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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
                 
 
 
6B_82/2020  
 
 
Urteil vom 16. Dezember 2020  
 
Strafrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Denys, Präsident, 
Bundesrichter Muschietti, 
Bundesrichterin Koch, 
Gerichtsschreiberin Rohrer. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
vertreten durch Advokat Dr. Alex Hediger, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Stadt, Binningerstrasse 21, 4051 Basel, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Angriff, versuchte Erpressung, Raufhandel, Sachbeschädigung; Willkür 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Appellationsgerichts des Kantons Basel-Stadt, Dreiergericht, vom 15. August 2019 (SB.2017.66). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.   
Das Strafgericht des Kantons Basel-Stadt sprach A.________ mit Urteil vom 12. Januar 2017 des Angriffs, der versuchten Erpressung, des Raufhandels, der Sachbeschädigung sowie der Verletzung der Verkehrsregeln schuldig und bestrafte ihn mit einer Freiheitsstrafe von 30 Monaten, unter Anrechnung des Polizeigewahrsams von einem Tag, sowie zu einer Busse von Fr. 200.--. Es schob den Vollzug der Freiheitsstrafe im Umfang von 18 Monaten auf und setzte die Probezeit auf 2 Jahre fest. Im Weiteren widerrief es den vom Bezirksgericht Baden am 26. Juni 2013 gewährten bedingten Vollzug einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu je Fr. 50.--. Es verpflichtete A.________ B.________ Fr. 1'102.-- als Schadenersatz und Fr. 5'000.-- als Genugtuung, je in solidarischer Haftbarkeit mit C.________, zu bezahlen, verwies allfällige Mehrforderungen auf den Zivilweg und regelte die Kosten- und Entschädigungsfolgen. 
 
B.  
Auf Berufung von A.________, C.________ und B.________ erhöhte das Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt mit Urteil vom 15. August 2019 die an B.________ zu bezahlende Genugtuung auf Fr. 7'000.--. In Bezug auf A.________ bestätigte es im Übrigen das erstinstanzliche Urteil und regelte die Kosten- und Entschädigungsfolgen. 
 
C.  
A.________ erhebt Beschwerde in Strafsachen. Er beantragt, das Urteil des Strafgerichts des Kantons Basel-Stadt vom 12. Januar 2017 sowie das Urteil des Appellationsgerichts des Kantons Basel-Stadt vom 15. August 2019 seien aufzuheben. Er sei der Verletzung von Verkehrsregeln schuldig zu sprechen und zu einer Busse von Fr. 200.-- zu verurteilen. Vom Vorwurf des Angriffs, der versuchten Erpressung, des Raufhandels sowie der Sachbeschädigung seier freizusprechen. Auf den Vollzug der vom Bezirksgericht Baden am 26. Juni 2018 (recte: 2013) ausgesprochenen Geldstrafe sei zu verzichten. Sodann seien die Genugtuungs- und Entschädigungsforderungen vollumfänglich abzuweisen. A.________ ersucht um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege und Verbeiständung. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.   
Anfechtungsobjekt der vorliegenden Beschwerde bildet das Urteil des Appellationsgerichts des Kantons Basel-Stadt vom 15. August 2019 als letztinstanzlicher kantonaler Entscheid (vgl. Art. 80 Abs. 1 BGG). Soweit der Beschwerdeführer die Aufhebung des Urteils des Strafgerichts des Kantons Basel-Stadt vom 12. Januar 2017 verlangt, kann auf die Beschwerde nicht eingetreten werden. 
 
2.  
 
2.1. Die Vorinstanz erachtet es gestützt auf die Aussagen von B.________, D.________ und E.________ als erwiesen, dass es am 7. November 2013 vor der Bar F.________ in U.________ zu einer tätlichen Auseinandersetzung zwischen mehreren Personen gekommen sei, an der sich sowohl der Beschwerdeführer wie auch B.________ tätlich beteiligt hätten. Die anlässlich der rechtsmedizinischen Untersuchung vom 7. November 2013 beim Beschwerdeführer festgestellte Stichwunde in der Bauchhaut und die Schnittwunde an der linken Handfläche würden jedoch nicht auf diese Auseinandersetzung zurückgehen. Unmittelbar nach dem Vorfall vor der Bar F.________ habe niemand die vom Beschwerdeführer erlittenen Schnitt- bzw. Stichverletzungen bestätigt. Die Polizei sei erst später auf Requisition durch das Universitätsspital Basel dazu gekommen und habe die Wunden erst in genähtem Zustand gesehen. Die Wunde sei im frischen Zustand auch nicht dokumentiert worden. Zwar werde im Gutachten des Instituts für Rechtsmedizin der Universität Basel (IRM) vom 3. Dezember 2013 festgehalten, dass das Durchtrennen der Kleidung gegen eine Selbstbeibringung spreche. Dies gelte jedoch nur, wenn von einer Selbstverletzung mit psychischem Hintergrund ausgegangen werde, was vorliegend nicht der Fall sei. Dass das T-Shirt des Beschwerdeführers bei der Einstichstelle im Bauch durchtrennt gewesen sei, spreche damit nicht gegen die Variante der Selbstverletzung zwecks Vortäuschung eines Angriffs. Ferner stehe fest, dass beide Verletzungen eher harmlos und oberflächlich und für eine Messerstecherei untypisch aussehen würden. Gerade die Verletzung am Handgelenk wirke von ihrer Lage her so, als habe man zuerst zögerlich über die heikle Stelle (Schlagader) gestrichen und dann am unproblematischen Ort (Handfläche aussen) stärker zugestochen. Dies spreche für eine Selbstbeibringung. Die ergänzende Stellungnahme des IRM vom 15. Juli 2019 zur Frage, ob eine Selbstbeibringung der Schnitt- bzw. Stichverletzungen bzw. eine Selbstbeibringung zur Vortäuschung eines (abgewehrten) Angriffs möglich sei, schliesse diese Variante nicht aus (1. Sachverhaltskomplex, Vorwurf: Raufhandel).  
Kurz nach diesem Vorfall, ebenfalls im November 2013, seien sich beide Kontrahenten sodann zufällig wieder begegnet. Gemäss den glaubhaften Aussagen von B.________ habe der Beschwerdeführer ihn bei dieser Gelegenheit beschuldigt, seinen Kollegen mit fünf Messerstichen verletzt zu haben und von ihm im Gegenzug dafür, dass er und sein Kollege keine Anzeige erstatten werden, Geld verlangt. Dabei habe er B.________ gedroht, dass er ihn umbringe, wenn er nicht bezahle und diesem zur Untermauerung seiner Drohung auf seinem Handy ein Foto gezeigt, auf dem er (sc. der Beschwerdeführer) mit einer Waffe posiert. Ausserdem habe er B.________ ein Klappmesser gezeigt und ihm gesagt, er könne ihn auch sofort "kaputt machen" (2. Sachverhaltskomplex, Vorwurf: versuchte Erpressung). 
Am 19. Januar 2014 sei es im Restaurant G.________ in U.________ schliesslich zu einer erneuten Begegnung zwischen den beiden Männern gekommen. Aufgrund der Bilder der Überwachungskamera sowie den glaubhaften Aussagen von B.________, H.________ (Security-Mitarbeiter des Restaurants G.________) und I.________ (Service-Mitarbeiter des Restaurants G.________) sei erstellt, dass der Beschwerdeführer zusammen mit C.________ und zwei weiteren unbekannten Männern auf B.________ losgegangen sei und auf diesen - selbst als er wehrlos am Boden lag - mit Fäusten und Fusstritten eingeschlagen hätte. B.________ habe von diesem Vorfall diverse Verletzungen davongetragen, welche im IRM Gutachten vom 4. März 2013 beschrieben seien. Zudem sei bei diesem Vorfall die Hose und die Jacke von B.________ beschädigt worden (3. Sachverhaltskomplex, Vorwurf: Angriff und Sachbeschädigung). 
 
2.2. Der Beschwerdeführer rügt eine willkürliche Beweiswürdigung und Sachverhaltsfeststellung, da die Vorinstanz entgegen den eindeutigen Feststellungen in den IRM Gutachten vom 3. Dezember 2013 und vom 15. Juli 2019 annehme, dass er bei der Auseinandersetzung vor der Bar F.________ am 7. November 2013 keine Messerstichverletzungen davongetragen, sondern sich die Verletzungen selbst beigebracht habe. Davon ausgehend habe die Vorinstanz fälschlicherweise die ihn belastenden Aussagen als glaubhaft und seine eigenen Ausführungen als unglaubhaft gewertet. Bei korrekter Beweiswürdigung hätte die Vorinstanz nicht auf die Aussagen von D.________, H.________, E.________, B.________ und I.________ abstellen dürfen. Dass er sich am Raufhandel in strafbarer Weise beteiligt habe, sei damit nicht erwiesen, weshalb er von diesem Vorwurf freizusprechen sei (vgl. Beschwerde S. 5 ff.). Was sodann die ihm unterstellte versuchte Erpressung und den ihm vorgeworfenen Angriff und die Sachbeschädigung betreffe, stelle die Vorinstanz vollumfänglich auf die Aussagen von B.________ ab. Da sie die Glaubhaftigkeit von dessen Aussagen aber einzig damit begründe, dass nicht nachgewiesen sei, dass er die Schnitt- bzw. Stichverletzungen anlässlich der Auseinandersetzung vor der Bar F.________ erlitten habe, und sich diese Feststellung - wie dargelegt - als willkürlich erweise, sei ein Abstellen auf dessen Aussagen unhaltbar. Insofern sei er auch von diesen Vorwürfen freizusprechen (vgl. Beschwerde S. 8 f.).  
 
2.3. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den von der Vorinstanz festgestellten Sachverhalt zugrunde (Art. 105 Abs. 1 BGG). Die Feststellung des Sachverhalts kann vor Bundesgericht nur gerügt werden, wenn sie willkürlich im Sinne von Art. 9 BV ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG; BGE 146 IV 88 E. 1.3.1 S. 91 f.; 114 E. 2.1 S. 118; 143 IV 500 E. 1.1 S. 503; je mit Hinweisen). Willkür liegt nach ständiger Rechtsprechung nur vor, wenn die vorinstanzliche Beweiswürdigung schlechterdings unhaltbar ist, d.h. wenn die Behörde in ihrem Entscheid von Tatsachen ausgeht, die mit der tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch stehen oder auf einem offenkundigen Fehler beruhen. Dass eine andere Lösung ebenfalls möglich oder gar zutreffender erscheint, genügt nicht (BGE 146 IV 88 E. 1.3.1 S. 92; 143 IV 241 E. 2.3.1 S. 244; je mit Hinweisen).  
Die Willkürrüge muss in der Beschwerde an das Bundesgericht explizit vorgebracht und substanziiert begründet werden. Das bedeutet, dass klar und detailliert anhand der Erwägungen des angefochtenen Entscheids darzulegen ist, inwiefern die Sachverhaltsfeststellung willkürlich sein soll. Auf ungenügend begründete Rügen oder bloss allgemein gehaltene appellatorische Kritik am angefochtenen Urteil tritt das Bundesgericht nicht ein (vgl. Art. 42 Abs. 2 i.V.m. Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 146 IV 88 E. 1.3.1 S. 92; 114 E. 2.1 S. 118; 143 IV 500 E. 1.1 S. 503; 135 III 232 E. 1.2 S. 234; je mit Hinweisen). 
 
2.4. Was der Beschwerdeführer gegen die vorinstanzliche Sachverhaltsfeststellung und Beweiswürdigung vorbringt, belegt keine Willkür.  
Das IRM Gutachten vom 3. Dezember 2013 hält fest, dass sich bei der rechtsmedizinischen Untersuchung des Beschwerdeführers vom 7. November 2013 eine Stichwunde linksseitig in der Bauchhaut und eine chirurgisch bereits mit Einzelknopfnähten versorgte Schnittwunde an der linken Handfläche zeigten. Diese Verletzungen seien zwanglos der Einwirkung eines scharfen Gegenstandes wie eines Messers zuzuordnen. Sie seien frisch und könnten dem Ereignis zeitlich zugeordnet werden. Die Durchtrennung der zum Ereigniszeitpunkt getragenen Kleidung und das Verletzungsmuster würden nicht für eine Selbstbeibringung sprechen (kantonale Akten act. 220). In der ergänzenden Stellungnahme des IRM vom 15. Juli 2019, in welcher sich dieses mit der Möglichkeit der Selbstbeibringung der Verletzungen zur Vortäuschung eines (abgewehrten) Angriffs näher befasst (kantonale Akten act. 1230), wird sodann ausgeführt, dass anhand der rechtsmedizinischen Befunde nicht eindeutig differenziert werden könne, ob eine Fremd- oder Selbstbeibringung vorliege. Die Befunde stünden aber nicht im Widerspruch zur im ursprünglichen Gutachten festgehaltenen Annahme einer Fremdbeibringung (kantonale Akten act. 1232). Wie die Vorinstanz zutreffend ausführt, wird damit das Beibringen einer Selbstverletzung vom IRM nicht ausgeschlossen. Von einer eindeutigen Feststellung des IRM, wonach der Beschwerdeführer bei der Auseinandersetzung vor der Bar F.________ Schnitt- bzw. Stichverletzungen davongetragen habe, kann folglich nicht die Rede sein. Die Vorinstanz hat einlässlich ausgeführt, aus welchen Gründen sie auf eine Selbstverletzung des Beschwerdeführers schliesst und die Aussagen diverser am Vorfall vor der Bar F.________ beteiligten Personen, wonach dort niemand den Beschwerdeführer mit einem Messer verletzt habe, als glaubhaft erachtet. Inwiefern ihre Sachverhaltsfeststellungen schlechterdings unhaltbar sein sollten, wird vom Beschwerdeführer nicht hinreichend dargetan und ist auch nicht ersichtlich. 
Im Weiteren hat die Vorinstanz in Bezug auf alle drei Sachverhaltskomplexe (vgl. E. 2.1 hiervor) die Aussagen der Beteiligten bzw. anwesenden Personen im einzelnen sorgfältig gewürdigt, sowie einlässlich und überzeugend aufgezeigt, weshalb sie die Schilderungen von B.________, D.________ und E.________ in Bezug auf den Vorfall vor der Bar F.________, von B.________ zum zweiten Zusammentreffen im November 2013 und von B.________, H.________ und I.________ zum Vorfall im Restaurant G.________ als glaubhaft erachtet und jenen des Beschwerdeführers und C.________ demgegenüber keinen Glauben schenkt. Mit diesen Erwägungen setzt sich der Beschwerdeführer nicht auseinander. Ebenso wenig äussert er sich zu den vorhandenen Videoaufzeichnungen des Restaurants G.________ (kantonale Akten act. 759A) oder den im IRM Gutachten vom 4. März 2013 aufgeführten Verletzungen von B.________ (kantonale Akten act. 551 f.), welche die den Beschwerdeführer belastenden Aussagen weiter stützen. 
Die Sachverhaltsrügen des Beschwerdeführers erweisen sich insgesamt als unbegründet, soweit darauf überhaupt einzutreten ist. 
 
3.  
Der Beschwerdeführer begründet seine Anträge auf Absehen vom Widerruf der ihm vom Bezirksgericht Baden am 26. Juni 2013 auferlegten Geldstrafe und auf Abweisung der von B.________ geltend gemachten Schadenersatz- und Genugtuungsforderungeneinzig mit den beantragten Freisprüchen. Da es bei den vorinstanzlichen Schuldsprüchen bleibt, sind sie abzuweisen. 
 
4.  
Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. Bei diesem Ausgang trägt der Beschwerdeführer die Kosten des bundesgerichtlichen Verfahrens (Art. 66 Abs. 1 BGG). Sein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege ist wegen Aussichtslosigkeit der Rechtsbegehren abzuweisen (Art. 64 Abs. 1 BGG). Der finanziellen Lage des Beschwerdeführers ist mit reduzierten Gerichtskosten Rechnung zu tragen (Art. 65 Abs. 2 BGG). 
 
 
 Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
 
2.  
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen. 
 
3.  
Die Gerichtskosten von Fr. 1'200.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
4.   
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt, Dreiergericht, sowie in Kopie B.________ schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 16. Dezember 2020 
 
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Denys 
 
Die Gerichtsschreiberin: Rohrer