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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
9C_653/2011 {T 0/2} 
 
Urteil vom 16. Dezember 2011 
II. sozialrechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter U. Meyer, Präsident, 
Bundesrichter Borella, Bundesrichterin Glanzmann, 
Gerichtsschreiberin Dormann. 
 
Verfahrensbeteiligte 
B.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Thomas Biedermann, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen 
 
IV-Stelle Bern, 
Chutzenstrasse 10, 3007 Bern, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Invalidenversicherung 
(Invalidenrente, Invalideneinkommen), 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern 
vom 7. Juli 2011. 
 
Sachverhalt: 
 
A. 
Nachdem die IV-Stelle Bern 1993 und 1999 einen Anspruch des 1959 geborenen B.________ auf Leistungen der Invalidenversicherung verneint hatte, meldete er sich im August 2008 erneut zum Leistungsbezug an. Nach Abklärungen und Durchführung des Vorbescheidverfahrens ermittelte die IV-Stelle einen Invaliditätsgrad von 26 % und wies das Begehren mit Verfügung vom 10. Juni 2010 wiederum ab. 
 
B. 
Die Beschwerde des B.________ wies das Verwaltungsgericht des Kantons Bern mit Entscheid vom 7. Juli 2011 ab. 
 
C. 
B.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen und beantragen, unter Aufhebung des Entscheids vom 7. Juli 2011 und der Verfügung vom 10. Juni 2010 sei der Invaliditätsgrad auf mindestens 40 % festzusetzen; eventualiter seien die Akten an das kantonale Gericht zur Neubeurteilung zurückzuweisen. 
 
Erwägungen: 
 
1. 
Dass der Antrag des Beschwerdeführers auf Feststellung des Invaliditätsgrades lautet, schadet nicht, wird doch damit sinngemäss um Zusprache einer Rente der Invalidenversicherung ersucht (vgl. Anwaltsrevue 2009 8 S. 393, 9C_251/2009 E. 1.3 mit Hinweisen; ULRICH MEYER/JOHANNA DORMANN, in: Basler Kommentar, Bundesgerichtsgesetz, 2. Aufl. 2011, N. 2a und 7 zu Art. 107 BGG). 
 
2. 
Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann unter anderem die Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG). Die Feststellung des Sachverhalts kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Artikel 95 beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG). Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zu Grunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Artikel 95 beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG). 
 
3. 
3.1 Das kantonale Gericht hat gestützt auf das interdisziplinäre Gutachten des Zentrums X.________ vom 11. Mai 2010 festgestellt, dem Versicherten sei die bisherige Arbeit nicht mehr zumutbar, und in einer angepassten Tätigkeit, d.h. in möglichst wechselnder (sitzender und stehender) Körperhaltung mit nur leichter Belastung der Körperachse und des Schultergürtels, sei die Arbeits- und Leistungsfähigkeit um 25 % eingeschränkt. Für den Einkommensvergleich (Art. 16 ATSG) hat die Vorinstanz das Valideneinkommen 2009 unter Berücksichtigung des 2007 tatsächlich erzielten Einkommens auf Fr. 71'787.60 festgesetzt. Bei der Ermittlung des Invalideneinkommens von Fr. 45'927.60 hat sie den Tabellenlohn der Lohnstrukturerhebung des Bundesamtes für Statistik (LSE 2008, Tabelle TA1, Total Männer, Anforderungsniveau 4) herangezogen, die betriebsübliche Wochenarbeitszeit, die Nominallohnentwicklung und die auf 75 % reduzierte Arbeits- und Leistungsfähigkeit einberechnet. Einen Abzug vom Tabellenlohn (E. 4.1) hat sie nicht gewährt mit der Begründung, die behinderungsbedingten Einschränkungen (vermehrte Ermüdbarkeit und verminderte Belastbarkeit bei chronischen Beschwerden und intermittierenden Beschwerdeexazerbationen) seien bereits mit der um 25 % verminderten Arbeits- und Leistungsfähigkeit berücksichtigt worden und weitere Gründe für eine Einkommenseinbusse seien nicht ersichtlich. Bei einem resultierenden Invaliditätsgrad von 36 % hat sie den Anspruch auf eine Rente (Art. 28 Abs. 2 IVG) verneint. 
 
3.2 Streitig und zu prüfen ist einzig die Festsetzung des Invalideneinkommens in Bezug auf einen Abzug vom Tabellenlohn. 
 
4. 
4.1 Wird das Invalideneinkommen auf der Grundlage von statistischen Durchschnittswerten ermittelt, ist der entsprechende Ausgangswert (Tabellenlohn) allenfalls zu kürzen. Damit soll der Tatsache Rechnung getragen werden, dass persönliche und berufliche Merkmale, wie Art und Ausmass der Behinderung, Lebensalter, Dienstjahre, Nationalität oder Aufenthaltskategorie und Beschäftigungsgrad Auswirkungen auf die Lohnhöhe haben können (BGE 124 V 321 E. 3b/aa S. 323) und je nach Ausprägung die versicherte Person deswegen die verbliebene Arbeitsfähigkeit auch auf einem ausgeglichenen Arbeitsmarkt nur mit unterdurchschnittlichem erwerblichem Erfolg verwerten kann (BGE 126 V 75 E. 5b/aa in fine S. 80). Der Abzug ist unter Würdigung der Umstände im Einzelfall nach pflichtgemässem Ermessen gesamthaft zu schätzen. Er darf 25 % nicht übersteigen (BGE 135 V 297 E. 5.2 S. 301; 126 V 75 E. 5b/bb-cc S. 80). 
 
4.2 Ob ein (behinderungsbedingt oder anderweitig begründeter) Abzug vom Tabellenlohn vorzunehmen ist, stellt eine vom Bundesgericht frei überprüfbare Rechtsfrage dar (BGE 137 V 71 E. 5.1 S. 72 f. mit Hinweis; Urteil 8C_652/2008 vom 8. Mai 2009 E. 4 in fine, nicht publiziert in: BGE 135 V 297). 
 
4.3 Die vorinstanzliche Feststellung betreffend die Berücksichtigung der behinderungsbedingten Einschränkungen stützt sich auf die Einschätzung der Gutachter des Zentrums X.________ und ist daher für das Bundesgericht verbindlich (E. 2). Inwiefern der Beschwerdeführer darüber hinaus in der Ausübung einer leidensadaptierten Tätigkeit eingeschränkt sein soll, ist nicht ersichtlich und wird auch nicht dargelegt. Der beantragte Abzug für Schwerarbeit (vgl. BGE 126 V 75 E. 5b/bb S. 78; 124 V 321 E. 3b/bb S. 323) ist daher nicht angezeigt. 
 
4.4 Unter dem Titel Beschäftigungsgrad im Besonderen wird bei Männern, welche gesundheitlich bedingt lediglich noch teilzeitlich erwerbstätig sein können, ein Abzug anerkannt. Damit soll dem Umstand Rechnung getragen werden, dass bei Männern statistisch gesehen Teilzeitarbeit vergleichsweise weniger gut entlöhnt wird als eine Vollzeittätigkeit (SVR 2010 IV Nr. 28 S. 87, 9C_708/2009 E. 2.1.1 mit Hinweisen). Im konkreten Fall rechtfertigt der verbindlich festgestellte (E. 2 und 3.1) reduzierte Beschäftigungsgrad grundsätzlich einen Abzug von 5 % vom Tabellenlohn (vgl. Tabelle T der Lohnstrukturerhebung 2008 [Bruttolohn nach Beschäftigungsgrad, Anforderungsniveau des Arbeitsplatzes und Geschlecht]; eine wesentliche Veränderung im hier massgebenden Vergleichsjahr 2009 ist nicht anzunehmen). Dies ändert indessen nichts am Ausgang des Verfahrens (E. 4.5). 
 
4.5 Weitere Umstände für einen Abzug vom Tabellenlohn sind nicht erkennbar und werden auch nicht geltend gemacht. Nach dem Gesagten ist der statistische Wert um 5 % zu reduzieren. Somit ist dem Valideneinkommen von Fr. 71'787.60 ein Invalideneinkommen von Fr. 43'631.20 gegenüberzustellen. Daraus resultiert ein Invaliditätsgrad von (gerundet) 39 % (BGE 130 V 121), was einen Anspruch auf eine Invalidenrente ausschliesst (Art. 28 Abs. 2 IVG). 
 
5. 
Entsprechend dem Ausgang des Verfahrens sind die Gerichtskosten dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
3. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Bern, Sozialversicherungsrechtliche Abteilung, und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt. 
 
Luzern, 16. Dezember 2011 
 
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Meyer 
 
Die Gerichtsschreiberin: Dormann