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Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
6B_530/2007 
 
Urteil vom 14. Dezember 2007 
Strafrechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter Schneider, Präsident, 
Bundesrichter Ferrari, Mathys, 
Gerichtsschreiberin Binz. 
 
Parteien 
X.________, 
Y.________, 
Beschwerdeführer, 
beide vertreten durch Fürsprecher Serge Flury, 
 
gegen 
 
Staatsanwaltschaft des Kantons Aargau, 
Frey-Herosé-Strasse 12, Wielandhaus, 5001 Aarau, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Widerhandlung gegen das Schulgesetz; Strafzumessung, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Aargau, Strafgericht, 2. Kammer, vom 13. Juni 2007. 
 
Sachverhalt: 
A. 
Mit Schreiben vom 21. November 2005 stellten X.________ und seine Ehefrau Y.________ bei der Schulpflege Unterlunkhofen das Gesuch, ihre Tochter A.________ sei vom 26. Juni 2006 bis am 6. Juli 2006 für 9 Schultage vom Unterricht zu befreien. Die Schulpflege Unterlunkhofen wies dieses Gesuch am 16. Dezember 2005 ab. Eine von den Eheleuten XY.________ dagegen erhobene Beschwerde wies der Schulrat Bremgarten mit Entscheid vom 22. März 2006 ab. Der Regierungsrat wies am 7. Juni 2006 eine erneute Beschwerde der Eheleute XY.________ ab. Trotzdem blieb A.________ im obenerwähnten Zeitraum im Einverständnis von X.________ und Y.________ dem Schulunterricht fern. Daraufhin erstattete die Schulpflege Unterlunkhofen Strafanzeige gegen die Eheleute XY.________. 
B. 
Die Eheleute XY.________ wurden vom Bezirksamt Bremgarten am 28. September 2006 wegen Widerhandlung gegen Art. 37 des aargauischen Schulgesetzes (ASG 401.100, nachfolgend Schulgesetz) schuldig gesprochen und zu einer Busse von je Fr. 300.-- verurteilt. Mit Eingabe vom 10. Oktober 2006 erhob die Staatsanwaltschaft Einsprache gegen die Strafbefehle und beantragte eine Busse von mindestens je Fr. 600.-- mit dem Hinweis, gemäss Art. 37 Abs. 3 des Schulgesetzes liege der Bussenrahmen zwischen Fr. 600.-- bis Fr. 1'000.--. Mit neuen Strafbefehlen vom 13. Oktober 2006 wurden die Eheleute XY.________ zu Bussen von je Fr. 600.-- verurteilt. Dagegen erhoben diese Einsprache mit der Begründung, die Mindestbusse betrage für beide zusammen Fr. 600.--. Die Präsidentin II des Bezirksgerichts Bremgarten bestrafte die Eheleute XY.________ mit Urteil vom 21. Dezember 2006 mit einer Busse von je Fr. 600.--. Die von den Eheleuten dagegen erhobenen Berufungen wies das Obergericht Aargau, Strafgericht, 2. Kammer, mit Urteil vom 13. Juni 2007 ab. 
C. 
Die Eheleute XY.________ führen Beschwerde in Strafsachen und beantragen, das Urteil des Obergerichts vom 13. Juni 2007 sei aufzuheben und sie seien wegen Widerhandlung gegen Art. 37 des Schulgesetzes mit einer Busse von je Fr. 300.-- zu bestrafen. 
Erwägungen: 
 
1. 
Weil die angefochtene Entscheidung nach dem Datum des Inkrafttretens des Bundesgesetzes über das Bundesgericht (BGG, SR 173.110), dem 1. Januar 2007 (AS 2006, 1242), ergangen ist, untersteht die Beschwerde dem neuen Recht (Art. 132 Abs. 1 BGG). 
2. 
Auf die von den Beschwerdeführern gemeinsam erhobene Beschwerde kann grundsätzlich eingetreten werden, da sie unter Einhaltung der gesetzlichen Frist (Art. 100 Abs. 1 BGG) und Form (Art. 42 BGG) von der in ihren Anträgen unterliegenden beschuldigten Personen (Art. 81 Abs. 1 lit. b BGG) eingereicht wurde und sich gegen einen von einer letzten kantonalen Instanz gefällten Endentscheid (Art. 90 BGG) in Strafsachen (Art. 80 Abs. 1 BGG) richtet. 
3. 
Am 1. Januar 2007 ist der revidierte Allgemeine Teil des Strafgesetzbuches in Kraft getreten. Dieses neue Recht gelangt jedoch auf Taten, welche noch unter Geltung des alten Rechts begangen wurden, nur zur Anwendung, wenn es für den Täter das mildere ist (Art. 2 Abs. 2 StGB). Im vorliegenden Fall ist das neue Recht das mildere, womit dieses anwendbar ist (vgl. angefochtenes Urteil Ziff. 3.5 S. 8). 
4. 
Die Beschwerdeführer rügen unter Berufung auf das Legalitätsprinzip (Art. 1 StGB) die Verletzung von Bundesrecht (Art. 95 lit. a BGG) im Rahmen der Strafzumessung. Der Grundsatz "nulla poena sine lege" bzw. der Erfordernis der Bestimmtheit des Strafgesetzes gelte auch für die angedrohte Sanktion. Das Obergericht verletze diesen Grundsatz, wenn es beide Beschwerdeführer zu der Mindestbusse von je Fr. 600.-- verurteile. 
4.1 Das Gesetz muss in erster Linie aus sich selbst heraus, das heisst nach Wortlaut, Sinn und Zweck und den ihm zugrunde liegenden Wertungen auf der Basis einer teleologischen Verständnismethode ausgelegt werden. Die Gesetzesauslegung hat sich vom Gedanken leiten zu lassen, dass nicht schon der Wortlaut die Rechtsnorm darstellt, sondern erst das an Sachverhalten verstandene und konkretisierte Gesetz. Gefordert ist die sachlich richtige Entscheidung im normativen Gefüge, ausgerichtet auf ein befriedigendes Ergebnis aus der ratio legis. Dabei befolgt das Bundesgericht einen pragmatischen Methodenpluralismus und lehnt es namentlich ab, die einzelnen Auslegungselemente einer hierarchischen Prioritätsordnung zu unterstellen (BGE 133 III 175 E. 3.3.1 S. 178, mit Hinweisen). Sinngemässe Auslegung kann auch zu Lasten des Beschuldigten vom Wortlaut abweichen. Im Rahmen solcher Gesetzesauslegung ist auch der Analogieschluss erlaubt. Dieser dient dann lediglich als Mittel sinngemässer Auslegung. Der Grundsatz "keine Strafe ohne Gesetz" (Art. 1 StGB) verbietet bloss, über den dem Gesetz bei richtiger Auslegung zukommenden Sinn hinauszugehen, also neue Straftatbestände zu schaffen oder bestehende derart zu erweitern, dass die Auslegung durch den Sinn des Gesetzes nicht mehr gedeckt wird (BGE 128 IV 272 E. 2 S. 274, mit Hinweis). 
4.2 Die Eltern beziehungsweise Pflegeeltern sind verantwortlich, dass ihr schulpflichtiges Kind die Schule regelmässig besucht (Art. 37 Abs. 1 Schulgesetz). Gemäss Art. 37 Abs. 2 und 3 des Schulgesetzes werden die Eltern bei vorsätzlichem unentschuldigtem und über 3 Tage dauernden Fernhalten des Kinds von der Schule mit einer Mindestbusse von Fr. 600.-- bestraft. Art. 37a Abs. 5 des Schulgesetzes erklärt die Vorschriften des Schweizerischen Strafgesetzbuches für anwendbar (vgl. Art. 333 Abs. 1 StGB). 
4.2.1 Das Obergericht führt aus, entgegen der Auffassung der Beschwerdeführer könne aus dem Begriff "Eltern" nicht zwingend abgeleitet werden, dass damit nur "Vater und Mutter", daher nur beide gemeinsam, zu verstehen seien. Es sei offensichtlich nicht der Wille des Gesetzgebers, in Art. 37 des Schulgesetzes nur beide Elternteile gemeinsam verantwortlich zu machen. Sinn und Zweck der Bestimmung sei, über die verantwortliche(n) elterliche(n) Person(en) (bzw. die Pflegeeltern) sicherzustellen, dass schulpflichtige Kinder die Schule regelmässig besuchen. Im Zivilrecht, so z.B. in den Art. 270 ff. ZGB werde der Begriff "Eltern" für die Eltern gemeinsam oder auch für einen einzelnen Elternteil verwendet. Begehe ein Elternteil alleine eine Widerhandlung im Sinne von Art. 37 des Schulgesetzes, betrage der Strafrahmen zwischen Fr. 600.-- und Fr. 1'000.--. Das Gesetz sehe nicht vor, dass sich der Strafrahmen in einem solchen Fall halbiere und deshalb zwischen Fr. 300.-- und Fr. 500.-- liege. Begingen die Eltern gemeinsam eine Widerhandlung gegen das Schulgesetz, würden beide je als Mittäter und nicht zusammen als Einzeltäter "Eltern" handeln. Im Strafrecht gelange der Strafrahmen bei Mittätern auch nicht für diese zusammen zur Anwendung. Sonst würde das Verschulden eines mittäterschaftlich handelnden Elternteils von vornherein als halb so schwer angesehen als dasjenige eines Einzeltäters, was vor dem Hintergrund des Rechtsgleichheitsgebots (Art. 8 BV) kaum verfassungskonform wäre. Die strafrechtliche Verantwortung unterscheide sich im Übrigen von der zivilrechtlichen Solidarität gemäss Art. 50 OR. Folglich seien die Beschwerdeführer separat zu bestrafen (angefochtenes Urteil E. 3.3.1. und 3.3.2 S. 6 f.). 
4.2.2 Die Beschwerdeführer pflichten den Ausführungen des Obergerichts bei, wonach es dem Strafrecht fremd sei, für Mittäter einen gemeinsamen Strafrahmen anzuwenden. Sie machen jedoch geltend, das Wort "Eltern" bedeute nicht einen einzelnen Elternteil, sondern "Vater und Mutter" eines Kindes. Gemäss den Strafzumessungsgrundsätzen von Art. 37 Abs. 3 des Schulgesetzes sei klar, dass maximal zwei Täter in Frage kämen. Werde die Widerhandlung nur von einem Elternteil alleine erfüllt, werde der Strafrahmen halbiert, weshalb die Mindestbusse Fr. 300.-- betrage. Nach den Grundsätzen von Art. 47 StGB sei diese Mindestbusse für jeden einzelnen Täter individuell nach oben anzupassen. Wäre es Wille des Gesetzgebers gewesen, den einzelnen Elternteil mit einer Minimalbusse von Fr. 600.-- zu bestrafen, wäre dies mit den Begriffen wie "Vater", "Mutter" oder "Elternteil" klar formuliert worden. Der Hinweis auf das Zivilrecht sei unbehelflich, weil die gesetzlichen Formulierungen für die Bestrafung und die Kriterien für die Bemessung der Höhe der Strafe klar formuliert sein müssten. 
4.2.3 Die Beschwerdeführer legen Art. 37 des Schulgesetzes nach dem Wortlaut, daher grammatikalisch, aus. Danach seien die Eltern dafür verantwortlich, dass das schulpflichtige Kind die Schule regelmässig besuche. Demgegenüber verweist das Obergericht auf den Willen des Gesetzgebers und legt die Bestimmung mithin teleologisch aus. Nach dem Sinn und Zweck des Gesetzes sei jeder Elternteil für den Schulbesuch des Kindes verantwortlich, nicht nur die Eltern zusammen. Im vorliegenden Fall seien die Eltern je als Mittäter strafbar, weshalb der Strafrahmen nicht für beide gemeinsam angewendet werde. Das Obergericht hat die Bestimmung nicht nur anhand ihres Wortlautes ausgelegt, sondern das der ratio legis entsprechende Ergebnis ermittelt. Durch diese Auslegung hat das Obergericht sein Ermessen weder überschritten noch missbraucht, zumal sinngemässe Auslegung auch zu Lasten der Beschuldigten vom Wortlaut abweichen darf. Ausgehend davon ist auch keine Verletzung des Bestimmtheitsgebots ersichtlich. Die Beschwerdeführer konnten die Folgen des Schulversäumnisses ihrer Tochter im voraus erkennen und abschätzen. Die Rüge der Beschwerdeführer erweist sich folglich als unbegründet. 
5. 
Demnach ist die Beschwerde abzuweisen. Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind die Gerichtskosten den Beschwerdeführern zu gleichen Teilen und unter solidarischer Haftung aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
2. 
Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'000.-- wird den Beschwerdeführern zu gleichen Teilen und unter solidarischer Haftung auferlegt. 
3. 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Aargau, Strafgericht, 2. Kammer, schriftlich mitgeteilt. 
Lausanne, 14. Dezember 2007 
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin: 
 
Schneider Binz