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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
{T 0/2} 
 
1B_351/2016  
   
   
 
 
 
Urteil vom 16. November 2016  
 
I. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Fonjallaz, Präsident, 
Bundesrichter Karlen, Kneubühler, 
Gerichtsschreiber Stohner. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
Beschwerdeführer, 
vertreten durch Rechtsanwalt Bernhard Oberholzer, 
 
gegen  
 
Staatsanwaltschaft des Kantons St. Gallen, Untersuchungsamt St. Gallen, Schützengasse 1, 9001 St. Gallen. 
 
Gegenstand 
Strafverfahren; Entsiegelung, 
 
Beschwerde gegen den Entscheid vom 17. August 2016 des Kantonalen Zwangsmassnahmengerichts St. Gallen, Kantonaler Zwangsmassnahmenrichter. 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.   
Die Staatsanwaltschaft des Kantons St. Gallen führt gegen A.________ zwei Strafverfahren, eines unter der Verfahrensnummer ST.2015.30476 wegen Einbruchdiebstahls, begangen am 16./17. August 2015, das andere unter der Verfahrensnummer ST.2016.18304 wegen Beteiligung an versuchter Nötigung / einfacher Körperverletzung / Drohung, begangen am 25. Mai 2016. 
Am 13. Juni 2016 stellte die Staatsanwaltschaft im Verfahren ST.2015.30476 einen Durchsuchungsbefehl gemäss Art. 241 ff. StPO aus. Am 5. Juli 2016 wurde am Wohnort des Beschuldigten in St. Gallen eine Hausdurchsuchung durchgeführt, wobei verschiedene Gegenstände (Mobiltelefone, SIM-Karten, SIM-Kartenhalter) sichergestellt wurden. Während der im Anschluss an die Hausdurchsuchung durchgeführten polizeilichen Einvernahme verlangte A.________ die Siegelung der sichergestellten Gegenstände. 
Am 8. Juli 2016 stellte die Staatsanwaltschaft beim Kantonalen Zwangsmassnahmengericht den Antrag auf Entsiegelung und Durchsuchung gemäss Art. 248 Abs. 3 StPO. Das Zwangsmassnahmengericht gewährte A.________ das rechtliche Gehör. 
Am 17. August 2016 entschied das Zwangsmassnahmengericht, die anlässlich der Hausdurchsuchung vom 5. Juli 2016 sichergestellten und auf Antrag von A.________ versiegelten Gegenstände (gemäss Verzeichnis vom 5. Juli 2016) würden mit Ausnahme der sich auf den sichergestellten Gegenständen befindlichen Bild- und Filmdateien entsiegelt. Das Zwangsmassnahmengericht kam in seinem Entscheid zum Schluss, die allgemeinen Voraussetzungen für eine Durchsuchung (insb. hinreichender Tatverdacht, potenzielle Beweistauglichkeit und Verhältnismässigkeit) seien erfüllt. Des Weiteren mache A.________ keinerlei schützenswerte Geheimhaltungsinteressen geltend, die der Entsiegelung entgegenstehen könnten. Schliesslich sei nicht entscheidend, dass der Durchsuchungsbefehl einzig im Verfahren ST.2015.30476 ergangen sei. In diesem Verfahren seien die Voraussetzungen für die Entsiegelung erfüllt. Die Frage, ob und inwieweit allfällige (Zufalls-) Funde strafprozessual verwertet werden dürften, bilde dagegen nicht Verfahrensgegenstand. Über die (Un-) Verwertbarkeit der aus der Entsiegelung allenfalls resultierenden Beweise zu urteilen, würde dem Sachrichter vorgreifen. 
 
B.   
Mit Eingabe vom 15. September 2016 führt A.________ Beschwerde in Strafsachen an das Bundesgericht mit dem Hauptantrag, den Entscheid der Vorinstanz vom 17. August 2016 aufzuheben und den Antrag der Staatsanwaltschaft auf Entsiegelung und Durchsuchung vom 8. Juli 2016 abzuweisen. Zugleich stellt er ein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege. 
Das Zwangsmassnahmengericht verzichtet auf eine Vernehmlassung zur Beschwerde. Die Staatsanwaltschaft beantragt, auf die Beschwerde sei nicht einzutreten, eventualiter sei diese abzuweisen. Der Beschwerdeführer hält an seinem Standpunkt und an seinem Hauptantrag fest. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Gegen den kantonal letztinstanzlichen Entscheid steht grundsätzlich die Beschwerde in Strafsachen offen (vgl. Art. 78 Abs. 1 sowie Art. 80 Abs. 1 und 2 BGG i.V.m. Art. 248 Abs. 3 und Art. 380 StPO).  
 
1.2. Der angefochtene Entsiegelungsentscheid schliesst das Strafverfahren nicht ab, sondern ermöglicht vielmehr dessen Weiterführung. Es handelt sich um einen Zwischenentscheid, der nur dann mit Beschwerde beim Bundesgericht anfechtbar ist, wenn ein nicht wieder gutzumachender Rechtsnachteil im Sinne von Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG droht.  
Ob diese Eintretensvoraussetzung erfüllt ist, ist nachfolgend zu prüfen. 
 
1.3. Das Bundesgericht hat sich in seiner Rechtsprechung mit dem Verhältnis des Siegelungsverfahrens zur StPO-Beschwerde gegen Herausgabebefehle befasst.  
Es hat erwogen, es sei zwar die primäre Aufgabe des Entsiegelungsrichters zu prüfen, ob schutzwürdige Geheimhaltungsinteressen einer Durchsuchung bzw. Beschlagnahme entgegenstünden. Falls die von einer provisorischen Sicherstellung bzw. einem Editionsbefehl betroffene Person neben Geheimhaltungsgründen auch noch andere akzessorische Einwände vorbringe, seien diese jedoch ebenfalls im Siegelungsverfahren zu prüfen. Dies gelte namentlich für akzessorische Rügen des fehlenden hinreichenden Tatverdachts oder der mangelnden Untersuchungsrelevanz der erhobenen Aufzeichnungen und Gegenstände bzw. für Fragen der Verhältnismässigkeit. Eine separate StPO-Beschwerde gegen Herausgabebefehle komme somit nur in Frage, wenn ausschliesslich Einwände erhoben würden, die keinerlei rechtlich geschützte Geheimhaltungsinteressen beträfen (vgl. Urteile 1B_136/2012 vom 25. September 2012 E. 4.4 und 1B_360/2013 vom 24. März 2014 E. 2.2 mit weiteren Hinweisen; kritisch zur bundesgerichtlichen Rechtsprechung Andreas J. Keller, in: Donatsch/Hansjakob/Lieber [Hrsg.], Kommentar zur Schweizerischen Strafprozessordnung [StPO], 2. Aufl. 2014, N. 12 zu Art. 248). 
Im zu beurteilenden Fall braucht auf diese Abgrenzung nicht weiter eingegangen zu werden, da die Vorinstanz die die Durchsuchungsvoraussetzungen betreffenden Vorbringen des Beschwerdeführers geprüft hat, obwohl dieser keine Geheimhaltungsgründe geltend machte, diese Rügen mithin selbstständig und nicht akzessorisch erhob. 
Die Frage, ob die Eintretensvoraussetzungen im bundesgerichtlichen Verfahren erfüllt sind, beurteilt sich indes unabhängig davon, da, wie dargelegt, insoweit ein nicht wieder gutzumachender Rechtsnachteil im Sinne von Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG verlangt wird. 
 
1.4. Werden im Entsiegelungsverfahren geschützte Geheimnisrechte ausreichend substanziiert, ist der drohende nicht wieder gutzumachende Nachteil im Sinne von Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG nach der Praxis des Bundesgerichts grundsätzlich zu bejahen und sind die gesetzlichen Entsiegelungsvoraussetzungen materiell zu prüfen. Sofern hingegen im Entsiegelungsverfahren keine geschützten Geheimnisinteressen (ausreichend substanziiert) als bedroht angerufen werden, sondern andere Beschlagnahmehindernisse oder Nichtverwertbarkeitsgründe (vgl. BGE 141 IV 289 E. 1.2 f. S. 291 f.) gegenüber sichergestellten Beweismitteln vorgebracht werden, fehlt es regelmässig an einem nicht wieder gutzumachenden Rechtsnachteil im Sinne von Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG (vgl. zum Ganzen Urteil 1B_273/2015 vom 21. Januar 2016 E. 1.3).  
 
1.5. Wie die Vorinstanz im angefochtenen Entscheid vom 17. August 2016 zutreffend festgehalten hat, machte der Beschwerdeführer im Entsiegelungsverfahren keinerlei Ausführungen zu allfällig bedrohten Geheimhaltungsinteressen. Dies macht er auch im Verfahren vor Bundesgericht nicht. Vielmehr rügt er sinngemäss einzig das Fehlen eines hinreichenden Tatverdachts im Verfahren ST.2016.18304, die fehlende Verhältnismässigkeit und die angebliche Unrechtmässigkeit einer Verwendung der Sicherstellungen im Verfahren ST.2016.18304. Dem Beschwerdeführer, welcher im Verfahren ST.2015.30476 geständig ist, geht es mithin nicht um den Schutz von Geheimhaltungsinteressen, sondern darum, zu verhindern, dass allfällige (Zufalls-) Funde aus der Auswertung der zu entsiegelnden Gegenstände strafprozessual über das Verfahren ST.2015.30476 hinaus verwertet werden. Die Frage der Verwertbarkeit wird der Beschwerdeführer indes dem Sachrichter unterbreiten können und müssen (vgl. BGE 141 IV 289 E. 1.2 f. S. 291 f.).  
 
1.6. Zusammenfassend macht der Beschwerdeführer in seiner Beschwerde somit keine geschützten Geheimnisinteressen geltend, weshalb ein nicht wieder gutzumachender Rechtsnachteil im Sinne von Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG zu verneinen ist.  
 
2.   
Auf die Beschwerde ist daher nicht einzutreten. Mit dem Entscheid in der Sache wird das Gesuch um aufschiebende Wirkung gegenstandslos. 
Da die Beschwerde aussichtlos war, kann dem Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege nach Art. 64 BGG nicht entsprochen werden. Die Gerichtskosten sind dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 Satz 1 BGG). 
 
 
 Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten. 
 
2.   
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen. 
 
3.   
Die Gerichtskosten von Fr. 1'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
4.   
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Staatsanwaltschaft des Kantons St. Gallen, Untersuchungsamt St. Gallen, und dem Kantonalen Zwangsmassnahmengericht St. Gallen, Kantonaler Zwangsmassnahmenrichter, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 16. November 2016 
 
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Fonjallaz 
 
Der Gerichtsschreiber: Stohner