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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
5A_562/2022  
 
 
Urteil vom 14. Dezember 2022  
 
II. zivilrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Herrmann, Präsident, 
Bundesrichter von Werdt, Bovey, 
Gerichtsschreiberin Conrad. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.A.________, 
vertreten durch Rechtsanwältin Therese Hintermann, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde des Kantons Zug (KESB), Bahnhofstrasse 12, 6300 Zug. 
 
Gegenstand 
Kindesschutzrecht, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Zug, Fürsorgerechtliche Kammer, die Einzelrichterin, vom 20. Juni 2022 (F 2022 24). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
 
A.a. A.________ (Beschwerdeführer) ist der Vater von B.A.________ (geb. 2010) und C.A.________ (geb. 2012). Beide Kinder sind unter Beistandschaft gestellt.  
 
A.b. Mit Entscheiden Nr. 2022/0658 und Nr. 2022/0659, beide vom 26. April 2022, ernannte die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde des Kantons Zug (KESB) einen neuen Beistand für die Kinder. Die Entscheide versendete sie per A-Post Plus. Die Sendung wurde am Samstag, 30. April 2022, ins Postfach der Rechtsvertreterin des Beschwerdeführers zugestellt. Die Rechtsvertreterin des Beschwerdeführers nahm davon am Montag, 2. Mai 2022, Kenntnis.  
 
B.  
 
B.a. Am 1. Juni 2022 erhob der Beschwerdeführer gegen die beiden Entscheide der KESB Beschwerde beim Verwaltungsgericht des Kantons Zug.  
 
B.b. Dieses stellte dem Beschwerdeführer mit Schreiben vom 2. Juni 2022 in Aussicht, es werde auf die Beschwerde nicht eintreten, da die Beschwerdefrist verpasst sei, und gab dem Beschwerdeführer Gelegenheit sich dazu zu äussern. Mit Stellungnahme vom 13. Juni 2020 machte der Beschwerdeführer im Wesentlichen eine mangelhafte Eröffnung der Entscheide der KESB geltend.  
 
B.c. Mit Entscheid vom 20. Juni 2022 trat das Verwaltungsgericht auf die Beschwerde nicht ein (Dispositivziffer 1), erhob keine Gerichtskosten (Dispositivziffer 2) und sprach keine Parteientschädigungen zu (Dispositivziffer 3).  
 
C.  
Der Beschwerdeführer erhebt am 19. Juli 2022 dagegen Beschwerde an das Bundesgericht. Er beantragt, Ziffer 1 und 3 des angefochtenen Entscheids seien vollständig aufzuheben und die Sache sei zur Entscheidung an das Verwaltungsgericht zurückzuweisen. 
Das Bundesgericht hat die kantonalen Akten, indes keine Vernehmlassungen eingeholt. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Angefochten ist ein Entscheid eines oberen kantonalen Gerichts (Art. 75 BGG), welches auf die Beschwerde gegen die erstinstanzliche Einsetzung eines neuen Beistands für die beiden Kinder des Beschwerdeführers nicht eintrat. Dabei handelt es sich um einen öffentlich-rechtlichen Endentscheid (Art. 90 BGG), der in unmittelbarem Zusammenhang mit Zivilrecht steht (Art. 72 Abs. 2 lit. b Ziff. 6 BGG). Die Sache ist nicht vermögensrechtlicher Natur, weshalb sie dem Streitwerterfordernis nach Art. 74 Abs. 1 BGG nicht unterliegt. Der Beschwerdeführer hat die Beschwerde form- (Art. 42 Abs. 1 BGG) und fristgerecht (Art. 100 Abs. 1 BGG) eingereicht. Er ist im vorinstanzlichen Verfahren mit seinen Anträgen nicht durchgedrungen und hat damit ein schutzwürdiges Interesse an der Aufhebung des angefochtenen Entscheids (Art. 76 Abs. 1 BGG).  
 
