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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
                 
 
 
5A_244/2019  
 
 
Urteil vom 15. April 2019  
 
II. zivilrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Herrmann, Präsident, 
Bundesrichter Marazzi, Schöbi, 
Gerichtsschreiber Möckli. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Eric Stern, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
1. Bezirksgericht Bülach, 
2. Obergericht des Kantons Zürich, 
Beschwerdegegner. 
 
Gegenstand 
Unentgeltliche Rechtspflege (Ehescheidung), 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich, I. Zivilkammer, vom 13. Februar 2019 (PC180038-O/U). 
 
 
Sachverhalt:  
Im Ehescheidungsverfahren, welches zwischen den rubrizierten Parteien hängig ist, wies das Bezirksgericht Bülach mit Verfügung vom 18. Oktober 2018 die beidseitig gestellten Gesuche um unentgeltliche Rechtspflege ab mit der Begründung, es sei kein Antrag auf Prozesskostenvorschuss gestellt worden, obwohl dieser der unentgeltlichen Rechtspflege vorgehe, bzw. es sei nicht erörtert worden, inwiefern ein Prozesskostenvorschussgesuch aussichtslos wäre und deshalb nur die unentgeltliche Rechtspflege verbleibe. 
Die hiergegen erhobene Beschwerde der Ehefrau sowie deren Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege für das Beschwerdeverfahren wies das Obergericht des Kantons Zürich mit Urteil vom 13. Februar 2019 ab, unter Auferlegung der Gerichtskosten von Fr. 1'000.--. 
Gegen das obergerichtliche Urteil hat die Ehefrau am 21. März 2019 beim Bundesgericht eine Beschwerde eingereicht mit den Begehren um dessen Aufhebung und Erteilung der unentgeltlichen Rechtspflege für die kantonalen Verfahren. Ferner ersucht sie auch für das bundesgerichtliche Verfahren um unentgeltliche Rechtspflege. Beide kantonalen Instanzen haben auf die Einreichung einer Vernehmlassung verzichtet. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.   
Nach der Rechtsprechung ist der das Armenrecht verweigernde Entscheid ein Zwischenentscheid, der einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil im Sinne von Art. 93 Abs. 1 Bst. a BGG bewirken kann (BGE 129 I 129 E. 1.1 S. 131; Urteil 5A_497/2018 vom 26. September 2018 E. 1.2), und bei Zwischenentscheiden folgt der Rechtsweg demjenigen in der Hauptsache (BGE 137 III 380 E. 1.1 S. 382; Urteil 5A_632/2017 15. Mai 2018 E. 1.1). Bei dieser handelt es sich um ein Scheidungsverfahren, so dass die Beschwerde in Zivilsachen offen steht (Art. 72 Abs. 1 BGG). 
 
2.   
Das Obergericht hat befunden, dass der Anspruch auf Prozesskostenvorschuss, welcher aus der ehelichen Beistandspflicht fliesse, der unentgeltlichen Rechtspflege vorgehe. Die Beschwerdeführerin habe aber kein Gesuch um Prozesskostenvorschuss gestellt und im Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege auch nicht dargetan, dass ein solches aussichtslos wäre. Deshalb sei das Armenrechtsgesuch ohne Weiteres abzuweisen, zumal es nicht am Bezirksgericht sei, in den Akten nach Anhaltspunkten zu suchen, die darauf schliessen lassen könnten, dass kein Anspruch auf Prozesskostenvorschuss bestehe. Vor diesem Hintergrund liege keineswegs überspitzter Formalismus vor, wenn das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege vom Bezirksgericht ohne nähere Prüfung abgewiesen worden sei. Weil das Beschwerdeverfahren von Anfang an aussichtslos gewesen sei, könne auch hierfür keine unentgeltliche Rechtspflege erteilt werden. 
 
3.   
Wie das Obergericht selbst festhält, hatten im Ehescheidungsverfahren beide Ehegatten ein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege gestellt. Sodann bringt die Beschwerdeführerin vor (und hat sie, obwohl all dies im angefochtenen Urteil nicht erwähnt wird, bereits vor Obergericht vorgebracht, so dass es sich nicht etwa um neue Vorbringen im Sinn von Art. 99 Abs. 1 BGG handelt), dass sie in den vier vorangegangenen eherechtlichen Verfahren aus den Jahren 2016 und 2017, welche ebenfalls beim Bezirksgericht Bülach geführt worden seien und deren Akten bei denjenigen des vorliegenden Scheidungsverfahrens lägen, jeweils die unentgeltliche Rechtspflege erhalten habe, dass sie im vorliegenden Scheidungsverfahren ihre eigene Bedürftigkeit in der Eingabe vom 24. September 2018 dargelegt und dokumentiert habe, dass beide Seiten (bzw. deren Rechtsvertreter) die Armenrechtsgesuche anlässlich der Verhandlung vor dem Bezirksgericht Bülach vom 15. Oktober 2018 bestätigt hätten, dass der Beschwerdegegner bei dieser Verhandlung eine Unterstützungsbestätigung des Sozialzentrums U.________ der Stadt Zürich vom 29. August 2018 vorgelegt habe, welche die Sozialhilfeabhängigkeit bestätige, dass beide Parteien anlässlich der mündlichen Anhörung bei dieser Verhandlung ihre finanzielle Situation dargelegt hätten und namentlich der Beschwerdegegner ausgesagt habe, dass er vom Sozialamt lebe. 
Die beigezogenen kantonalen Akten bestätigen, dass es sich so verhielt. Was die Aussagen des Beschwerdegegners an der Verhandlung vom 15. Oktober 2018 anbelangt, ist im Protokoll u.a. festgehalten: "Aktuell lebe ich vom Sozialamt.... Meine Wohnkosten betragen noch immer Fr. 300.- pro Monat. Ich lebe in einem Zimmer ohne Küche als Notlösung. Das Sozialamt möchte allerdings, dass ich eine neue Wohnung mit Küche beziehe.... Zurzeit bewerbe ich mich für Stellen in der Gastronomie als Serviceangestellter oder Küchenmitarbeiter.... In der Schweiz verfüge ich über Fr. 2.50 auf meinem Bankkonto.... Wie hoch meine Schulden tatsächlich sind, weiss ich nicht; diese sollten dem Betreibungsamt bekannt sein. Da ich zurzeit beim Sozialamt angemeldet bin, bezahle ich keine Schulden zurück." Aus den Aussagen ergibt sich weiter, dass die letzte Arbeitsstelle über 2½ Jahre zurückliegt. 
 
4.   
Der Anspruch auf Prozesskostenvorschuss geht dem Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege durchwegs vor (BGE 138 III 672 E. 4.2.1 S. 674) und grundsätzlich darf von einer anwaltlich vertretenen Partei auch verlangt werden, dass sie im Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege ausdrücklich darlegt, weshalb ihrer Ansicht nach auf einen Prozesskostenvorschuss zu verzichten ist (Urteile 5A_928/2016 vom 22. Juni 2017 E. 8; 5A_49/2017 vom 18. Juli 2017 E. 3.1; 5A_179/2019 vom 25. März 2019 E. 7). Ferner trifft zu, dass ein Gericht nicht verpflichtet ist, die Akten nach möglichen Hinweisen und Anhaltspunkten zu durchforsten, die darauf schliessen lassen könnten, dass kein Anspruch auf Prozesskostenvorschuss besteht (Urteile 5A_556/2014 vom 4. März 2015 E. 3.2; 5A_49/2017 vom 18. Juli 2017 E. 3.2). 
Vorliegend war aber die Ausgangslage, dass ein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege von beiden Seiten gestellt worden war, dass die beidseitige Mittellosigkeit an der Verhandlung, welche drei Tage vor dem abschlägigen Entscheid stattgefunden hatte, ausgiebig diskutiert und die Parteien dazu befragt wurden, wobei der Beschwerdegegner seine desolate Situation eindrücklich geschilderte und gleich einleitend zu Protokoll gab, dass er von der Sozialhilfe lebe, was im Übrigen durch Vorlage einer aktuellen Bestätigung der Sozialdienste dokumentiert wurde. 
Ausgehend von der konkreten Situation des vorliegenden Einzelfalles macht die Beschwerdeführerin in ihrer Beschwerde zu Recht geltend, Offensichtliches - vorliegend die Bedürftigkeit der Gegenseite - müsse nicht ausgeführt werden, wenn sich dies ohne Weiteres aus den unbestrittenen Darlegungen des Beschwerdegegners und den Akten ergebe: Vor dem geschilderten Hintergrund war die Mittellosigkeit des Beschwerdeführers und demnach die Aussichtslosigkeit eines Gesuches um Prozesskostenvorschuss bzw. die Überflüssigkeit einer entsprechenden Erörterung derart augenfällig und für das Gericht angesichts der drei Tage vorher durchgeführten Verhandlung derart manifest und ohne Durchsuchen der Akten greifbar, dass es überspitzt formalistisch ist, weil blossem Selbstzweck dienend (BGE 142 I 10 E. 2.4.2 S. 11), dennoch eine formale Erörterung der Aussichtslosigkeit eines Prozesskostenvorschussgesuches zu verlangen - wobei das Obergericht sogar festhält, ein Prozesskostenvorschussgesuch wäre nicht etwa mutwillig, sondern korrekt gewesen -, und dass dadurch insbesondere auch Art. 117 lit. a ZPO als den Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege im Zivilverfahren regelnde Norm des Bundesrechts verletzt ist. 
 
5.   
Nach dem Gesagten ist die Beschwerde offensichtlich begründet und deshalb im vereinfachten Verfahren nach Art. 109 Abs. 2 lit. b BGG gutzuheissen. Allerdings kann nicht direkt die unentgeltliche Rechtspflege für das erstinstanzliche Scheidungsverfahren und das obergerichtliche Beschwerdeverfahren erteilt werden, weil die eigentlichen Voraussetzungen (keine Aussichtslosigkeit des Verfahrens, Notwendigkeit der Vertretung, etc.) bislang gar noch nicht überprüft worden sind. Die Angelegenheit ist somit zur weiteren Behandlung an die Vorinstanz zurückzuweisen. 
 
6.   
Es sind keine Gerichtskosten zu erheben (Art. 66 Abs. 4 BGG). Indes hat der Kanton Zürich die Beschwerdeführerin für das bundesgerichtliche Verfahren zu entschädigen (Art. 68 Abs. 2 BGG). Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege für das bundesgerichtliche Verfahren ist damit gegenstandslos. 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
In Gutheissung der Beschwerde wird das Urteil des Obergerichtes des Kantons Zürich vom 13. Februar 2019 aufgehoben und die Angelegenheit zur weiteren Behandlung an die Vorinstanz zurückgewiesen. 
 
2.   
Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
 
3.   
Der Kanton Zürich hat Rechtsanwalt Eric Stern für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 1'500.-- zu entschädigen. 
 
4.   
Es wird festgestellt, dass das für das bundesgerichtliche Verfahren gestellte Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege gegenstandslos ist. 
 
5.   
Dieses Urteil wird den Parteien schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 15. April 2019 
 
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Herrmann 
 
Der Gerichtsschreiber: Möckli