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Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 7} 
H 228/06 
 
Urteil vom 16. August 2007 
II. sozialrechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter U. Meyer, Präsident, 
Bundesrichter Kernen, Seiler, 
Gerichtsschreiberin Keel Baumann. 
 
Parteien 
Firma R.________ & Co., Beschwerdeführerin, 
c/o G.________, 
 
gegen 
 
Ausgleichskasse der Wirtschaftskammer Baselland, Viaduktstrasse 42, 4002 Basel, Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Alters- und Hinterlassenenversicherung, 
 
Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen den Entscheid des Kantonsgerichts Basel-Landschaft vom 27. September 2006. 
 
Sachverhalt: 
A. 
A.a Anlässlich einer am 9. Oktober 2000 durchgeführten Arbeitgeberkontrolle stellte die Ausgleichskasse der Wirtschaftskammer Baselland (nachfolgend: Ausgleichskasse) fest, dass die ihr als Arbeitgeberin angeschlossene Firma R.________ & Co. in den Jahren 1997 bis 1999 über an H.________ ausgerichtete Zahlungen von insgesamt Fr. 230'188.- nicht abgerechnet hatte. Mit Verfügung vom 12. Oktober 2000 verpflichtete die Kasse die Firma R.________ & Co. zur Nachzahlung ausstehender Sozialversicherungsbeiträge in der Höhe von insgesamt Fr. 28'828.10 (einschliesslich Verwaltungskosten), wobei sie die Verfügung einzig der Firma eröffnete. 
 
Beschwerdeweise liess die Firma R.________ & Co. die Aufhebung der Nachzahlungsverfügung beantragen. Das Versicherungsgericht des Kantons Basel-Landschaft (nunmehr: Kantonsgericht Basel-Landschaft, Abteilung Sozialversicherungsrecht) wies das Rechtsmittel mit Entscheid vom 19. Dezember 2001 ab, ohne H.________ als Mitinteressierten zum Verfahren beizuladen. 
 
Die von der Firma R.________ & Co. daraufhin eingereichte Verwaltungsgerichtsbeschwerde hiess das Eidgenössische Versicherungsgericht (heute: Bundesgericht) mit Urteil vom 4. Juni 2002 in dem Sinne gut, als es den kantonalen Entscheid und die Nachzahlungsverfügung aufhob und die Sache an die Ausgleichskasse zurückwies, damit sie im Sinne der Erwägungen verfahre, d.h. die streitige Verfügung zur Wahrung des rechtlichen Gehörs dem mitbetroffenen H.________ eröffne. 
A.b Am 22. Juli 2002 eröffnete die Ausgleichskasse die Nachzahlungsverfügung über den Betrag von Fr. 28'828.10 zuzüglich Zins von Fr. 6'357.45 sowohl der Firma R.________ & Co. als auch H.________. 
 
Die Firma R.________ & Co. erhob Beschwerde mit dem Antrag auf Aufhebung der Nachzahlungsverfügung. Das nunmehr zuständige Kantonsgericht Basel-Landschaft lud H.________ als Mitinteressierten zum Verfahren bei und wies die Beschwerde mit Entscheid vom 12. Dezember 2003 ab, d.h. bestätigte die Nachzahlungsverfügung sowohl in grundsätzlicher als auch in masslicher Hinsicht (Lohnsumme 1997-1999 von Fr. 230'188.-). 
Die Firma R.________ & Co. führte dagegen Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Rechtsbegehren, es seien der kantonale Entscheid sowie die Nachzahlungsverfügung vom 12. Oktober 2000 bzw. 22. Juli 2002 aufzuheben und eventualiter "die zusätzlich verlangten Lohnbeiträge bis auf den bis 1999 noch nicht zurückbezahlten Betrag von [Fr.] 42'707.60 zu erheben." Nach Beiladung von H.________ zum Verfahren hiess das (damalige) Eidgenössische Versicherungsgericht das Rechtsmittel in dem Sinne gut, als es den Entscheid des Kantonsgerichts vom 12. Dezember 2003 aufhob und die Sache an die Vorinstanz zurückwies, damit sie im Sinne der Erwägungen verfahre und über die Beschwerde neu entscheide. Das Gericht ging (in Übereinstimmung mit Vorinstanz und Ausgleichskasse) davon aus, dass die Tätigkeit des H.________ für die Firma R.________ & Co. als unselbstständige zu qualifizieren sei. Die Rückweisung erfolgte, weil das Gericht zum Ergebnis gelangte, dass die Vorinstanz in der Frage nach der Höhe des dem Beigeladenen zustehenden Lohnanspruches - die Firma R.________ & Co. hatte geltend gemacht, es sei ein Teil des Lohnes in ein Darlehen umgewandelt und ein Teil zurückbezahlt worden, was der Beigeladene stets bestritten hatte - den Sachverhalt unvollständig festgestellt hatte. Dementsprechend wurde die Vorinstanz angewiesen, zu prüfen, auf welchen Lohn H.________ einen Rechtsanspruch hatte. Dabei machte das Gericht darauf aufmerksam, dass es sich rechtfertigen dürfte, das Ergebnis des im April 2003 zwischen H.________ und der Firma R.________ & Co. vor Bezirksgericht X.________ anhängig gemachten Forderungsstreits, in welchem unter anderem auch der Lohnanspruch des H.________ in dieser Zeit eine Rolle spiele, zu berücksichtigen (Urteil vom 23. Juni 2005). 
B. 
In Nachachtung dieses Urteils sistierte das Kantonsgericht das Verfahren bis zum Abschluss des Zivilprozesses. Mit Verfügung vom 2. Februar 2006 schrieb das Bezirksgericht X.________ das Verfahren zufolge (zwischen H.________ und der Firma R.________ & Co. geschlossenen) Vergleichs vom selben Tag als erledigt ab. In der Folge hob das Kantonsgericht die Verfahrenssistierung auf und holte bei H.________ sowie der Firma R.________ & Co. Stellungnahmen zu den Hintergründen des Vergleichs vom 2. Februar 2006 ein. Mit Entscheid vom 27. September 2006 wies das Kantonsgericht Basel-Landschaft die Beschwerde ab. 
C. 
Die Firma R.________ & Co. führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Rechtsbegehren, der kantonale Entscheid sei aufzuheben und sie sei "von der [...] Beitragspflicht von 90'000.- Franken zu befreien". 
 
Während die Ausgleichskasse auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde schliesst, enthält sich das Bundesamt für Sozialversicherungen einer Stellungnahme. Der als Mitinteressierter zum Verfahren beigeladene H.________ lässt sich vernehmen, ohne einen formellen Antrag zu stellen. 
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 
1. 
Das Bundesgesetz über das Bundesgericht vom 17. Juni 2005 (BGG; SR 173.110) ist am 1. Januar 2007 in Kraft getreten (AS 2006 1205, 1243). Da der angefochtene Entscheid vorher ergangen ist, richtet sich das Verfahren noch nach OG (Art. 132 Abs. 1 BGG; BGE 132 V 393 E. 1.2 S. 395). 
2. 
In der Verwaltungsgerichtsbeschwerde beantragt die Firma R._______ & Co., sie sei "von der [...] Beitragspflicht von 90'000 Franken zu befreien". Da hiermit offensichtlich der Betrag von Fr. 90'000.- gemeint ist, zu dessen Bezahlung an die Beschwerdeführerin sich der Beigeladene H.________ vergleichsweise verpflichtet hat (vgl. Ziffer 1 der Vereinbarung vom 2. Februar 2006), steht fest, dass die Beschwerdeführerin die Beitragserhebung auf der Lohnsumme von Fr. 140'188.-, d.h. auf der Differenz zwischen der ursprünglich streitigen Lohnsumme von Fr. 230'188.- und der gemäss Vergleich an sie zu leistenden Zahlung von Fr. 90'000.- anerkennt. 
3. 
3.1 Der für die Beitragserhebung massgebende Lohnanspruch des Beigeladenen gegenüber der Beschwerdeführerin bildete - neben anderen Forderungen - Gegenstand des zwischen H.________ und der Firma R.________ & Co. vor Bezirksgericht X.________ hängigen Prozesses: Der Beigeladene hatte Lohnzahlungen für die Jahre 1999-2003 im Umfang von Fr. 163'712.50 sowie eine Darlehensrückerstattung in der Höhe von Fr. 140'000.- eingeklagt; die Beschwerdeführerin hatte widerklageweise Fr. 500'000.- gefordert als Rückerstattung für überhöhte Privatbezüge des Beigeladenen in den Jahren 1997-1999. Im vor Zivilgericht geschlossenen Vergleich vom 2. Februar 2006 einigten sich die beiden schliesslich darauf, dass der Kläger H._______ der Firma R.________ & Co. als Beklagten "Zug um Zug gegen Übergabe des Inhaberschuldbriefs von CHF 110'000.-- im 2. Rang lastend auf der Stockwerkparzelle Nr. ........ des Grundbuches Y.________ per Saldo aller Ansprüche aus dem Vertrag und dem Anhang vom 05.01.1990 beziehungsweise aus der Tätigkeit des Klägers für die Beklagte sowie aus der Schuldanerkennung und Bestätigung vom 11.05.1999 CHF 90'000.--" bezahlt (Ziffer 1). Auf die Aufforderung der Vorinstanz, sich dazu zu äussern, auf welchen Überlegungen diese Ziffer 1 der Vereinbarung vom 2. Februar 2006 beruht und wie sich der Betrag von Fr. 90'000.- zusammensetzt, erklärte H.________, die Vereinbarung sei ein hart verhandelter Kompromiss, dem jede Partei aus unterschiedlichen, in der Vergleichsverhandlung nicht offen gelegten Überlegungen zugestimmt habe, weshalb keine Angaben über die Zusammensetzung des Betrages gemacht werden könnten und insbesondere keine Rückschlüsse auf die Höhe des ihm zustehenden Gehalts möglich seien; im Übrigen habe sich der eingeklagte Lohnanspruch auf die Zeit "Frühjahr 1999 bis Ende März 2003" bezogen. Die Firma R.________ & Co. liess verlauten, sie sei davon ausgegangen, dass es sich beim Betrag von Fr. 90'000.- um Lohnschulden (d.h. zu viel bezogenen Lohn) des H.________ aus den Jahren 1997/98 (je Fr. 45'000.-) handle. 
3.2 Nach Würdigung dieses Vergleichs und namentlich der vom Beigeladenen und der Beschwerdeführerin im kantonalen Verfahren dazu abgegebenen, sich diametral widersprechenden Stellungnahmen erkannte die Vorinstanz, dass sich nicht ermitteln lasse, ob der Lohnanspruch des Beigeladenen weniger als Fr. 230'188.- betrage. Sie erwog, dass im Falle von Beweislosigkeit der Entscheid zu Ungunsten derjenigen Partei ausfalle, die aus dem unbewiesen gebliebenen Sachverhalt Rechte ableiten wolle. Mangels eines gegenteiligen rechtsgenüglichen Nachweises sei "vermutungsweise" davon auszugehen, dass der Beigeladene Anspruch auf das gemäss (ursprünglichen) Lohnausweisen ausgerichtete Gehalt von insgesamt Fr. 230'188.- für die Jahre 1997-1999 habe. Damit gelangte das kantonale Gericht zum Ergebnis, dass die Nachzahlungsverfügung über Fr. 28'828.10 zuzüglich Zins richtig und das Rechtsmittel dementsprechend abzuweisen sei. 
3.3 Die vorinstanzliche Aussage, es liege hinsichtlich einer bestimmten Frage Beweislosigkeit vor, ist eine Sachverhaltsfeststellung, die das Bundesgericht nur in den Schranken von Art. 105 Abs. 2 OG überprüft, d.h. daraufhin, ob sie offensichtlich unrichtig, unvollständig oder unter Verletzung wesentlicher Verfahrensbestimmungen ermittelt worden ist. Demgegenüber stellt die richtige Anwendung der - zum materiellen Recht gehörenden (Kölz/Häner, Verwaltungsverfahren und Verwaltungsrechtspflege des Bundes, 2. Aufl., Zürich 1998, S. 37 Rz. 105, S. 97 f. Rz. 269; Vogel/Spühler, Grundriss des Zivilprozessrechts, 7. Aufl., Bern 2001, S. 259) - Grundsätze über die objektive Beweislast (u.a. die Regel, dass, wo das Gesetz es nicht anders bestimmt, derjenige das Vorhandensein einer behaupteten Tatsache zu beweisen hat, der aus ihr Rechte ableitet: Art. 8 ZGB; BGE 132 II 298, nicht publ. E. 3.5.2 m.H. [Urteil 2A.669/2005 vom 10. Mai 2006]), eine frei überprüfbare Rechtsfrage dar (Urteil 2A.635/1998 vom 15. April 1999, E. 2b; Gygi, Bundesverwaltungsrechtspflege, 2. Aufl., Bern 1983, S. 281). 
3.4 Die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz, wonach bezüglich der umstrittenen Höhe des Lohnanspruchs des H.________ in den Jahren 1997-1999 Beweislosigkeit vorliegt, ist weder offensichtlich unrichtig noch unvollständig noch unter Verletzung wesentlicher Verfahrensbestimmungen ermittelt worden; sie lässt sich mithin nicht beanstanden. Entgegen der Auffassung der Vorinstanz obliegt es indessen der Ausgleichskasse nachzuweisen, dass H.________ in der massgebenden Zeit über den (von der Beschwerdeführerin nunmehr anerkannten) Betrag von Fr. 140'188.- hinaus einen Lohnanspruch erworben hat, weil es sich dabei um eine die Beitragsschuld begründende Tatsache handelt (vgl. zum Steuerrecht BGE 121 II 273 E. 3c/aa S. 284; 119 Ib 431 E. 2c S. 435; Urteil 2A.374/2006 vom 30. Oktober 2006, E. 4.3). Daran ändert sich selbst dann nichts, wenn man mit der Vorinstanz von der Vermutung der Richtigkeit der Lohnausweise ausgeht, weil diese, da sie natürlicher und nicht rechtlicher Natur ist, keine Umkehr der Beweislast bewirkt (BGE 117 II 256 E. 2b S. 258; Vogel/Spühler, a.a.O., S. 263; Kellerhals/Güngerich/Berger, Zivilprozessrecht, 3. Aufl., Bern 2004, S. 154). Da der Ausgleichskasse dieser Beweis nicht gelingt, hat sie die Folgen der Beweislosigkeit zu tragen, so dass von einer (anerkannten) Lohnsumme von Fr. 140'188.- auszugehen ist. Die Sache ist an die Beschwerdegegnerin zurückzuweisen, damit sie den geschuldeten Betrag einschliesslich Zins (welcher im Grundsatz nicht bestritten wurde) neu festsetzt. 
4. 
Entsprechend dem Ausgang des Verfahrens sind die Gerichtskosten der unterliegenden Beschwerdegegnerin aufzuerlegen (Art. 156 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 135 OG). Mangels anwaltlicher Vertretung steht der Beschwerdeführerin keine Parteientschädigung zu. Ebenso wenig ist dem Beigeladenen, der weder als obsiegend noch als unterliegend zu betrachten ist, eine solche zuzusprechen. 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
1. 
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird gutgeheissen. Der Entscheid des Kantonsgerichts Basel-Landschaft vom 27. September 2006 und die Verfügung der Ausgleichskasse der Wirtschaftskammer Baselland vom 12. Oktober 2000/22. Juli 2002 werden aufgehoben. Die Sache wird an die Ausgleichskasse der Wirtschaftskammer Baselland zurückgewiesen, damit sie die Lohnbeiträge im Sinne der Erwägungen neu festsetze. 
2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 1800.- werden der Beschwerdegegnerin auferlegt. 
3. 
Der geleistete Kostenvorschuss von Fr. 1800.- wird der Beschwerdeführerin zurückerstattet. 
4. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Kantonsgericht Basel-Landschaft, Abteilung Sozialversicherungsrecht, dem Bundesamt für Sozialversicherungen und H.________ zugestellt. 
Luzern, 16. August 2007 
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin: