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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
6B_718/2016  
   
   
 
 
 
Urteil vom 15. Februar 2017  
 
Strafrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Denys, Präsident, 
Bundesrichter Oberholzer, 
Bundesrichterin Jametti, 
Gerichtsschreiber Moses. 
 
Verfahrensbeteiligte 
X.________, vertreten durch Rechtsanwältin Dr. Cristina Schiavi, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
1. Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich, Florhofgasse 2, 8090 Zürich, 
2. A.________, vertreten durch Rechtsanwalt Christoph Zobl, 
Beschwerdegegner. 
 
Gegenstand 
Fahrlässige Körperverletzung; Beweiswürdigung, Willkür, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich, II. Strafkammer, vom 26. April 2016. 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.   
X.________ wollte am 10. November 2008 auf einer Baustelle in Zürich in einem Steigschacht Lüftungskanäle montieren. Als er das Gerüstpodest im 3. Obergeschoss betrat, stürzte dieses ein und X.________ fiel auf das rund 4.5 Meter tiefer gelegene Podest des 2. Obergeschosses. Er fügte sich dabei verschiedene Verletzungen zu. Der aus sieben Brettern zusammengesetzte Gerüstboden lag auf der einen Seite auf einem fest in der Schachtwand verankerten Stahlträger auf. Auf der anderen Seite lagen die Bretter auf einem Kantholz auf, welches als Stützbalken diente, in der Mitte geteilt und durch Nägel verbunden war. Dieser zweigeteilte Balken war seinerseits durch vier Deckenspriessen gestützt, welche mit Nägeln gesichert waren. Zu einem unbekannten Zeitpunkt entfernte eine unbekannte Person die zwei mittleren Spriessen, was dazu führte, dass das Gerüst zusammenbrach, als X.________ es betrat. 
 
B.   
Die Staatsanwaltschaft Zürich - Sihl erhob am 31. März 2015 Anklage gegen A.________ wegen fahrlässiger Körperverletzung und fahrlässiger Gefährdung durch Verletzung der Regeln der Baukunde. Sie legte ihm zur Last, er habe als Bauleiter sorgfaltswidrig eine Gerüstkonstruktion mit entfernbaren Deckenspriessen ausgewählt. Durch das damit verbundene Risiko einer unbefugten Entfernung der Spriessen habe er eine Gefahr für Leib oder Leben von Personen geschaffen. 
 
C.   
Das Bezirksgericht Zürich sprach A.________ am 4. September 2015 frei und verwies die Zivilklage von X.________ auf den Zivilweg. X.________ erhob dagegen Berufung. Das Obergericht des Kantons Zürich bestätigte das erstinstanzliche Urteil am 26. April 2016. 
 
D.   
X.________ führt Beschwerde in Strafsachen. Er beantragt, A.________ sei im Sinne der Anklageschrift schuldig zu sprechen und zu bestrafen. Die Zivilklage sei dem Grundsatz nach gutzuheissen und betreffend der Höhe des Anspruchs auf den Zivilweg zu verweisen. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.   
Zur Beschwerde in Strafsachen ist nach Art. 81 Abs. 1 BGG berechtigt, wer vor der Vorinstanz am Verfahren teilgenommen oder keine Möglichkeit zur Teilnahme erhalten hat (lit. a) und ein rechtlich geschütztes Interesse an der Aufhebung oder Änderung des angefochtenen Entscheids hat (lit. b). Der Privatklägerschaft wird ein rechtlich geschütztes Interesse zuerkannt, wenn der angefochtene Entscheid sich auf die Beurteilung ihrer Zivilansprüche auswirken kann (Art. 81 Abs. 1 lit. b Ziff. 5 BGG). Der Beschwerdeführer hat nach Art. 42 Abs. 1 BGG darzulegen, dass die gesetzlichen Legitimationsvoraussetzungen gegeben sind, soweit diese nicht ohne Weiteres ersichtlich sind (BGE 133 II 353 E. 1; BGE 141 IV 1 E. 1.1). 
Der Beschwerdeführer beantragt, seine Zivilklage sei dem Grundsatz nach gutzuheissen und betreffend der Höhe des Anspruchs auf den Zivilweg zu verweisen. Bereits im erstinstanzlichen Verfahren stellte er einen solchen Antrag und führte aus, dass die Höhe des Schadens noch nicht beurteilt werden könne, zumal noch nicht alle gesundheitlichen und erwerblichen Folgen des Unfalls definitiv abgeklärt worden seien (erstinstanzliches Urteil, act. 77, S. 25). Ob die Voraussetzungen von Art. 81 Abs. 1 lit. b Ziff. 5 und Art. 42 Abs. 1 BGG vorliegend erfüllt sind, kann offenbleiben, zumal die Beschwerde ohnehin abzuweisen ist. 
 
2.  
 
2.1. Die Vorinstanz erwägt im Wesentlichen, dass der Beschwerdegegner 2 keine Sorgfaltspflicht verletzt habe. Das Gerüst sei regelkonform erstellt worden. Infolge der unerlaubten Entfernung von zwei Deckenspriessen habe sich ein erlaubtes Restrisiko verwirklicht. Vom Beschwerdegegner 2 zu verlangen, er hätte ein teureres und aufwendiger aufgebautes Gerüst auswählen müssen, welches jedes grobe Fehlverhalten Dritter ausschliesse, ginge zu weit. Das gelte umso mehr, als dem Beschwerdeführer und den weiteren im Schacht tätigen Arbeitern bekannt gewesen sei, dass Änderungen am Gerüst nur von der Bauleitung vorgenommen werden dürfen. Auch könne dem Beschwerdegegner 2 nicht vorgeworfen werden, er habe das Gerüst nicht ausreichend beschildert. Dass eine unbekannt gebliebene Drittperson unbefugterweise und mit der dafür notwendigen Gewalteinwirkung die mit Nägeln befestigten Deckenspriessen entfernen könnte, sei für den Beschwerdegegner 2 nicht voraussehbar gewesen. Mit der Möglichkeit eines derart groben Fehlverhaltens habe er nicht rechnen müssen.  
 
2.2. Der Beschwerdeführer rügt, dass die Gefahr der Entfernung der Deckenspriessen und die damit verbundene Einsturzgefahr dem Beschwerdegegner 2 bewusst gewesen sei. Der Unfall wäre mit einem Gerüst anderer Bauart vermeidbar gewesen. Der Beschwerdeführer macht geltend, die Vorinstanz habe den Sachverhalt willkürlich festgestellt. Nicht sämtliche Handwerker, die auf der Baustelle tätig waren, seien befragt worden. Aktenwidrig sei daher die Annahme, dass alle Handwerker informiert worden seien, dass sie keine Änderungen am Gerüst vornehmen dürfen. Ebenso aktenwidrig sei, dass sie über die geplanten Arbeitsschritte im Lüftungsschaft und am Gerüst selbst sowie über die Bauweise des Gerüstes orientiert worden seien. Der Beschwerdeführer rügt weiter, das fehlbare Verhalten eines unbekannt gebliebenen Dritten stelle keinen derart ungewöhnlichen Umstand dar, dass der Beschwerdegegner 2 nicht damit habe rechnen müssen. Diese Feststellung der Vorinstanz stehe im Widerspruch zur Erwägung des Bezirksgerichts, wonach diejenigen Personen, die allenfalls Anlass zur Entfernung der Deckenspriessen hatten, davon absehen würden. Eine solche Formulierung deute darauf hin, dass absolut kein aussergewöhnlicher Umstand vorliege, wenn ein Handwerker, dem die Spriessen im Wege stehe, diese entferne. Der Zeuge B.________ habe in diesem Zusammenhang erklärt, es sei auf dem Bau üblich, Anweisungen nicht zu beachten, wenn es pressiere. C.________ habe als Zeuge ausgeführt, dass das Gerüst sehr riskant sei, weil die Deckenspriessen entfernt werden könnten. Auch die Vorinstanz habe in ihrem Beschluss vom 4. März 2013 festgehalten, dass man der Gefahr der Entfernung der Deckenspriessen hätte entgegenwirken müssen, falls eine andere Gerüstkonstruktion möglich gewesen wäre. Im Zusammenhang mit der Instruktion der Handwerker sei die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz zudem widersprüchlich.  
Der Beschwerdeführer rügt weiter, die Vorinstanz habe die Beweise einseitig zugunsten des Beschwerdegegners 2 gewürdigt. Sie stufe die Aussagen des Beschwerdegegners 2 als nachvollziehbar und glaubhaft ein, ohne zu berücksichtigen, dass dieser ein Burn-out erlitten habe und im Verdacht eines chronischen Alkoholkonsums stehe. Seine Glaubwürdigkeit und nicht nur die Glaubhaftigkeit der einzelnen Aussage müsse daher in Frage gestellt werden. Die Vorinstanz habe zudem über Sachverhaltsfragen befunden, ohne die notwendige Fachkenntnis zu haben, indem sie annehme, dass die baulichen Grundvoraussetzungen für eine andere Gerüstart nicht erfüllt gewesen seien. 
Des Weiteren macht der Beschwerdeführer geltend, die Erwägung der Vorinstanz, wonach der Beschwerdegegner 2 die von ihm gewählte Konstruktion habe anfertigen lassen dürfen, weil er ansonsten eine vorgängige Abklärung bei einem Bauingenieur hätte einholen müssen, verletze Bundesrecht. Nach der Rechtsprechung müsse der Bauleiter auf eigene Kenntnisse oder auf diejenigen eines beigezogenen Fachmannes abstellen. Diejenigen Regeln der Baukunst, welche nur ausgebildete Ingenieure und Architekten kennen, müsse sich der Bauleiter anrechnen lassen. 
Falsch sei auch die Schlussfolgerung der Vorinstanz, wonach es sich in dem zu beurteilenden Fall nicht um ein Gerüst in einem Liftschacht, sondern in einem Installationsschacht gehandelt habe, weshalb die Richtlinien der SUVA in Bezug auf Liftschachtgerüste nicht anwendbar seien. Es wäre gemäss Experten möglich gewesen, die auf Liftschächte anwendbaren Richtlinien auch in dem vorliegend zu beurteilenden Fall einzuhalten. Mit der Wahl eines anderen Gerüstes sei die Grenze des erlaubten Risikos überschritten worden. Zur Voraussehbarkeit des Unfalls rügt der Beschwerdeführer, dass der Beschwerdegegner 2 eine Garantenpflicht gehabt habe. Er hätte daher seine Mitarbeiter beaufsichtigen müssen, weshalb von einem Drittverschulden, welches zu einer Unterbrechung des Kausalverlaufes führen könnte, keine Rede sein könne. 
 
2.3. Gemäss Art. 125 Abs. 1 StGB wird auf Antrag mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft, wer fahrlässig einen Menschen am Körper oder an der Gesundheit schädigt. Ebenso wird nach Art. 229 StGB bestraft, wer bei der Leitung oder Ausführung eines Bauwerkes oder eines Abbruches die anerkannten Regeln der Baukunde fahrlässig ausser Acht lässt und dadurch Leib und Leben von Mitmenschen gefährdet. Fahrlässig begeht ein Verbrechen oder Vergehen, wer die Folge seines Verhaltens aus pflichtwidriger Unvorsichtigkeit nicht bedenkt oder darauf nicht Rücksicht nimmt. Pflichtwidrig ist die Unvorsichtigkeit, wenn der Täter die Vorsicht nicht beachtet, zu der er nach den Umständen und nach seinen persönlichen Verhältnissen verpflichtet ist (Art. 12 Abs. 3 StGB). Ein Schuldspruch wegen fahrlässiger Körperverletzung setzt somit voraus, dass der Täter den Erfolg durch Verletzung einer Sorgfaltspflicht verursacht hat. Dies ist der Fall, wenn der Täter im Zeitpunkt der Tat auf Grund der Umstände sowie seiner Kenntnisse und Fähigkeiten die Gefährdung der Rechtsgüter des Opfers hätte erkennen können und müssen, und wenn er zugleich die Grenzen des erlaubten Risikos überschritten hat. Wo besondere, der Unfallverhütung und der Sicherheit dienende Normen ein bestimmtes Verhalten gebieten, bestimmt sich das Mass der zu beachtenden Sorgfalt in erster Linie nach diesen Vorschriften (BGE 135 IV 56 E. 2.1 mit Hinweisen).  
Wie die Vorinstanz korrekt feststellt, handelt es sich in dem zu beurteilenden Fall nicht um einen Liftschacht. Folgerichtig gelangte sie daher zum Schluss, dass die Richtlinien der SUVA in Bezug auf Liftschachtgerüste nicht anwendbar sind. Dass es dennoch in technischer Hinsicht möglich gewesen sein soll, diese Richtlinien einzuhalten, ändert nichts an deren fehlenden Anwendbarkeit. Dass andere, der Unfallverhütung dienende Vorschriften missachtet worden seien, rügt der Beschwerdeführer nicht. Er stellt in diesem Sinne nicht in Abrede, dass das Gerüst als solches regelkonform erstellt worden sei. Die Rüge, der Beschwerdegegner 2 hätte wegen der Gefahr der Entfernung der Deckenspriessen ein anderes Gerüst auswählen müssen, ist unbegründet. Die Spriessen waren mittels Nägeln befestigt und konnten nicht versehentlich entfernt werden. Dass die Entfernung tragender Elemente eines Gerüstes dessen Stabilität beeinträchtigt, ist als bekannt zu qualifizieren. Wie die Vorinstanz zutreffend erwägt, musste der Beschwerdegegner 2 nicht mit einem derartigen Fehlverhalten rechnen, weshalb es vorliegend nicht von Bedeutung ist, ob er sämtliche auf dem Bau tätigen Personen instruierte oder beaufsichtigte. Der Freispruch verletzt kein Bundesrecht. 
 
3.   
Die Beschwerde ist abzuweisen. Die Kosten sind dem unterliegenden Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Dem Beschwerdegegner 2 ist keine Entschädigung zuzusprechen, da ihm im bundesgerichtlichen Verfahren keine Umtrieben entstanden sind. 
 
 
 Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.   
Die Gerichtskosten von Fr. 4'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
3.   
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zürich, II. Strafkammer, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 15. Februar 2017 
 
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Denys 
 
Der Gerichtsschreiber: Moses