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Eidgenössisches Versicherungsgericht 
Tribunale federale delle assicurazioni 
Tribunal federal d'assicuranzas 
 
Sozialversicherungsabteilung 
des Bundesgerichts 
 
Prozess 
{T 7} 
C 178/04 
 
Urteil vom 15. März 2005 
IV. Kammer 
 
Besetzung 
Präsident Ferrari, Bundesrichterin Widmer und Bundesrichter Ursprung; Gerichtsschreiber Jancar 
 
Parteien 
H.________, 1961, Beschwerdeführer, vertreten 
durch den Winterthur-ARAG Rechtsschutz, Gartenhofstrasse 17, 8004 Zürich, 
 
gegen 
 
Öffentliche Arbeitslosenkasse des Kantons Aargau, Hirschlistrasse 3, 5401 Baden, Beschwerdegegnerin 
 
Vorinstanz 
Versicherungsgericht des Kantons Aargau, Aarau 
 
(Entscheid vom 17. August 2004) 
 
Sachverhalt: 
A. 
Der 1961 geborene H.________ bezog während einer ersten Rahmenfrist für den Leistungsbezug vom 1. Oktober 2001 bis 30. September 2003 Arbeitslosenentschädigung. In dieser Zeit erzielte er einen Zwischenverdienst aus selbstständiger Erwerbstätigkeit. In der Folge beantragte er die Ausrichtung von Arbeitslosenentschädigung ab 1. Oktober 2003. Mit Verfügung vom 23. Oktober 2003 verneinte die Öffentliche Arbeitslosenkasse des Kantons Aargau (nachfolgend Kasse) den Anspruch ab Beginn der am 1. Oktober 2003 zu eröffnenden zweiten Rahmenfrist für den Leistungsbezug, da H.________ die Beitragszeit nicht erfüllt habe und davon auch nicht befreit werden könne. Die dagegen erhobene Einsprache wies die Kasse mit Entscheid vom 26. Januar 2004 ab. Zur Begründung wurde ausgeführt, er habe in der abgelaufenen Rahmenfrist für den Leistungsbezug als Selbstständigerwerbender gearbeitet und daher die Beitragszeit nicht erfüllt. Falsche Auskünfte betreffend Erfüllung der Beitragszeit seien ihm nicht erteilt worden. Am 26. Januar 2004 meldete sich H.________ per Ende 2003 von der Arbeitsvermittlung ab, da er sich auf Anfang 2004 selbstständig gemacht und gleichzeitig eine Stelle angenommen hatte. 
B. 
Gegen den Einspracheentscheid vom 26. Januar 2004 reichte H.________ beim Versicherungsgericht des Kantons Aargau Beschwerde ein. Dieses führte am 25. Juni 2004 eine Instruktionsverhandlung durch, an der F.________, Berater des Regionalen Arbeitsvermittlungszentrums (RAV), als Zeuge einvernommen und mit dem Versicherten eine Parteibefragung durchgeführt wurde. Mit Entscheid vom 17. August 2004 wies das kantonale Gericht die Beschwerde ab. 
C. 
Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde beantragt H.________, in Aufhebung des kantonalen Entscheides sei ihm ab 1. Oktober 2003 eine neue Rahmenfrist zu eröffnen. 
Die Kasse schliesst auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde, während das Staatssekretariat für Wirtschaft auf eine Vernehmlassung verzichtet. 
 
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: 
1. 
Das kantonale Gericht hat richtig erkannt, dass das am 1. Januar 2003 in Kraft getretene Bundesgesetz über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG) vom 6. Oktober 2000 anwendbar ist (BGE 129 V 4 Erw. 1.2, 356 Erw. 1; vgl. auch Urteil L. vom 20. September 2004 Erw. 1.2, C 34/04). 
Im Weiteren hat das kantonale Gericht die Bestimmungen und Grundsätze über die für den Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung vorausgesetzte Mindestbeitragsdauer (Art. 8 Abs. 1 lit. e in Verbindung mit Art. 13 Abs. 1 AVIG in der seit 1. Juli 2003 geltenden, hier anwendbaren Fassung; vgl. auch Art. 11 AVIV), die dafür vorgesehenen Rahmenfristen im Allgemeinen (Art. 9 AVIG) sowie die Rahmenfristen nach Aufnahme einer selbstständigen Erwerbstätigkeit ohne Förderung durch die Arbeitslosenversicherung im Besonderen (Art. 9a AVIG) zutreffend dargelegt. Gleiches gilt zum Begriff der beitragspflichtigen Beschäftigung als unselbstständige Erwerbstätigkeit (Art. 2 Abs. 1 lit. a AVIG in Verbindung mit Art. 10 ATSG; Art. 5 und Art. 9 AHVG sowie Art. 6 ff. AHVV; BGE 123 V 6 Erw. 1, 162 Erw. 1, je mit Hinweisen; Urteil N. vom 14. September 2004 Erw. 1, C 281/03). Korrekt sind auch die vorinstanzlichen Erwägungen zum Grundsatz von Treu und Glauben (Art. 9 BV; BGE 127 I 36 Erw. 3a, 127 V 258 Erw. 4b, je mit Hinweisen) und zu den nach der Rechtsprechung erforderlichen fünf Voraussetzungen für eine erfolgreiche Berufung auf den öffentlich-rechtlichen Vertrauensschutz bei einer falschen Auskunft einer Verwaltungsbehörde (BGE 121 V 66 Erw. 2a; SVR 2004 IV Nr. 23 S. 70 Erw. 4.1.2). Darauf wird verwiesen. 
2. 
Streitig und zu prüfen ist, ob der Beschwerdeführer ab 1. Oktober 2003 (Beginn der zweiten Rahmenfrist für den Leistungsbezug) bis Ende 2003 (Abmeldung von der Arbeitsvermittlung) Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung hat. 
Erstellt und unbestritten ist, dass er innerhalb der vom 1. Oktober 2001 bis 30. September 2003 dauernden Rahmenfrist für die Beitragszeit keine beitragspflichtige Beschäftigung ausgeübt hatte, weshalb er die Beitragszeit nicht erfüllt hat. Im Weiteren hat die Vorinstanz richtig erkannt, dass die Voraussetzungen für eine Leistungserbringung gestützt auf Art. 9a AVIG nicht erfüllt waren, was ebenfalls nicht beanstandet wird. 
3. 
Umstritten ist, ob der Beschwerdeführer aus dem Grundsatz von Treu und Glauben etwas zu seinen Gunsten ableiten kann. 
3.1 Er macht geltend, der RAV-Berater F.________ habe ihn informiert, dass ab 1. Oktober 2003 eine neue Rahmenfrist für den Leistungsbezug eröffnet und er Anspruch auf Arbeitslosentaggelder haben werde. Weiter habe F.________ in einem Computerausdruck vom 20. März 2003 schriftliche Berechnungen angestellt, aus denen hervorgehe, dass er von der Eröffnung einer zweiten Rahmenfrist ausgegangen sei. Die gleiche Auskunft habe ihm telefonisch am 2. und 20. Oktober 2003 Frau N.________ von der Kasse erteilt. Bei der Parteibefragung vom 25. Juni 2004 gab er an, wenn er gewusst hätte, dass er ab 1. Oktober 2003 keinen Taggeldanspruch mehr habe, hätte er weiterhin nach Stellen gesucht. Vielleicht hätte er sich eher entschieden, selbstständig zu werden. Oder seine Ehefrau hätte ihr Arbeitspensum eventuell auf 50 % erhöht. 
3.2 Die Vorinstanz hat erwogen, es könne offen bleiben, ob der Versicherte falsch informiert worden sei. Denn er habe gestützt auf die angeblichen Auskünfte keine nachteiligen Dispositionen getroffen. Zudem sei die Auskunft der Kasse für allfällige vorher getätigte Dispositionen nicht kausal gewesen, da die Rahmenfrist für die Beitragszeit bereits am 30. September 2003 abgelaufen gewesen sei. 
4. 
4.1 Anlässlich der vorinstanzlichen Einvernahme vom 25. Juni 2004 gab F.________ als Zeuge an, er sage den Versicherten nie etwas über die Eröffnung einer neuen Rahmenfrist, da er darüber ja gar nicht befinden könne. 
Der Beschwerdeführer verneinte bei der Parteibefragung die vorinstanzliche Frage, ob ihm "die neue Rahmenfrist" schriftlich bestätigt worden sei. Er führte diesbezüglich weiter aus, F.________ habe ihm gesagt, "das würde dann von Aarau aus geschehen; dort würde man über die neue Rahmenfrist befinden". Die Mitteilung sei auf Ende September/Anfang Oktober 2003 in Aussicht gestellt worden. 
4.2 Aus diesen Aussagen geht hervor, dass der Beschwerdeführer wusste, dass nicht der RAV-Berater F.________, sondern die Kasse in Aarau für den Entscheid über die Eröffnung einer zweiten Rahmenfrist bzw. den Taggeldanspruch ab 1. Oktober 2003 zuständig war. Damit entfällt der Vertrauensschutz bezüglich einer allfälligen falschen Auskunft des F.________ (BGE 121 V 66 Erw. 2a; SVR 2004 IV Nr. 23 S. 70 Erw. 4.1.2). 
5. 
5.1 Bezüglich der Telefonate mit Frau N.________ von der Kasse legte der Versicherte in der vorinstanzlichen Beschwerde Folgendes dar: Als Anfang Oktober keine schriftliche Bestätigung bezüglich Eröffnung einer zweiten Rahmenfrist vorgelegen habe, habe er sich am 2. Oktober 2003 bei der Kasse in Aarau telefonisch nach den Voraussetzungen einer zweiten Rahmenfrist erkundigt. Er sei von einer Frau (gemäss dem Einspracheentscheid sei es Frau N.________ gewesen) darüber informiert worden, dass eine neue Rahmenfrist eröffnet werde, falls er während den zwei Jahren der ersten Rahmenfrist Zwischenverdienst abgerechnet habe, der im Minimum ein Jahr betrage. Er habe am Telefon klar gesagt, dass es sich bei seinem Zwischenverdienst um eine selbstständige Arbeit gehandelt habe. Als immer noch keine schriftliche Bestätigung eingetroffen sei, habe er am 20. Oktober 2003 noch einmal mit der Kasse telefoniert. Er habe von Frau N.________ die gleiche Information wie beim ersten Telefongespräch erhalten. Da er in der Folge wieder keine schriftliche Bestätigung erhalten habe, habe er sich erneut telefonisch an die Kasse gewandt und habe die Auskunft erhalten, er sei seit 1. Oktober 2003 ausgesteuert. Anlässlich der Parteibefragung vom 25. Juni 2004 bestätigte er im Wesentlichen diese Angaben. 
5.2 Aus den Ausführungen des Beschwerdeführers ergibt sich, dass Frau N.________ den Taggeldanspruch für die Zeit ab 1. Oktober 2003 von der Erfüllung der zwölfmonatigen Beitragszeit abhängig machte. Zudem stellte ihm Frau N.________ offenbar einen schriftlichen Entscheid betreffend den Taggeldanspruch in Aussicht, der dann auch mit Verfügung vom 23. Oktober 2003 erging. Unter diesen Umständen kann eine vorbehaltlose telefonische Zusicherung des Anspruchs nicht als erstellt gelten. Daran ändert auch nichts, dass der Beschwerdeführer ausführt, er habe Frau N.________ orientiert, sein Zwischenverdienst stamme aus selbstständiger Erwerbstätigkeit. 
Wenn er die gesetzliche Regelung, wonach als beitragspflichtige Beschäftigung nur eine unselbstständige Erwerbstätigkeit gilt (Erw. 1 hievor), nicht gekannt hat, so ist dies unbeachtlich, da grundsätzlich niemand aus seiner Rechtsunkenntnis Vorteile für sich ableiten kann (BGE 126 V 313 Erw. 2b, ARV 2002 S. 115 Erw. 2c, je mit Hinweisen). 
Im Weiteren hat die Vorinstanz richtig erkannt, dass eine allfällig falsche Auskunft der Frau N.________ vom 2. und 20. Oktober 2003 nicht kausal sein konnte für die vom Beschwerdeführer oder seiner Ehefrau während der bis 30. September 2003 laufenden Rahmenfrist für die Beitragszeit allenfalls getätigten oder unterlassenen Dispositionen. 
Abgesehen davon hat der Beschwerdeführer solche Dispositionen nicht glaubhaft gemacht (BGE 121 V 67 Erw. 2b). Denn seine Angaben, bei früherer Kenntnis des Wegfalls der Anspruchsberechtigung ab 1. Oktober 2003 hätte er sich "vielleicht eher entschieden", selbstständig zu werden, oder seine Frau hätte "eventuell" ihr Arbeitspensum erhöht, sind zu vage, als dass darauf abgestellt werden könnte. Soweit er geltend macht, er hätte weiterhin nach Stellen gesucht, ist dies unbehelflich. Denn dies ist ohnehin von Gesetzes wegen Pflicht eines jeden Versicherten (Art. 17 Abs. 1 AVIG), der Arbeitslosenentschädigung beanspruchen will. 
Nach dem Gesagten dringt die Berufung auf den Vertrauensschutz nicht durch. 
 
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht: 
1. 
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen. 
2. 
Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
3. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons Aargau, dem Amt für Wirtschaft und Arbeit (AWA) des Kantons Aargau und dem Staatssekretariat für Wirtschaft zugestellt. 
Luzern, 15. März 2005 
 
 
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts 
 
Der Präsident der IV. Kammer: Der Gerichtsschreiber: