeugung gewonnen hat, sondern auch, weshalb die beantragte Beweismassnahme aus ihrer Sicht nichts an ihrer Überzeugung zu ändern vermag (Urteil 6B_699/2008 vom 6. März 2009 E. 2.2). 
 
2.4 Die Vorinstanz ist mit der Ablehnung des Beweisantrages weder in Willkür verfallen noch hat sie das rechtliche Gehör des Beschwerdeführers verletzt. Die vom Beschwerdeführer beantragten Entlastungsbeweise sind ungeeignet, um die Glaubhaftigkeit der Aussagen der Beschwerdegegnerin 2 - mit Ausnahme des Erzählverbotes - in Zweifel zu ziehen. Wie diese zu Recht ausführte, sind bei der aussagepsychologischen Begutachtung alle relevanten Aspekte in Bezug auf die Beurteilung der Glaubhaftigkeit der Aussage schon berücksichtigt worden. Die Vorinstanz durfte, ohne in Willkür zu verfallen, auf das überzeugende Gutachten abstellen und darauf, dass die Beschwerdegegnerin 2 zur Konstruktion einer komplexen Falschaussage kognitiv nicht in der Lage sei. Ebenfalls konnte sie auf dessen Inhaltsanalyse abstellen, wonach die Aussagen auf einem realen Erlebnishintergrund beruhen müssen. Ohne in Willkür zu verfallen durfte sie deshalb festhalten, dass eine weitergehende Umgebungsanalyse untauglich sei, um eine Falschaussage infolge suggestiver Einflüsse zu beweisen. Dies konnte sie auch deshalb tun, weil ein Kind im Alter von fünf Jahren aufgrund seines Entwicklungsstandes gar nicht in der Lage ist, abstrakte Wahrnehmungen, Geschichten oder fremde Perspektiven auf sich selber zu übertragen. Ein Kind in diesem Alter besitzt zwar einen Begriff von den Erscheinungen, aber Zusammenhänge wie die Ursache-Wirkung-Beziehung kann es noch nicht durchschauen. Die dafür notwendigen Denkoperationen liegen noch ausserhalb seines Denkvermögens. Kinder in diesem Alter sind vor allem auf das ausgerichtet, was da ist, also auf den Zustand, und sie können nur schwerlich nachvollziehen, wie es zustande gekommen ist. Sogar bei der Wahrnehmung dieses Prozesses sehen sie eher das Aufeinanderfolgen von Zuständen und nicht die Übergänge (RITA KOHNSTAMM, Praktische Kinderpsychologie, Die ersten 7 Jahre, 3. Aufl., Bern 1990, S. 195). Wie die Beschwerdegegnerin 2 deshalb zu Recht ausführt, können Kinder in diesem Alter Erlebnisse, die von der Realität des Kinderlebens entfernt sind, nicht einordnen und auch nicht auf sich selber übertragen (Beschwerdeantwort S. 6). Die Beschwerde ist somit auch in diesem Punkt abzuweisen. 
 
3. 
3.1 Die Vorinstanz führt weiter aus, aufgrund der Beweiswürdigung sei davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer zwischen dem 12. September 2004 und dem 2. November 2006 an der Klägerin mehrfach, mindestens aber drei Mal, sexuelle Handlungen vorgenommen habe. Sie beurteilte die Aussagen der Beschwerdegegnerin 2 als nachvollziehbar und glaubhaft. Das aussagepsychologische Gutachten sei schlüssig sowie methodisch und fachlich korrekt und stütze die Annahme, dass die Aussagen der Beschwerdegegnerin 2 auf eigenem Erleben beruhten und weder bewusst unwahr noch unbewusst durch Beeinflussung von aussen zustande gekommen seien. Den Aussagen beziehungsweise Bestreitungen des Beschwerdeführers könne nicht die gleiche Glaubhaftigkeit beigemessen werden (angefochtenes Urteil S. 15 f.). 
3.2 
3.2.1 Der Beschwerdeführer macht eine Verletzung des Grundsatzes "in dubio pro reo" geltend. Die Vorinstanz gehe bei der Beweiswürdigung systematisch falsch vor, weil sie die Glaubwürdigkeiten miteinander vergleiche statt zu fragen, ob noch objektiv begründete Zweifel bestünden. Dies höhle das verfassungsmässige Recht "in dubio pro reo" in seinem Kernbereich aus. 
Die einzige Handlungskette (und nicht nur ein Fragment), welche die Gutachterin festgestellt habe, sei diejenige gewesen, in der das Kind zunächst beschreibe, dass es gesehen habe, wie der Beschwerdeführer an ihrer Scheide geleckt, es lustig gekitzelt und es alsdann seine Beine hin- und herbewegt und fast einen Krampf gehabt habe. Die gleiche Wahrnehmung habe sich schon bei den Pflegemüttern geboten. Bei objektiver Betrachtungsweise blieben damit offensichtlich Zweifel, ob die Null-Hypothese mit dieser Beschreibung widerlegt würde. 
3.2.2 Im Weiteren sei unterlassen worden, den Entwicklungsstand der Beschwerdegegnerin 2 und ihre Erinnerungsfähigkeit im Tatzeitpunkt zu analysieren (angefochtenes Urteil III 8b, S. 12). Gestützt auf den Bericht des Heilpädagogischen Dienstes St. Gallen-Appenzell-Glarus vom 28. Oktober 2006, wonach bei ihr ein Entwicklungsrückstand diagnostiziert worden sei, seien objektive Zweifel umso mehr angebracht. 
3.2.3 Schliesslich habe das vermutete Tatgeschehen im Zeitpunkt der ersten Befragung jedenfalls schon mehr als zehn Monate zurückgelegen und sei durch das Gespräch mit den Pflegemüttern Ende März 2007, das heisst während mehr als fünf Monaten, besprochen und teilweise suggestiv beeinflusst worden. Unter diesen Umständen drängten sich aus objektiver Sicht unweigerlich Zweifel an der Wahrheit auf. Zusammenfassend verfalle die Vorinstanz in eine willkürliche Beweiswürdigung, wenn sie unter den vorliegenden Umständen der langen Dauer zwischen Tatgeschehen und Abklärung bei einem zweijährigen Kind sogar die Entlastungsbeweise verweigere, unter anderem mit der Begründung, ein Kind in diesem Alter könne gar nicht lügen (Beschwerdeschrift S. 6-8). 
 
3.3 Die Unschuldsvermutung ist in Art. 32 Abs. 1 BV verankert. In dieser ist auch der Grundsatz "in dubio pro reo" als "Beweislastregel" begründet. Es ist Sache der Anklagebehörde, die Schuld des Angeklagten zu beweisen, und nicht dieser hat seine Unschuld nachzuweisen (BGE 127 I 38 E. 2a). Als "Beweiswürdigungsregel" besagt der Grundsatz hingegen, dass sich das Gericht nicht von der Existenz eines für den Angeklagten ungünstigen Sachverhalts überzeugt erklären darf, wenn bei objektiver Betrachtung erhebliche und nicht zu unterdrückende Zweifel bestehen, ob sich der Sachverhalt so verwirklicht hat. Das Bundesgericht prüft eine Verletzung des Grundsatzes als Beweislastregel frei und als Beweiswürdigungsregel auf Willkür (Art. 9 BV). Es hebt einen Entscheid auf, wenn die Vorinstanz den Angeklagten verurteilt, obwohl bei objektiver Würdigung des Beweisergebnisses offensichtlich erhebliche beziehungsweise schlechterdings nicht zu unterdrückende Zweifel an dessen Schuld fortbestanden (BGE 127 I 38 E. 2a; 120 Ia 31). Willkür setzt voraus, dass der Entscheid schlechterdings unhaltbar ist, das heisst mit der tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch steht, auf einem offenkundigen Versehen beruht oder sich sachlich in keiner Weise rechtfertigen lässt (vgl. etwa BGE 133 III 598 E. 4.1; Urteil 6B_439/2010 vom 29. Juni 2010 E. 5.5). 
 
3.4 Die Vorinstanz hat auch in diesem Punkt weder den Grundsatz "in dubio pro reo" verletzt noch ist sie in Willkür verfallen. Sie durfte, ohne diese beiden Grundrechte zu verletzen, die Aussagen der Beschwerdegegnerin 2 als glaubhaft bezeichnen, was aber gleichzeitig auch besagt, dass sie diejenigen des Beschwerdeführers als weniger überzeugend erachtete. Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers hat die Beschwerdegegnerin 2 nicht bloss eine einzelne Handlungskette geschildert. Sie verweist in ihrer Beschwerdeantwort auf die Einvernahme vom 5. September 2007 sowie auf verschiedene andere Aussagen, die sich in ihrer Gesamtheit in einen schlüssigen und nachvollziehbaren Zusammenhang bringen lassen (Beschwerdeantwort S. 9 mit Hinweis auf das Gutachten). 
 
3.5 Unzutreffend ist auch der Einwand des Beschwerdeführers, es sei generell unterlassen worden, den Entwicklungsstand der Beschwerdegegnerin 2 und ihre Erinnerungsfähigkeit im Tatzeitpunkt zu analysieren. Genau dazu hat sich der von ihm erwähnte Bericht des Heilpädagogischen Dienstes St. Gallen-Appenzell-Glarus vom 28. Oktober 2006 bezogen, der sich eben gerade damit auseinandersetzte. Dazu hat die Gutachterin die Beschwerdegegnerin 2 sowohl am 27. September 2007 wie auch am 5. Oktober 2007 einer Testdiagnose unterzogen (act. G 1/3 S. 13 f.). Auch dort ging es um den Entwicklungsstand der Beschwerdegegnerin 2. Unter Hinweis auf ANNETTE STREECK-FISCHER (Trauma und Entwicklung - Frühe Traumatisierungen und ihre Folgen in der Adoleszenz, Stuttgart 2006, S. 172) führt die Vorinstanz zutreffend aus, die Ausbildung des expliziten Gedächtnisses beginne nach dem zweiten Geburtstag. Das explizite Gedächtnis versetze in die Lage, ein Gefühl für Zeit und Raum zu entwickeln. Erinnerungen, die im Alter von 1-2 Jahren und somit zu einem Zeitpunkt gespeichert wurden, zu dem das Kind noch nicht sprechen könne, könnten in Bildern und Szenen erinnert werden, so dass sie später verbal zugänglich gemacht werden könnten. 
 
Damit ist auch gesagt, dass die Beschwerdegegnerin 2 in der Lage gewesen ist, ab dem Alter von zwei Jahren und zwei Monaten bewusste Erinnerungen zu haben. 
 
3.6 Zutreffend ist - sowohl bei Kindern als auch bei Erwachsenen -, dass man desto weniger weiss, je länger ein Ereignis zurückliegt (sog. Verblassungstendenz). Die grössten Erinnerungsverluste treten allerdings in den ersten Tagen und Wochen nach einem Ereignis ein; nachher läuft die sog. "Vergessenskurve" flacher aus. Richtig ist auch, dass von Bedeutung nicht bloss das eigentliche Vergessen, sondern auch Beeinflussungen im Sinne von Interferenzen sind: Hienach wird das Erinnern potenziell durch alles beeinflusst und gestört, was die betreffende Person je in ihr Gedächtnis aufgenommen hat. Es kommt dazu, dass der eigentliche Aussageakt darüber hinaus durch individuelle, soziale und situative Faktoren beeinflusst und weiter verfälscht werden kann (Urteil 6P.165/2004 vom 27. April 2005 E. 2.4.2 und dortige zahlreich zitierte Literatur). Das heisst aber überhaupt nicht, dass auf Aussagen von Kindern wie von Erwachsenen auch nach längerer Zeit nicht abgestellt werden könnte (vgl. das eben erwähnte Urteil des Bundesgerichtes). Die Vorinstanz hat deshalb auch insofern keinen Beweis willkürlich gewürdigt, als sie trotz der langen Dauer zwischen Tatgeschehen und Abklärung auf die Aussagen der Beschwerdegegnerin 2 abstellte. 
 
4. 
4.1 Schliesslich macht der Beschwerdeführer geltend, der angefochtene Entscheid gehe nur auf den Entwicklungsstand im Zeitpunkt der Aussage ein und mit keinem Wort auf denjenigen bei der vorgeworfenen Tat. Letzteres wäre aber jedenfalls im Rahmen eines Entlastungsbeweises ebenfalls von Wichtigkeit gewesen. Der Beschwerdeführer hätte sich damit entlasten können, dass die Beschwerdegegnerin 2 im vorgeworfenen Zeitraum, d.h. unter anderem ab dem Alter von zwei Jahren und zwei Monaten, aus entwicklungspsychologischer Sicht gar keine bewusste Erinnerung haben konnte. Das angefochtene Urteil gehe darauf nicht ein, sondern nur auf die Abklärungen und Einschätzungen zum Zeitpunkt der Aussage am 27. September 2007 (Beschwerdeschrift S. 8 f.). 
 
4.2 Zu diesem Einwand wurde bereits oben unter Ziffer 3.4 Stellung bezogen. Zutreffend führt die Beschwerdegegnerin 2 im Übrigen aus, die Gutachterin habe ihre Spontanaussage (die der Beschwerdegegnerin 2) vom 31. März 2007 beurteilt. Hätte ihr Entwicklungszustand darauf schliessen lassen, dass sie damals, d.h. Ende März 2007, nicht habe in der Lage sein können, eine wahrheitsgetreue Schilderung zu machen, so hätte die Gutachterin dies zweifellos berücksichtigt. Vielmehr sei umgekehrt festzustellen, dass die Beschwerdegegnerin 2 am 31. März 2007 mit Sicherheit nicht in der Lage gewesen wäre, eine komplette Falschaussage zu machen, wenn die Gutachterin nach den Begutachtungen vom 27. September 2007 und 5. Oktober 2007 festgestellt hätte, dass ihr auch dann noch, also fünf Monate später, die kognitiven Fähigkeiten und das domänenspezifische Wissen für die Ausgestaltung einer kompletten Falschaussage gefehlt hätten (Beschwerdeantwort, S. 11 f.). Die Rüge der Verletzung des rechtlichen Gehörs ist demnach auch in diesem Punkt abzuweisen. 
 
5. 
Die Beschwerde ist abzuweisen. Bei diesem Verfahrensausgang sind dem Beschwerdeführer die Kosten aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Das Gesuch des Beschwerdeführers um unentgeltliche Rechtspflege ist wegen Aussichtslosigkeit der Rechtsbegehren abzuweisen (Art. 64 BGG). Seiner finanziellen Lage ist mit herabgesetzten Gerichtskosten Rechnung zu tragen (Art. 65 Abs. 2 und Art. 66 Abs. 1 BGG). 
 
Der Beschwerdegegnerin 2 wurde mit Verfügung vom 1. November 2010 die unentgeltliche Rechtspflege gewährt. Ihre Rechtsvertreterin ist aus der Bundesgerichtskasse zu entschädigen (Art. 64 Abs. 2 BGG). Der Beschwerdeführer hat der Bundesgerichtskasse dafür Ersatz zu leisten (Art. 66 Abs. 1 BGG). 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2. 
Das Gesuch des Beschwerdeführers um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen. 
 
3. 
Die Gerichtskosten von Fr. 800.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
4. 
Die Rechtsvertreterin der Beschwerdegegnerin 2, Rechtsanwältin Dr. Nicole Zürcher Fausch, wird aus der Bundesgerichtskasse mit Fr. 3'000.-- entschädigt. 
 
5. 
Der Beschwerdeführer wird verpflichtet, der Bundesgerichtskasse Fr. 3'000.-- Ersatz zu leisten. 
 
6. 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Kantonsgericht St. Gallen, Strafkammer, schriftlich mitgeteilt. 
 
Lausanne, 14. April 2011 
 
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: 
 
Favre Keller