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[AZA] 
I 161/99 Vr 
 
II. Kammer  
 
Präsident Lustenberger, Bundesrichterin Widmer und neben- 
amtlicher Richter Zollikofer; Gerichtsschreiberin Berger 
 
Urteil vom 15. März 2000  
 
in Sachen 
 
A.______, 1956, Beschwerdeführer, vertreten durch Für- 
sprecher S.______, 
gegen 
 
IV-Stelle Bern, Chutzenstrasse 10, Bern, Beschwerde- 
gegnerin, 
und 
 
Verwaltungsgericht des Kantons Bern, Bern 
 
    A.- Der 1956 geborene A.______ war seit Juni 1991 als 
Betriebsangestellter in der Direktion B.______ tätig. Einer 
akuten Lumbago wegen unterzog er sich vom 10. bis 17. Mai 
1994 einer stationären, konservativen Therapie (Bericht des 
Dr. med. W.______, Spezialarzt für Orthopädie FMH, Klinik 
Y.______, vom 5. Februar 1996). Am 5. Februar 1996 gab Dr. 
med. W.______ an, der Versicherte befinde sich seit 27. Ja- 
nuar 1995 erneut in seiner Behandlung, und diagnostizierte 
ein chronisches Lumbovertebralsyndrom bei paramedianer 
Diskushernie LWK 4/5 und Sakralisation LWK 5. In seiner 
Stellungnahme vom 2. August 1996 attestierte er ab 18. Juli 
1995 bis 11. März 1996 sowie ab 16. April bis 30. Juli 1996 
eine vollständige, ab 12. März bis 15. April 1996 und ab 
31. Juli 1996 eine 50 %ige Arbeitsunfähigkeit. Sämtliche 
Versuche der Arbeitgeberin, den Versicherten in ihrem Be- 
trieb mit einer körperlich leichteren Tätigkeit zu be- 
trauen, scheiterten. 
    Am 19. Oktober 1995 meldete sich A.______ zum Bezug 
von Leistungen der Invalidenversicherung an. Die IV-Stelle 
Bern zog die Akten des ärztlichen Dienstes, der Verwaltung 
und des Betriebes B.______ (worunter sich die Berichte des 
Dr. med. W.______ vom 18. Februar, 25. März, 24. Oktober 
1995 und 17. Juni 1996 sowie des Spitals X.______ vom 
12. Februar 1996, das Protokoll über den vom 1. bis 
16. April 1996 durchgeführten Arbeitsversuch und das 
Gutachten des Dr. med. T.______, Spezialarzt FMH für 
Psychiatrie/Psychotherapie, vom 30. Oktober 1996 samt 
Nachtrag vom 1. November 1996 befanden) bei. Zudem holte 
sie die Stellungnahmen des Dr. med. W.______ vom 5. Februar 
und 2. August 1996 und der Klinik M.______ vom 22. Juli 
1996 ein. Ferner liess sie den Versicherten vom 4. bis 
7. August 1997 im Zentrum für Medizinische Begutachtung 
(ZMB) polydisziplinär abklären (Expertise vom 14. August 
1997). Nach Durchführung des Vorbescheidverfahrens lehnte 
sie das Leistungsbegehren ab (Verfügung vom 14. Oktober 
1997). 
 
    B.- Die hiegegen erhobene Beschwerde wies das Verwal- 
tungsgericht des Kantons Bern ab (Entscheid vom 28. Januar 
1999). 
 
    C.- Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde lässt A.______ 
beantragen, es sei ihm eine ganze Rente der Invaliden- 
versicherung zuzusprechen; eventuell sei die Sache zur 
Durchführung psychiatrischer und vielleicht auch neuropsy- 
chologischer Untersuchungen im Spital L.______, subeven- 
tuell zur Abklärung durch die Berufliche Abklärungsstelle 
an das kantonale Gericht zurückzuweisen. Der Eingabe liegt 
die Stellungnahme des Dr. med. W.______ vom 9. März 1999 
bei. 
    Die IV-Stelle schliesst auf Abweisung der Verwaltungs- 
gerichtsbeschwerde, während sich das Bundesamt für Sozial- 
versicherung nicht vernehmen lässt. 
 
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:  
 
    1.- Das kantonale Gericht hat die vorliegend massge- 
benden Bestimmungen über die Voraussetzungen und den Umfang 
des Rentenanspruchs (Art. 28 Abs. 1 und 1bis IVG) und die 
Invaliditätsbemessung bei Erwerbstätigen nach der Methode 
des Einkommensvergleichs (Art. 28 Abs. 2 IVG) zutreffend 
dargelegt. Richtig sind auch die Ausführungen über die nach 
der Rechtsprechung erforderlichen Voraussetzungen zur An- 
nahme eines invalidisierenden psychischen Gesundheitsscha- 
dens (BGE 102 V 165; AHI 1996 S. 302 Erw. 2a, S. 305 
Erw. 1a, S. 308 Erw. 2a; ZAK 1992 S. 170 Erw. 2a mit Hin- 
weisen), die Aufgabe des Arztes oder der Ärztin im Rahmen 
der Invaliditätsbemessung (BGE 115 V 134 Erw. 2, 114 V 314 
Erw. 3c, 105 V 158 Erw. 1) und die Beweiswürdigung ärzt- 
licher Berichte und Gutachten (BGE 122 V 160 Erw. 1c mit 
Hinweisen). Darauf kann verwiesen werden. 
 
    2.- Streitig ist der Anspruch auf eine Rente der Inva- 
lidenversicherung. Dabei stellt sich vorab die Frage, ob 
für die Beurteilung des physischen und psychischen Gesund- 
heitszustandes und seiner allfälligen Auswirkungen auf die 
Arbeits- und Erwerbsfähigkeit auf das ZMB-Gutachten vom 
14. August 1997 abgestellt werden kann, was die Vorinstanz 
bejaht, der Beschwerdeführer hingegen verneint. 
 
    3.- a) Gemäss dem ZMB-Gutachten vom 14. August 1997 
leidet der Versicherte in somatischer Hinsicht an einem 
lumbospondylogenen Syndrom bei degenerativen Veränderungen 
der unteren Lendenwirbelsäule und lumbosakraler Übergangs- 
störung mit Generalisierungstendenz im Sinne eines panver- 
tebralen Schmerzsyndroms. Der Veränderungen im Bereich der 
unteren Lendenwirbelsäule wegen sei der Rücken wohl etwas 
weniger belastbar und Schwerarbeit nicht mehr zuzumuten. In 
einer mittelschweren Tätigkeit, bei welcher weder in 
Zwangshaltung gearbeitet noch repetitiv Gewichte über 20 kg 
gehoben und getragen werden müssten, sei der Versicherte 
indessen vollständig arbeitsfähig. 
 
    b) In psychiatrischer Hinsicht diagnostizieren die 
ZMB-Experten eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung bei 
einfach strukturierter narzisstischer Persönlichkeit. Dabei 
bestehe weder eine genügend ausgeprägte depressive Sympto- 
matik noch würden Anzeichen für eine Angst- oder Persön- 
lichkeitsstörung vorliegen, die eine volle Arbeitsunfähig- 
keit begründen könnten. Die narzisstische Persönlichkeits- 
struktur und das Festhalten an den Beschwerden hätten psy- 
chiatrisch zwar Krankheitswert, jedoch keine invalidisie- 
renden Ausmasse auf die Arbeitsfähigkeit erlangt. Es fehle 
eine wesentliche psychiatrische Komorbidität, ebenso eine 
massgebende Einschränkung der kognitiven und affektiven 
Leistungsfähigkeit. Das Scheitern der Wiedereingliederung 
in den Arbeitsprozess könne nicht mit einer psychiatrischen 
Diagnose, sondern nur mit einer charakterlichen Verhaltens- 
auffälligkeit erklärt werden, welche zwar Krankheitswert 
habe, jedoch nicht invalidisierend sei. Der psychiatrische 
Befund schränke die Arbeitsfähigkeit in einer dem somati- 
schen Zustand angepassten Tätigkeit nicht zusätzlich ein. 
 
    4.- a) Das kantonale Gericht hat in Würdigung der 
medizinischen Akten ausführlich dargelegt, weshalb kein 
Anlass besteht, vom ZMB-Gutachten, welches auf allseitigen 
Untersuchungen beruht, auch die geklagten Beschwerden 
berücksichtigt, in Kenntnis der Vorakten abgegeben worden 
ist und in der Darlegung der medizinischen Zusammenhänge 
einleuchtet, abzuweichen. Entgegen den Vorbringen in der 
Verwaltungsgerichtsbeschwerde kann auf die nicht weiter 
begründeten und daher nicht nachvollziehbaren Angaben des 
Dr. med. W.______, wonach auf Grund des physischen Gesund- 
heitszustandes für die Zeit ab 31. Juli 1996 bis auf weite- 
res lediglich von einer 50 %igen Arbeitsfähigkeit auszuge- 
hen (Bericht vom 2. August 1996) beziehungsweise (gemäss 
ergänzender Stellungnahme vom 9. März 1999) die "Attestie- 
rung einer Arbeitsfähigkeit (...) nicht umsetzbar" sei, 
nicht abgestellt werden. Ebenso wenig kommt der Beurteilung 
der Arbeitsfähigkeit im Hinblick auf den psychischen Ge- 
sundheitszustand durch Dr. med. T.______, welcher zwar mit 
den Experten des ZMB eine somatoforme Schmerzstörung 
diagnostiziert, vorrangige Bedeutung zu. Denn er lässt un- 
beantwortet, weshalb er im Gegensatz zum ZMB-Gutachten auf 
ein psychiatrisches Leiden mit Krankheitswert schliesst, 
"dessen Prognose erfahrungsgemäss als reserviert zu beur- 
teilen" sei, und die Arbeitsfähigkeit aus psychiatrischer 
Sicht mit "aktuell 0%" angibt (Berichte vom 30. Oktober und 
1. November 1996). 
 
    b) Nach dem Gesagten ist gestützt auf die schlüssigen 
Ergebnisse des ZMB-Gutachtens mit Verwaltung und Vorinstanz 
davon auszugehen, dass der psychische Gesundheitszustand 
keine zusätzliche Einschränkung der Arbeitsfähigkeit nach 
sich zieht. In Anbetracht seiner physischen und psychischen 
Verfassung könnte der Beschwerdeführer somit bei Aufbietung 
des ihm objektiv zumutbaren Willens (BGE 102 V 166) auf dem 
ihm offen stehenden Feld von Erwerbsmöglichkeiten einer 
ganztägigen, körperlich mittelschweren Arbeit nachgehen. 
 
    5.- a) Das hypothetische Einkommen ohne Invalidität 
beträgt für das Jahr 1994 gestützt auf den Eintrag im in- 
dividuellen Konto Fr. 4895.- monatlich. Unter Berücksich- 
tigung der allgemeinen Nominallohnentwicklung im Jahr 1995 
von 1,3 % (Die Volkswirtschaft 1999, Heft 12, Anhang S. 28, 
Tabelle B 10.2) ergibt sich für das Vergleichsjahr 1995 
(BGE 121 V 366 Erw. 1b mit Hinweisen) ein Valideneinkommen 
von monatlich Fr. 4959.-. 
    b) Für die Bestimmung des trotz gesundheitlicher Be- 
einträchtigung zumutbarerweise noch realisierbaren Einkom- 
mens (Invalideneinkommen) können nach der Rechtsprechung 
Tabellenlöhne beigezogen werden. Dies gilt insbesondere 
dann, wenn der Versicherte - wie hier - nach Eintritt des 
Gesundheitsschadens keine neue Erwerbstätigkeit aufgenommen 
hat (BGE 124 V 322 Erw. 3b/aa mit Hinweisen). Bei dem von 
der IV-Stelle korrekt berücksichtigten Tabellenlohn von 
monatlich Fr. 4122.- gemäss der Schweizerischen Lohnstruk- 
turerhebung des Bundesamtes für Statistik (LSE) ist zu be- 
achten, dass er auf einer einheitlichen Arbeitszeit von 
40 Wochenstunden beruht und auf die durchschnittliche 
Wochenarbeitszeit von 41,9 Stunden (LSE 1994 S. 42) um- 
zurechnen ist. Daraus resultiert ein Monatslohn von 
Fr. 4318.-. Unter Einbezug der bis zum Zeitpunkt des Ver- 
fügungserlasses (vom 19. Oktober 1995) eingetretenen 
Nominallohnentwicklung ergibt sich ein Invalideneinkommen 
von monatlich Fr. 4374.-. In Anbetracht der Tatsache, dass 
der Versicherte nicht auf eine leichte Beschäftigung ange- 
wiesen ist, erscheint die von Verwaltung und Vorinstanz 
vorgenommene Reduktion von 25 % vom Tabellenlohn als 
grosszügig. Selbst bei Gewährung eines leidensbedingten 
Abzuges (vgl. dazu BGE 124 V 323 Erw. 3b/bb; AHI 1998 
S. 291 Erw. 3b; in BGE 114 V 310 nicht publizierte Erw. 4b) 
in diesem Umfang beträgt der Invaliditätsgrad, in Anbe- 
tracht der monatlichen Erwerbseinbusse von Fr. 1720.-, 
allerdings nur 34,7 % und liegt damit deutlich unter der 
für den Rentenanspruch geltenden Grenze von 40 % (Art. 28 
Abs. 1 IVG). 
 
    6.- Unter diesen Umständen ist nicht zu beanstanden, 
dass das kantonale Gericht von ergänzenden Abklärungen in 
medizinischer und erwerblicher Hinsicht abgesehen hat. Eine 
Rückweisung an die Vorinstanz zur Einholung weiterer Gut- 
achten und Berichte erübrigt sich. 
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:  
 
I.Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen. 
 
II.Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
 
III.Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungs- 
    gericht des Kantons Bern, Sozialversicherungsrecht- 
    liche Abteilung, der Ausgleichskasse des Kantons Bern 
    und dem Bundesamt für Sozialversicherung zugestellt. 
 
 
Luzern, 15. März 2000 
 
Im Namen des 
Eidgenössischen Versicherungsgerichts 
Der Präsident der II. Kammer: 
 
Die Gerichtsschreiberin: