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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
1B_488/2021  
 
 
Urteil vom 16. September 2021  
 
I. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Chaix, präsidierendes Mitglied, 
Gerichtsschreiber Störi. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
Beschwerdeführer, 
vertreten durch Rechtsanwalt Lukas Fischer, 
 
gegen  
 
Staatsanwaltschaft Lenzburg-Aarau, 
Seetalplatz, Bahnhofstrasse 4, 5600 Lenzburg 1. 
 
Gegenstand 
Strafverfahren; Beweiserhebung, 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Obergerichts des Kantons Aargau, Beschwerdekammer in Strafsachen, vom 2. August 2021 (SBK.2021.157). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Die Staatsanwaltschaft Lenzburg-Aarau führt gegen A.________ ein Strafverfahren wegen sexueller Handlungen mit Kindern (Art. 187 StGB), Verletzung des Geheim- und Privatbereichs durch Aufnahmegeräte (Art. 179quater StGB) etc. 
Im Zuge der Ermittlungen wurde im WC- und Duschraum im Erdgeschoss des Reiheneinfamilienhauses von A.________ eine Videokamera mitsamt den von ihr gemachten Aufzeichnungen sichergestellt. 
A.________ weigerte sich, an der Identifizierung der auf seiner Toilette gefilmten Personen mitzuwirken. 
Am 22. März 2021 teilte die Staatsanwaltschaft A.________ mit, sie habe sein Mobiltelefon und dasjenige seiner Lebensgefährtin ausgewertet und daraus eine Liste von zwölf Personen erstellt, welche möglicherweise gefilmt worden sein könnten. Sie werde diese als Zeugen zu ihrer Beziehung zu ihm, zu ihrem Aufenthalt in seinem Haus und zu einer allfälligen Benutzung der (videoüberwachten) Toilette schriftlich befragen. Sie setzte ihm unter Hinweis auf sein Aussageverweigerungsrecht eine Frist von zehn Tagen, um die Personen auf dem Video zu identifizieren. 
Mit Schreiben vom 1. April 2021 lehnte es A.________ ab, an der Identifizierung mitzuwirken. Das Vorgehen der Staatsanwaltschaft verletze sein verfassungsmässiges Recht, sich nicht selber belasten zu müssen, sowie seine Persönlichkeitsrechte und diejenigen seiner Lebensgefährtin und seiner Tochter. 
Am 30. April 2021 hielt die Staatsanwaltschaft an ihrem Vorgehen fest und verfügte, die zwölf Personen seien wie angekündigt anzuschreiben. 
Mit Beschwerde vom 12. Mai 2021 beantragte A.________, diese Verfügung aufzuheben und die Staatsanwaltschaft anzuweisen, den Versand des umstrittenen Schreibens an Dritte zu unterlassen. Das Obergericht des Kantons Aargau wies die Beschwerde am 2. August 2021 ab. 
 
B.  
Mit Beschwerde vom 8. September 2021 beantragt A.________, diesen Entscheid des Obergerichts aufzuheben und ihn entsprechend seinen Anträgen - der Versand des Schreibens an Dritte sei der Staatsanwaltschaft zu untersagen und die Kosten- und Entschädigungsfolgen anzupassen - neu zu fassen. Ausserdem ersucht er um aufschiebende Wirkung. 
 
C.  
Vernehmlassungen wurden keine eingeholt. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Angefochten ist ein kantonal letztinstanzlicher Entscheid, mit dem das Obergericht eine Beschwerde gegen eine Beweismassnahme der Staatsanwaltschaft abgewiesen hat; dagegen ist die Beschwerde in Strafsachen zulässig (Art. 78 Abs. 1, Art. 80 BGG). Er schliesst das Verfahren indessen nicht ab; es handelt sich mithin um einen Zwischenentscheid, gegen den die Beschwerde zulässig ist, wenn er einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil rechtlicher Natur (BGE 133 IV 139 E. 4) bewirken könnte (Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG) oder wenn die Gutheissung der Beschwerde sofort einen Endentscheid herbeiführen und damit einen bedeutenden Aufwand an Zeit oder Kosten für ein weitläufiges Beweisverfahren ersparen würde (Art. 93 Abs. 1 lit. b BGG). Die zweite Voraussetzung fällt vorliegend ausser Betracht. Nach Art. 42 Abs. 2 BGG hat der Beschwerdeführer darzulegen, dass die Sachurteilsvoraussetzungen erfüllt sind; bei der Anfechtung von Zwischenentscheiden hat er die Tatsachen anzuführen, aus denen sich der nicht wiedergutzumachende Nachteil ergeben soll, sofern dies nicht offensichtlich ist (BGE 138 III 46 E. 1.2 S. 47; zum Ganzen: BGE 141 IV 284 E. 2.3 S. 287; 289 E. 1.3 S. 292).  
 
1.2. Der Beschwerdeführer macht geltend, es gehe einmal um die Frage, ob die Staatsanwaltschaft bei einem Antragsdelikt umfangreiche Ermittlungen tätigen dürfe, bevor ein Strafantrag vorliege. Anderseits sei fraglich, ob sie die Personendaten, die sie aus der Auswertung von zwei Mobiltelefonen erhalten habe, für die Ermittlung der auf den Videoaufzeichnungen gespeicherten Personen verwenden dürfe, da zwischen den beiden Vorgängen objektiv kein Zusammenhang bestehe. Mit den Schreiben würden zwölf aussenstehende Personen über das Verfahren gegen ihn informiert. Selbst wenn dieses in einem Freispruch enden oder mangels Strafanträgen gar nicht eröffnet würde, ändere das nichts an dem Umstand, dass diese Personen aus seinem Umfeld bzw. demjenigen seiner Lebensgefährtin und seiner Tochter von den Vorwürfen gegen ihn Kenntnis hätten. Er müsse quasi mit diesem Makel weiterleben, was einen nicht wiedergutzumachenden Nachteil rechtlicher Natur darstelle.  
Dem kann nicht gefolgt werden. Wie das Obergericht zu Recht ausführt (E. 3.1), ist die Staatsanwaltschaft berechtigt und verpflichtet, die Personen zu ermitteln, die mit der Kamera des Beschwerdeführers in der Gäste-Toilette seines Hauses heimlich gefilmt wurden, sie über diesen Vorgang aufzuklären und ihnen Gelegenheit zu geben, allenfalls einen Strafantrag zu stellen. Die von der Staatsanwaltschaft zu diesem Zweck verfügte Beweismassnahme ist daher keineswegs von vornherein unzulässig und die erhobenen Beweise nicht offenkundig unverwertbar. Der Umstand allein, dass ein Beweismittel, dessen Verwertbarkeit der Beschwerdeführer bestreitet, in den Akten bleibt, bewirkt grundsätzlich keinen Nachteil rechtlicher Natur, da der Beschwerdeführer seinen Einwand bis zum Abschluss des Strafverfahrens erneut vorbringen kann. Er kann die Frage der Verwertbarkeit des Beweismittels namentlich dem Sachrichter unterbreiten (Art. 339 Abs. 2 lit. d StPO). Der Beschwerdeführer bringt keine Umstände vor, die nach der Rechtsprechung (BGE 141 IV 289 E. 1.2 und 1.3) ausnahmsweise die vorgängige Anfechtung von Beweisbeschlüssen zulassen würden, und solche sind auch nicht ersichtlich. Dass durch die umstrittene Beweiserhebung Dritte vom Tatverdacht bzw. von der Durchführung des Vor- oder Strafverfahrens Kenntnis erhalten, gehört zu den tatsächlichen Belastungen, die ein Strafverfahren mit sich bringt. Ein nicht wieder gutzumachender Nachteil rechtlicher Natur liegt darin indessen nicht, da der Beschuldigte mit einem Freispruch vollständig rehabilitiert werden kann. Die Voraussetzungen von Art. 93 Abs. 1 BGG zur Anfechtung eines Zwischenentscheids sind damit nicht erfüllt. 
 
2.  
Auf die Beschwerde ist im vereinfachten Verfahren nicht einzutreten. Mit dem Entscheid in der Hauptsache wird das Gesuch um aufschiebende Wirkung gegenstandslos. 
Ausgangsgemäss trägt der Beschwerdeführer die Kosten des Verfahrens (Art. 66 Abs. 1 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das präsidierende Mitglied:  
 
1.  
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten. 
 
2.  
Die Gerichtskosten von Fr. 1'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
3.  
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Staatsanwaltschaft Lenzburg-Aarau und dem Obergericht des Kantons Aargau, Beschwerdekammer in Strafsachen, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 16. September 2021 
 
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Das präsidierende Mitglied: Chaix 
 
Der Gerichtsschreiber: Störi