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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
                 
 
 
9C_431/2018  
 
 
Urteil vom 16. November 2018  
 
II. sozialrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichterin Pfiffner, Präsidentin, 
Bundesrichterinnen Glanzmann, Moser-Szeless, 
Gerichtsschreiberin N. Möckli. 
 
Verfahrensbeteiligte 
Pensionskasse der Stadt Dübendorf, 
Usterstrasse 2, 8600 Dübendorf, 
vertreten durch Rechtsanwältin Dr. Elisabeth Glättli, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Kaspar Saner, 
Beschwerdegegner, 
 
IV-Stelle des Kantons St. Gallen, 
Brauerstrasse 54, 9016 St. Gallen. 
 
Gegenstand 
Invalidenversicherung, 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen 
vom 27. April 2018 (IV 2016/52). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.   
Der 1971 geborene A.________ war vom 1. Juli 2010 bis 30. April 2013 bei der Stadtverwaltung Dübendorf angestellt und in dessen Rahmen bei der Pensionskasse der Stadt Dübendorf berufsvorsorgeversichert. 
Im Mai 2013 hatte er sich bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug angemeldet, woraufhin die IV-Stelle des Kantons St. Gallen ihm mit Verfügung vom 13. Januar 2016 rückwirkend ab 1. Januar 2014 eine ganze Rente in der Höhe von Fr. 2'228.- bzw. ab 1. Januar 2015 von Fr. 2'237.- zusprach. 
 
B.   
Das Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen trat auf die von der Pensionskasse der Stadt Dübendorf erhobene Beschwerde nicht ein (Entscheid vom 27. April 2018). 
 
C.   
Die Pensionskasse der Stadt Dübendorf lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen und beantragen, der angefochtene Entscheid sei aufzuheben und die Sache sei zur materiellen Behandlung sowie zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen. 
A.________ lässt auf Abweisung der Beschwerde schliessen. Die IV-Stelle und das Bundesamt für Sozialversicherungen verzichten demgegenüber auf eine Vernehmlassung. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.   
 
1.1. Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann namentlich die Verletzung von Bundesrecht gerügt werden    (Art. 95 lit. a BGG). Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG), doch prüft es unter Berücksichtigung der allgemeinen Rüge- und Begründungspflicht (Art. 42 Abs. 2 BGG) grundsätzlich nur die geltend gemachten Rechtswidrigkeiten (BGE 133 II 249 E. 1.4.1 S. 254).  
 
1.2. Das Bundesgericht prüft von Amtes wegen und mit freier Kognition, ob die Eintretensvoraussetzungen des vorinstanzlichen Verfahrens gegeben waren (BGE 140 V 22 E. 4 S. 26; 138 V 339 E. 1    S. 340; 136 V 7 E. 2 S. 9).  
 
2.  
 
2.1. Das kantonale Gericht trat auf die von der Beschwerdeführerin erhobene Beschwerde mangels schützenswertem Interesse nicht ein. Es erwog insbesondere, das allein massgebende Dispositiv der Verfügung vom 13. Januar 2016 laute auf einen bestimmten Frankenbetrag ab einem bestimmten Datum (monatliche Rente ab 1. Januar 2014 von Fr. 2'228.- bzw. ab 1. Januar 2015 von Fr. 2'237.-). Darauf könne die Vorsorgeeinrichtung nicht abstellen. Die Beschwerde ziele auf eine Feststellungsverfügung (Art. 49 Abs. 2 ATSG) respektive auf eine Korrektur der in der rechtsgestaltenden Verfügung vom 13. Januar 2016 enthaltenen, aber nicht Teil des Dispositivs bildenden Feststellung bezüglich des Invaliditätsgrads. Eine Verfügungsbegründung könne aber per se keine Bindungswirkung entfalten. Obwohl das Bundesgericht die Beibehaltung seiner Praxis zur Bindungswirkung des BVG-Versicherers an IV-Entscheide wiederholt geprüft habe, habe es sich mit diesen verfahrensrechtlichen Konsequenzen noch nicht auseinandergesetzt. Es handle sich um neue Gesichtspunkte und um eine bessere Erkenntnis des geltenden Rechts, womit die Voraussetzungen für eine Rechtsprechungsänderung erfüllt seien.  
 
2.2. Die Beschwerdeführerin bringt vor, eine bessere Erkenntnis des geltenden Rechts sei nicht erstellt, weshalb es an der von der Vorinstanz angeführten Voraussetzung für eine Praxisänderung mangle. Sie begründet dies im Wesentlichen damit, Art. 23 lit. a BVG verankere positivrechtlich eine Bindungswirkung für die obligatorische berufliche Vorsorge.  
 
2.3. Der Beschwerdegegner legt dar, die Pensionskasse habe im vorinstanzlichen Verfahren nicht konkret dargelegt, weshalb sie zur Beschwerdeführung legitimiert sei. Das sei auch nicht erkennbar, nachdem sie im berufsvorsorgerechtlichen Verfahren ihre Leistungszuständigkeit bestritten habe. Mit diesem Argument habe sich die Vorinstanz jedoch nicht befasst. Mit Blick darauf sei der angefochtene Entscheid rechtskonform. Im Weiteren stimmt der Versicherte dem kantonalen Gericht zu, dass es durchaus Gründe gebe, welche gegen eine Bindungswirkung sprächen.  
 
3.  
 
3.1. Die IV-Stelle stellte den Parteien mit Vorbescheid vom 11. November 2015 in Aussicht, der Versicherte habe ab 1. Januar 2014 Anspruch auf eine ganze Rente (vgl. Art. 57a IVG). Dagegen erhob die Beschwerdeführerin Einwände, woraufhin die IV-Stelle mit dem Regionalen Ärztlichen Dienst (RAD) Rücksprache nahm (Stellungnahme des RAD vom 4. Dezember 2015). Mit Schreiben vom 30. Oktober 2015 teilte sie den Parteien mit, am Entscheid gemäss Vorbescheid werde festgehalten. Gleichzeitig beauftragte die IV-Stelle die Ausgleichskasse mit der Berechnung der Geldleistungen aufgrund eines ermittelten Invaliditätsgrads von 100 % ab 7. Januar 2014. Soweit aus den Akten ersichtlich wurde diese Aufforderung den Parteien nicht eröffnet. Das stimmt auch mit dem Vorgehen überein, wie es im Kreisschreiben des Bundesamtes für Sozialversicherungen über das Verfahren in der Invalidenversicherung (KSVI, gültig ab 1. Januar 2003) skizziert ist (KSVI Rz. 3040 ff.).  
 
3.2. Anfechtungsgegenstand bildet die Verfügung vom 13. Januar 2016 (vgl. Akten der Vorinstanz, act. 1.2). Darin wird zum einen bestimmt, der Versicherte habe ab 1. Januar 2014 Anspruch auf eine ganze Rente ("Wir verfügen deshalb: Ab 01.01.2014 haben Sie Anspruch auf eine ganze Rente."), und zum anderen wird der Rentenbetrag (Fr. 2'228.- bzw. Fr. 2'237.-) festgesetzt. Die Verfügung umfasst demnach rechtskonform zwei Teile, nämlich einerseits die grundsätzliche Leistungspflicht, worüber die IV-Stelle zu befinden hat (2. Teil; Art. 57 Abs. 1 lit. g IVG), anderseits das Massliche, das von der Ausgleichskasse berechnet wird (1. Teil; Art. 60 Abs. 1 lit. b IVG; vgl. auch KSVI Rz. 3047 f.). Materiell geregelt wurde dabei (allein) das Rechtsverhältnis Rentenanspruch. Werden lediglich einzelne Elemente der Rentenfestsetzung (Invaliditätsgrad, Rentenbeginn etc.) beanstandet, bedeutet dies nicht, dass die unbestrittenen Teilaspekte in Rechtskraft erwachsen und demzufolge der richterlichen Überprüfung entzogen sind (BGE 125 V 413 E. 2d S. 417). Diese fehlende Teilrechtskraft stellt entgegen der Ansicht der Vorinstanz keinen Grund dar, die Bindungswirkung von Vorsorgeeinrichtungen an IV-Verfügungen (vgl. BGE 133 V 67 E. 4.3.2 S. 69) zu überdenken. Das kantonale Gericht geht von unzutreffenden "verfahrensrechtlichen Konsequenzen" aus. So trifft nicht zu, dass einzelne Teile einer IV-Rentenverfügung nur in Form von entsprechenden Feststellungsverfügungen verbindlich werden können.  
 
 
3.3. Bei einer Verfügung über Versicherungsleistungen bildet wohl grundsätzlich einzig die Leistung Gegenstand des Dispositivs. Die Beantwortung der Frage, welcher Invaliditätsgrad der Rentenzusprechung zugrunde gelegt wurde, dient demgegenüber in der Regel lediglich der Begründung der Leistungsverfügung; sie gehört nur dann zum Dispositiv, wenn und insoweit sie Gegenstand einer Feststellungsverfügung ist. Da in jedem Fall nur das Dispositiv anfechtbar ist, muss bei Anfechtung der Motive einer Leistungsverfügung jedoch geprüft werden, ob damit nicht sinngemäss die Abänderung des Dispositivs beantragt wird. Verneinendenfalls ist zu untersuchen, ob die beschwerdeführende Person allenfalls ein schutzwürdiges Interesse an der sofortigen Feststellung hinsichtlich des angefochtenen Verfügungsbestandteils hat (Urteil 9C_246/2016 vom 31. August 2016    E. 3.1 mit Hinweis). Von einer generellen Pflicht der IV-Stellen zum Erlass von Feststellungsverfügungen kann demnach nicht die Rede sein. Im Übrigen ist hier ohnehin erstere Konstellation gegeben (Abänderung des Dispositivs im Auge). Wie die Vorinstanz selber festgestellt hat und sich aus der vorinstanzlich eingereichten Beschwerde ergibt, zielt die Pensionskasse auf einen tieferen Invaliditätsgrad resp. einen geringeren Rentenanspruch ab. Mithin fehlt es dem konkreten Fall von vornherein an der behaupteten "verfahrensrechtlich verworrenen Lösung".  
 
3.4. Nach dem Gesagten ist die Sache zu neuer Entscheidung an das kantonale Gericht zurückzuweisen.  
 
4.   
Auf die Erhebung von Gerichtskosten wird verzichtet (Art. 66 Abs. 1 Satz 2 BGG). 
 
 
 Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird gutgeheissen. Der angefochtene Entscheid wird aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückgewiesen. 
 
2.   
Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
 
3.   
Dieses Urteil wird den Parteien, der IV-Stelle des Kantons St. Gallen, dem Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 16. November 2018 
 
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Die Präsidentin: Pfiffner 
 
Die Gerichtsschreiberin: Möckli