Wichtiger Hinweis:
Diese Website wird in älteren Versionen von Netscape ohne graphische Elemente dargestellt. Die Funktionalität der Website ist aber trotzdem gewährleistet. Wenn Sie diese Website regelmässig benutzen, empfehlen wir Ihnen, auf Ihrem Computer einen aktuellen Browser zu installieren.
Zurück zur Einstiegsseite Drucken
Grössere Schrift
 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
1B_73/2007 /fun 
 
Urteil vom 14. Mai 2007 
I. öffentlich-rechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter Féraud, Präsident, 
Bundesrichter Reeb, Eusebio, 
Gerichtsschreiber Forster. 
 
Parteien 
X.________, zzt. in Untersuchungshaft, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Bernhard Korolnik, 
 
gegen 
 
Staatsanwaltschaft IV des Kantons Zürich, Gewaltdelikte, Molkenstrasse 15, Postfach, 8026 Zürich, 
Bezirksgericht Zürich, Haftrichter, Wengistrasse 28, 
Postfach, 8026 Zürich. 
 
Gegenstand 
Haftentlassung, 
 
Beschwerde in Strafsachen gegen die Verfügung des Bezirksgerichts Zürich, Haftrichter, vom 5. April 2007. 
 
Sachverhalt: 
A. 
Die Staatsanwaltschaft IV des Kantons Zürich (Abteilung Gewaltdelikte) führt eine Strafuntersuchung gegen X.________ wegen eines Tötungsdeliktes. Der Angeschuldigte ist geständig, am 22. Juni 2006 auf seinen Nachbarn geschossen zu haben, der am 5. September 2006 an den Folgen der schweren Schussverletzungen verstarb. Am 24. Juni 2006 ordnete der Haftrichter des Bezirksgerichtes Zürich die Untersuchungshaft gegen X.________ an. 
B. 
Ein Haftentlassungsgesuch des Inhaftierten vom 2. April 2007 wies der Haftrichter des Bezirksgerichtes Zürich mit Verfügung vom 5. April 2007 ab; gleichzeitig bewilligte er die Weiterdauer der strafprozessualen Haft bis zum 24. Juni 2007. Dagegen gelangte X.________ mit Beschwerde vom 24. April 2007 an das Bundesgericht. Er beantragt die Aufhebung des haftrichterlichen Entscheides und seine unverzügliche Haftentlassung. 
 
Die Staatsanwaltschaft und der kantonale Haftrichter haben auf Stellungnahmen je ausdrücklich verzichtet. 
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 
1. 
Am 1. Januar 2007 ist das Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz [BGG; SR 173.110]) in Kraft getreten. Der angefochtene Entscheid erging nach dem 1. Januar 2007. Gemäss Art. 132 Abs. 1 BGG ist hier deshalb das Bundesgerichtsgesetz anwendbar. 
 
Das Bundesgericht prüft seine Zuständigkeit von Amtes wegen (Art. 29 Abs. 1 BGG). Gemäss Art. 78 Abs. 1 BGG beurteilt es Beschwerden gegen Entscheide in Strafsachen. Der Begriff "Entscheide in Strafsachen" umfasst sämtliche Entscheidungen, denen materielles Strafrecht oder Strafprozessrecht zu Grunde liegt. Mit anderen Worten kann grundsätzlich jeder Entscheid, der die Verfolgung oder die Beurteilung einer Straftat betrifft und sich auf Bundesrecht oder auf kantonales Recht stützt, mit der Beschwerde in Strafsachen angefochten werden (vgl. Botschaft vom 28. Februar 2001 zur Totalrevision der Bundesrechtspflege, BBl 2001 S. 4313). Die Beschwerde in Strafsachen ist hier somit grundsätzlich gegeben. 
Ein kantonales Rechtsmittel gegen den angefochtenen Entscheid steht nicht zur Verfügung. Die Beschwerde ist nach Art. 80 i.V.m. Art. 130 Abs. 1 BGG zulässig. Der Beschwerdeführer ist nach Art. 81 Abs. 1 BGG zur Beschwerde befugt. Da auch die übrigen Sachurteilsvoraussetzungen erfüllt sind, ist auf die Beschwerde einzutreten. 
2. 
Nach Zürcher Strafverfahrensrecht darf Untersuchungshaft nur angeordnet bzw. fortgesetzt werden, wenn der Angeschuldigte eines Verbrechens oder Vergehens dringend verdächtig ist und ausserdem ein besonderer Haftgrund vorliegt. Ein solcher ist namentlich erfüllt, wenn aufgrund bestimmter Anhaltspunkte ernsthaft befürchtet werden muss, der Angeschuldigte werde sich der Strafverfolgung oder der zu erwartenden Strafe durch Flucht entziehen (§ 58 Abs. 1 Ziff. 1 StPO/ZH). 
3. 
Der Beschwerdeführer bestreitet den dringenden Tatverdacht eines Tötungsdeliktes nicht. Er macht jedoch geltend, es fehle an einem besonderen Haftgrund nach zürcherischem Strafprozessrecht. Insbesondere bestehe keine Fluchtgefahr. Er sei Schweizer Bürger, habe sein ganzes Leben in der Schweiz verbracht und sei hier verwurzelt. Er spreche keine Fremdsprachen und verfüge über keine Mittel für eine allfällige Flucht. Die Fortdauer der Haft verletze daher den verfassungsmässigen Anspruch auf persönliche Freiheit. 
3.1 Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtes braucht es für die Annahme von Fluchtgefahr eine gewisse Wahrscheinlichkeit, dass sich der Angeschuldigte, wenn er in Freiheit wäre, der Strafverfolgung und dem Vollzug der Strafe durch Flucht entziehen würde. Die Schwere der drohenden Strafe darf als ein Indiz für Fluchtgefahr gewertet werden. Sie genügt jedoch für sich allein nicht, um den Haftgrund zu bejahen. Vielmehr müssen die konkreten Umstände des betreffenden Falles, insbesondere die gesamten Lebensverhältnisse des Angeschuldigten, in Betracht gezogen werden (BGE 125 I 60 E. 3a S. 62; 117 Ia 69 E. 4a S. 70, je mit Hinweisen). So ist es zulässig, die familiären und sozialen Bindungen des Häftlings, dessen berufliche Situation und Schulden sowie Kontakte ins Ausland und Ähnliches mitzuberücksichtigen. Auch bei einer befürchteten Ausreise in ein Land, das den Angeschuldigten grundsätzlich an die Schweiz ausliefern bzw. stellvertretend verfolgen könnte, ist die Annahme von Fluchtgefahr nicht ausgeschlossen (BGE 123 I 31 E. 3d S. 36 f.). 
Bei Beschwerden, die gestützt auf das Recht der persönlichen Freiheit (Art. 10 Abs. 2, Art. 31 BV) wegen der Ablehnung eines Haftentlassungsgesuches erhoben werden, prüft das Bundesgericht im Hinblick auf die Schwere des Eingriffes die Auslegung und Anwendung des entsprechenden kantonalen Rechtes frei. Soweit jedoch reine Sachverhaltsfragen und damit Fragen der Beweiswürdigung zu beurteilen sind, greift das Bundesgericht nur ein, wenn die tatsächlichen Feststellungen des kantonalen Haftrichters willkürlich sind (vgl. BGE 132 I 21 E. 3.2.3 S. 24 mit Hinweisen). 
3.2 Der Beschwerdeführer ist geständig, auf einen Nachbarn geschossen und diesen schwer verletzt zu haben. Das Opfer sei etwa zwei Monate später an den Folgen der Schussverletzungen verstorben. Gemäss den Untersuchungsergebnissen habe der Beschwerdeführer nach einer verbalen Auseinandersetzung mit seinem Nachbarn diesen in dessen Wohnung aufgesucht. Dort habe er mit einer Pistole SIG Sauer aus wenigen Metern Entfernung sieben Schüsse auf den Kontrahenten abgegeben. Laut ärztlichen Berichten hat das Opfer sieben Schussverletzungen erlitten am rechten Arm, an beiden Knien, an beiden Unterschenkeln, im Bauch sowie im Unterleib. Die schweren Verletzungen, namentlich mehrfache Darmdurchschüsse, und die daraus resultierenden Komplikationen hätten trotz Notoperationen und langdauernder medizinischer Intensivpflege zum Tod geführt. 
 
Die dem Beschwerdeführer im Falle einer strafrechtlichen Verurteilung drohende empfindliche Freiheitsstrafe stellt ein erhebliches Indiz für eine mögliche Flucht dar. Er bestreitet auch die Darstellung der kantonalen Behörden nicht, dass mit finanziellen Entschädigungs- bzw. Genugtuungsforderungen der Hinterbliebenen des Opfers zu rechnen sei, denen keine ausreichenden finanziellen Mittel des Beschwerdeführers gegenüberstünden. Nach eigener Darlegung in der Beschwerdeschrift verfüge er über kein liquidierbares Vermögen. Dass die kantonalen Behörden die finanziellen Forderungen der Hinterbliebenen als zusätzlichen Fluchtanreiz ansehen, ist sachlich vertretbar. Aufgrund der bisherigen Untersuchungsergebnisse muss ausserdem davon ausgegangen werden, dass der Beschwerdeführer (besonders unter Alkoholeinfluss) zu Impulsdurchbrüchen, Aggressionsschüben und "Kurzschlussreaktionen" neigt. Im psychiatrischen Gutachten wird eine "schwere Alkoholabhängigkeit" diagnostiziert. Gemäss Blutprobenanalyse war der Beschwerdeführer auch im Zeitpunkt des untersuchten Tötungsdeliktes erheblich alkoholisiert. Anlässlich der ersten polizeilichen Einvernahme sagte der Beschwerdeführer aus, er habe kurz vor der Tat plötzlich unter Suizidgedanken gelitten. Er sei mit einer Pistole in den Wald gegangen und habe "unkontrolliert" einen Schuss in die Luft abgegeben. Als er später (nach einer verbalen Auseinandersetzung) seinen Nachbarn aufgesucht und mehrmals auf ihn geschossen habe, sei er "wie in Trance" gewesen. Das Opfer sei ihm "wie ein Dämon" vorgekommen. Laut psychiatrischem Gutachten lägen beim Beschwerdeführer gewisse neurotische Züge vor. Diese äusserten sich unter anderem in einer "deutlich störbaren Emotionalität" und in einer Tendenz zum Aufbrausen bzw. zu "aggressiven Konvulsionen". Die sich daraus ergebenden konkreten Anhaltspunkte für eine besondere Unberechenbarkeit und Impulsivität des Inhaftierten können ebenfalls auf eine Neigung zu unüberlegten Reaktionen wie Flucht (oder weitere aggressive Handlungen) hinweisen (vgl. BGE 123 I 268 E. 2e S. 271-273). 
 
Bei Würdigung der vorliegenden Untersuchungsergebnisse hält die Annahme von Fluchtgefahr im jetzigen Verfahrensstadium vor dem verfassungsmässigen Individualrecht der persönlichen Freiheit stand. 
3.3 Nach dem Gesagten kann offen bleiben, ob neben der Fluchtgefahr zusätzlich noch der besondere Haftgrund der Kollusionsgefahr erfüllt wäre. 
4. 
Es ergibt sich, dass die Beschwerde als unbegründet abzuweisen ist. 
 
Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend, sind die Gerichtskosten dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Eine Parteientschädigung ist nicht zuzusprechen (Art. 68 Abs. 1 BGG). 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
2. 
Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'000.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt. 
3. 
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Staatsanwaltschaft IV des Kantons Zürich, Gewaltdelikte, und dem Bezirksgericht Zürich, Haftrichter, schriftlich mitgeteilt. 
Lausanne, 14. Mai 2007 
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: