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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
8C_629/2011 {T 0/2} 
 
Urteil vom 16. Januar 2012 
I. sozialrechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter Ursprung, Präsident, 
Bundesrichter Frésard, Bundesrichterin Niquille, 
Gerichtsschreiber Holzer. 
 
Verfahrensbeteiligte 
Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (SUVA), Rechtsabteilung, Fluhmattstrasse 1, 6004 Luzern, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen 
 
S.________, 
vertreten durch Advokat Sebastian Laubscher, 
Beschwerdegegner. 
 
Gegenstand 
Unfallversicherung, 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons Solothurn 
vom 3. August 2011. 
 
Sachverhalt: 
 
A. 
Der 1985 geborene S.________ war als Lehrling der F.________ AG, bei der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt (SUVA) gegen die Folgen von Unfällen versichert, als er am 28. März 2002 einen Verkehrsunfall erlitt. Die SUVA anerkannte ihre Leistungspflicht für die Folgen dieses Ereignisses und erbrachte die gesetzlichen Leistungen. Der Versicherte konnte in der Folge seine Lehre als Sanitärmonteur abschliessen und liess sich anschliessend zum technischen Kaufmann weiterbilden. Für die verbliebenen Restfolgen des Unfalles sprach die SUVA ihm mit Verfügung vom 13. August 2010 und Einspracheentscheid vom 12. November 2010 eine Integritätsentschädigung aufgrund einer Integritätseinbusse von 35 % und ab 1. September 2010 eine Invalidenrente bei einem Invaliditätsgrad von 54 % zu. Dabei ging die Anstalt davon aus, der Versicherte hätte im Zeitpunkt des Rentenbeginns überwiegend wahrscheinlich als Sanitärmonteur gearbeitet. 
 
B. 
Die von S.________ hiegegen erhobene Beschwerde hiess das Versicherungsgericht des Kantons Solothurn mit Entscheid vom 3. August 2011 teilweise gut, hob den Einspracheentscheid - soweit die Invalidenrente betreffend - auf und wies die Sache mit der Feststellung an die SUVA zurück, beim Valideneinkommen sei vom Lohn eines technischen Kaufmannes auszugehen. 
 
C. 
Mit Beschwerde beantragt die SUVA, es sei unter Aufhebung des kantonalen Gerichtsentscheides ihr Einspracheentscheid vom 12. November 2010 zu bestätigen. 
 
Während S.________ auf Abweisung der Beschwerde schliesst, verzichtet das Bundesamt für Gesundheit auf eine Vernehmlassung. 
 
Erwägungen: 
 
1. 
1.1 Das BGG unterscheidet in Art. 90 bis 93 zwischen End-, Teil- sowie Vor- und Zwischenentscheiden und schafft damit eine für alle Verfahren einheitliche Terminologie. Ein Endentscheid ist ein Entscheid, der das Verfahren prozessual abschliesst (Art. 90 BGG), sei dies mit einem materiellen Entscheid oder Nichteintreten, z.B. mangels Zuständigkeit. Der Teilentscheid ist eine Variante des Endentscheids. Mit ihm wird über eines oder einige von mehreren Rechtsbegehren (objektive und subjektive Klagehäufung) abschliessend befunden. Es handelt sich dabei nicht um verschiedene materiellrechtliche Teilfragen eines Rechtsbegehrens, sondern um verschiedene Rechtsbegehren. Vor- und Zwischenentscheide sind alle Entscheide, die das Verfahren nicht abschliessen und daher weder End- noch Teilentscheid sind; sie können formell- und materiellrechtlicher Natur sein. Voraussetzung für die selbstständige Anfechtbarkeit materiellrechtlicher Zwischenentscheide ist gemäss Art. 93 Abs. 1 BGG zunächst, dass sie selbstständig eröffnet worden sind. Erforderlich ist sodann alternativ, dass der angefochtene Entscheid einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken kann (lit. a) oder dass die Gutheissung der Beschwerde sofort einen Endentscheid herbeiführen und damit einen bedeutenden Aufwand an Zeit oder Kosten für ein weitläufiges Beweisverfahren ersparen würde (lit. b). 
 
1.2 Beim kantonalen Entscheid vom 3. August 2011 handelt es sich um einen Zwischenentscheid: Die Vorinstanz hob den Einspracheentscheid der SUVA vom 12. November 2010 soweit die Invalidenrente betreffend auf und wies die Sache zur Neubemessung des Invaliditätsgrades im Sinne der Erwägungen an die Versicherung zurück. Dabei stellte das kantonale Gericht für die Beschwerdeführerin verbindlich fest, dass beim Valideneinkommen des Versicherten vom Lohn eines technischen Kaufmannes auszugehen sei. Könnte die Beschwerdeführerin diesen Entscheid nicht vor Bundesgericht anfechten, so hätte dies zur Folge, dass sie unter Umständen gezwungen wäre, eine ihres Erachtens rechtswidrige, leistungszusprechende Verfügung zu erlassen. Diese könnte sie in der Folge nicht selber anfechten; da die Gegenpartei in der Regel kein Interesse haben wird, den allenfalls zu ihren Gunsten rechtswidrigen Endentscheid anzufechten, könnte der kantonale Vorentscheid nicht mehr korrigiert werden und würde zu einem nicht wieder gutzumachenden Nachteil für die Verwaltung führen (vgl. BGE 133 V 477 E. 5.2 S. 483 ff.). Auf die Beschwerde der SUVA ist demnach einzutreten. 
 
2. 
2.1 Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen Rechtsverletzungen gemäss Art. 95 und 96 BGG erhoben werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Es ist folglich weder an die in der Beschwerde geltend gemachten Argumente noch an die Erwägungen der Vorinstanz gebunden; es kann eine Beschwerde aus einem anderen als dem angerufenen Grund gutheissen und es kann eine Beschwerde mit einer von der Argumentation der Vorinstanz abweichenden Begründung abweisen (vgl. BGE 132 II 257 E. 2.5 S. 262; 130 III 136 E. 1.4 S. 140). Immerhin prüft das Bundesgericht, unter Berücksichtigung der allgemeinen Begründungspflicht der Beschwerde (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG), grundsätzlich nur die geltend gemachten Rügen, sofern die rechtlichen Mängel nicht geradezu offensichtlich sind. Es ist jedenfalls nicht gehalten, wie eine erstinstanzliche Behörde alle sich stellenden rechtlichen Fragen zu untersuchen, wenn diese vor Bundesgericht nicht mehr vorgetragen werden (BGE 133 II 249 E. 1.4.1 S. 254). 
 
2.2 Im Beschwerdeverfahren um die Zusprechung oder Verweigerung von Geldleistungen der Militär- oder Unfallversicherung ist das Bundesgericht nicht an die vorinstanzliche Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts gebunden (Art. 97 Abs. 2 und Art. 105 Abs. 3 BGG). 
 
3. 
Streitig ist die Höhe der Invalidenrente, wobei einzig die Frage zu prüfen ist, von welchem Valideneinkommen bei der Ermittlung des Invaliditätsgrades auszugehen ist. Unbestritten sind hingegen die medizinische Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit und die Bestimmung des Invalideneinkommens. 
 
4. 
4.1 Für die Bestimmung des Invaliditätsgrades wird gemäss Art. 16 ATSG das Erwerbseinkommen, das die versicherte Person nach Eintritt der Invalidität und nach Durchführung der medizinischen Behandlung und allfälliger Eingliederungsmassnahmen durch eine ihr zumutbare Tätigkeit bei ausgeglichener Arbeitsmarktlage erzielen könnte (sog. Invalideneinkommen), in Beziehung gesetzt zum Erwerbseinkommen, das sie erzielen könnte, wenn sie nicht invalid geworden wäre (sog. Valideneinkommen). 
 
4.2 Zur Ermittlung des Valideneinkommens ist entscheidend, was die versicherte Person im Zeitpunkt des frühest möglichen Rentenbeginns nach dem Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit als Gesunde tatsächlich verdient hätte. Dabei wird in der Regel am zuletzt erzielten, nötigenfalls der Teuerung und der realen Einkommensentwicklung angepassten Verdienst angeknüpft, da es empirischer Erfahrung entspricht, dass die bisherige Tätigkeit ohne Gesundheitsschaden fortgesetzt worden wäre. Ausnahmen müssen mit überwiegender Wahrscheinlichkeit erstellt sein (BGE 129 V 222 E. 4.3.1 S. 224 mit Hinweisen). 
 
4.3 Soll bei der Festsetzung des Valideneinkommens eine berufliche Weiterentwicklung, welche die versicherte Person normalerweise vollzogen hätte, mitberücksichtigt werden, so müssen praxisgemäss konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass sie einen beruflichen Aufstieg und ein entsprechend höheres Einkommen tatsächlich realisiert hätte, wenn sie nicht invalid geworden wäre. Sodann genügen blosse Absichtserklärungen der versicherten Person nicht. Vielmehr muss die Absicht, beruflich weiterzukommen, bereits im Zeitpunkt des Unfalls durch konkrete Schritte wie Kursbesuche, Aufnahme eines Studiums, Ablegung von Prüfungen usw. kundgetan worden sein (SVR 2010 UV Nr. 13 S. 51, 8C_550/2009 E. 4.1 mit zahlreichen weiteren Hinweisen). Bei der Prüfung der mutmasslichen beruflichen Entwicklung können unter Umständen aus einer besonderen beruflichen Qualifizierung im Invaliditätsfall Rückschlüsse auf die hypothetische Entwicklung gezogen werden, zu der es ohne Eintritt des (unfallbedingten) Gesundheitsschadens gekommen wäre. Nach der Rechtsprechung ist eine solche Annahme unter anderem dann zulässig, wenn die angestammte Tätigkeit auch nach dem Unfall weitergeführt werden kann. Indessen darf aus einer erfolgreichen Invalidenkarriere in einem neuen Tätigkeitsbereich nicht ohne Weiteres abgeleitet werden, die versicherte Person hätte ohne Invalidität eine vergleichbare Position auch im angestammten Tätigkeitsgebiet erreicht (RKUV 2005 Nr. U 554 S. 315, U 340/04; Urteil U 183/02 vom 26. Mai 2003 E. 6.2). 
 
5. 
5.1 Zum Zeitpunkt des Unfalles war der Versicherte Sanitärmonteur-Lehrling im ersten Lehrjahr bei der F.________ AG. Es ist unbestrittenermassen davon auszugehen, dass er ohne den Unfall seine Lehre ohne Verzögerungen abgeschlossen hätte. Streitig ist jedoch, ob er sich auch ohne Unfall zum technischen Kaufmann hätte weiterbilden lassen. Die Vorinstanz hat hiezu unter Hinweis auf das Urteil 8C_667/2010 vom 15. Dezember 2010 erwogen, die weitere Ausbildung des Beschwerdegegners zum technischen Kaufmann könne als Weiterbildung in der gleichen Branche betrachtet werden. Zudem habe der Versicherte bei dieser Ausbildung eine überdurchschnittliche Leistungsbereitschaft gezeigt. Die SUVA bestreitet ihrerseits, dass es sich bei der Ausbildung vom Sanitärmonteur zum technischen Kaufmann um eine Weiterbildung innerhalb der gleichen Branche handle, vielmehr stelle eine solche Ausbildung eine eigentliche Umschulung dar. Es erscheine nicht überwiegend wahrscheinlich, dass der Versicherte diese weitere Ausbildung auch ohne den Unfall absolviert hätte. 
 
5.2 Entgegen den vorinstanzlichen Erwägungen ist im vorliegenden Fall letztlich nicht entscheidend, ob die weitere Ausbildung des Versicherten zum technischen Kaufmann noch als Weiterbildung innerhalb der gleichen Branche zu betrachten ist. Anders als im vom kantonalen Gericht angeführten Präjudiz finden sich in den Akten klare Hinweise darauf, dass sich der Beschwerdegegner erst nach und aufgrund des Unfalles zu dieser Ausbildung entschlossen hat. So hat er am 19. August 2005 in Beisein seines Rechtsvertreters gegenüber der SUVA erklärt, er wolle sich auf Anraten seines Lehrmeisters weiterbilden, da er dessen Ansicht nach den erlernten Beruf bei einer Teilarbeitsfähigkeit nicht würde ausführen können. Auch die behandelnde Psychotherapeutin, Frau K.________, ging in ihrem Bericht vom 9. November 2005 davon aus, dass sich der Versicherte weiterbilde, da er in seinem angestammten Beruf als Sanitärinstallateur nicht mehr genügend belastbar ist. 
 
5.3 Hat sich der Versicherte erst nach und aufgrund des Unfalles dazu entschieden, sich zum technischen Kaufmann ausbilden zu lassen, so ist die SUVA bei der Festsetzung des Valideneinkommens zu Recht vom Lohn eines Sanitärinstallateurs, und nicht eines technischen Kaufmannes ausgegangen. Die Beschwerde der Anstalt ist demnach gutzuheissen und der anderslautende kantonale Entscheid ist aufzuheben. 
 
6. 
Bei diesem Verfahrensausgang sind die Gerichtskosten dem Beschwerdegegner aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 Satz 1 BGG). 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
1. 
Die Beschwerde wird gutgeheissen und der Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons Solothurn vom 3. August 2011 aufgehoben. 
 
2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 750.- werden dem Beschwerdegegner auferlegt. 
 
3. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons Solothurn und dem Bundesamt für Gesundheit schriftlich mitgeteilt. 
 
Luzern, 16. Januar 2012 
 
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Ursprung 
 
Der Gerichtsschreiber: Holzer