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[AZA 7] 
I 317/01 Vr 
 
IV. Kammer 
 
Präsidentin Leuzinger, Bundesrichter Rüedi und Ferrari; 
Gerichtsschreiber Schmutz 
 
Urteil vom 16. Januar 2002 
 
in Sachen 
J.________, 1964, Beschwerdeführerin, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Bruno Häfliger, Schwanenplatz 7, 6004 Luzern, 
gegen 
IV-Stelle des Kantons St. Gallen, Brauerstrasse 54, 9016 St. Gallen, Beschwerdegegnerin, 
 
und 
Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen, St. Gallen 
 
A.- Die 1964 geborene J.________ ist gelernte Arztgehilfin und arbeitete seit 1989 als kaufmännische Mitarbeiterin bei der Genossenschaft Z.________, als sie am 27. Oktober 1990 beim Lenken eines Personenwagens einen Unfall erlitt, bei dem sie sich eine Beschleunigungsverletzung der Halswirbelsäule (HWS) zuzog. Ab 1. November 1991 arbeitete sie mit reduziertem Pensum als Geschäftsführerin in der Bäckerei-Konditorei ihres Lebenspartners. 
Am 23. Dezember 1991 meldete sie sich bei der Invalidenversicherung zum Rentenbezug an. Die IV-Stelle des Kantons St. Gallen holte Arztberichte ein. Der behandelnde Arzt Dr. 
 
med. J.________, Facharzt FMH für Rheumaerkrankungen, nannte in seinem Bericht vom 4. März 1992 als Diagnose ein cervicocephales Syndrom mit starker Muskelverspannung im Schulter-Nacken-Bereich schon bei geringen Belastungen. Er gab an, bei nicht mehr ausgeprägten objektivierbaren rheumatologischen Befunden stehe zur Zeit eine neuropsychologische Symptomatik mit ausgesprochener Leistungsschwäche, Gedächtnisstörungen, Konzentrationsstörungen und Kopfschmerzen im Vordergrund. Der Neuropsychologe Prof. Dr. 
phil. P.________ diagnostizierte in seinem Bericht vom 15. Juni 1993 eine mittelschwere Hirnfunktionsschwäche und schätzte die Arbeitsfähigkeit der Versicherten auf 50 bis 60 % in der Tätigkeit als kaufmännische Angestellte und 60 bis 70 % als Hausfrau. Nach Abklärung beruflicher Eingliederungsmöglichkeiten und Durchführung des Vorbescheidverfahrens sprach die IV-Stelle J.________ mit Verfügung vom 11. Februar 1994 ab Oktober 1991 auf Grund eines Invaliditätsgrades von 50 % eine halbe Invalidenrente zu, was sie mit Mitteilung vom 16. Juni 1994 zunächst bestätigte. Anlässlich einer im August 1996 eingeleiteten Revision holte die Verwaltung unter anderem einen Bericht von Dr. med. 
 
 
J.________ (vom 26. September 1996) und Auskünfte bei der Versicherten (Fragebogen vom 7. August 1996) und beim Arbeitgeber (Fragebogen vom 28. August 1996) ein. Dr. med. 
J.________ reichte mit seiner Stellungnahme den Austrittsbericht der Rehaklinik X.________ vom 21. Juni 1996 ein, in welchem der Versicherten nach zweimonatigem Aufenthalt in der Klinik zunächst eine Arbeitsfähigkeit von 25 % für leichte administrative Tätigkeiten attestiert wurde. Dr. 
med. J.________ bezeichnete diese Einschätzung als schwer einfühlbar und empfahl der Verwaltung, die Versicherte erneut begutachten zu lassen. Diese beauftragte die Medizinische Abklärungsstelle Zentralschweiz (MEDAS) mit Untersuchungen in orthopädischer, neurologischer, neuropsychologischer und eventuell psychiatrischer Hinsicht. Die MEDAS zog konsiliarisch Berichte der Ärzte Dres. med. W.________, Spezialarzt FMH für Orthopädische Chirurgie, M.________, Leitender Arzt der Neurologie des Spitals Y.________, und A.________, Spezialarzt FMH für Psychiatrie und Psychotherapie, sowie des Neuropsychologen Dr. phil. G.________ bei. Sie kam in ihrem Gutachten vom 4. Dezember 1997 zum Schluss, der Versicherten sei die gegenwärtig ausgeübte Tätigkeit als Geschäftsführerin einer Bäckerei zu 75 % der Norm zumutbar, und auch für jede andere vergleichbare Tätigkeit und die Tätigkeit als Hausfrau bestehe eine Arbeitsfähigkeit von 75 %. Mit Verfügung vom 27. Januar 1999 hob die IV-Stelle die bisher ausgerichtete halbe Rente auf Ende Februar 1999 auf, weil der nach der allgemeinen Methode des Einkommensvergleichs ermittelte Invaliditätsgrad nur mehr 32 % betrage. 
 
B.- Die von J.________ hiegegen eingereichte Beschwerde, mit welcher sie die Aufhebung der Verfügung vom 27. Januar 1999 und die Gewährung einer mindestens halben Invalidenrente über den 28. Februar 1999 hinaus beantragte, wies das Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen mit Entscheid vom 29. März 2001 ab. 
 
 
C.- J.________ lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen mit dem Antrag, der vorinstanzliche Entscheid sei aufzuheben und es sei ihr in Aufhebung der Verfügung vom 27. Januar 1999 ab 1. März 1999 bis auf weiteres eine halbe Invalidenrente zuzusprechen. 
Die Sozialversicherungsanstalt des Kantons St. Gallen beantragt Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Das Bundesamt für Sozialversicherung verzichtet auf eine Vernehmlassung. 
 
 
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: 
 
1.- Das kantonale Gericht hat die hier massgebenden Bestimmungen und Grundsätze über den Begriff der Invalidität (Art. 4 Abs. 1 IVG), den Umfang des Rentenanspruchs (Art. 28 Abs. 1 IVG), die Bemessung des Invaliditätsgrades bei erwerbstätigen Versicherten nach der Einkommensvergleichsmethode (Art. 28 Abs. 2 IVG; BGE 104 V 136 Erw. 2a und b) und die Revision der Invalidenrente (Art. 41 IVG; BGE 109 V 106, 112 V 371 Erw. 2b und 387 Erw. 1b, 113 V 275 Erw. 1a) sowie die dabei zu vergleichenden Sachverhalte (BGE 112 V 372 Erw. 2b, 109 V 265 Erw. 4a; siehe auch BGE 112 V 390 Erw. 1b) zutreffend dargelegt. Darauf kann verwiesen werden. 
 
2.- Streitig und zu prüfen ist, ob die Beschwerdeführerin über den 28. Februar 1999 hinaus Anspruch auf eine Rente der Invalidenversicherung hat. 
 
3.- Hinsichtlich der Beurteilung der Arbeitsfähigkeit kann auf das Gutachten der MEDAS vom 4. Dezember 1997 abgestellt werden. Wie bereits die Vorinstanz festgestellt hat, erklärt sich die fehlende Übereinstimmung mit der Beurteilung der Rehaklinik X.________ vom 21. Juni 1996 unter anderem durch den Zeitablauf. Dass Dr. phil. G.________ die Einschränkungen bezüglich der Konzentrationsfunktionen als weitgehend unverändert bezeichnete, die Arbeitsfähigkeit dann aber trotzdem - entgegen der Rehaklinik, welche von 25 % ausging - auf 75 % festsetzte, ist kein Widerspruch: 
Wie sich aus seinem Konsilium ergibt, stellt die "Konzentration" nur einen Teilbereich der ermittelten Testbefunde dar - nebst "Lernen und Gedächtnis", "Wortgeläufigkeit/ Zeichenproduktion" und "anderen geprüften Funktionen", in welchen die Beschwerdeführerin nunmehr durchschnittliche und zum Teil sogar überdurchschnittliche Resultate erzielte. 
Demgegenüber war die Leistungsfähigkeit der Beschwerdeführerin bei der neuropsychologischen Abklärung in der Rehaklinik X.________ am 2. Mai 1996 "in allen getesteten Aufmerksamkeitsbereichen" reduziert. Dr. phil. G.________ hielt denn auch fest, dass in Teilbereichen gegenüber der Untersuchung vom 2. Mai 1996 weitere Fortschritte (insbesondere in den mnestischen Funktionen) zu verzeichnen seien. Damit lässt sich der von ihm angegebene höhere Grad der Arbeitsfähigkeit von 75 % vereinbaren. 
 
4.- a) Für die Bezifferung des hypothetischen Valideneinkommens ist in der Regel vom letzten Lohn auszugehen, welchen die Versicherte vor Eintritt der Gesundheitsschädigung erzielt hat. Es steht fest, dass dieses Einkommen nicht nur der Teuerung anzupassen ist, sondern dass auch die Reallohnentwicklung zu berücksichtigen ist (vgl. hiezu ZAK 1991 S. 320 Erw. 3a; Locher, Grundriss des Sozialversicherungsrechts, Bern 1997, S. 263 Rz 14; Meyer, Bundesgesetz über die Invalidenversicherung, Zürich 1997, S. 206). 
Die Reallohnentwicklung ist nun aber nicht mit den in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde erwähnten Ansätzen gleichzusetzen, welche auch Karrieresprünge beinhalten, die rechtsprechungsgemäss ohne konkrete Anhaltspunkte nicht zu berücksichtigen sind (AHI 1998 S. 171 Erw. 5a mit Hinweisen). 
Indem Vorinstanz und IV-Stelle von einer Reallohnsteigerung des Monatseinkommens in den Jahren 1990 (Einkommen Fr. 4400.- x 13) bis 1997 (Einkommen Fr. 4848.-) von Fr. 64.- pro Jahr ausgehen, stützten sie sich auf Angaben des vormaligen Arbeitgebers. Da davon ausgegangen werden kann, dass sich das monatliche Einkommen bis 1999 um weitere Fr. 64.- pro Jahr erhöht hätte, ist von einem Valideneinkommen von Fr. 64'688.- (Fr. 4976.- x 13) für das Jahr 1999 auszugehen. 
 
b) Die Beschwerdeführerin beanstandet zu Recht nicht, dass die Vorinstanz bezüglich des Invalideneinkommens auf eine Tätigkeit als kaufmännische Angestellte abgestellt hat. Nicht gefolgt werden kann ihr indessen insoweit, als sie aus dem Konsilium des Dr. phil. G.________ auf eine "massive Beeinträchtigung [...] bei der Haupttätigkeit im kaufmännischen Bereich - der Bildschirmarbeit -" schliesst. 
Denn der Gutachter erwähnt lediglich ein "bedingungsabhängig leicht beeinträchtigtes Aufmerksamkeits- und Konzentrationsvermögen", wobei vor allem "bei Aufgaben am Bildschirm mit vorgegebenem Rhythmus der Informationsdarbietung [...] Konzentrationsprobleme" auftreten, weshalb eine Tätigkeit ohne häufige Bildschirmarbeit der Beschwerdeführerin sicher entgegenkomme; eine Umschulung hält er nicht für erforderlich. 
Derartige Tätigkeiten lassen sich, entgegen den Vorbringen in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde, im kaufmännischen Bereich ohne weiteres finden. 
Bei der Festsetzung des zumutbarerweise erzielbaren Invalideneinkommens kann praxisgemäss auf die in der vom Bundesamt für Statistik herausgegebenen Schweizerischen Lohnstrukturerhebung (LSE) ermittelten standardisierten Bruttolöhne (Zentralwert) abgestellt werden (BGE 126 V 76 Erw. 3b/bb). Im vorliegenden Fall hat die Vorinstanz zu Recht darauf hingewiesen, dass ein auf das Jahr 1999 umgerechneter Tabellenlohn für Arbeitnehmerinnen bei kaufmännisch-administrativen Tätigkeiten über alle Branchen hinweg Fr. 59'078.- betragen hat (LSE 1996 Tabelle TA7 S. 23). Unter Berücksichtigung der Arbeitsfähigkeit von 75 % und eines leidensbedingten Abzuges von 10 % setzte sie das Invalideneinkommen richtig auf Fr. 39'879.- fest. 
In Übereinstimmung mit der Vorinstanz erscheint vorliegend ein leidensbedingter Abzug vom Invalideneinkommen von insgesamt höchstens 10 % angemessen. Wenn in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde sinngemäss ein Abzug von über 30 % geltend gemacht wird, ist darauf hinzuweisen, dass nach der Rechtsprechung der Abzug für sämtliche in Betracht fallenden Umstände (leidensbedingte Einschränkung, Alter, Dienstjahre, Nationalität/Aufenthaltskategorie und Beschäftigungsgrad) gesamthaft zu schätzen ist, wobei der Abzug unter Berücksichtigung aller jeweils in Betracht fallender Merkmale auf höchstens 25 % zu beschränken ist (BGE 126 V 80 Erw. 5b/cc). Als abzugsbegründende Tatsache fällt hier einzig die leidensbedingte Einschränkung der Leistungsfähigkeit auch im Rahmen einer geeigneten leichteren Tätigkeit in Betracht. Da - wie das Eidgenössische Versicherungsgericht im Urteil W. vom 9. Mai 2001 (I 575/00) festgestellt hat - die Teilzeitbeschäftigung sich bei Frauen insbesondere bei einem Pensum von 50 % gemäss Tabelle 6* der LSE 1998 (S. 20) im Vergleich zu einer Vollzeitbeschäftigung sogar proportional lohnerhöhend auswirkt, lässt sich gestützt auf diese Tatsache im vorliegenden Fall kein Abzug von den Tabellenlöhnen rechtfertigen. Wenn die Vorinstanz einen Abzug von insgesamt 10 % zugelassen hat, so trägt dies den tatsächlichen Gegebenheiten Rechnung. 
 
c) Bei einer Gegenüberstellung der beiden Vergleichseinkommen (Valideneinkommen von Fr. 64'688.- und Invalideneinkommen von Fr. 39'879.-) resultiert ein Invaliditätsgrad von 38 %. Da damit keine Invalidität in anspruchsbegründendem Ausmass mehr vorliegt, sind die Voraussetzungen für die revisionsweise Rentenaufhebung erfüllt. 
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht: 
 
I.Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen. 
 
II.Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
III. Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen, der Ausgleichskasse Panvica und dem Bundesamt für Sozialversicherung zugestellt. 
 
 
Luzern, 16. Januar 2002 
 
Im Namen des 
Eidgenössischen Versicherungsgerichts 
Die Präsidentin der IV. Kammer: 
 
Der Gerichtsschreiber: