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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
9C_1049/2010 
 
Urteil vom 16. Mai 2011 
II. sozialrechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter U. Meyer, Präsident, 
Bundesrichter Borella, Bundesrichterin Glanzmann, 
Gerichtsschreiber R. Widmer. 
 
Verfahrensbeteiligte 
H.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Max Sidler, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen 
 
Pensionskasse X.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Hermann Walser, 
Beschwerdegegner. 
 
Gegenstand 
Berufliche Vorsorge, 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Zug 
vom 11. November 2010. 
 
Sachverhalt: 
 
A. 
Die 1955 geborene H.________ arbeitete vom 1. Oktober 1971 bis 31. Dezember 2005 bei Firma Y.________ und war für die berufliche Vorsorge bei der Personalvorsorge X.________ (im Folgenden: Pensionskasse) versichert. Am 19. Juli 1996 erlitt sie bei einem Auffahrunfall eine Distorsion der Halswirbelsäule. Die Zürich Versicherungsgesellschaft (Zürich), bei welcher H.________ obligatorisch gegen Unfälle versichert war, erbrachte die gesetzlichen Leistungen. Gestützt auf ein Urteil des Bundesgerichts vom 27. November 2008 (8C_116/2008), mit welchem dieses eine Beschwerde der Versicherten betreffend den Anspruch auf eine Invalidenrente der Unfallversicherung gutgeheissen und die Sache zu weiteren Abklärungen im Sinne der Erwägungen an das Verwaltungsgericht des Kantons Zug zurückgewiesen hatte, gewährte dieses H.________ nach zusätzlichen Abklärungen mit Entscheid vom 12. November 2009 ab 1. Juli 2003 eine Invalidenrente der Unfallversicherung auf der Grundlage einer Erwerbsunfähigkeit von 44 %. Diese Rentenzusprechung blieb unangefochten. 
Gestützt auf diesen kantonalen Gerichtsentscheid gelangte H._______ am 14. Januar 2010 an die Pensionskasse X.________. Sie ersuchte um die Wiederaufnahme in die Kasse, Nachzahlung einer Invalidenrente und Gutschrift der Prämienbefreiungsleistungen ab 1. Juli 2003. Die Pensionskasse lehnte diese Anträge ab. 
 
B. 
Am 23. Februar 2010 liess H.________ beim Verwaltungsgericht des Kantons Zug Klage einreichen mit dem Rechtsbegehren, es sei festzustellen, dass sie weiterhin Mitglied der Pensionskasse X.________ ist und Anspruch auf Weiterführung der Altersleistungen sowie eine Invalidenrente entsprechend einer Invalidität von 44 % hat. Mit Entscheid vom 11. November 2010 wies das Verwaltungsgericht die Klage ab. 
 
C. 
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten lässt H.________ die vorinstanzlich gestellten Anträge erneuern. 
Während die Pensionskasse auf Nichteintreten auf die Beschwerde, eventuell auf deren Abweisung, schliesst, verzichtet das Bundesamt für Sozialversicherungen auf eine Vernehmlassung. 
Erwägungen: 
 
1.  
1.1 Die Pensionskasse beantragt, auf die Beschwerde sei nicht einzutreten, weil ein unzulässiges neues Rechtsbegehren im Sinne von Art. 99 Abs. 2 BGG vorliege. Während in der Klageschrift ausdrücklich Invalidenleistungen aus der obligatorischen beruflichen Vorsorge verlangt worden seien, mache die Versicherte nunmehr reglementarische Invalidenleistungen geltend. 
 
1.2 Wie alle Prozesshandlungen sind Rechtsbegehren nach Treu und Glauben auszulegen, insbesondere im Lichte der dazu gegebenen Begründung (BGG 105 II 149 E. 2a S. 152; Urteil 9C_374/2010 vom 23. Dezember 2010 E. 1.1). Die Versicherte ging in der Klage davon aus, dass ihr lediglich eine Invalidenrente aus der obligatorischen beruflichen Vorsorge zustehe. Der Hinweis auf Art. 13.1 des Reglements diente einzig der Untermauerung der geltend gemachten Invalidität von mindestens 40 % in begrifflicher und masslicher Hinsicht. 
In der Replik erwähnte die Beschwerdeführerin ebenfalls gleichlautende Bestimmungen im IVG, ATSG und BVG. Der Hinweis auf Art. 12 des Reglements diente wiederum dazu, die Einheitlichkeit des Invaliditätsbegriffs zu betonen. In der Folge stellte die Versicherte eine Verbindung zwischen dem BVG und Art. 16 ATSG her, indem sie behauptete, der rechtskräftig ermittelte Invaliditätsgrad in der Unfallversicherung könne für die berufliche Vorsorge übernommen werden. Auch im Zusammenhang mit Art. 12 des Reglements sprach die Versicherte von BVG-Anspruch. Schliesslich bestritt sie das Vorbringen der Pensionskasse in der Klageantwort, es werde nur der obligatorische Anspruch geltend gemacht, nicht. 
In der Beschwerde steht demgegenüber eine reglementarische Invalidenrente im Vordergrund (vgl. BGE 136 V 362 E. 4.2 S. 367). Die Vorinstanz selbst hat festgehalten, dass lediglich eine obligatorische Leistung beantragt sei. Die Versicherte ficht diese Feststellung nicht an. An dieser ist nach den vorstehenden Darlegungen nichts zu beanstanden. Indem die Versicherte jedoch vorsorglich zu den Ausführungen der Vorinstanz Stellung nimmt, macht sie eventualiter sinngemäss einen Anspruch auf eine Invalidenrente aus der obligatorischen beruflichen Vorsorge geltend. Insoweit ist auf die Beschwerde einzutreten, wogegen mit Bezug auf den Anspruch auf Invalidenleistungen aus der weitergehenden Vorsorge auf Nichteintreten auf das Rechtsmittel zu erkennen ist, weil es sich um ein unzulässiges neues Begehren im Sinne von Art. 99 Abs. 2 BGG handelt. 
 
2. 
Streitig und zu prüfen ist in erster Linie, ob die Auffassung der Vorinstanz, wonach der Beschwerdeführerin trotz der von der Unfallversicherung anerkannten Erwerbsunfähigkeit von 44 % keine Invalidenrente aus der obligatorischen beruflichen Vorsorge zusteht, bundesrechtskonform ist (Art. 95 lit. a BGG). 
 
2.1 Gemäss Art. 23 BVG (in der bis Ende 2004 gültig gewesenen Fassung) haben Anspruch auf Invalidenleistungen Personen, die im Sinne der IV zu mindestens 50 % invalid sind und bei Eintritt der Arbeitsunfähigkeit, deren Ursache zur Invalidität geführt hat, versichert waren. Für den Beginn des Anspruchs auf Invalidenleistungen gelten nach Art. 26 Abs. 1 BVG (in der bis Ende 2004 gültig gewesenen Fassung) sinngemäss die entsprechenden Bestimmungen des Bundesgesetzes vom 19. Juni 1959 über die Invalidenversicherung (Art. 29 IVG). Art. 29 Abs. 1 lit. b IVG (in der bis 31. Dezember 2007 gültig gewesenen Fassung) bestimmt, dass der Rentenanspruch nach Art. 28 IVG frühestens in dem Zeitpunkt entsteht, in dem der Versicherte während eines Jahres ohne wesentlichen Unterbruch durchschnittlich mindestens zu 40 % arbeitsunfähig gewesen war. Da der Anspruch auf eine Invalidenrente der Unfallversicherung am 1. Juli 2003 entstanden ist und die Beschwerdeführerin die Zusprechung von Invalidenleistungen aus der beruflichen Vorsorge ab diesem Zeitpunkt beantragt, ist davon auszugehen, dass ein allfälliger Anspruch auf eine Invalidenrente nach BVG vor dem 1. Januar 2005 entstanden wäre. Im vorliegenden Fall sind somit die vorstehend zitierten Art. 23 und 26 Abs. 1 BVG (je in der bis 31. Dezember 2004 gültig gewesenen Fassung) sowie Art. 29 Abs. 1 lit. b IVG (in der bis 31. Dezember 2007 gültig gewesenen Fassung) anwendbar. 
 
2.2 Laut Art. 23 BVG könnte die Beschwerdeführerin nur Invalidenleistungen nach BVG beanspruchen, wenn sie mindestens hälftig invalid wäre. Ein Invaliditätsgrad von 50 % ist jedoch nicht ausgewiesen, und die Versicherte selbst macht gestützt auf die von der Vorinstanz für die Belange der Unfallversicherung ermittelte Erwerbsunfähigkeit einen Invaliditätsgrad von lediglich 44 % geltend. 
 
3. 
Entgegen den Ausführungen in der Beschwerde hat die Vorinstanz das Übergangsrecht nicht verletzt. In Art. 28 Abs. 1 IVG wurden mit Wirkung ab 1. Januar 1988 Viertelsrenten (bei einem Invaliditätsgrad von 40 %) eingeführt, während das BVG die Viertelsrenten (Art. 24 Abs. 1 lit. d) erst ab 1. Januar 2005 (Inkrafttreten der 1. BVG-Revision) kennt. 
Lit. f der Übergansbestimmungen der Änderung vom 3. Oktober 2003 (1. BVG-Revision) bestimmt in Abs. 1, dass die Invalidenrenten, die vor dem Inkrafttreten dieser Gesetzesänderung zu laufen begonnen haben, dem bisherigen Recht unterstehen. Während zwei Jahren ab dem Inkrafttreten dieser Gesetzesänderung unterstehen die Invalidenrenten noch dem Recht, das nach Art. 24 in der Fassung vom 25. Juni 1982 galt (lit. f Abs. 2). Renten, die in der Zeit vom 1. Januar 2005 bis 31. Dezember 2006 entstehen, bleiben somit dem alten Recht unterstellt. Dies bedeutet, dass auf neu entstehende Renten die Bestimmungen über die neue Rentenabstufung erst ab 1. Januar 2007 anwendbar sind (JÜRG BRÜHWILER, Obligatorische berufliche Vorsorge, in: Schweizerisches Bundesverwaltungsrecht, Soziale Sicherheit, 2. Aufl., S. 2046 N 115). Aus den Übergangsbestimmungen folgt somit, dass auf einen allfälligen vor dem 1. Januar 2005 entstandenen Invalidenrentenanspruch der Versicherten aus der obligatorischen beruflichen Vorsorge die altrechtliche Rentenabstufung massgebend wäre. Die Übergangsbestimmungen haben auch zu gelten, wenn es nicht um einen bereits feststehenden, sondern - wie hier - um einen bloss möglichen oder virtuellen Invaliditätsgrad von mindestens 40 % geht. Aus der Tatsache, dass Art. 24 BVG mit der seit 1. Januar 2005 in Kraft stehenden 1. BVG-Revision eine Änderung erfahren hat, indem die Rentenabstufungen Art. 28 Abs. IVG angeglichen wurden, kann die Beschwerdeführerin demnach nichts zu ihren Gunsten ableiten, wie die Vorinstanz zutreffend erkannt hat. 
 
4. 
Die Beschwerdeführerin beantragt sodann, es sei festzustellen, dass sie weiterhin Mitglied der Pensionskasse sei und Anspruch auf die Weiterführung der Altersleistungen habe. 
Das kantonale Gericht hat festgehalten, dass mit der Ablehnung des Invalidenrentenanspruchs die Weiterführung der Altersgutschrift nach Art. 14 BVV 2 (Prämienbefreiung) entfalle. 
Dieser Auffassung ist beizupflichten. Die beiden Feststellungsbegehren sind in der Tat obsolet. Die Zugehörigkeit zur Pensionskasse wäre nach dem Ausscheiden aus den Diensten Firma Y.________ mit Überweisung der Freizügigkeitsleistung auf ein Konto der Versicherten nur im Falle einer Invalidenrentenzusprechung mit Rückerstattung der Freizügigkeitsleistung (Art. 3 Abs. 2 FZG) möglich. Die Weiterführung des Alterskontos eines Invaliden gemäss Art. 14 BVV 2 und die entsprechende Behandlung des auf die Teilinvalidität entfallenden Altersguthabens nach Art. 15 Abs. 2 BVV 2 wiederum setzten ebenfalls die Zusprechung einer Invalidenrente aus der beruflichen Vorsorge voraus, woran es im vorliegenden Fall gebricht. Aus Art. 20.3 des Reglements der Beschwerdegegnerin ergibt sich nichts Abweichendes, während Art. 22.1 den hier nicht in Frage stehenden Anspruch auf Freizügigkeitsleistung bei Auflösung des Anstellungsverhältnisses regelt. 
 
5. 
Dem Verfahrensausgang entsprechend sind die Gerichtskosten der unterliegenden Beschwerdeführerin aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 Satz 1 BGG). 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
 
2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt. 
 
3. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Zug, Sozialversicherungsrechtliche Kammer, und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt. 
 
Luzern, 16. Mai 2011 
 
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: 
 
Meyer Widmer