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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
5A_254/2013 
 
Urteil vom 17. April 2013 
II. zivilrechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter von Werdt, Präsident, 
Bundesrichter Marazzi, Schöbi, 
Gerichtsschreiber Zbinden. 
 
Verfahrensbeteiligte 
X.________, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen 
 
Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde (KESB) Y.________. 
 
Gegenstand 
Fürsorgerische Unterbringung, 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Obergerichts des Kantons Bern, Zivilabteilung, Kindes- und Erwachsenenschutzgericht, vom 26. März 2013. 
 
Sachverhalt: 
 
A. 
A.a X.________ (geb. 1953) wurde mit Verfügung vom 16. Dezember 2008 wegen paranoider Schizophrenie mit Residuum für unbestimmte Zeit im Wohnheim A.________ zurückbehalten. Die jährlichen Überprüfungen der fürsorgerischen Freiheitsentziehung erfolgten regelmässig. Ein im Jahr 2010 vom Regierungsstatthalter Bern-Mittelland für eine Überprüfung der Massnahme eingeholtes psychiatrisches Gutachten diagnostizierte bei X.________ nach wie vor eine paranoide Schizophrenie mit Residuum, die sich jedoch unter intensiver Pflege und Betreuung als leicht stabilisiert zeigte. 
A.b Mit Verfügung des stellvertretenden Regierungsstatthalters Bern-Mittelland vom 10. Dezember 2012 erfolgte die letzte Zurückbehaltung in der besagten Einrichtung. Dagegen gelangte X.________ an das Obergericht des Kantons Bern, Rekurskommission für fürsorgerische Freiheitsentziehungen, und ersuchte um Entlassung. Diese Instanz nahm von den Akten, insbesondere von der ärztlichen Stellungnahme von Dr. B.________, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, Y.________, vom 24. Dezember 2012 Kenntnis, hörte die Beschwerdeführerin am 27. Dezember 2012 an und wies mit Entscheid vom gleichen Tag den Rekurs ab. 
A.c Auf Beschwerde von X.________ hob das Bundesgericht mit Entscheid vom 7. Februar 2013 den Entscheid der Rekurskommission für fürsorgerische Freiheitsentziehungen auf und wies die Sache zur Einholung eines den Vorgaben der bundesgerichtlichen Rechtsprechung konformen Gutachtens an die Vorinstanz zuhanden der seit dem 1. Januar 2013 zuständigen Behörde zurück. Dieser wurde eine Frist von 30 Tagen ab Zustellung des begründeten bundesgerichtlichen Urteils gesetzt, um die Ergänzung des Sachverhalts vorzunehmen und neu zu entscheiden (Urteil 5A_63/2013 vom 7. Februar 2013 E. 6). 
 
B. 
B.a Die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde (KESB) Y.________ holte am 12. Februar 2013 bei den psychiatrischen Diensten C.________ AG ein Gutachten ein, welches am 8. März 2013 erstattet wurde. Mit Entscheid vom 13. März 2013 ordnete die Behörde die Zurückbehaltung von X.________ gestützt auf Art. 426 i.V. mit Art. 431 ZGB im Wohnheim A.________ an. 
B.b X.________ gelangte dagegen an das Obergericht des Kantons Bern, Zivilabteilung, Kindes- und Erwachsenenschutzgericht. Diese Instanz hörte die Betroffene im Wohnheim an. Das im März 2013 eingeholte psychiatrische Gutachten wurde durch einen Bericht der Heimärztin, Dr. med. D.________, vom 21. März 2013 ergänzt. Am 26. März 2013 wies das Kindes- und Erwachsenenschutzgericht die Beschwerde ab. 
 
C. 
X.________ (Beschwerdeführerin) hat diesen Entscheid am 9. April 2013 (Postaufgabe) beim Bundesgericht mit Beschwerde angefochten. Sie ersucht sinngemäss um Aufhebung der gegen sie verhängten Massnahme und um sofortige Entlassung. 
Es sind keine Vernehmlassungen eingeholt worden. 
 
Erwägungen: 
 
1. 
Die Beschwerdeführerin beanstandet wie vor dem Obergericht den Umstand, dass sie von der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde im Heim, statt an deren Sitz angehört worden ist. 
Der Beschwerdeführerin ist bereits im Entscheid 5A_51/2010 vom 2. Februar 2010 E. 2.2 erläutert worden, dass gegen die Durchführung der Verhandlung im Wohnheim A.________ nichts einzuwenden ist. Darauf kann verwiesen werden. Wie das Obergericht zu Recht erkannt hat, ist darin keine Bundesrechtsverletzung zu erblicken. 
 
2. 
2.1 Nach Art. 426 Abs. 1 ZGB darf eine Person, die an einer psychischen Störung oder an geistiger Behinderung leidet oder schwer verwahrlost ist, in einer geeigneten Einrichtung untergebracht werden, wenn die nötige Behandlung oder Betreuung nicht anders erfolgen kann. Die Belastung und der Schutz von Angehörigen und Dritten sind zu berücksichtigen (Absatz 2). Die betroffene Person wird entlassen, sobald die Voraussetzungen für die Unterbringung nicht mehr erfüllt sind (Absatz 3). 
 
2.2 Entscheide, die der Beschwerde an das Bundesgericht unterliegen, haben insbesondere die massgebenden Gründe tatsächlicher und rechtlicher Art zu enthalten (Art. 112 Abs. 1 lit. b BGG). Mit Bezug auf Entscheide betreffend fürsorgerische Unterbringung bedeutet dies, dass im angefochtenen Urteil die berücksichtigten Tatsachen aufzuführen sind, aufgrund welcher das Gericht auf einen der Schwächezustände gemäss Art. 426 Abs. 1 ZGB geschlossen hat. 
Bezüglich des Fürsorgebedarfs (Behandlung oder Betreuung) hat der Entscheid in tatsächlicher Hinsicht die durch Gutachten ermittelte konkrete Gefahr für die Gesundheit oder das Leben der betroffenen Person bzw. von Dritten zu nennen, die besteht, wenn die Behandlung der psychischen Störung bzw. die Betreuung unterbleibt (zum Erfordernis der konkreten Gefahr: Urteile 5A_312/2007 vom 10. Juli 2007 E. 2.3; 5A_288/2011 vom 19. Mai 2011 E. 5.3). Anhand dieser tatsächlichen Angaben ist in rechtlicher Hinsicht zu beurteilen und im Urteil auszuführen, ob und wenn ja warum eine Behandlung einer festgestellten geistigen Störung bzw. eine Betreuung "nötig" ist. 
Ferner sind die Tatsachen anzugeben, aufgrund derer das Gericht zum (rechtlichen) Schluss gelangt, die Einweisung oder Zurückbehaltung in der Anstalt sei verhältnismässig. In diesem Zusammenhang gilt es auszuführen, aus welchen tatsächlichen Gründen eine ambulante Behandlung oder die erforderliche Betreuung ausserhalb einer Einrichtung nach Ansicht der Beschwerdeinstanz nicht infrage kommen (z.B. fehlende Krankheits- und Behandlungseinsicht; Unmöglichkeit der Betreuung durch die Spitex oder Familienangehörige; andere Gründe). 
Schliesslich sind gegebenenfalls die Tatsachen aufzuführen, aufgrund derer das Gericht die vorgeschlagene Einrichtung als geeignet erachtet (Rechtsfrage). 
2.3 
2.3.1 Nach dem im angefochtenen Entscheid erwähnten Gutachten der psychiatrischen Dienste C.________ AG vom 8. März 2013 besteht bei der Beschwerdeführerin nach wie vor die Diagnose Schizophrenie mit stabilem Residuum (ICD_10: F20.5) unter neuroleptischer Medikation mit beobachtbaren einzelnen stabilen Wahnideen sowie Negativsymptomatik wie verflachtem Affekt und Verlangsamung. Insoweit liegt demnach ein Schwächezustand im Sinn von Art. 426 Abs. 1 ZGB vor. 
