Wichtiger Hinweis:
Diese Website wird in älteren Versionen von Netscape ohne graphische Elemente dargestellt. Die Funktionalität der Website ist aber trotzdem gewährleistet. Wenn Sie diese Website regelmässig benutzen, empfehlen wir Ihnen, auf Ihrem Computer einen aktuellen Browser zu installieren.
Zurück zur Einstiegsseite Drucken
Grössere Schrift
 
Eidgenössisches Versicherungsgericht 
Tribunale federale delle assicurazioni 
Tribunal federal d'assicuranzas 
 
Sozialversicherungsabteilung 
des Bundesgerichts 
 
Prozess 
{T 7} 
I 635/03 
 
Urteil vom 17. März 2004 
IV. Kammer 
 
Besetzung 
Präsident Ferrari, Bundesrichterin Widmer und Bundesrichter Ursprung; Gerichtsschreiberin Riedi Hunold 
 
Parteien 
S.________, 1946, Beschwerdeführerin, vertreten durch Rechtsanwalt Urs Christen, Weinbergstrasse 18, 8001 Zürich, 
 
gegen 
 
IV-Stelle des Kantons Zürich, Röntgenstrasse 17, 8005 Zürich, Beschwerdegegnerin 
 
Vorinstanz 
Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich, Winterthur 
 
(Entscheid vom 18. August 2003) 
 
Sachverhalt: 
A. 
S.________ (geboren 1946) meldete sich wegen ihrer Rückenbeschwerden am 6. Januar 1994 erstmals zum Bezug von Leistungen der Invalidenversicherung an. Am 11. Juli 1994 zog sie die Anmeldung wieder zurück. Nachdem sie bereits früher teilzeitlich als Sekretärin gearbeitet hatte, war sie vom 1. Juli 1996 bis 31. August 1998 erneut teilzeitlich als Sekretärin tätig. Danach hatte sie bis zum 20. November 1998 eine vollzeitliche Stelle inne. Im Anschluss daran bezog sie Leistungen der Arbeitslosenversicherung. Im Rahmen einer Auffahrkollision erlitt sie am 28. November 1999 ein Schleudertrauma der Halswirbelsäule. Am 18. November 2000 meldete sie sich infolge verstärkter Rückenschmerzen sowie anderer Leiden erneut bei der Invalidenversicherung zum Bezug einer Rente an. Die IV-Stelle des Kantons Zürich holte verschiedene Arzt- und Arbeitgeberberichte ein, zog die Akten der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt (SUVA) bei und veranlasste eine polydisziplinäre Begutachtung. Mit Verfügung vom 20. Dezember 2002 sprach sie S.________ ab 1. November 2000 eine halbe Invalidenrente zu. 
B. 
Die hiegegen erhobene Beschwerde wies das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich mit Entscheid vom 18. August 2003 ab. 
C. 
S.________ lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen mit dem Antrag, es seien der vorinstanzliche Entscheid aufzuheben und ihr eine ganze Invalidenrente zuzusprechen; eventualiter sei die Sache zur weiteren Abklärung und Neubeurteilung an die IV-Stelle zurückzuweisen. Die IV-Stelle schliesst auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Das Bundesamt für Sozialversicherung verzichtet auf eine Stellungnahme. 
 
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: 
1. 
Am 1. Januar 2003 ist das Bundesgesetz über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG) vom 6. Oktober 2000 in Kraft getreten. Mit ihm sind zahlreiche Bestimmungen im Bereich der Invalidenversicherung geändert worden. Weil in zeitlicher Hinsicht grundsätzlich diejenigen Rechtssätze massgebend sind, die bei der Erfüllung des zu Rechtsfolgen führenden Tatbestandes Geltung haben, und weil ferner das Sozialversicherungsgericht bei der Beurteilung eines Falles grundsätzlich auf den bis zum Zeitpunkt des Erlasses der streitigen Verfügung (hier: 20. Dezember 2002) eingetretenen Sachverhalt abstellt, sind im vorliegenden Fall die bis zum 31. Dezember 2002 geltenden Bestimmungen massgebend (BGE 129 V 4 Erw. 1.2 mit Hinweisen). 
2. 
2.1 Nach Art. 28 Abs. 1 IVG (in der hier anwendbaren, bis Ende 2003 gültig gewesenen Fassung) hat der Versicherte Anspruch auf eine ganze Rente, wenn er mindestens zu 66 2/3 %, auf eine halbe Rente, wenn er mindestens zu 50 % oder auf eine Viertelsrente, wenn er mindestens zu 40 % invalid ist; in Härtefällen hat der Versicherte nach Art. 28 Abs. 1bis IVG (in Kraft gestanden bis Ende 2003) bereits bei einem Invaliditätsgrad von mindestens 40 % Anspruch auf eine halbe Rente. 
 
Für die Bemessung der Invalidität wird gemäss Art. 28 Abs. 2 IVG das Erwerbseinkommen, das der Versicherte nach Eintritt der Invalidität und nach Durchführung allfälliger Eingliederungsmassnahmen durch eine ihm zumutbare Tätigkeit bei ausgeglichener Arbeitsmarktlage erzielen könnte, in Beziehung gesetzt zum Erwerbseinkommen, das er erzielen könnte, wenn er nicht invalid geworden wäre. 
 
Gemäss Art. 29 Abs. 1 IVG entsteht der Rentenanspruch nach Art. 28 IVG frühestens in dem Zeitpunkt, in dem der Versicherte mindestens zu 40 % bleibend erwerbsunfähig geworden ist (lit. a) oder während eines Jahres ohne wesentlichen Unterbruch durchschnittlich mindestens zu 40 % arbeitsunfähig gewesen war (lit. b). 
2.2 Im Übrigen hat die Vorinstanz die Rechtsprechung über die Aufgabe des Arztes und der Ärztin bei der Bemessung des Invaliditätsgrades (BGE 125 V 261 Erw. 4 mit Hinweisen), den Beweiswert eines ärztlichen Berichts (BGE 125 V 352 Erw. 3a mit Hinweis) und die Bemessungsgrundlagen des Einkommensvergleichs nach Art. 28 Abs. 2 IVG gestützt auf die Lohnstrukturerhebung des Bundes (LSE; BGE 129 V 475 Erw. 4.2, 126 V 75, je mit Hinweisen) zutreffend dargelegt. Darauf wird verwiesen. 
3. 
Zu prüfen ist der Anspruch auf eine Invalidenrente. Dabei ist der Sachverhalt massgebend, wie er sich bei Erlass der streitigen Verwaltungsverfügung am 20. Dezember 2002 präsentierte (oben Erw. 1). 
3.1 Dr. med. M.________, Facharzt für physikalische Medizin, speziell Rheumatologie, hält in seinem Bericht vom 30. September 2000 ein chronisches rezidivierendes Lumbovertebralsyndrom, zeitweise Lumboischialigien rechts bei schwerster Osteochondrose L4/5 und L5/S1 mit Diskusprotrusionen auf dieser Bandscheibenhöhe, ein massives Zervikovertebral- und Lumbovertebralsyndrom bei Flachrücken im Gefolge eines Schleudertraumas am 28. November 1999, PHS calcaria links mehr als rechts, Gonarthrose bei Patelladysplasie sowie einen Fersensporn bei Senk-Spreizfussdeformität fest. Die Versicherte ist nach seiner Einschätzung bis auf weiteres sowohl im Erwerbsbereich wie auch bei der Haushaltarbeit nicht mehr arbeitsfähig. 
 
Dr. med. H.________, Facharzt für Neurologie, erwähnt in seinem Bericht vom 6. November 2000 (unter Hinweis auf frühere Berichte) einen Status nach zweiseitiger Auffahrkollision mit Halswirbelsäulendistorsion und persistierendem Zervikalsyndrom mit Minderbeweglichkeit der Halswirbelsäule nach links, rotatorischer Fehlstellung C1 bis C3 nach links, ohne nennenswerte degenerative Veränderungen, sowie wahrscheinlich mit Weichteilkontusion im Bereich des rechten Beckenkamms, ohne ossäre Veränderungen. Die Versicherte sei ab 19. Juni 2000 zu 40 % und ab 18. August 2000 zu 50 % arbeitsunfähig. 
 
Im polydisziplinären Gutachten des Aerztlichen Begutachtungsinstituts GmbH (ABI), vom 22. März 2002, werden mit Einfluss auf die Arbeitsfähigkeit ein Zustand nach Verkehrsunfall mit Heck- und Frontalkollision am 28. November 1999 mit einer Halswirbelsäulendistorsion konsekutiv mit linksbetontem oberem Zervikalsyndrom ohne radikuläre und/oder spinale Ausfälle sowie mit einer leichten bis mässig ausgeprägten neuropsychologischen Funktionsstörung, eine rezidivierende Lumboischialgie bei Diskopathie L4/5 und L5/S1, eine Adipositas permagna (BMI 36 kg/m2), eine leichte Periarthritis humeroscapelaris beidseits mit Tendinitis calcarea beider Schultern (links mit Partialruptur der Rotatorenmanschette) sowie eine Femoropatellararthrose beidseits bei bekannten Patelladysplasien diagnostiziert. Den festgestellten akzentuierten Persönlichkeitszügen (ICD-10, Z 73.1) wird kein Einfluss auf die Arbeitsfähigkeit zugeschrieben. Die angestammte Tätigkeit als Sekretärin wird ab 28. November 1999 zu 50 %, eine angepasste Tätigkeit zu 60 % als zumutbar erachtet. Mehrfach enthalten ist der Hinweis auf die Diskrepanz zwischen der subjektiven Einschätzung der Versicherten und den Befunden sowie der zumutbaren Arbeitsfähigkeit. 
 
Dr. med. M.________ geht in seinem Bericht vom 9. September 2002 von denselben Diagnosen wie am 20. September 2000 aus; allerdings habe sich die Schulterproblematik akzentuiert. Auch bestehe keine Änderung bei der Arbeitsfähigkeit. 
 
Dr. med. H.________ hält am 31. Oktober 2002 einen stationären bis verschlechterten Gesundheitszustand sowie die zusätzliche Diagnose einer "frozen shoulder" fest. 
3.2 Die von der Beschwerdeführerin erhobenen Vorwürfe gegen das Gutachten des ABI sind nicht stichhaltig. Es ist umfassend, berücksichtigt die Vorakten sowie die geklagten Beschwerden, stützt sich auf eigene Untersuchungen ab und enthält nachvollziehbare Schlüsse. Zudem umfasst es nebst einer internistischen Untersuchung auch ein neurologisches sowie ein psychiatrisches Teilgutachten. Entgegen der Ansicht der Versicherten ändert auch der Umstand, dass die streitige Verwaltungsverfügung rund ein Jahr nach den von den Fachärzten des ABI vorgenommenen Untersuchungen erlassen wurde, nichts daran. Denn einerseits bezeichnen sowohl Dr. med. M.________ wie auch Dr. med. H.________ den Gesundheitszustand der Versicherten als stationär bis verschlechternd, wobei sich diese Verschlechterung auf die Schulterproblematik bezieht, welche im Gutachten des ABI (einschliesslich der Hospitalisation im März 2001) bereits Eingang gefunden hatte. Mit Frau Dr. med. G.________, IV-Stelle, ist denn auch festzuhalten, dass "frozen shoulder" lediglich der englische Ausdruck für eine starre Schulter ist und damit pathologische Prozesse im Bereich der Weichteile in der Umgebung des Schultergelenks gemeint sind, welche unter Periartropathia humeroscapularis zusammengefasst werden (vgl. auch Pschyrembel, 259. Aufl., Berlin/New York 2002, wo beim Stichwort "frozen shoulder" auf die Erläuterungen zum Eintrag "Periarthropathia humeroscapelaris" verwiesen wird). Insbesondere aber enthalten weder der Bericht des Dr. med. M.________ vom 9. September 2002 noch jener von Dr. med. H.________ vom 31. Oktober 2002 begründete Befunde, welche eine Verschlechterung des Gesundheitszustandes als wahrscheinlich erscheinen lassen würden. Auch aus den beigezogenen Akten der SUVA ergibt sich nichts anderes, zumal die von Dr. med. H.________ attestierte 100 %-ige Arbeitsunfähigkeit bzw. die dieser zugrunde liegenden Schmerzexacerbationen weder im Unfallschein noch im Verlaufsbericht vom 11. Dezember 2001 näher beschrieben und begründet werden. So erachtete auch der zuständige Kreisarzt in seinem Bericht vom 26. August 2002 gestützt auf die Darstellungen der Dres. med. M.________ und H.________ eine Verschlechterung im geltend gemachten Ausmass nicht für ausgewiesen. Daran ändert auch der Bericht des Dr. med. M.________ vom 11. September 2003 nichts, da sich dieser auf den Krankheitsverlauf seit dem 9. Oktober 2002 bezieht, vorliegend jedoch der nach Erlass der Verwaltungsverfügung liegende Sachverhalt nicht in die Beurteilung miteinbezogen werden darf (oben Erw. 1). Im Übrigen ist auch darauf hinzuweisen, dass in Bezug auf Hausärzte das Gericht der Erfahrungstatsache Rechnung tragen soll, dass diese mitunter im Hinblick auf ihre auftragsrechtliche Vertrauensstellung in Zweifelsfällen eher zu Gunsten ihrer Patienten aussagen (BGE 125 V 353 Erw. 3b/cc mit Hinweisen). Entgegen der Ansicht der Versicherten findet auch keine Addition der unfallbedingten und nicht unfallbedingten Arbeitsunfähigkeit statt; massgebend ist in der Invalidenversicherung vielmehr die gesamthaft gesehene zumutbare Arbeitsfähigkeit. 
 
Nach dem Gesagten ist es nicht zu beanstanden, dass Verwaltung und Vorinstanz bei der Frage der Arbeitsfähigkeit auf die Einschätzung des ABI abgestellt haben. 
4. 
4.1 Entgegen der Ansicht der Vorinstanz kommt der sogenannte Prozentvergleich im Rahmen der Invaliditätsbemessung nicht bereits dann zum Zug, wenn der versicherten Person auch nach Eintritt des Gesundheitsschadens die angestammte Tätigkeit (in reduziertem Umfang) weiterhin zumutbar ist, sondern lediglich in solchen Fällen, in welchen Validen- und Invalideneinkommen nicht ermittelt werden können und die beiden Einkommen nach Massgabe der im Einzelfall bekannten Umstände geschätzt werden müssen (BGE 128 V 30 Erw. 1). 
4.2 Zu prüfen bleibt demnach der Einkommensvergleich gestützt auf die Lohnstrukturerhebung (LSE). 
4.2.1 Gemäss den Angaben des letzten Arbeitgebers der Versicherten erhielt sie im Jahr 1998 einen monatlichen Lohn von Fr. 5'000.- (zuzüglich 13. Monatslohn); dieses Entgelt wäre ihr im Falle der andauernden Anstellung auch im Jahr 2000 noch ausbezahlt worden (Arbeitgeberbericht vom 22. September 2000). Dies ergibt für den massgeblichen Zeitpunkt des Rentenbeginns (BGE 129 V 222) im November 2000 ein Valideneinkommen von Fr. 65'000.-. 
4.2.2 Das Invalideneinkommen beläuft sich bei einem Beschäftigungsgrad von 50 % gestützt auf die LSE 2000 (Tabelle TA 7, Ziff. 22, Anforderungsniveau 3) und unter Berücksichtigung der branchenüblichen wöchentlichen Arbeitzeit im Dienstleistungssektor von 41.9 Stunden (Die Volkswirtschaft, 9/2002, Tabelle B 9.2, S. 88) auf Fr. 32'669.- (Fr. 5'198.- x 12 : 40 x 41.9 : 2). Dabei ist mit der Vorinstanz kein leidensbedingter Abzug vorzunehmen, da die Versicherte vor Eintritt ihres Gesundheitsschadens auch in Anbetracht ihres Alters keinen unterdurchschnittlichen Lohn erzielte, Frauen bei Teilzeitarbeit prozentual mehr verdienen als bei einem Vollpensum (LSE 2000, Tabelle 9, Anforderungsniveau 3, S. 24) und den leidensbedingten Einschränkungen der Beschwerdeführerin in ihrer angestammten Tätigkeit bereits im Rahmen der Arbeitsfähigkeit angemessen Rechnung getragen wurde. 
4.2.3 Bei einem Vergleich des Valideneinkommens mit dem Invalideneinkommen resultiert ein Invaliditätsgrad von gerundet 50 % (Erw. 3 des in der Amtlichen Sammlung noch nicht publizierten Urteils R. vom 19. Dezember 2003, U 27/02). Die Beschwerdeführerin hat somit Anspruch auf eine halbe Invalidenrente. 
 
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht: 
1. 
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen. 
2. 
Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
3. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich, der Ausgleichskasse des Kantons Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherung zugestellt. 
Luzern, 17. März 2004 
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts 
Der Präsident der IV. Kammer: Die Gerichtsschreiberin: