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Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
7B.186/2005 /zga 
 
Urteil vom 16. Dezember 2005 
Schuldbetreibungs- und Konkurskammer 
 
Besetzung 
Bundesrichterin Hohl, Präsidentin, 
Bundesrichter Meyer, Marazzi, 
Gerichtsschreiber Zbinden. 
 
Parteien 
S.________ AG, 
Beschwerdeführerin, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Mathias H. Plutschow, 
 
gegen 
 
Einzelrichter für Schuldbetreibung und Konkurs 
des Kantons Nidwalden, als Aufsichtsbehörde, Kreuzstrasse 2, 6371 Stans. 
 
Gegenstand 
Rechtzeitigkeit des Rechtsvorschlages, 
 
SchKG-Beschwerde gegen den Entscheid des Einzelrichters für Schuldbetreibung und Konkurs 
des Kantons Nidwalden, als Aufsichtsbehörde, 
vom 23. August 2005. 
 
Die Kammer zieht in Erwägung: 
1. 
1.1 Die G.________ (Gläubigerin) betrieb die S.________ AG (Schuldnerin) für eine Forderung von Fr. 4'514'957.90 nebst Zins. Der entsprechende Zahlungsbefehl in der Betreibung Nr. xxxxxxx wurde der Schuldnerin am 8. Juni 2005 zugestellt. Das Betreibungsamt stellte in der Folge fest, dass innert der gesetzlichen Frist kein Rechtsvorschlag eingegangen sei. 
1.2 Dagegen beschwerte sich die Schuldnerin beim Einzelrichter in Schuldbetreibung und Konkurs des Kantons Nidwalden, als Aufsichtsbehörde. Sie machte im Wesentlichen geltend, sie habe den Rechtsvorschlag am 10. Juni 2005 mit normaler Briefpost an das Betreibungsamt gesandt und den Vertreter der Gläubigerin mit einer eingeschrieben versandten Kopie bedient. Zum Beweis der Postaufgabe bot sie A.________ und B.________ als Zeugen an. Die Schuldnerin beantragte deshalb, die Verfügung des Betreibungsamtes, wonach innert der gesetzlichen Frist kein Rechtsvorschlag erhoben worden sei, sei aufzuheben und demgegenüber zu verfügen, dass rechtzeitig Rechtsvorschlag erhoben worden sei; eventuell sei die Sache an das Betreibungsamt zur Neuentscheidung zurückzuweisen. 
 
Der Einzelrichter wies am 25. Juli 2005 im Rahmen der Behandlung des Gesuchs um aufschiebende Wirkung das Betreibungsamt an, die Betreibung nicht fortzusetzen, solange über den Rechtsvorschlag nicht endgültig entschieden sei. Im Übrigen holte er beim Betreibungsamt und bei der beigeladenen Gläubigerin eine Vernehmlassung ein, welche er der Schuldnerin allerdings nicht vor dem Entscheid in der Sache zustellte. Vielmehr wies er unter Berücksichtigung der Vorbringen in der Beschwerde und der Vernehmlassung mit Urteil vom 23. August 2005 die Beschwerde ab und hob die einzelrichterliche Verfügung vom 25. Juli 2005 insoweit auf, als das Betreibungsamt darin angewiesen worden war, die Betreibung Nr. xxxxxxx nicht fortzusetzen. 
 
Zur Begründung hielt der Einzelrichter im Wesentlichen dafür, aus dem vom Rechtsvertreter der beigeladenen Gläubigerin zu den Akten gegebenen Original-Zahlungsbefehl ergebe sich, dass die Beschwerdeführerin ihm nicht wie behauptet eine Kopie, sondern eingeschrieben das Original des Zahlungsbefehls zugesandt habe, von welchem die Beschwerdeführerin zwei Kopien aufgelegt habe. Dem Begleitschreiben vom 10. Juni 2005 (Beschwerde-Beilage 5 = Beigeladenen-Beilage 2) sei ferner zu entnehmen, dass sich offenbar auch B.________ dessen bewusst gewesen sei, habe sie doch geschrieben: "In der Beilage erhalten Sie den von uns erhobenen Rechtsvorschlag auf dem Zahlungsbefehl des Betreibungsamtes vom 7. Juni 2005". Die Schuldnerin habe zwar ihren Rechtsvertreter umgehend darüber informiert, dass sie Rechtsvorschlag erhoben habe; aus dem E-mail vom 10. Juni 2005 gehe indes nicht hervor, wem gegenüber dies geschehen sei (Beschwerde-Beilage 4). Der Einzelrichter erachtete sodann die von der Schuldnerin für die rechtzeitige Postaufgabe zuhanden des Betreibungsamtes bezeichneten Zeugen für unglaubwürdig. Zudem könne der Schuldnerin der Zeugenbeweis für ihre Sachdarstellung nicht gelingen, zumal das Original des Zahlungsbefehls mit dem darauf vermerkten Rechtsvorschlag nachgewiesenermassen am 10. Juni 2005 eingeschrieben an den Rechtsvertreter der beigeladenen Gläubigerin zugestellt worden sei. Aufgrund des an den Rechtsvertreter der Beigeladenen zugestellten Original-Zahlungsbefehls ergebe sich zweifelsfrei, dass die Beschwerdeführerin trotz der unmissverständlichen Angaben auf dem Zahlungsbefehl, wonach ein allfälliger Rechtsvorschlag sofort dem Überbringer oder innert zehn Tagen dem unterzeichneten Betreibungsamt mündlich oder schriftlich zu erklären sei, den Rechtsvorschlag statt beim Betreibungsamt bei der Beigeladenen erhoben habe; ein auf diese Weise erhobener Rechtsvorschlag sei ungültig. Der Anwalt der beigeladenen Gläubigerin sei in Anbetracht der ausführlichen Belehrung über die Formalien des Rechtsvorschlages auf dem Zahlungsbefehl auch unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben nicht verpflichtet gewesen, die Schuldnerin ausdrücklich auf ihren Formfehler aufmerksam zu machen oder den Rechtsvorschlag von sich aus an das Betreibungsamt weiterzuleiten, selbst wenn ihm - was vorliegend bestritten sei - die Fehlzustellung aufgefallen wäre. Da augenscheinlich ein von der Beschwerdeführerin selbstverschuldetes Hindernis vorliege, scheide die Möglichkeit einer Fristwiederherstellung gemäss Art. 33 Abs. 4 SchKG aus. 
1.3 Gegen dieses Urteil hat die Schuldnerin Beschwerde bei der Schuldbetreibungs- und Konkurskammer des Bundesgerichts erhoben. Sie beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und festzustellen, dass der Rechtsvorschlag in der Betreibung Nr. xxxxxxx rechtzeitig erhoben worden sei; eventuell sei die Sache an den Einzelrichter zurückzuweisen, subeventuell die Frist zur Erhebung des Rechtsvorschlages wiederherzustellen. Mit Verfügung vom 22. September 2005 wurde dem Gesuch der Beschwerdeführerin um aufschiebende Wirkung insoweit entsprochen, als das Betreibungsamt angewiesen wurde, das Verfahren in der Betreibung einstweilen nicht fortzusetzen. In ihrer der Schuldnerin zur Kenntnisnahme zugestellten Vernehmlassung beantragt die Gläubigerin, die Beschwerde abzuweisen sowie die Verfügung des Bundesgerichts vom 22. September 2005 aufzuheben. 
2. 
2.1 Soweit die Beschwerdeführerin eine Verletzung der kantonalen Bestimmungen über das rechtliche Gehör beanstandet, kann auf die Beschwerde von vornherein nicht eingetreten werden, ist sie doch für diese Rüge nicht gegeben (BGE 120 III 114 E. 3a S. 116). 
2.2 Unzulässig sind sodann auch die Erörterungen, in denen sich die Beschwerdeführerin nicht mit den Erwägungen des angefochtenen Urteils auseinandersetzt und nicht aufzeigt, inwiefern Bundesrecht verletzt worden sein soll (Art. 79 Abs. 1 OG; BGE 119 III 49 E. 1 S. 50); dies gilt namentlich für die Ausführungen zur Prozessgeschichte und zum Sachverhalt. 
3. 
Strittig ist im vorliegenden Fall zunächst, ob die Beschwerdeführerin Art. 74 Abs. 1 SchKG entsprechend innert zehn Tagen seit Zustellung des Zahlungsbefehls dem Betreibungsamt schriftlich Rechtsvorschlag erklärt hat. Die Beschwerdeführerin äussert sich ausführlich zur behaupteten und von der Aufsichtsbehörde verneinten Erhebung des Rechtsvorschlages zuhanden des Betreibungsamtes. Für den vorliegenden Entscheid wesentlich räumt sie aber ein, nachdem kein Eintrag für eine LSI-Sendung an das Betreibungsamt habe aufgefunden werden können, müsse davon ausgegangen werden, dass eine Verwechslung der beiden Sendungen erfolgt sei, indem das Begleitschreiben an den Rechtsvertreter der Beigeladenen zusammen mit dem Original des Zahlungsbefehls per LSI und eine Kopie des Zahlungsbefehls mit Rechtsvorschlag aber lediglich mit normaler Post an das Betreibungsamt verschickt worden seien. Vor der kantonalen Aufsichtsbehörde hatte sie noch die Auffassung vertreten, sie habe dem Vertreter der Gläubigerin eine Kopie des Zahlungsbefehls zugestellt, was sich allerdings laut den verbindlichen Feststellungen der Aufsichtsbehörde als falsch erwiesen hat. Wie bereits im kantonalen Verfahren führt sie für ihre Vorbringen vor Bundesgericht A.________ und B.________ als Zeugen an und macht unter anderem auch in diesem Zusammenhang geltend, die Vernehmlassung der Gläubigerin im kantonalen Verfahren sei ihr erst zusammen mit dem Urteil in der Sache zugestellt worden, so dass sie nicht dazu habe Stellung nehmen können, weshalb allfällige nunmehr in der Beschwerde an das Bundesgericht vorgebrachte Noven zulässig seien (Art. 79 Abs. 1 OG). Soweit es sich allerdings dabei überhaupt um Noven im Sinne von Art. 79 Abs. 1 OG handelt, ist damit keine Bundesrechtsverletzung oder ein Missbrauch des Ermessens durch die Aufsichtsbehörde aufzuzeigen. 
 
Selbst bei einer Annahme von zulässigen Noven bleibt es dabei, dass die angetragenen Zeugen als im Interesse der Schuldnerin Tätige nicht objektiv und unvoreingenommen über die Erhebung des Rechtsvorschlages beim Betreibungsamt aussagen können, und es ist abgesehen davon auch höchst unwahrscheinlich, dass sie sich überhaupt noch an die genauen Vorgänge erinnern können, nachdem nun doch bereits geraume Zeit verstrichen ist. Für diese Annahme spricht nicht zuletzt der Umstand, dass die Beschwerdeführerin im kantonalen Verfahren unter Berufung auf diese Zeugen noch behauptet hatte, sie habe den mit dem Rechtsvorschlag versehenen Original-Zahlungsbefehl an das Betreibungsamt gesandt. Angesichts der Tatsache, dass dem Betreibungsamt nach den verbindlichen Feststellungen der Aufsichtsbehörde kein Rechtsvorschlag zugegangen ist und die Beigeladene das mit dem Rechtsvorschlag versehene Original des Zahlungsbefehls erhalten hat, bleibt es dabei, dass die Beschwerdeführerin aus Versehen bei der Gläubigerin und nicht beim Betreibungsamt Rechtsvorschlag erhoben hat. Damit aber erübrigt sich eine Rückweisung an die Vorinstanz zwecks weiterer Abklärungen (vgl. Eventualantrag). 
4. 
Sodann stellt sich die Frage, ob die Beschwerdeführerin mit der Übermittlung des mit dem Rechtsvorschlag versehenen Original-Zahlungsbefehls an die Gläubigerin rechtsgültig Rechtsvorschlag erhoben hat. Die Beschwerdeführerin hält dafür, den Parteien sei klar gewesen, dass die Betreibung nur zum Zwecke der Verjährungsunterbrechung habe eingeleitet werden sollen. Überdies habe dem Vertreter der Gläubigerin als ausgebildetem und sorgfältigem Notar und Rechtsanwalt die Fehlzustellung des Rechtsvorschlages auffallen müssen, womit der Rechtsvorschlag von der Gläubigerin zumindest konkludent als gültig betrachtet worden und damit der Mangel der Fehlzustellung des Rechtsvorschlages geheilt worden sei. Des weiteren sei die Gläubigerin nach Treu und Glauben bzw. aufgrund der Standesregeln für Anwälte gehalten gewesen, den Rechtsvorschlag an das Betreibungsamt weiterzuleiten. 
Ungeachtet der Tatsache, dass die Vorbringen der Beschwerdeführerin zum Zweck der Betreibung und zur Erkennung des Zustellungsversehens durch den Anwalt der Gläubigerin bestritten sind, lässt sich der Mangel der Fehlzustellung nicht durch eine konkludente Anerkennung der Gültigkeit des Rechtsvorschlages heilen. Diese Argumentation verkennt, dass der Rechtsvorschlag nach dem klaren Wortlaut des Gesetzes im vorliegenden Fall, in dem er nicht dem Überbringer des Zahlungsbefehls gegenüber abgegeben worden ist, innert der gesetzlichen Frist nur noch beim Betreibungsamt hat mündlich oder schriftlich erklärt werden können (Art. 74 Abs. 1 SchKG), was nachweislich nicht geschehen ist. Der (irrtümlicherweise) gegenüber dem Gläubiger erklärte Rechtsvorschlag erweist sich als ungültig (BGE 29 I 543 E. 1 S. 546; 62 III 125/127). Angesichts der auf dem Zahlungsbefehl abgedruckten Formalien des Rechtsvorschlages begründeten weder der Grundsatz von Treu und Glauben noch die Standesregeln noch das Rechtsmissbrauchsverbot eine Pflicht des Rechtsvertreters der Gläubigerin, die Beschwerdeführerin auf den Irrtum aufmerksam zu machen oder den Rechtsvorschlag an das Betreibungsamt weiterzuleiten. Niemand ist gehalten, im Interesse des Prozessgegners umsichtiger zu sein, als dieser ist und sein kann (BGE 102 II 81 E. 2 S. 84; 105 II 149 E. 3f S. 158; Urteil B.169/1991 vom 26. November 1991, E. 5; Egli, La protection de la bonne foi dans le procès, in: Verfassungsrechtsprechung und Verwaltungsrechtsprechung, Zürich 1992, S. 225 ff., S. 240 bei Anm. 86). 
5. 
Dem subeventualiter gestellten Gesuch um Wiederherstellung der Frist zur Erhebung des Rechtsvorschlages (Art. 33 Abs. 4 SchKG) kann nicht entsprochen werden, zumal die Beschwerdeführerin nicht durch ein unverschuldetes Hindernis davon abgehalten wurde, zuständigenorts Rechtsvorschlag zu erheben. Bei einer aufmerksamen Lektüre hätte sie ohne weiteres erkennen können, dass die Rechtsvorkehr beim Betreibungsamt einzureichen war. Damit erübrigen sich weitere Ausführungen zu den Vorbringen der Beschwerdeführerin. 
6. 
Damit ist die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. Das Beschwerdeverfahren ist grundsätzlich kostenlos (Art. 20a Abs. 1 SchKG und Art. 61 Abs. 2 lit. a GebV SchKG), und es darf keine Parteientschädigung zugesprochen werden (Art. 62 Abs. 1 GebV SchKG). 
 
7. 
Mit dem Urteil in der Sache fällt die Verfügung vom 22. September 2005 dahin. 
 
Demnach erkennt die Kammer: 
1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
2. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Betreibungsamt Nidwalden und dem Einzelrichter für Schuldbetreibung und Konkurs des Kantons Nidwalden, als Aufsichtsbehörde, schriftlich mitgeteilt. 
Lausanne, 16. Dezember 2005 
Im Namen der Schuldbetreibungs- und Konkurskammer 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Die Präsidentin: Der Gerichtsschreiber: