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Eidgenössisches Versicherungsgericht 
Tribunale federale delle assicurazioni 
Tribunal federal d'assicuranzas 
 
Sozialversicherungsabteilung 
des Bundesgerichts 
 
Prozess {T 7} 
H 49/06 
 
Urteil vom 16. August 2006 
III. Kammer 
 
Besetzung 
Präsident Ferrari, Bundesrichter Meyer und Seiler; Gerichtsschreiber Hadorn 
 
Parteien 
I.________ AG, Beschwerdeführerin, 
 
gegen 
 
Ausgleichskasse Gewerbe St. Gallen, Lindenstrasse 137, 9016 St. Gallen, Beschwerdegegnerin 
 
Vorinstanz 
Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen, St. Gallen 
 
(Entscheid vom 12. Januar 2006) 
 
Sachverhalt: 
Mit Verfügung vom 23. Februar 2005 forderte die Ausgleichskasse Gewerbe St. Gallen von der Firma I.________ AG aus der Jahresabrechnung 2004 eine Differenz von Fr. 2289.35, worunter Arbeitslosenversicherungsbeiträge. Daran hielt die Kasse mit Einspracheentscheid vom 23. August 2005 fest. 
Die dagegen mit dem sinngemässen Antrag, keine Arbeitslosenversicherungsbeiträge zu bezahlen, erhobene Beschwerde wies das Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen mit Entscheid vom 12. Januar 2006 ab. 
Die I.________ AG führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde und beantragt "eine Abrechnung der AHV auf der Basis und mit dem Satz für selbständig Erwerbende". 
Die Ausgleichskasse schliesst auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde, während das Bundesamt für Sozialversicherung auf eine Vernehmlassung verzichtet. 
 
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: 
 
1. 
Da keine Versicherungsleistungen streitig sind, hat das Eidgenössische Versicherungsgericht nur zu prüfen, ob der vorinstanzliche Entscheid Bundesrecht verletzt, einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des Ermessens, oder ob der rechtserhebliche Sachverhalt offensichtlich unrichtig, unvollständig oder unter Verletzung wesentlicher Verfahrensbestimmungen festgestellt worden ist (Art. 132 in Verbindung mit Art. 104 lit. a und b sowie Art. 105 Abs. 2 OG). 
Ferner ist Art. 114 Abs. 1 OG zu beachten, wonach das Eidgenössische Versicherungsgericht in Abgabestreitigkeiten an die Parteibegehren nicht gebunden ist, wenn es im Prozess um die Verletzung von Bundesrecht oder um die unrichtige oder unvollständige Feststellung des Sachverhalts geht. 
2. 
Streitig und zu prüfen ist, welche Arbeitslosenversicherungsbeiträge für das Jahr 2004 geschuldet sind. 
2.1 Das kantonale Gericht hat die gesetzlichen Vorschriften zur Beitragspflicht in der AHV (Art. 12 Abs. 1 und 2 AHVG) und in der Arbeitslosenversicherung (Art. 2 Abs. 1 lit. a AVIG), zum Begriff des massgebenden Lohnes (Art. 5 Abs. 2 AHVG) mit seinen Spezifizierungen (Art. 6 Abs. 2, Art. 7 und Art. 8 AHVV) und zum Ausschluss arbeitgeberähnlicher Personen vom Anspruch auf Kurzarbeits- (Art. 31 Abs. 3 lit. c AVIG), Schlechtwetter- (Art. 42 Abs. 3 AVIG) und Insolvenzentschädigung (Art. 51 Abs. 2 AVIG) sowie die Rechtsprechung zur analogen Anwendung dieser Bestimmungen auf arbeitgeberähnliche Personen, welche Arbeitslosenentschädigung verlangen (BGE 123 V 236 Erw. 7), richtig dargelegt. Darauf wird verwiesen. 
2.2 Hinsichtlich der Beitragspflicht stellt das AVIG auf die AHV-Gesetzgebung ab. Es erklärt nicht nur Arbeitnehmer, sondern auch deren Arbeitgeber als beitragspflichtig, obwohl Letztere selber nicht versichert sind und damit keinen Leistungsanspruch haben (Gerhards, Kommentar zum Arbeitslosenversicherungsgesetz, N 20 zu Art. 2). Entscheidend für die Unterstellung unter die AHV- wie die AlV-Beitragspflicht ist, ob massgebender Lohn im Sinne von Art. 5 Abs. 2 AHVG ausgerichtet wird (Gerhards, a.a.O., N 32 und N 42 zu Art. 2). In der Arbeitslosenversicherung gilt grundsätzlich ein einheitlicher Arbeitnehmerbegriff, welcher vollumfänglich auf den ahv-rechtlichen Begriff der unselbstständigen Erwerbstätigkeit abstellt (Nussbaumer, in: SBVR, Arbeitslosenversicherung, S. 12 Rz 24). Ob jemand Arbeitnehmer ist, hängt deshalb einzig davon ab, ob er eine ahv-pflichtige unselbstständige Tätigkeit ausübt (BGE 121 V 367 Erw. 2). Darunter fallen nicht nur die im privat- oder öffentlich-rechtlichen Arbeitsverhältnis beschäftigten Arbeitnehmer (Nussbaumer, a.a.O., S. 13). Soweit arbeitgeberähnliche Personen, beispielsweise Geschäftsführer einer Firma, einen massgebenden Lohn im Sinne der AHV-Gesetzgebung verdienen, fallen sie unter den Begriff der Arbeitnehmer. Daran ändert sich auch nichts, wenn sie in der gleichen Firma zusätzlich Funktionen ausüben, die wirtschaftlich mit denjenigen eines Selbstständigerwerbenden vergleichbar sind. Sie und ihre Arbeitgeber bleiben beitragspflichtig (Art. 2 Abs. 1 lit. a und b AVIG, BGE 122 V 251 Erw. 2b; Nussbaumer, a.a.O., S. 64 Rz 161). Das AHV-Beitragsstatut ist für die Arbeitslosenversicherung massgebend, soweit es nicht offensichtlich unrichtig ist (BGE 119 V 158 Erw. 3a). Die Ausnahmen von der Beitragspflicht sind in Art. 2 Abs. 2 AVIG festgehalten. Sie betreffen allesamt nicht den hier relevanten Tatbestand und befreien namentlich arbeitgeberähnliche Personen und die sie beschäftigenden Unternehmungen nicht davon, die paritätischen Beiträge zu entrichten (vgl. auch Gerhards, a.a.O., N 51 ff. zu Art. 2 und Nussbaumer, a.a.O., S. 15 ff. Rz 29 ff.). An diese gesetzliche Ordnung ist das Eidgenössische Versicherungsgericht gebunden (Art. 191 BV). Es hat die erwähnten Grundsätze in ARV 2005 S. 201 (Urteil W. vom 29. Dezember 2004, C 160/04) sowie im Urteil P. vom 14. April 2005, H 177/04, bestätigt. 
3. 
3.1 Streitig ist die Nachforderung von Arbeitslosenversicherungsbeiträgen für K.________ und L.________ im Jahr 2004. Beide fungierten damals als Hauptaktionäre mit je 50 % Aktienanteil, L.________ zudem als Verwaltungsratsmitglied der Beschwerdeführerin. Beide haben 2004 unbestrittenermassen ahv-rechtlichen Lohn bezogen. Dementsprechend hat die I.________ AG diese Löhne als ahv-pflichtigen Verdienst deklariert, womit auch AlV-Beiträge geschuldet sind. Die Beschwerdeführerin kritisiert die Pflicht zur Bezahlung von AlV-Beiträgen mit dem Argument, arbeitgeberähnliche Personen müssten Beiträge entrichten, könnten aber ausser im Falle der Liquidation oder des Konkurses nie entsprechende Leistungen beziehen. 
3.2 Art. 31 Abs. 3 lit. c AVIG schliesst arbeitgeberähnliche Personen vom Anspruch auf Kurzarbeitsentschädigung aus. Analoge Bestimmungen finden sich bei der Schlechtwetterentschädigung (Art. 42 Abs. 3 AVIG) und der Insolvenzentschädigung (Art. 51 Abs. 2 AVIG). Im Bereich der Arbeitslosenentschädigung besteht zwar keine Art. 31 Abs. 3 lit. c AVIG vergleichbare Vorschrift, welche arbeitgeberähnliche Personen von der Leistungsberechtigung ausschliesst. Indessen hat die Rechtsprechung (BGE 123 V 234 und zahlreiche seitherige Urteile) auch in diesem Bereich die selbe Regelung angewendet. Denn bei arbeitgeberähnlichen Personen besteht auf Grund der ihnen zustehenden Befugnisse (Ausstellung von Gefälligkeitsbescheinigungen, beliebige Variation des eigenen Arbeitspensums und damit einhergehend Unkontrollierbarkeit des eigenen tatsächlichen Arbeitsausfalls, Mitbestimmung bei der eigenen Wiederanstellung usw.) in Bezug auf sämtliche Leistungszweige der Arbeitslosenversicherung dasselbe, im Vergleich zu gewöhnlichen Angestellten erhöhte Missbrauchspotenzial. Die erwähnte Rechtsprechung bezweckt nicht nur dem ausgewiesenen Missbrauch an sich, sondern bereits dem Risiko eines solchen zu begegnen, welches der Ausrichtung von Arbeitslosenentschädigung an arbeitgeberähnliche Personen inhärent ist (ARV 2003 S. 240 [Urteil f. vom 14. April 2003, C 92/02]). Im Unterschied zu Selbstständigerwerbenden geniessen arbeitgeberähnliche Personen durchaus Versicherungsschutz in der Arbeitslosenversicherung und sind daher entgegen den Vorbringen in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde nicht Selbstständigen gleichzustellen. Scheiden nämlich arbeitgeberähnliche Personen aus ihrem Betrieb in einer Weise aus, dass sie endgültig alle jene Eigenschaften verlieren, deretwegen sie bei Kurzarbeit auf Grund von Art. 31 Abs. 3 lit. c AVIG vom Anspruch auf Kurzarbeitsentschädigung ausgenommen wären, besteht durchaus Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung, soweit die übrigen Voraussetzungen (Art. 8 Abs. 1 AVIG) erfüllt sind. Das Erfordernis, aus der bisherigen Firma definitiv auszuscheiden, ist wegen der Missbrauchsgefahr notwendig, verhindert jedoch nicht generell, dass arbeitgeberähnliche Personen überhaupt jemals Arbeitslosenentschädigung beziehen könnten. Demnach sind die streitigen Beiträge geschuldet. Der kantonale Entscheid ist somit bundesrechtskonform. Das Eidgenössische Versicherungsgericht hat diese Rechtsprechung in zwei jüngeren Urteilen bestätigt (ARV 2005 S. 201 [erwähntes Urteil W.]; erwähntes Urteil P.). Zu einer Änderung derselben besteht kein Anlass. 
4. 
Da es nicht um die Bewilligung oder Verweigerung von Versicherungsleistungen geht, ist das Verfahren kostenpflichtig (Art. 134 OG e contrario). Die unterliegende Beschwerdeführerin hat die Gerichtskosten zu tragen (Art. 156 Abs. 1 OG). 
 
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht: 
 
1. 
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen. 
2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 600.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt und mit dem geleisteten Kostenvorschuss verrechnet. 
3. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen und dem Bundesamt für Sozialversicherung zugestellt. 
Luzern, 16. August 2006 
 
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts 
 
Der Präsident der III. Kammer: Der Gerichtsschreiber: