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[AZA] 
C 159/99 Hm 
 
IV. Kammer  
 
Bundesrichter Borella, Rüedi und Bundesrichterin Leuzinger; 
Gerichtsschreiber Nussbaumer 
 
Urteil vom 16. Februar 2000  
 
in Sachen 
 
E.________, 1936, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechts- 
anwalt Dr. K.________, 
 
gegen 
 
Arbeitslosenkasse Graubünden, Grabenstrasse 8, Chur, Be- 
schwerdegegnerin, 
und 
 
Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden, Chur 
 
    A.- Der seit 2. Juni 1997 als arbeitslos gemeldete 
E.________ (geb. 1936) arbeitete ab 1. Februar 1998 als 
Shift-Manager bei der Firma X.________. Die Arbeitslosen- 
kasse richtete ihm in den Monaten Februar und März 1998 
Arbeitslosenentschädigung unter Berücksichtigung der tat- 
sächlich ausbezahlten Zwischenverdienste aus. Am 8. Juli 
1998 nahm sie eine Neuberechnung vor, indem sie von einer 
vertraglich vereinbarten wöchentlichen Arbeitszeit von 
42 Stunden ausging und die in den Monaten Februar und März 
1998 zuviel ausbezahlten Taggelder verrechnungsweise zu- 
rückforderte. Mit Verfügung vom 24. Juli 1998 teilte sie 
dem Versicherten mit, für die Berechnung des Verdienstaus- 
falls in der Zeit vom 1. Februar bis zur Vertragsänderung 
am 28. Mai 1998 werde auf ein Einkommen in Berücksichtigung 
der vertraglichen Arbeitszeit von 42 Stunden pro Woche 
abgestellt. 
 
    B.- Die hiegegen erhobene Beschwerde wies das Verwal- 
tungsgericht des Kantons Graubünden mit Entscheid vom 
5. Januar 1999 unter Gewährung der unentgeltlichen Verbei- 
ständung ab, soweit es darauf eintrat und die Beschwerde 
nicht gegenstandslos geworden war. 
 
    C.- E.________ lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde 
führen mit dem Antrag, in Aufhebung des vorinstanzlichen 
Entscheides und der Kassenverfügung sei für die Berechnung 
des Verdienstausfalls in der Zeit vom 1. Februar bis 
28. Mai 1998 auf die tatsächlich geleistete Teilzeitarbeit 
abzustellen. Ferner sei ihm die in dieser Zeitspanne vor- 
enthaltene Arbeitslosenentschädigung im Betrag von 
Fr. 7900.- zuzüglich 5 % Zins seit 28. Mai 1998 auszubezah- 
len. Sodann ersucht er um unentgeltliche Prozessführung und 
Verbeiständung. 
    Die Arbeitslosenkasse Graubünden schliesst auf Abwei- 
sung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Das Bundesamt für 
Wirtschaft und Arbeit (seit 1. Juli 1999 Staatssekretariat 
für Wirtschaft) verzichtet auf eine Vernehmlassung. 
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:  
 
    1.- Das kantonale Gericht hat die massgeblichen Be- 
stimmungen und Grundsätze über den Begriff des Zwischenver- 
dienstes (Art. 24 Abs. 1 AVIG), den Anspruch des Versicher- 
ten auf Ersatz des Verdienstausfalls für Tage, an denen er 
einen Zwischenverdienst erzielt (Art. 24 Abs. 2 Satz 1 
AVIG) sowie die Ermittlung des Verdienstausfalls (Art. 24 
Abs. 3 AVIG; BGE 121 V 54 Erw. 2) zutreffend dargelegt. 
Darauf kann verwiesen werden. 
    Zu ergänzen ist, dass nach der Rechtsprechung der 
Bezügerabrechnung trotz Fehlens formeller Entscheidmerkmale 
in materieller Hinsicht Verfügungscharakter zukommt, welche 
rechtsbeständig wird, wenn sie nicht innert angemessener 
Überlegungs- und Prüfungsfrist angefochten wird (BGE 122 V 
368 f. Erw. 2/3, 121 V 53 Erw. 1; ARV 1998 Nr. 3 S. 15 
Erw. 3c, 1993/94 Nr. 25 S. 175 mit Hinweisen). Sodann kann 
gemäss einem allgemeinen Grundsatz des Sozialversicherungs- 
rechts die Verwaltung eine formell rechtskräftige Verfü- 
gung, welche nicht Gegenstand materieller richterlicher 
Beurteilung gebildet hat, in Wiedererwägung ziehen, wenn 
sie zweifellos unrichtig und ihre Berichtigung von erheb- 
licher Bedeutung ist (BGE 122 V 21 Erw. 3a, 173 Erw. 4a, 
271 Erw. 2, 368 Erw. 3, 121 V 4 Erw. 6, je mit Hinweisen). 
Von der Wiedererwägung ist die sogenannte prozessuale Revi- 
sion von Verwaltungsverfügungen zu unterscheiden. Danach 
ist die Verwaltung verpflichtet, auf eine formell rechts- 
kräftige Verfügung zurückzukommen, wenn neue Tatsachen oder 
Beweismittel entdeckt werden, die geeignet sind, zu einer 
andern rechtlichen Beurteilung zu führen (BGE 122 V 369 
Erw. 3, 272 oben mit Hinweisen). 
 
    2.- Streitig und zu prüfen ist, ob für die Berechnung 
der Arbeitslosenentschädigung in der Zeit vom 1. Februar 
bis 28. Mai 1998 der Zwischenverdienst auf Grund des tat- 
sächlich ausgerichteten Arbeitsentgeltes oder auf Grund der 
im Arbeitsvertrag vom 20. Januar 1998 erwähnten wöchent- 
lichen Arbeitszeit von 42 Stunden festzusetzen ist. 
    a) Arbeitslosenkasse und kantonales Gericht haben die 
streitige Frage geprüft, wie wenn die erstmalige Beurtei- 
lung der Höhe des erzielten Zwischenverdienstes in Frage 
stünde. Mit den Voraussetzungen der Wiedererwägung oder der 
prozessualen Revision haben sie sich nicht auseinander 
gesetzt. Diese Frage steht jedoch im Vordergrund, da einer 
Bezügerabrechnung materiell Verfügungscharakter zukommt 
(vgl. Erw. 1 hievor). So sind denn die Bezügerabrechnungen 
für den Monat Februar vom 12. März 1998 und für den Monat 
März vom 1. April 1998, welchen die Arbeitslosenkasse die 
tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden zu Grunde gelegt 
hat, nicht innert angemessener Frist in Frage gestellt wor- 
den und damit in Rechtskraft erwachsen. Im Folgenden ist 
daher zu prüfen, ob die Voraussetzungen für ein Zurückkom- 
men auf die mit den Bezügerabrechnungen von Februar und 
März 1998 entschiedene Frage der Massgeblichkeit der tat- 
sächlich geleisteten und nicht der im Arbeitsvertrag er- 
wähnten Arbeitsstunden vorliegen. 
 
    b) Der Beschwerdeführer arbeitete gestützt auf einen 
am 20. Januar 1998 abgeschlossenen, standardisierten Ar- 
beitsvertrag ab 1. Februar 1998 bei der Firma X.________ in 
der Funktion als "Aushilfe Shift-Manager". In Ziff. 2 der 
weiteren Bestimmungen im Anstellungsvertrag wurde festge- 
halten, die wöchentliche Arbeitszeit betrage zur Zeit 
42 Stunden. In den Monaten Februar bis 28. Mai 1998 arbei- 
tete der Beschwerdeführer monatlich zwischen 57 bis 
97 ½ Stunden. Mit Vereinbarung vom 29. Mai 1998 wurde der 
Arbeitsvertrag dahin gehend verdeutlicht, dass die in 
Ziff. 2 erwähnten 42 Stunden sich auf die allfällige wö- 
chentliche Höchstarbeitszeit beziehen und keinen Anspruch 
auf eine entsprechende Beschäftigung darstellen würden. Die 
tatsächliche Arbeitszeit richte sich ausschliesslich nach 
den betrieblichen Bedürfnissen. 
    c) Im Arbeitsvertrag vom 20. Januar 1998 wurde die 
Funktion des Beschwerdeführers als "Aushilfe Shift-Manager" 
bezeichnet. In Ziff. 2 der weiteren Bestimmungen wurde als 
wöchentliche Arbeitszeit 42 Stunden angegeben. Im Formular 
vom 20. Februar 1998 über die Angaben zur versicherten Per- 
son, als die hier strittige Frage der Arbeitszeit noch 
nicht im Raume stand, bezeichnete sich der Beschwerdeführer 
gegenüber der Arbeitslosenkasse als teilarbeitslos und 
bemerkte "die Einsätze im März 98 sowie April 98 werden 
erhöht". Diese Angaben im Formular bekräftigen die Aussage 
des Beschwerdeführers und seiner Arbeitgeberin, wonach im 
gegenseitigen Einvernehmen vereinbart worden sei, dass der 
Einsatz im maximalen Bereich von 50 % eines Festangestell- 
ten liege. Tatsächlich hat denn auch der Beschwerdeführer 
in der Folge höchstens die Hälfte eines monatlichen Pensums 
gearbeitet. Des Weitern ist in Betracht zu ziehen, dass die 
Funktion im Vertrag als "Aushilfe" Shift-Manager bezeichnet 
worden ist und die weiteren Vertragsbestimmungen standardi- 
siert formuliert sind. Unter diesen Umständen kann keine 
Rede davon sein, die Bezügerabrechnungen von Februar und 
März 1998 seien zweifellos unrichtig. So hat denn auch die 
Arbeitslosenkasse die Vereinbarung vom 29. Mai 1998, mit 
der die vertragliche Arbeitszeit verdeutlicht worden ist, 
akzeptiert und in der Folge den Zwischenverdienst wieder 
gestützt auf das tatsächlich ausgerichtete Entgelt abge- 
rechnet. Auch die Vorinstanz hält dafür, dass der ursprüng- 
liche Vertrag so ausgelegt werden könne, wie dies der Be- 
schwerdeführer verstanden habe. 
    Ebensowenig sind die Voraussetzungen der prozessualen 
Revision gegeben. Bereits in der Bescheinigung über den 
Zwischenverdienst für den Monat Februar 1998 vom 3. März 
1998 gab die Arbeitgeberin an, die wöchentliche Arbeitszeit 
des Beschwerdeführers betrage 42 Stunden. Sodann stellte 
der Beschwerdeführer der Arbeitslosenkasse den Arbeitsver- 
trag mit dem erwähnten Formular vom 20. Februar 1998 zu. 
Dennoch nahm die Arbeitslosenkasse gestützt auf die in der 
Bescheinigung für den Monat Februar 1998 aufgeführten tat- 
sächlich geleisteten 57 Stunden die Zwischenverdienstbe- 
rechnung vor. Unter diesen Umständen kann daher bei der 
Frage der wöchentlichen Arbeitszeit von 42 Stunden nicht 
von einer nachträglich neu entdeckten Tatsache gesprochen 
werden. 
    Selbst wenn davon ausgegangen wird, für die Monate 
April und Mai 1998 sei die strittige Frage aufgrund der 
Bezügerabrechnungen für Februar und März 1998 noch nicht 
rechtskräftig beurteilt, spricht die Aktenlage für die vom 
Beschwerdeführer vertretene Auffassung, wonach er mit dem 
Arbeitgeber eine Teilzeitanstellung im Stundenlohn verein- 
bart habe. Wesentliche Bedeutung kommt in diesem Zusammen- 
hang dem erwähnten Formular vom 20. Februar 1998 zu, in 
welchem der Beschwerdeführer die neue Arbeitsstelle bei der 
Firma X.________ meldete und sich als teilarbeitslos be- 
zeichnete, verbunden mit der Bemerkung, die Einsätze im 
März sowie April 1998 würden erhöht. Diese Angaben, die er 
zu einem Zeitpunkt gemacht hat, als die strittige Frage 
noch nicht aktuell war, lassen seine mit der Arbeitgeberin 
übereinstimmende Sachdarstellung als glaubwürdig erscheinen 
(vgl. dazu die Beweismaxime der "Aussage der ersten Stun- 
de", BGE 121 V 47 Erw. 2a mit Hinweisen). 
 
    d) Nach dem Gesagten ist die Berechnung des Arbeits- 
losentaggeldes aufgrund der tatsächlich geleisteten Ar- 
beitsstunden vorzunehmen. Es wird Sache der Arbeitslosen- 
kasse sein, die dem Beschwerdeführer in der streitigen 
Zeitspanne nachzuzahlende Entschädigung zu berechnen. Die 
Nachzahlung hat ohne Verzugszins zu erfolgen, da im Sozial- 
versicherungsrecht grundsätzlich keine Verzugszinsen ge- 
schuldet werden (BGE 124 V 345 Erw. 3 mit Hinweisen). 
 
    3.- Da der Beschwerdeführer im vorliegenden Verfahren 
obsiegt und Anspruch auf eine Parteientschädigung hat 
(Art. 159 Abs. 2 OG), erweist sich das Gesuch um unentgelt- 
liche Prozessführung und Verbeiständung als gegenstandslos. 
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:  
 
I. In Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde wer-  
    den der Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons 
    Graubünden vom 5. Januar 1999 und die Kassenverfügung 
    vom 24. Juli 1998 aufgehoben, und es wird die Sache an 
    die Arbeitslosenkasse Graubünden zurückgewiesen, damit 
    diese die dem Beschwerdeführer für den Zeitraum 
    1. Februar bis 28. Mai 1998 zustehende Arbeitslosen- 
    entschädigung im Sinne der Erwägungen neu berechne und 
    entsprechend verfüge. 
 
II. Es werden keine Gerichtskosten erhoben.  
 
III. Die Arbeitslosenkasse Graubünden hat dem Beschwerde-  
    führer für das Verfahren vor dem Eidgenössischen Ver- 
    sicherungsgericht eine Parteientschädigung von 
    Fr. 2500.- (einschliesslich Mehrwertsteuer) zu bezah- 
    len. 
 
IV. Das Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden wird  
    über einen Anspruch des Beschwerdeführers auf Ersatz 
    der Parteikosten für das kantonale Verfahren entspre- 
    chend dem Ausgang des letztinstanzlichen Prozesses zu 
    befinden haben. 
 
V. Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsge-  
    richt des Kantons Graubünden, dem Arbeitsamt Graubün- 
    den und dem Staatssekretariat für Wirtschaft zuge- 
    stellt. 
 
 
Luzern, 16. Februar 2000 
Im Namen des 
Eidgenössischen Versicherungsgerichts 
Der Präsident der IV. Kammer: 
 
Der Gerichtsschreiber: