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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
9C_1058/2009 
 
Urteil vom 15. März 2010 
II. sozialrechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter U. Meyer, Präsident, 
Bundesrichter Borella, Seiler, 
Gerichtsschreiber Fessler. 
 
Verfahrensbeteiligte 
J.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Philip Stolkin, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen 
 
IV-Stelle Bern, Chutzenstrasse 10, 3007 Bern, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Invalidenversicherung (Ausstand), 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern 
vom 2. November 2009. 
 
Sachverhalt: 
 
A. 
Die IV-Stelle Bern sprach mit Verfügungen vom 20. November 2008 und 26. Februar 2009 der 1960 geborenen J.________ ab 1. September 2008 sowie für die Zeit vom 1. September 2002 bis 31. August 2008 eine Viertelsrente der Invalidenversicherung zu. Nachdem die Versicherte eine Verschlechterung des Gesundheitszustandes gemeldet hatte, teilte ihr die IV-Stelle mit, sie beabsichtige, bei Dr. med. L.________, Spezialärztin FMH für Neurochirurgie, und Dr. med. H.________, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie FMH, eine (weitere) Untersuchung anzuordnen. Damit war J.________ nicht einverstanden und verlangte, von wirklich unabhängigen Experten untersucht zu werden. Die IV-Stelle hielt an den vorgesehenen Gutachtern fest und erteilte ihnen einen entsprechenden Auftrag. Die Versicherte ihrerseits lehnte Dr. med. H.________ weiterhin ab. Am 8. Juli 2009 erliess die IV-Stelle eine Verfügung, mit welcher sie an der Abklärung durch Dr. med. H.________ festhielt. 
 
B. 
Die Beschwerde der J.________ wies das Verwaltungsgericht des Kantons Bern, Sozialversicherungsrechtliche Abteilung, mit Entscheid vom 2. November 2009 ab, soweit darauf eingetreten werden konnte. 
 
C. 
J.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen mit dem Rechtsbegehren, es sei vorfrageweise die Verfassungswidrigkeit von Art. 72bis IVV festzustellen und die Verordnungsbestimmung aufzuheben, der Entscheid vom 2. November 2009 und die Verfügung vom 8. Juli 2009 seien aufzuheben und die IV-Stelle zu verpflichten, ihren Gesundheitszustand "an wirklich unabhängiger Stelle durchzuführen". 
 
Erwägungen: 
 
1. 
1.1 Die Beschwerdeführerin beantragt die vorfrageweise Feststellung der Verfassungswidrigkeit von Art. 72bis IVV (und "Aufhebung" dieser Verordnungsbestimmung, was ohnehin [Art. 82 lit. b BGG] ausscheidet). Das Begehren ist unzulässig, allein schon weil die vorinstanzlich bestätigte Zwischenverfügung nicht auf dieser Norm beruht. Im Übrigen wäre es unbegründet. Nach Art. 72bis IVV trifft das Bundesamt mit Spitälern oder anderen geeigneten Stellen Vereinbarungen über die Errichtung von medizinischen Abklärungsstellen, welche die zur Beurteilung von Leistungsansprüchen erforderlichen ärztlichen Untersuchungen vornehmen (Satz 1). Es regelt Organisation und Aufgaben dieser Stellen und die Kostenvergütung (Satz 2). Der als psychiatrischer Gutachter abgelehnte Dr. med. H.________ ist weder angestellter noch beauftragter Arzt einer medizinischen Abklärungsstelle im Sinne von Art. 72bis IVV
 
1.2 Entgegen der offenbaren Auffassung der Beschwerdeführerin ergibt sich die Zulässigkeit der Beschwerde aus Art. 92 (und nicht Art. 93) BGG, weshalb einziges Prozessthema die geltend gemachten Ausstandsgründe sein können. 
 
2. 
Die Beschwerdeführerin beantragt die Durchführung eines zweiten Schriftenwechsels. Ein solcher ist indessen nicht erforderlich (Art. 102 Abs. 3 BGG). 
 
3. 
3.1 Muss die IV-Stelle zur Abklärung des Sachverhaltes ein Gutachten einer oder eines unabhängigen Sachverständigen einholen, gibt sie der Partei deren oder dessen Namen bekannt. Diese kann den Gutachter aus triftigen Gründen ablehnen und kann Gegenvorschläge machen (Art. 44 ATSG in Verbindung mit Art. 2 ATSG und Art. 1 Abs. 1 IVG). 
Für Sachverständige gelten grundsätzlich die gleichen Ausstands- und Ablehnungsgründe, wie sie für Richter vorgesehen sind. Danach ist Befangenheit anzunehmen, wenn Umstände vorliegen, die in objektiver Weise und nicht bloss auf Grund des subjektiven Empfindens der Partei geeignet sind, Misstrauen in die Unparteilichkeit und Unvoreingenommenheit der sachverständigen Person zu wecken (BGE 132 V 93 E. 7.1 S. 109 mit Hinweis). 
 
3.2 Ob bei einer gegebenen Sachlage auf die Voreingenommenheit des Sachverständigen zu schliessen ist, stellt eine vom Bundesgericht frei zu prüfende Rechtsfrage dar (Art. 95 BGG; Urteil 9C_893/2009 vom 22. Dezember 2009 E. 1.3 mit Hinweisen). 
 
4. 
Die Vorinstanz hat erwogen, Dr. med. H.________ werde hauptsächlich abgelehnt, weil er sich bereits mit der Angelegenheit befasst habe und die hohe Gefahr bestehe, dass er seine Meinung bereits festgelegt habe, und weil er ausschliesslich für die IV-Stellen X., Y. und Z. tätig sei und folglich als wirtschaftlich abhängig zu gelten habe. Beide Vorwürfe könnten nicht gehört werden. Der Umstand, dass Dr. med. H.________ die Beschwerdeführerin bereits einmal begutachtet habe, schliesse dessen erneuten Beizug nicht von vornherein aus. Entscheidend sei, dass das Ergebnis der Abklärung nach wie vor als offen und nicht vorbestimmt erscheine, was vorliegend zutreffe. Insbesondere könne nicht gesagt werden, Dr. med. H.________ habe die Arbeitsfähigkeit schon einmal falsch eingeschätzt. Gegenteils sei im Verfahren, welches zur Zusprechung einer Viertelsrente ab 1. September 2002 geführt habe, vollumfänglich auf dessen Gutachten vom 26. März 2004 abgestellt worden. Zudem habe sich Dr. med. H.________ in der neuen Begutachtung lediglich zur medizinischen Sachlage betreffend den Zeitraum nach Erlass der Verfügung vom 24. Juni 2004 zu äussern und somit nicht die Schlüssigkeit seiner früheren Expertise zu überprüfen bzw. zu kontrollieren. Im Weitern habe das Bundesgericht wiederholt, zuletzt im Urteil 9C_134/2009 vom 5. August 2009, bestätigt, dass eine ausgedehnte Gutachtertätigkeit für die Verwaltung keine Befangenheit zu begründen vermag und daran trotz gelegentlich in Rechtsschriften und in der Literatur vorgebrachter Kritik festzuhalten ist. Entscheidend sei die fachlich-inhaltliche Weisungsunabhängigkeit der sachverständigen Person, welche Voraussetzung bei Dr. med. H.________ als selbständig tätigem Psychiater gegeben sei. 
 
5. 
5.1 Die Vorbringen in der Beschwerde stimmen weitgehend praktisch wortwörtlich mit denjenigen in der vorinstanzlichen Beschwerde überein, ohne dass dargelegt wird, inwiefern das kantonale Gericht - in Verletzung seiner Begründungspflicht (Art. 112 Abs. 1 lit. b BGG) - wesentliche Argumente nicht geprüft hat oder das Ergebnis der Prüfung Bundesrecht oder Völkerrecht verletzt (Art. 95 lit. a und b BGG). Insoweit genügt die Beschwerde den formellen Anforderungen nicht (Art. 42 Abs. 1 und 2 sowie Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 134 II 244 E. 2.1-2.3 S. 245 ff.; 133 II 396 E. 3.1 S. 399) und es ist darauf nicht näher einzugehen. Die im Wesentlichen gleichen Argumente, welche nach Auffassung der Beschwerdeführerin gegen die Unvoreingenommenheit des Dr. med. H.________ wegen wirtschaftlicher Abhängigkeit von der Invalidenversicherung auf Grund regelmässiger Gutachteraufträge sprechen, sind im Übrigen im erwähnten Urteil 9C_134/2009 vom 5. August 2009 als nicht stichhaltig erachtet worden. 
 
5.2 In der Beschwerde wird immer wieder auf das wenige Tage nach Erlass des vorinstanzlichen Entscheids ergangene Urteil 8C_216/2009 vom 28. Oktober 2009 hingewiesen. Daraus ergibt sich indessen nichts zu Gunsten der Versicherten. Im erwähnten, zur Publikation in der amtlichen Sammlung (BGE) bestimmten Urteil hat die I. sozialrechtliche Abteilung entschieden, dass auch unter Berücksichtigung der neueren Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte im Verfahren um Zusprechung oder Verweigerung von Sozialversicherungsleistungen kein förmlicher Anspruch auf versicherungsexterne Begutachtung besteht. Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin stellt BGE 8C_216/2009 keine Abkehr von der Rechtsprechung gemäss BGE 122 V 157 E. 1d S. 162 f. dar. Insbesondere lässt die Tatsache, dass die sachverständige Person in einem Anstellungsverhältnis zum Versicherungsträger steht, allein nicht schon den Schluss auf mangelnde Objektivität und Befangenheit zu. Soll jedoch ein Versicherungsfall ohne Einholung eines externen Gutachtens entschieden werden, so sind an die Beweiswürdigung in dem Sinne strenge Anforderungen zu stellen, dass bei auch nur geringen Zweifeln an der Zuverlässigkeit und Schlüssigkeit der versicherungsinternen ärztlichen Beurteilung ergänzende Abklärungen vorzunehmen sind (BGE 8C_216/2009 E. 4.4 in fine; so schon BGE 122 V 157 E. 1d S. 162 unten f.). 
Selbst wenn Dr. med. H.________ als versicherungsinterner Arzt zu betrachten wäre, weil er angeblich ausschliesslich durch die IV-Stellen X., Y. und Z. mit der Erststellung von psychiatrischen Expertisen beauftragt werde, könnte somit allein daraus nicht auf Voreingenommenheit geschlossen werden. Die offenbare Sorge der Beschwerdeführerin, Dr. med. H.________ könnte sich an seine Feststellungen zum Gesundheitszustand und zur Arbeitsfähigkeit im Gutachten vom 26. März 2004 gebunden fühlen oder dieser zu wenig kritisch gegenüberstehen, ist unbegründet. Dr. med. H.________ wird zwar seine frühere Beurteilung zu berücksichtigen haben, da im Revisionsverfahren nach Art. 17 Abs. 1 ATSG u.a. abzuklären ist, ob und gegebenenfalls inwiefern der Gesundheitszustand und als Folge davon die Arbeitsfähigkeit sich geändert haben. Daraus allein ergeben sich indessen keine hinreichenden (zumindest geringe) Zweifel an der Zuverlässigkeit und Schlüssigkeit der zu erstellenden Expertise, welche vorweg gegen eine Begutachtung sprechen. Nichts anderes ergibt sich aus dem in der Beschwerde erwähnten BGE 125 II 541
 
6. 
Die Beschwerde ist, soweit zulässig, offensichtlich unbegründet und wird daher im vereinfachten Verfahren nach Art. 109 Abs. 2 lit. a und Abs. 3 BGG mit summarischer Begründung erledigt. 
 
7. 
Bei diesem Ausgang des Verfahrens hat die Beschwerdeführerin die Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG). 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
 
2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt. 
 
3. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Bern, Sozialversicherungsrechtliche Abteilung, und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt. 
 
Luzern, 15. März 2010 
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: 
 
Meyer Fessler