Wichtiger Hinweis:
Diese Website wird in älteren Versionen von Netscape ohne graphische Elemente dargestellt. Die Funktionalität der Website ist aber trotzdem gewährleistet. Wenn Sie diese Website regelmässig benutzen, empfehlen wir Ihnen, auf Ihrem Computer einen aktuellen Browser zu installieren.
 
 
Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
                 
 
 
4A_438/2020  
 
 
Urteil vom 15. März 2021  
 
I. zivilrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichterin Kiss, präsidierendes Mitglied, 
Bundesrichter Rüedi, 
Bundesrichterin May Canellas, 
Gerichtsschreiber Brugger. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________ FC, 
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Vitus Derungs, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
B.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Alexandre Zen-Ruffinen, Beschwerdegegner. 
 
Gegenstand 
Internationale Schiedsgerichtsbarkeit; rechtliches Gehör, 
 
Beschwerde gegen das Schiedsurteil des Tribunal Arbitral du Sport (TAS) vom 2. Juli 2020 (CAS 2019/A/6468 und CAS 2019/A/6478). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
B.________ (Beschwerdegegner) ist ein professioneller Fussballspieler aus U.________. 
A.________ FC (Beschwerdeführer) ist ein professioneller Fussballclub der 1. Liga mit Sitz in V.________, W.________. Er ist Mitglied des Fussballverbands in W.________, welcher seinerseits der Fédération Internationale de Football Association (FIFA) angehört, einem Verein schweizerischen Rechts mit Sitz in Zürich. 
Die Parteien stehen in einer arbeitsrechtlichen Streitigkeit betreffend den zwischen ihnen abgeschlossenen Arbeitsvertrag vom 1. Juni 2016 mit Dauer bis 31. Mai 2018. Der Beschwerdegegner löste den Vertrag am 3. August 2016 einseitig mit sofortiger Wirkung auf. In der Folge schloss er einen Arbeitsvertrag mit dem Club C.________ aus X.________ und danach mit dem Fussballclub D.________ Sport Club aus Y.________. 
 
B.  
Mit Entscheid vom 1. Februar 2019 hiess die Kammer zur Beilegung von Streitigkeiten (Dispute Resolution Chamber) der FIFA die vom Beschwerdegegner gegen seinen früheren Arbeitgeber A.________ FC eingereichte Klage teilweise gut und verpflichtete diesen wegen Vertragsbruchs zur Zahlung von EUR 976'666.-- nebst Zins zu 5% seit 1. Februar 2019. Im Übrigen wies sie die Klage des Beschwerdegegners ab. 
Dagegen gelangten sowohl der Beschwerdeführer als auch der Beschwerdegegner an das Tribunal Arbitral du Sport (TAS). Der damalige Rechtsvertreter des Beschwerdeführers brachte zur "Order of Procedure of consolidated proceedings" vom 4. Februar 2020 folgenden Vorbehalt an: 
 
"A.________ FC reserves all its rights in connection with the decision of the Panel notified on 6 January 2020 whereby it rejected A.________ FC's requests for production of documents made in its Appeal Brief dated 4 November 2019 and its Answer to the Appeal of B.________ dated 18 December 2019." 
 
Am 14. Februar 2020 fand in Lausanne eine mündliche Verhandlung statt. Am Ende erklärten beide Parteien und deren Rechtsvertreter, dass sie keine Einwendungen gegen die Verfahrensführung des Panels haben und dass ihr rechtliches Gehör durchwegs gewahrt wurde. Mit Schiedsentscheid vom 2. Juli 2020 wies das TAS die Berufung des Beschwerdeführers ab, hiess diejenige des Beschwerdegegners teilweise gut und verpflichtete den Beschwerdeführer zur Zahlung von EUR 2'939'131.-- nebst Zins zu 5 % seit 3. August 2016. 
 
C.  
Mit Beschwerde in Zivilsachen beantragt der Beschwerdeführer dem Bundesgericht, (1) es sei der Schiedsspruch des TAS vom 2. Juli 2020 aufzuheben und die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. (2) Die Vorinstanz sei anzuweisen, bei der Neubeurteilung das rechtliche Gehör des Beschwerdeführers zu berücksichtigen und insbesondere die im Verfahren CAS 2019/A/6478 im Appeal Brief des Beschwerdeführers vom 4. November 2019 gestellten prozessualen Anträge zu würdigen. 
Der Beschwerdegegner und das TAS beantragen, die Beschwerde abzuweisen. 
 
D.  
Mit Präsidialverfügung vom 22. Oktober 2020 wurde das Gesuch um Sicherstellung der Parteientschädigung im Umfang von Fr. 22'000.-- gutgeheissen. In der Folge leistete der Beschwerdeführer die Sicherheit an die Bundesgerichtskasse. 
Am 29. Januar 2021 wies das präsidierende Mitglied das Gesuch um aufschiebende Wirkung ab. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
Nach Art. 54 Abs. 1 BGG ergeht der Entscheid des Bundesgerichts in einer Amtssprache, in der Regel in jener des angefochtenen Entscheids. Wurde dieser in einer anderen Sprache abgefasst, bedient sich das Bundesgericht der von den Parteien verwendeten Amtssprache. Der angefochtene Entscheid ist in englischer Sprache abgefasst. Da es sich dabei nicht um eine Amtssprache handelt und die Parteien ihre dem Bundesgericht eingereichten Rechtsschriften auf Deutsch (Beschwerdeführer) und auf Französisch (Beschwerdegegner) verfassten, ergeht der Entscheid des Bundesgerichts praxisgemäss in der Sprache der Beschwerde (BGE 142 III 521 E. 1). 
 
2.  
Im Bereich der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit ist die Beschwerde in Zivilsachen unter den Voraussetzungen der Art. 190-192 IPRG (SR 291) zulässig (Art. 77 Abs. 1 lit. a BGG). Der Sitz des Schiedsgerichts befindet sich vorliegend in Lausanne. Sowohl der Beschwerdeführer als auch der Beschwerdegegner hatten im massgebenden Zeitpunkt ihren Wohnsitz bzw. Sitz ausserhalb der Schweiz (Art. 176 Abs. 1 IPRG). 
Die Beschwerde im Sinne von Art. 77 Abs. 1 BGG ist grundsätzlich rein kassatorischer Natur, d.h. sie kann nur zur Aufhebung des angefochtenen Entscheids führen (vgl. Art. 77 Abs. 2 BGG, der die Anwendbarkeit von Art. 107 Abs. 2 BGG ausschliesst, soweit dieser dem Bundesgericht erlaubt, in der Sache selbst zu entscheiden). Doch ist nicht ausgeschlossen, dass das Bundesgericht die Sache an das Schiedsgericht zurückweist (Urteile 4A_660/2020 vom 15. Februar 2021 E. 2.2; 4A_476/2020 vom 5. Januar 2021 E. 2.2; 4A_563/2020 vom 25. November 2020 E. 2.1). Der Antrag 1 des Beschwerdeführers ist demnach zulässig, nicht aber der Antrag 2, mit dem er verlangt, dass das Bundesgericht dem Schiedsgericht Weisungen bei der Neubeurteilung erteilen soll. Im Übrigen geben die Sachurteilsvoraussetzungen zu keinen weiteren Bemerkungen Anlass. 
Auf die Beschwerde ist demnach insoweit einzutreten. 
 
3.  
Zulässig sind allein die Rügen, die in Art. 190 Abs. 2 IPRG abschliessend aufgezählt sind (BGE 134 III 186 E. 5 S. 187; 128 III 50 E. 1a S. 53; 127 III 279 E. 1a S. 282). Nach Art. 77 Abs. 3 BGG prüft das Bundesgericht nur die Rügen, die in der Beschwerde vorgebracht und begründet worden sind; dies entspricht der in Art. 106 Abs. 2 BGG für die Verletzung von Grundrechten und von kantonalem und interkantonalem Recht vorgesehenen Rügepflicht (BGE 134 III 186 E. 5 S. 187 mit Hinweis). Appellatorische Kritik ist unzulässig (BGE 134 III 565 E. 3.1 S. 567; 119 II 380 E. 3b S. 382). 
 
4.  
Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung des rechtlichen Gehörs, weil das TAS seine Beweisanträge nicht gewürdigt habe. 
 
4.1. Nach Art. 190 Abs. 2 lit. d IPRG muss das Schiedsgericht den Anspruch der Parteien auf rechtliches Gehör wahren. Dieser entspricht - mit Ausnahme des Anspruchs auf Begründung - dem in Art. 29 Abs. 2 BV gewährleisteten Verfassungsrecht. Die Rechtsprechung leitet daraus insbesondere das Recht der Parteien ab, sich über alle für das Urteil wesentlichen Tatsachen zu äussern, ihren Rechtsstandpunkt zu vertreten, ihre entscheidwesentlichen Sachvorbringen mit tauglichen sowie rechtzeitig und formrichtig angebotenen Mitteln zu beweisen, sich an den Verhandlungen zu beteiligen und in die Akten Einsicht zu nehmen (BGE 142 III 360 E. 4.1.1; 130 III 35 E. 5 S. 37 f.; 127 III 576 E. 2c; je mit Hinweisen).  
 
4.2. Konkret beanstandet der Beschwerdeführer, dass das TAS seine im Appeal Brief vom 4. November 2019 gestellten Beweisanträge nicht abgenommen bzw. gewürdigt habe. Dort beantragte er im Zusammenhang mit der Schadenminderungspflicht des Beschwerdegegners die Herausgabe folgender Dokumente:  
 
"In relation to D.________ FC 
- Employment contract (s) signed with D.________ FC in January 2018 as well as any and all annexes to said contract and/or side-agreements; 
- Any and all emails exchanged between the Player, his agent and D.________ FC leading up to the conclusion of the employment contract with D.________ FC; 
- Copy of any and all pre-contractual documents, offers, memorandum of understanding exchanged and/or signed with D.________ FC; 
 
In relation to C.________: 
 
- Employment contract (s) signed with C.________ in August 2018 as well as any and all annexes to said contract and/or side-agreements; 
- Any and all emails exchanged between the Player, his agent and C.________ leading up to the conclusion of the employment contract in August 2016; 
- Copy of any and all pre-contractual documents, offers, memorandum of understanding exchanged and/or signed with C.________ as of July to August 2016; 
 
In relation to his Agent E.________ 
- Representation Agreement (s) signed with Mr. E.________ and any other third agent in relation to his agency activities with regards to him signing an employment contract with A.________ and/or in force during said time period." 
 
Am 6. Januar 2020 akzeptierte das TAS den ersten Beweisantrag und befahl der FIFA die Herausgabe des vollständigen Dossiers, insbesondere einschliesslich der vom Spieler mit D.________ Sport Club und C.________ abgeschlossenen Verträge. Hingegen wies es die weiteren Anträge ab: "All other requests for productions of documents are rejected." 
Nachdem sich der Beschwerdeführer daraufhin mit E-Mail vom 6. Januar 2020 nach dem Stand der Behandlung der weiteren Herausgabebegehren, die er wörtlich zitierte, erkundigt hatte, bestätigte das TAS am 7. Januar 2020, dass diese mit Brief vom 6. Januar 2020 abgewiesen worden seien, und wies auf den dort enthaltenen Satz "All other requests for productions of documents are rejected" hin. 
Daraus folgt eindeutig, dass das TAS diese Herausgabebegehren keineswegs übersehen, sondern im Gegenteil bewusst gewürdigt und ausdrücklich abgewiesen hat. Es lieferte auch die Begründung für die Abweisung dieser Herausgabebegehren: Wie der Beschwerdeführer selber in der Beschwerde ausführt, erklärte der Präsident des Panels anlässlich des Hearings vom 14. Februar 2020, dass es sich dabei um eine Art  fishing expedition handle.  
Angesichts der unbestimmten und allzu weit gefassten Formulierung ("Any and all") der weiteren Herausgabebegehren, ohne jegliche Konkretisierung der Existenz von entscheidrelevanten Dokumenten, die herausgegeben werden sollen, bedurfte es keiner weitergehenden Erläuterung. Nach dieser Begründung des Präsidenten des Panels beharrten denn auch die damaligen Vertreter des Beschwerdeführers am Hearing nicht mehr auf diesen Begehren und brachten keinen Vorbehalt betreffend eine Verletzung ihres Gehörsanspruchs an. 
Das TAS hat mithin den Gehörsanspruch nach Art. 190 Abs. 2 lit. d IPRG des Beschwerdeführers gewahrt. Sein diesbezüglicher Vorwurf ist nicht berechtigt. 
 
5.  
Damit erweist sich die Beschwerde als unbegründet. Sie ist abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend wird der Beschwerdeführer kosten- und entschädigungspflichtig (Art. 66 Abs. 1 und Art. 68 Abs. 2 BGG). Die Parteientschädigung ist dem Beschwerdegegner aus dem dafür bei der Bundesgerichtskasse hinterlegten Betrag zu bezahlen. 
 
 
 Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
 
2.  
Die Gerichtskosten von Fr. 20'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
3.  
Der Beschwerdeführer hat den Beschwerdegegner für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 22'000.-- zu entschädigen. Die Gerichtskasse wird angewiesen, dem Beschwerdegegner diesen Betrag aus der beim Bundesgericht als Sicherheit für die Parteientschädigung hinterlegten Summe auszurichten. 
 
4.  
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Tribunal Arbitral du Sport (TAS) schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 15. März 2021 
 
Im Namen der I. zivilrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Das präsidierende Mitglied: Kiss 
 
Der Gerichtsschreiber: Brugger