1.2. Die Vorinstanz ist auf das kantonale Rechtsmittel nicht eingetreten. Damit könnte das Bundesgericht in der Sache nicht entscheiden und ist der Antrag auf Rückweisung der Sache an die Vorinstanz zu neuer Entscheidung zulässig (BGE 137 II 313 E. 1.3; 133 III 489 E. 3.1 mit Hinweisen).  
 
1.3. Mit der Beschwerde in Zivilsachen können Rechtsverletzungen gemäss Art. 95 f. BGG geltend gemacht werden. Das Bundesgericht wendet das Recht in diesem Bereich von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG) und prüft mit freier Kognition, ob der angefochtene Entscheid Recht verletzt. Es befasst sich aber grundsätzlich nur mit formell ausreichend begründeten Einwänden (Art. 42 Abs. 2 BGG). In der Beschwerde muss in gedrängter Form dargelegt werden, inwiefern der angefochtene Entscheid Recht verletzt, was eine Auseinandersetzung mit dessen Begründung erfordert (BGE 143 II 283 E. 1.2.2). Erhöhte Anforderungen gelten, wenn die Verletzung verfassungsmässiger Rechte oder die Verletzung kantonalen Rechts geltend gemacht wird; hierfür gilt das strenge Rügeprinzip (Art. 106 Abs. 2 BGG). Das Bundesgericht prüft nur klar und detailliert erhobene und soweit möglich belegte Rügen (BGE 142 III 364 E. 2.4 mit Hinweisen). Im Bereich des Kindes- und Erwachsenenschutzrechts verweist Art. 450f ZGB auf die ZPO für verfahrensrechtliche Aspekte, die nicht vom ZGB und auch nicht vom kantonalen Recht geregelt werden. Die ZPO gelangt in diesem Fall als kantonales Recht zur Anwendung. Das Bundesgericht prüft die Bestimmungen des kantonalen Rechts nicht frei, sondern nur auf Willkür (Art. 9 BV) und auf entsprechende Rüge hin (Art. 106 Abs. 2 BGG). Willkür in der Rechtsanwendung liegt vor, wenn der angefochtene Entscheid offensichtlich unhaltbar ist, eine Norm oder einen unumstrittenen Rechtsgrundsatz krass verletzt oder in stossender Weise dem Gerechtigkeitsgedanken zuwiderläuft; dass eine andere Lösung ebenfalls als vertretbar oder gar zutreffender erscheint, genügt nicht; zudem ist erforderlich, dass der Entscheid nicht nur in der Begründung, sondern auch im Ergebnis willkürlich ist (BGE 142 V 513 E. 4.2; 140 III 167 E. 2.1). Auf eine nicht hinreichend begründete Beschwerde tritt das Bundesgericht nicht ein (BGE 140 III 115 E. 2).  
 
1.4. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den von der Vorinstanz festgestellten Sachverhalt zugrunde (Art. 105 Abs. 1 BGG).  
 
2.  
Anlass zur Beschwerde gibt die Versandmethode der KESB. Der Beschwerdeführer ist der Auffassung, die KESB hätte die Entscheide per Einschreiben gemäss Art. 138 Abs. 1 ZPO verschicken müssen. 
 
2.1. Die Vorinstanz erwog, das anwendbare kantonale Verwaltungsverfahrensrecht enthalte mit § 21 Abs. 1 des Gesetzes über den Rechtsschutz in Verwaltungssachen (Verwaltungsrechtspflegegesetz; VRG; BGS 162.1), wonach der Entscheid den Parteien durch die Post zuzustellen sei, eine Regelung über die Form der Eröffnung. Die Bestimmung verlange gerade nicht, dass die Postsendung eingeschrieben oder auf andere Weise gegen Empfangsbestätigung verschickt werden müsse. Diese Versandmethode dürfe nicht durch die Hintertür von Art. 138 Abs. 1 ZPO eingeführt werden. Vielmehr sei es der KESB überlassen, auf welche Art sie ihre Entscheide zustellen wolle. Der Beschwerdeführer habe anhand der unterhalb des Strichcodes aufgedruckten Sendungsnummer den rechtlich erheblichen Zeitpunkt der Zustellung per Internet auf der Webseite der Post mit Hilfe der elektronischen Sendungsverfolgung in Erfahrung bringen können. Die Beschwerdefrist habe somit am Sonntag, 1. Mai 2022, zu laufen begonnen und habe am Montag, 30. Mai 2022, geendet. Damit sei die gemäss Poststempel am 1. Juni 2022 der Post übergebene Beschwerde verspätet. Sodann verneinte die Vorinstanz eine Fristwiederherstellung mangels eines entsprechenden Gesuchs des Beschwerdeführers.  
 
2.2. Der Beschwerdeführer macht geltend, das kantonale Recht sei lückenhaft, weshalb die Vorinstanz Art. 138 ZPO analog habe anwenden und die Entscheide entsprechend durch eingeschriebene Postsendung zustellen sollen. Da die Postsendung der Rechtsvertreterin des Beschwerdeführers am Montag, 2. Mai 2022, zur Kenntnis gebracht worden sei, habe die Beschwerdefrist ab dem 3. Mai 2022 zu laufen begonnen, womit die kantonale Beschwerde rechtzeitig erhoben worden sei.  
 
2.2.1. Der Beschwerdeführer wirft der Vorinstanz in erster Linie Willkür im Sinn von Art. 9 BV in der Anwendung kantonalen Rechts vor. Zur Begründung bringt er vor, die KESB - sofern sie ihre Entscheide per A-Post Plus versenden könne - sei gegenüber Gerichten, die sich an die ZPO halten müssten, ohne sachlichen Grund besser gestellt und die durch einen Entscheid der KESB betroffenen Parteien würden benachteiligt.  
Inwiefern die KESB mit einer A-Post Plus-Sendung besser gestellt sei, und inwiefern die betroffenen Parteien benachteiligt würden, legt der Beschwerdeführer nicht dar. Er zeigt auch nicht auf, inwiefern die A-Post Plus-Sendung geradezu unhaltbar wäre. Allein die Tatsache, dass die Zustellung mit eingeschriebener Post oder auf andere Weise gegen Empfangsbestätigung dem Adressaten und im Übrigen auch dem Ersteller gewisse Vorteile bietet, macht die Versandmethode A-Post Plus nicht verfassungswidrig (vgl. BGE 142 III 599 E. 2.5). Aus dem Urteil 5A_44/2021 vom 23. August 2021, auf das sich der Beschwerdeführer bezieht, kann er nichts zu seinen Gunsten ableiten, ging es dort um ein konkursrechtliches Verfahren, dessen Regelung dem Bundesrecht vorbehalten ist, weshalb Art. 138 ZPO zur Anwendung gelangte. Vorliegend jedoch geht es um eine Angelegenheit des Kindesschutzes, dessen Verfahren - abgesehen von hier nicht relevanten Vorschriften des ZGB - durch kantonales Recht geregelt ist (vgl. hinten E. 2.4). Soweit die Willkürrüge betreffend, genügt somit die Beschwerde den Anforderungen an die strenge Rügepflicht nicht. Es ist insofern darauf nicht einzutreten. 
 
2.2.2. Der Beschwerdeführer macht weiter geltend, die Zustellung per A-Post Plus verletze die Rechtsweggarantie gemäss Art. 29a BV und Art. 6 Ziff. 1 EMRK und das Gleichbehandlungsgebot gemäss Art. 8 Abs. 1 BV, wenn die Beschwerdefrist bereits im Zeitpunkt zu laufen beginne, in dem der Brief in den Briefkasten oder ins Postfach gelegt werde, der Adressat aber erst später von der Zustellung Kenntnis nehme und die Beschwerde deshalb verspätet einreiche. Die Beschwerdefrist werde faktisch verkürzt.  
Die Rügen des Beschwerdeführers sind unbegründet, soweit auf sie eingetreten werden kann. Der effektive Zugang zu einem Gericht, der von Art. 29a BV und Art. 6 Ziff. 1 EMRK garantiert wird, ist dem Beschwerdeführer unbenommen geblieben. Dieser hatte vom 2. Mai 2022 bis zum Ablauf der Beschwerdefrist am 30. Mai 2022 genügend Zeit, um die Entscheide der KESB sachgerecht anzufechten. Die korrekte Berechnung der Beschwerdefrist liegt allein in seinem bzw. im Verantwortungsbereich der Rechtsvertreterin des Beschwerdeführers. 
Eine Verletzung des Gleichbehandlungsgebots gemäss Art. 8 Abs. 1 BV ist nicht bereits dargetan, indem der Beschwerdeführer vorbringt, die Beschwerdefrist würde verkürzt, weil sie beim A-Post Plus Versand vor Kenntnis der Postsendung zu laufen beginnen kann, was vorliegend der Fall war, solange die betroffene KESB ihre Entscheide konsequent per A-Post Plus versendet. Gegenteiliges macht der Beschwerdeführer nicht geltend. 
 
2.3. Die Beschwerde erweist sich demnach als unbegründet und ist abzuweisen, soweit auf sie einzutreten ist.  
 
2.4. Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass der Kanton Zug mit § 21 Abs. 1 VRG i.V.m. § 56 des Gesetzes betreffend die Einführung des Schweizerischen Zivilgesetzbuches für den Kanton Zug (EG ZGB/ZG; BGS 211.1) und Art. 450f ZGB eine Regelung über die Form der Eröffnung von Entscheiden der KESB enthält. Zwar lässt es die Bestimmung offen, welcher konkreten Versandmethode sich die KESB bedienen soll (etwa gewöhnliche Postsendung, A-Post Plus oder eingeschriebene Postsendung). Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers liegt damit keine Lücke vor. Schon gar nicht wäre eine solche durch die kantonalen Bestimmungen über die elektronische Übermittlung im Verwaltungsverfahren oder über den Grundsatz, dass eine nicht abgeholte Postsendung spätestens am 7. Tag nach Versand der Abholungseinladung als zugestellt gilt, zu füllen, sind die Entscheide vorliegend weder elektronisch zugestellt worden noch wurden sie vom Beschwerdeführer nicht abgeholt. Vielmehr ist es in einem solchen Fall den Behörden freigestellt, auf welche Art sie ihre Entscheide versenden wollen (BGE 142 III 599 E. 2.4.1 mit weiteren Hinweisen). Insbesondere dürfen sie sich deshalb auch der Versandart A-Post Plus bedienen. Diesen Ermessensspielraum darf den kantonalen Behörden nicht durch eine ergänzende Anwendung von Art. 138 ZPO genommen werden. Damit hat die Vorinstanz zu Recht festgehalten, es bestehe kein Raum für die Anwendung von Art. 138 ZPO. Die Beschwerdefrist begann vorliegend demnach am 1. Mai 2022 zu laufen und endete am 30. Mai 2022, womit die am 1. Juni 2022 eingereichte Beschwerde als verspätet gelten muss. Die Vorinstanz durfte somit auf die Beschwerde nicht eintreten. Im Übrigen macht der Beschwerdeführer auch vor Bundesgericht nicht geltend, er habe Anspruch auf Fristwiederherstellung, weshalb darauf nicht näher einzugehen ist.  
 
3.  
Bei diesem Ausgang des Verfahrens wird der Beschwerdeführer kosten- (Art. 66 Abs. 1 BGG), nicht aber entschädigungspflichtig, da der in ihrem amtlichen Wirkungskreis obsiegenden KESB keine Parteientschädigung zusteht (Art. 68 Abs. 3 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf eingetreten wird. 
 
2.  
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
3.  
Es werden keine Parteientschädigungen gesprochen. 
 
4.  
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde des Kantons Zug und dem Verwaltungsgericht des Kantons Zug, Fürsorgerechtliche Kammer, die Einzelrichterin, mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 14. Dezember 2022 
 
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Herrmann 
 
Die Gerichtsschreiberin: Conrad