Wichtiger Hinweis:
Diese Website wird in älteren Versionen von Netscape ohne graphische Elemente dargestellt. Die Funktionalität der Website ist aber trotzdem gewährleistet. Wenn Sie diese Website regelmässig benutzen, empfehlen wir Ihnen, auf Ihrem Computer einen aktuellen Browser zu installieren.
Zurück zur Einstiegsseite Drucken
Grössere Schrift
 
 
Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
{T 0/2} 
 
6B_186/2016  
   
   
 
 
 
Urteil vom 14. April 2016  
 
Strafrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Denys, Präsident, 
Bundesrichter Oberholzer, Rüedi, 
Gerichtsschreiber Näf. 
 
Verfahrensbeteiligte 
X.________, 
vertreten durch Fürsprecherin Regula Schlegel, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
1. Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich, Florhofgasse 2, 8090 Zürich, 
2. A.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Hans Stünzi, 
Beschwerdegegnerinnen. 
 
Gegenstand 
Veruntreuung, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich, II. Strafkammer, vom 8. Dezember 2015. 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.   
X.________ verwaltete laut Anklageschrift vom 15. November 2013 als berufsmässiger Immobilienverwalter aufgrund eines Auftrags zwischen ihm und der Vermieterin/Eigentümerin A.________ beziehungsweise der Vormundschaftsbehörde B.________ in der Zeit vom 1. August 2009 bis zum 31. März 2010 eine Liegenschaft. Die Mieterin überwies den monatlichen Mietzins von CHF 2'150.-- auf ein auf X.________ lautendes Konto bei der Sparkasse B.________. X.________ leitete diese Vermögenswerte nicht weiter, sondern verbrauchte sie für eigene Zwecke. 
Am 22. Oktober 2012 unterzeichneten der Präsident und die Sekretärin der Vormundschaftsbehörde B.________ eine Vollmacht zugunsten von Rechtsanwalt Hans Stünzi betreffend "Inkasso Mietzinsen A.________/Strafanzeige". Mit Eingabe vom 31. Oktober 2012 erstattete Rechtsanwalt Hans Stünzi namens der bevormundeten A.________ gegen X.________ bei der Staatsanwaltschaft Limmattal/Albis Strafanzeige wegen qualifizierter Veruntreuung. Mit Schreiben vom 28. Juni 2013 und vom 26. Juli 2013 gab die Staatsanwaltschaft ihre Absicht kund, das Strafverfahren einzustellen, wogegen Rechtsanwalt Hans Stünzi jeweils mit Schreiben vom 5. Juli 2013 respektive 27. August 2013 opponierte. Am 15. November 2013 erhob die Staatsanwaltschaft Limmattal/Albis Anklage gegen X.________ wegen qualifizierter Veruntreuung. 
 
B.   
Das Obergericht des Kantons Zürich, I. Strafkammer, sprach X.________ am 8. Dezember 2015 in Bestätigung des Entscheids des Bezirksgerichts Horgen, Einzelgericht, vom 12. August 2014 der qualifizierten Veruntreuung (Art. 138 Ziff. 1 al. 2 und Ziff. 2 StGB) schuldig. Es verurteilte ihn zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu CHF 30.--, bedingt vollziehbar bei einer Probezeit von 2 Jahren. 
 
C.   
X.________ erhebt Beschwerde in Strafsachen. Er beantragt, das Urteil des Obergerichts vom 8. Dezember 2015 sei aufzuheben und er sei freizusprechen. Eventualiter sei die Sache zur neuen Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Zudem ersucht er um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege und der aufschiebenden Wirkung. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.   
 
1.1. Der Beschwerdeführer macht wie im kantonalen Verfahren geltend, Rechtsanwalt Hans Stünzi sei zur Vertretung der verbeiständeten A.________ im Strafverfahren nicht berechtigt gewesen. Es hätten sowohl die hiefür erforderliche Vollmacht der Beiständin als auch die Zustimmung der Vormundschaftsbehörde gefehlt. Die schriftliche Vollmacht vom 22. Oktober 2012 sei vom Präsidenten und von der Sekretärin der Vormundschaftsbehörde unterzeichnet worden. Die Vollmachterteilung an Rechtsanwalt Stünzi durch den Präsidenten und die Sekretärin der Vormundschaftsbehörde, ergänzt durch die stillschweigende oder konkludente Zustimmung der Beiständin, könne nicht als Behördenbeschluss akzeptiert werden. Es würde dem gesetzlichen Schutzgedanken von Art. 421 Ziff. 8 aZGB beziehungsweise Art. 416 Abs. 1 Ziff. 9 ZGB widersprechen, wenn vorliegend die Beiständin als drittes, zustimmungsberechtigtes Mitglied der Vormundschaftsbehörde betrachtet würde.  
 
