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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
2C_753/2022  
 
 
Urteil vom 16. Dezember 2022  
 
II. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichterin Aubry Girardin, Präsidentin, 
Bundesrichter Beusch, 
Bundesrichterin Ryter, 
Gerichtsschreiber Seiler. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________ ag, 
Beschwerdeführerin, 
vertreten durch Rechtsanwalt Visar Keraj, 
 
gegen  
 
Steuerverwaltung des Kantons 
Appenzell Ausserrhoden, Gutenberg-Zentrum, 
9102 Herisau. 
 
Gegenstand 
Staats- und Gemeindesteuern des Kantons Appenzell 
Ausserrhoden und direkte Bundessteuer, Steuerperiode 
2018, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts 
Appenzell Ausserrhoden, 2. Abteilung, vom 5. Juli 2022 
(O2V 21 32). 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Die A.________ ag, die ihren Sitz in der Steuerperiode 2018 in U.________/AR hatte, hatte ihre Steuererklärung für die Steuerperiode 2018 nicht fristgerecht eingereicht, weswegen die kantonale Steuerverwaltung Appenzell Ausserrhoden die A.________ ag am 23. Juli 2019 ein erstes Mal mahnte und sie darauf hinwies, dass bei Nichteinreichen der Steuererklärung eine Ermessensveranlagung vorgenommen werde. Mit Schreiben vom 13. August 2019 wurde die Einreichefrist für die Steuererklärung 2018 bis Ende Dezember 2019 erstreckt. Die A.________ ag reichte jedoch innert dieser verlängerten Frist weder die Steuererklärung noch ein weiteres Fristerstreckungsgesuch ein. Am 28. Januar 2020 mahnte die kantonale Steuerverwaltung die A.________ ag daher erneut. Nach diverser Korrespondenz zwischen der kantonalen Steuerverwaltung und dem Rechtsvertreter der A.________ ag schickte dieser der kantonalen Steuerverwaltung mit Schreiben vom 30. April 2020 schliesslich einen "Fahrplan 2020" zu und schlug darin (u.a.) vor, die Frist zur Einreichung der hier betroffenen Steuererklärung 2018 der Beschwerdeführerin bis zum 31. Dezember 2020 zu erstrecken. Mit E-Mail vom 4. Mai 2020 genehmigte die kantonale Steuerverwaltung eine Fristerstreckung bis zum 30. November 2020 und machte gleichzeitig ausdrücklich darauf aufmerksam, dass bei Nichteinreichen der Steuererklärung innert Frist eine Ermessensveranlagung drohe. Mit einem neuen "Fahrplan 2021" vom 11. bzw. 19. Januar 2021 gewährte die kantonale Steuerverwaltung der A.________ ag erneut verlängerte Fristen zur Einreichung der Steuererklärungen 2018. Die Einreichefrist für die Steuererklärung 2018 der A.________ ag wurde gemäss "Fahrplan 2021" neu auf den 28. Februar 2021 festgelegt. Ein erneutes Fristverlängerungsgesuch des Rechtsvertreters der A.________ ag mit E-Mail vom 19. Januar 2021 beantwortete die Steuerkommissärin mit E-Mail vom 20. Januar 2021 abschlägig. Sie stellte klar, dass die im Fristenfahrplan aufgeführten Fristen als allerletzte Fristen gelten und nicht mehr erstreckt werden könnten; die bereits erfolgten Mahnungen seien nicht zurückgezogen worden.  
 
1.2. Am 9. März 2021 veranlagte die kantonale Steuerverwaltung die A.________ ag für die Steuerperiode 2018 nach Ermessen. Bei der direkten Bundessteuer setzte die kantonale Steuerverwaltung den steuerbaren Gewinn auf Fr. 1'000'000.-- fest und erhob einen Steuerbetrag von Fr. 85'000.--. Bei den Staats- und Gemeindesteuern setzte die kantonale Steuerverwaltung den im Kanton Appenzell Ausserrhoden steuerbaren Gewinn auf Fr. 0.-- und das steuerbare Kapital auf Fr. 1'169'000.-- fest und erhob die Mindeststeuer von Fr. 900.--. Mit Schreiben vom 3. März 2021 an die kantonale Steuerverwaltung hatte der Rechtsvertreter der A.________ ag erneut um Fristerstreckungen u.a. zur Einreichung der Steuererklärung 2018 der A.________ ag bis Ende März 2021 ersucht. Mit Schreiben vom 16. März 2021 teilte die kantonale Steuerverwaltung dem Rechtsvertreter der A.________ ag mit, die letzten Fristen zur Einreichung der Steuererklärungen 2018 seien am 28. Februar 2021 ausgelaufen, woraufhin die Ermessensveranlagungen erstellt und am 9. März 2021 automatisiert verschickt worden seien. Da es sich um letzte Fristen gehandelt habe, sei keine weitere Fristerstreckung möglich gewesen.  
Gegen die Ermessensveranlagungen 2018 vom 9. März 2021 reichte die A.________ ag am 9. April 2021 Einsprache ein. Mit Einspracheentscheid vom 7. Mai 2021 trat die kantonale Steuerverwaltung mangels Einreichung der Steuererklärung oder anderweitigen Unrichtigkeitsnachweises auf die Einsprache nicht ein. Eine Beschwerde hiergegen wies das Obergericht des Kantons Appenzell Ausserrhoden mit Urteil vom 5. Juli 2022 ab. 
 
1.3. Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten vom 13. September 2022 beantragt die A.________ ag, es sei festzustellen, dass die Ermessensveranlagungen vom 9. März 2021 betreffend die Staats- und Gemeindesteuern und die direkte Bundessteuer 2018 nichtig seien. Eventualiter sei das Urteil des Obergerichts Appenzell Ausserrhoden vom 5. Juli 2022 betreffend Staats- und Gemeindesteuern und die direkte Bundessteuer 2018 aufzuheben und die Steuerverwaltung Appenzell Ausserrhoden sei anzuweisen, die Beschwerdeführerin im ordentlichen Veranlagungsverfahren neu zu veranlagen.  
Das Bundesgericht hat die Akten eingeholt, jedoch keinen Schriftenwechsel angeordnet (Art. 102 Abs. 1 BGG). 
 
2.  
Die Beschwerde richtet sich gegen einen Endentscheid einer oberen kantonalen Instanz in einer öffentlich-rechtlichen Angelegenheit (Art. 82, 86 Abs. 1 lit. d und Abs. 2 sowie Art. 90 BGG). Es bestehen gewisse Zweifel, ob die Beschwerdeführerin ein schutzwürdiges Interesse im Sinne von Art. 89 Abs. 1 lit. a BGG an der Korrektur des angefochtenen Urteils hat. Vor der Vorinstanz hatte sie nämlich behauptet, die Ermessensveranlagung sei zu tief ausgefallen. Zudem hat die kantonale Steuerverwaltung die kantonale Steuer ohnehin auf das Minimum festgesetzt. Vor Bundesgericht vertritt die Beschwerdeführerin die Ansicht, dass sie ein schutzwürdiges Interesse an der Besteuerung gemäss den tatsächlichen Verhältnissen habe und ein allfälliges Nachsteuerverfahren vermeiden wolle. Ob darin ein schutzwürdiges Interesse zu sehen ist, kann offenbleiben, da sich die Beschwerde jedenfalls als offensichtlich unbegründet erweist. Die weiteren Eintretensvoraussetzungen (Art. 42 und Art. 100 Abs. 1 BGG) geben zu keinen weiteren Bemerkungen Anlass. Auf die Beschwerde ist im genannten Umfang einzutreten. 
 
3.  
Nach Art. 132 Abs. 3 des Bundesgesetzes vom 14. Dezember 1990 über die direkte Bundessteuer (DBG; SR 642.11) und Art. 171 Abs. 3 des Steuergesetzes des Kantons Appenzell Ausserrhoden (StG/AR; bGS 621.11; vgl. auch Art. 48 Abs. 2 des Bundesgesetzes vom 14. Dezember 1990 über die Harmonisierung der direkten Steuern der Kantone und Gemeinden [StHG; SR 642.14]) müssen Einsprachen gegen Ermessensveranlagungen begründet sein und allfällige Beweismittel nennen. Wenn die Einspracheinstanz - wie im vorliegenden Fall - auf eine Einsprache gegen eine Ermessensveranlagung nicht eintritt, weil die Einsprache nicht fristgerecht begründet und mit Beweismittelangeboten versehen war, haben die Rechtsmittelinstanzen nur noch zu beurteilen, ob der Nichteintretensentscheid zu Recht ergangen ist (Urteile 2C_688/2021 vom 27. Januar 2022 E. 3.3; 2C_36/2017 vom 30. Januar 2017 E. 2.4.2). Daneben kann einzig geltend gemacht werden, dass die Voraussetzungen der Ermessensveranlagungen nicht gegeben gewesen seien, da insoweit die Einschränkungen von Art. 132 Abs. 3 DBG und Art. 171 Abs. 3 StG/AR nicht greifen (Urteile 2C_688/2021 vom 27. Januar 2022 E. 3.3; 2C_61/2021 vom 22. Dezember 2021 E. 4.1). Ob hingegen die streitbetroffenen Ermessensveranlagungen inhaltlich korrekt sind, ist - unter Vorbehalt der Nichtigkeit - im vorliegenden Verfahren nicht zu prüfen. Dementsprechend sind die diesbezüglichen Ausführungen der Beschwerdeführerin von vornherein nicht zu hören und wird darauf nachfolgend nicht näher eingegangen. 
 
4.  
Die Beschwerdeführerin macht geltend, dass die Ermessensveranlagungen nichtig seien. Die kantonalen Instanzen hätten diverse Verfassungs- und Konventionsbestimmungen verletzt (Art. 8 Abs. 1, Art. 9, Art. 29 Abs. 1 und 2 und Art. 127 Abs. 2 BV; Art. 6 Ziff. 1 EMRK), weil sie die Beschwerdeführerin nach Ermessen veranlagt hätten, statt ihr in Anbetracht des Gesundheitszustands ihres Verwaltungsratsmitglieds erneut eine Fristverlängerung zu gewähren. 
Dieses Vorbringen ist offensichtlich unbegründet, soweit es mit Blick auf die gerügten Verfassungsverletzungen überhaupt genügend begründet ist (Art. 106 Abs. 2 BGG). Die kantonale Steuerverwaltung hatte die Beschwerdeführerin mehrmals gemahnt und die Einreichefrist für die Steuererklärung mehrmals erstreckt. Bloss weil sie knapp zwei Jahre nach Ablauf der urspünglichen Einreichefrist für die Steuererklärung keine weitere Erstreckung gewährte, sondern auf der Einhaltung der zuletzt angesetzten Frist beharrte, ist ihr jedenfalls weder überspitzter Formalismus noch sonst ein krasser Verfahrensmangel vorzuwerfen, der die Nichtigkeit der Veranlagungsverfügungen nach sich zöge (vgl. dazu BGE 145 III 436 E. 4; 144 IV 362 E. 1.4.3; 139 II 243 E. 11.2; 138 II 501 E. 3.1). Ohnehin ist nicht einzusehen, weshalb es der Beschwerdeführerin mit Blick auf die teilweise Arbeitsunfähigkeit ihres Verwaltungsratsmitglieds nicht zumutbar gewesen sein soll, sich so zu organisieren, dass sie ihren Verfahrenspflichten nachkommen konnte. Andere Gründe für eine Nichtigkeit der Veranlagungen sind ebenso wenig ersichtlich wie eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 29 Abs. 2 BV), des Grundsatzes von Treu und Glauben (Art. 9 BV) oder einer anderen Verfassungsbestimmung durch die kantonalen Instanzen. Insbesondere bedeutet es keine Gehörsverletzung, dass die kantonale Steuerverwaltung das letzte Fristerstreckungsgesuch der Beschwerdeführerin vom 3. März 2021 nicht mehr berücksichtigte, bevor sie zur Ermessensveranlagung schritt, zumal dieses Gesuch erst nach Ablauf der letztmals erstreckten Frist am 28. Februar 2021 gestellt worden war (oben E. 1.1). Die von der Beschwerdeführerin angerufene Konventionsbestimmung (Art. 6 Ziff. 1 EMRK) ist im Steuerveranlagungsverfahren von vornherein nicht anwendbar (vgl. BGE 144 I 340 E. 3.3.5). 
 
5.  
Die Beschwerdeführerin macht weiter geltend, dass die Voraussetzungen für die Vornahme einer Ermessensveranlagung nicht gegeben gewesen seien. Sie habe davon ausgehen dürfen, dass die Mahnungen im Zuge der vereinbarten Fristerstreckungen als zurückgezogen galten. 
Auch dieses Vorbringen ist offensichtlich unbegründet. Wie die Vorinstanz für das Bundesgericht grundsätzlich verbindlich festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG), hatte die kantonale Steuerverwaltung den Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Mahnungen nicht zurückgezogen worden seien. Damit waren die Voraussetzungen für die Vornahme von Ermessensveranlagungen offensichtlich gegeben. 
 
6.  
Die Beschwerdeführerin rügt schliesslich, dass die kantonale Steuerverwaltung auf die Einsprache gegen die Ermessensveranlagungen hätte eintreten müssen. Die von der Vorinstanz vermissten Beweismittel (Buchhaltungsunterlagen oder andere taugliche Belege) hätten erst erarbeitet werden müssen und lägen nicht "einreichungsfähig" vor. 
Dieses Vorbringen ist ebenfalls offensichtlich unbegründet. Die Einsprache muss einerseits hinreichend begründet sein, andererseits genügende Beweismittelangebote enthalten. Wird eine Rückkehr in das ordentliche Verfahren angestrebt, müssen sich die Begründung - die typischer-, aber nicht notwendigerweise in der nachgereichten Steuererklärung besteht (vgl. Urteil 2C_61/2021 vom 22. Dezember 2021 E. 4.3) - und die Beweismittelangebote auf alle unklar gebliebenen Steuerfaktoren beziehen. Andernfalls müssen die Begründung und die Beweismittelangebote zumindest geeignet sein, die Schätzung der Veranlagungsbehörde als offensichtlich unrichtig erscheinen zu lassen (Urteil 2C_61/2021 vom 22. Dezember 2021 E. 4.5.3). Bei der Begründung und den Beweismittelangeboten handelt es sich um Sachurteilsvoraussetzungen; fehlen sie, ist auf die Einsprache nicht einzutreten (BGE 131 II 548 E. 2.3; 123 II 552 E. 4c; Urteil 2C_61/2021 vom 22. Dezember 2021 E. 4.1, 4.4 und 4.5). Die Einsprache der Beschwerdeführerin wurde den Anforderungen betreffend Begründung und Beweismittelangebote offensichtlich nicht gerecht. Insbesondere genügt es nicht, die Steuererklärung - mithin die Begründung der Einsprache - lediglich anzubieten und nicht innert Einsprachefrist einzureichen. Folglich ist nicht zu beanstanden, dass die kantonale Steuerverwaltung auf die Einsprache nicht eingetreten ist und die Vorinstanz diesen Entscheid geschützt hat. 
 
7.  
Nach dem Gesagten ist die Beschwerde in allen Teilen offensichtlich unbegründet. Sie ist im vereinfachten Verfahren abzuweisen, soweit überhaupt darauf einzutreten ist (Art. 109 Abs. 2 lit. a BGG). 
Die Kosten des bundesgerichtlichen Verfahrens sind der Beschwerdeführerin aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Es ist keine Parteientschädigung geschuldet (Art. 68 Abs. 3 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde betreffend direkte Bundessteuer 2018 wird abgewiesen, soweit darauf eingetreten wird. 
 
2.  
Die Beschwerde betreffend Staats- und Gemeindesteuern 2018 wird abgewiesen, soweit darauf eingetreten wird. 
 
3.  
Die Gerichtskosten von Fr. 4'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt. 
 
4.  
Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten, dem Obergericht Appenzell Ausserrhoden, 2. Abteilung, und der Eidgenössischen Steuerverwaltung mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 16. Dezember 2022 
 
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Die Präsidentin: F. Aubry Girardin 
 
Der Gerichtsschreiber: Seiler