1.2. Gemäss Art. 421 Ziff. 8 aZGB in der bis zum 31. Dezember 2012 geltenden Fassung bedurfte die Prozessführung der Zustimmung der Vormundschaftsbehörde. Nach Art. 416 Abs. 1 Ziff. 9 ZGB bedarf die Prozessführung, die der Beistand oder die Beiständin in Vertretung der betroffenen Person vornimmt, der Zustimmung der Erwachsenenschutzbehörde.  
 
1.3. Die Akten enthalten eine Vollmacht vom 22. Oktober 2012, welche vom Präsidenten und von der Sekretärin der Vormundschaftsbehörde B.________ unterzeichnet wurde. Schriftliche Unterlagen, welche die Zustimmung einerseits der Beiständin und andererseits der Vormundschaftsbehörde als Kollegialbehörde zur Prozessführung dokumentierten, sind nicht vorhanden.  
 
1.4. Die Vorinstanz hält einleitend fest, dass es zur Strafverfolgung wegen qualifizierter Veruntreuung keines gültigen Strafantrags bedürfe, da diese Straftat ein Offizialdelikt sei. Die Prozessvoraussetzungen für die Eröffnung eines Strafverfahrens gegen den Beschwerdeführer wegen dieses Delikts seien erfüllt. Diese Auffassung ist zutreffend. Der Beschwerdeführer setzt sich mit ihr nicht auseinander.  
 
1.5. Ob Rechtsanwalt Hans Stünzi zur adhäsionsweisen Geltendmachung von Zivilansprüchen für A.________ gegen den Beschwerdeführer rechtsgültig bevollmächtigt war, konnte die Vorinstanz letztlich offenlassen, da die Zivilklage noch vor Abschluss der erstinstanzlichen Hauptverhandlung zurückgezogen wurde und somit nicht beurteilt werden musste.  
 
1.6. Wie die Vorinstanz zudem zu Recht erwägt, dienen die vom Beschwerdeführer als verletzt gerügten Vorschriften des ZGB dem Schutz der bevormundeten respektive verbeiständeten Person. Der Beschwerdeführer hat daher kein rechtlich geschütztes Interesse zur Rüge, diese Vorschriften seien verletzt worden.  
 
2.   
 
2.1. Es ist unbestritten, dass die Mietzinse betreffend die vom Beschwerdeführer verwaltete Liegenschaft in der Zeit vom 1. August 2009 bis zum 31. März 2010 auf ein auf seinen Namen lautendes Konto überwiesen wurden und dass der Beschwerdeführer diese Vermögenswerte zu seinem eigenen Nutzen verwendete.  
 
2.2. Der Beschwerdeführer macht wie im kantonalen Verfahren geltend, es sei mündlich vereinbart worden, dass die Mietzinse auf ein auf seinen Namen lautendes Konto überwiesen werden. Da er gegenüber der Vormundschaftsbehörde beziehungsweise der Gemeinde B.________ noch Forderungen im Umfang von rund CHF 30'000.-- gehabt habe, habe er mit Vertretern der Vormundschaftsbehörde mündlich vereinbart, dass er Mietzinseinnahmen bis zum Betrag von CHF 20'000.-- mit seinen Forderungen verrechnen dürfe. Er sei nie dazu angehalten worden, die genannten Mietzinse auf ein Konto von A.________ weiterzuleiten.  
 
2.3. Die erste Instanz hielt unter Hinweis auf ein Schreiben der Vormundschaftsbehörde vom 14. August 2009 an den Beschwerdeführer fest, dieser sei von der Behörde spätestens am 14. August 2009 aufgefordert worden, die bereits eingegangenen und die künftig eingehenden Mietzinse auf das Liegenschaftskonto von A.________ weiterzuleiten. Sie stellte zudem fest, die vom Beschwerdeführer behauptete mündliche Vereinbarung betreffend Verrechnung habe nicht bestanden.  
Auch die Vorinstanz qualifiziert die Behauptung des Beschwerdeführers, er habe mit der Vormundschaftsbehörde mündlich eine Vereinbarung betreffend Verrechnung abgeschlossen, als Schutzbehauptung, für deren Richtigkeit nichts spreche. Ob er das Schreiben der Vormundschaftsbehörde vom 14. August 2009 betreffend Ablieferung der Mietzinseinnahmen erhalten habe, was der Beschwerdeführer bestritt, lässt die Vorinstanz offen, da die Frage rechtlich unerheblich sei. Die Pflicht zur Ablieferung der ihm im Rahmen des Auftrags zugekommenen Vermögenswerte ergebe sich direkt aus dem Obligationenrecht. 
 
2.4. Der Beschwerdeführer wusste, dass die Liegenschaft, zu deren Verwaltung er beauftragt wurde, im Eigentum von A.________ stand. Er wusste nach den vertretbaren Feststellungen der Vorinstanz auch, dass C.________ den Mietvertrag als Beiständin beziehungsweise Vertreterin von A.________ mit der Mieterin D.________ abgeschlossen hatte. Dies ergibt sich nach der willkürfreien Beweiswürdiung der Vorinstanz sowohl aus dem E-Mail-Verkehr vom 19. Juni 2009 als auch aus dem Mietvertrag vom 22. Juni 2009, welcher dem Beschwerdeführer bekannt war. Nachdem C.________ den Beschwerdeführer per E-Mail gefragt hatte, ob  sie den Mietvertrag zu unterzeichnen habe, antwortete der Beschwerdeführer, dass entweder er als Verwaltung oder  sie für die Besitzerin unterzeichnen könne (kant. Akten act. 14/17 A-28 und A-29). Im Mietvertrag (kant. Akten act. 1/5) wird A.________ als Vermieterin genannt, "vertreten durch Amtsvormundschaft B.________/Frau C.________, B.________", und diese "vertreten durch X.________ Immobilien...". Somit war dem Beschwerdeführer als berufsmässiger Immobilienverwalter klar, dass die Mietzinsen A.________ zustanden. Dem Beschwerdeführer war unter den gegebenen Umständen auch klar, dass C.________ ihn als Beiständin respektive Vertreterin der Eigentümerin und Vermieterin A.________ mit der Verwaltung der Liegenschaft beauftragt hatte und er somit zu A.________ und nicht zur Vormundschaftsbehörde in einem Auftragsverhältnis stand.  
 
2.5. Der Beschwerdeführer musste die Mietzinse gestützt auf Art. 400 Abs. 1 OR an A.________ abliefern. Er konnte diese Schuld nur mit Forderungen verrechnen, die ihm gegen A.________, beispielsweise als Honorar gemäss Art. 394 Abs. 3 OR, zustanden (Art. 120 Abs. 1 OR). Er konnte seine Schuld zur Ablieferung der Mietzinse an A.________ nicht mit irgendwelchen Forderungen verrechnen, die ihm angeblich gegen die Gemeinde oder die Vormundschaftsbehörde zustanden. Die Voraussetzung der Gegenseitigkeit der Forderungen für die Zulässigkeit der Verrechnung war dem Beschwerdeführer als Immobilienverwalter bekannt. Gerade weil ihm dies bekannt war, behauptete er, er sei davon ausgegangen, die Verwaltung der Liegenschaft von A.________ sei ein Auftrag gewesen, den er von der Gemeinde erhalten habe (siehe Protokoll der erstinstanzlichen Hauptverhandlung, S. 21). Selbst wenn aber der Beschwerdeführer davon ausgegangen sein sollte, dass das Auftragsverhältnis betreffend die Verwaltung der Liegenschaft zwischen ihm und der Gemeinde B.________ bestand, hätte er nicht ernsthaft annehmen können, dass die Zinsen aus der Vermietung der im Eigentum von A.________ stehenden Liegenschaft nicht der Vermieterin A.________, sondern der Gemeinde B.________ zustanden.  
 
3.  
 
3.1. In der Zeit von August 2009 bis März 2010 gingen Mietzinse im Gesamtbetrag von CHF 17'200.-- (8 x CHF 2'150.--) auf das Konto des Beschwerdeführers ein. Nach den Feststellungen der Vorinstanz standen dem Beschwerdeführer gegen A.________ aus der Verwaltung der Liegenschaft Honorarforderungen von insgesamt höchstens CHF 5'530.-- zu. Indem der Beschwerdeführer die eingegangenen Mietzinse in dem diesen Betrag übersteigenden Betrag nicht an die Vermieterin weiterleitete, sondern für eigene Zwecke verbrauchte, missachtete er seine aus Art. 400 Abs. 1 OR resultierende Ablieferungspflicht. Ob er das Schreiben der Vormundschaftsbehörde vom 14. August 2009, worin er zur Überweisung der Mietzinseinnahmen auf das Liegenschaftskonto von A.________ aufgefordert wurde, erhalten hat, was er bestreitet, ist unerheblich, da die Ablieferungspflicht sich schon aus dem Gesetz ergibt. Indem er die Mietzinse nicht an A.________ weiterleitete, sondern für eigene Zwecke verbrauchte, erfüllte er den objektiven Tatbestand der Veruntreuung im Sinne von Art. 138 Ziff. 1 al. 2 StGB, wonach bestraft wird, wer ihm anvertraute Vermögenswerte unrechtmässig in seinem Nutzen verwendet.  
 
3.2. Der Beschwerdeführer handelte mit dem Vorsatz der unrechtmässigen Verwendung von Vermögenswerten, die ihm unstreitig anvertraut waren, und in der Absicht unrechtmässiger Bereicherung. Er wusste, dass er gegen A.________ keine den Betrag von CHF 5'530.-- übersteigende Forderung hatte und dass er seine Verpflichtung zur Ablieferung der Mietzinseinnahmen nicht mit irgendwelchen Forderungen gegen die Gemeinde verrechnen konnte. Er hob die Mietzinse jeweils kurz nach dem Eingang von seinem Konto ab und verwendete das Geld für eigene Zwecke. Er war nicht in der Lage und jedenfalls nicht gewillt, jederzeit aus eigenen Mitteln Ersatz zu leisten.  
 
4.  
Was der Beschwerdeführer im Weiteren vorbringt, ist unerheblich oder unbegründet. Ob er das Schreiben der Vormundschaftsbehörde vom 14. August 2009 erhielt, was er bestreitet, durfte die Vorinstanz offenlassen, da eine Ablieferungspflicht unabhängig davon schon kraft Gesetzes bestand. Die Feststellung der Vorinstanz, es sei zwischen dem Beschwerdeführer und Vertretern der Vormundschaftsbehörde keine Vereinbarung betreffend Verrechnung abgeschlossen worden, ist nicht willkürlich. Was der Beschwerdeführer dagegen vorbringt, erschöpft sich in unzulässiger appellatorischer Kritik. Der Gesundheitszustand des Beschwerdeführers berührt die Tatbestandsmässigkeit des inkriminierten Verhaltens nicht. Zu Recht lehnte die Vorinstanz eine Strafbefreiung in Anwendung von Art. 54 StGB ab, wonach von Strafe abgesehen wird, wenn der Täter durch die unmittelbaren Folgen seiner Tat so schwer betroffen ist, dass eine Strafe unangemessen wäre. Gemäss den Feststellungen der Vorinstanz resultierte die unvorteilhafte, den Beschwerdeführer verständlicherweise belastende Presseberichterstattung nicht aus der begangenen Veruntreuung, sondern vielmehr aus dessen familiären Verhältnissen. Inwiefern diese Feststellung willkürlich sei, legt der Beschwerdeführer nicht dar. Eine Anwendung von Art. 54 StGB kommt im Übrigen schon deshalb nicht in Betracht, weil die aus negativer Medienberichterstattung resultierenden Nachteile nicht im Sinne dieser Bestimmung unmittelbare Folgen der Tat sind. 
 
5.   
Der Beschwerdeführer ersucht um unentgeltliche Rechtspflege. Das Gesuch ist abzuweisen, da die Beschwerde von vornherein aussichtslos war. 
Somit hat der Beschwerdeführer die bundesgerichtlichen Kosten zu tragen. Der Beschwerdegegnerin 2 hat er keine Entschädigung zu zahlen, da ihr im bundesgerichtlichen Verfahren keine Umtriebe entstanden sind. 
Das Gesuch um aufschiebende Wirkung wird mit dem Entscheid in der Sache gegenstandslos. 
 
 
 Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
 
2.   
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen. 
 
3.   
Die Gerichtskosten von Fr. 4'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
4.   
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zürich, II. Strafkammer, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 14. April 2016 
 
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Denys 
 
Der Gerichtsschreiber: Näf