Die Beschwerdeführerin leidet überdies an einem Diabetes mellitus vom Typ II und an den entsprechenden Spätfolgen wie namentlich an diabetischer Poly- und Neuroangiopathie sowie an einer schweren proliferativen diabetischen Retinopathie mit exsudativer Makulopathie und rezidivierenden Glaskörpereinblutungen. Überdies besteht eine mittelgradige Niereninsuffizienz ebenfalls bei diabetogen bedingter Nierenschädigung sowie ein schwerer plantarer Ulkus. 
Soweit die Beschwerdeführerin bestreitet, an Schizophrenie und Diabetes zu leiden, richtet sie sich gegen die tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz zum Gesundheitszustand (BGE 81 II 263; Urteil 5A_803/2012 vom 20. Dezember 2012 E. 4), ohne aber aufzuzeigen, inwiefern diese Feststellungen willkürlich sein oder gegen Bundesrecht verstossen sollen (Art. 105 Abs. 2 BGG). 
2.3.2 Laut Gutachten ist die Beschwerdeführerin weder krankheits- noch behandlungseinsichtig und es ist mit einer Verschlechterung ihres Gesundheitszustandes zu rechnen, wenn die Behandlung ihrer psychischen Störung unterbleibt. Aus dem Bericht der Heimärztin ergibt sich zumindest indirekt, dass sich der prekäre physische Gesundheitszustand bei fehlender medizinischer Betreuung verschlechtert. Dabei ist insbesondere auf die fatalen Folgen eines nicht behandelten Diabetes mellitus hinzuweisen. Angesichts des beschriebenen Schwächezustandes und der Spätfolgen der Zuckerkrankheit, der fehlenden Krankheits- und Behandlungseinsicht, die in Bezug auf die freiwillige Medikamenteneinnahme kein kooperatives Verhalten der Beschwerdeführerin erwarten lässt, bedarf die Beschwerdeführerin der Behandlung ihrer physischen und psychischen Krankheit und der Betreuung. Damit aber ist ein Fürsorgebedarf im Sinn von Art. 426 Abs. 1 ZGB gegeben. 
Die gegen die Schlüssigkeit des Gutachtens gerichteten Ausführungen der Beschwerdeführerin erschöpfen sich in unzulässiger appellatorischer Kritik am Sachverhalt (BGE 135 II 313 E. 5.2.2 S. 322). 
2.3.3 Was die Verhältnismässigkeit der Einweisung anbelangt, so geht das Obergericht davon aus, die nötige Betreuung und Behandlung könne der Beschwerdeführerin nur in einem Heim zuteilwerden. Begründet wird dies mit der mangelnden Krankheits- und Behandlungseinsicht, aufgrund welcher die Beschwerdeführerin zu verwahrlosen droht. Zudem wird auf die nicht bestehende Anschlusslösung für ein Leben ausserhalb einer Einrichtung hingewiesen. 
Die fehlende Anschlusslösung für sich allein vermag eine Unterbringung in einer Anstalt nicht auf Dauer, sondern nur solange zu rechtfertigen, bis eine Lösung für das Leben ausserhalb der Anstalt gefunden worden ist. Der Entscheid der Vorinstanz äussert sich überdies nicht direkt zur Frage, warum der drohenden Gefahr der Verwahrlosung bzw. dem Fürsorgebedarf nicht mit einer ambulanten Behandlung der Krankheit und mit einer ambulanten Betreuung begegnet werden kann. Immerhin kann dem Bericht der Heimärztin entnommen werden, dass von einem erheblichen Pflegeaufwand auszugehen ist, der sich erfahrungsgemäss mit den Mitteln der Spitex nicht bewältigen lässt (vgl. Art. 426 Abs. 2 ZGB). Das Gutachten spricht überdies von einem früheren gescheiterten Versuch, die Beschwerdeführerin nach Hause zu entlassen. Unter Berücksichtigung sämtlicher im Gutachten festgestellter Tatumstände ist die Auffassung der Vorinstanz, die Zurückbehaltung der Beschwerdeführerin in der Anstalt sei verhältnismässig, im Ergebnis nicht zu beanstanden. Die Eignung des Wohnheims gilt als unbestritten, sodass sich diesbezüglich weitere Ausführungen erübrigen. 
 
3. 
Zusammenfassend ergibt sich, dass die Voraussetzungen für eine Aufhebung der fürsorgerischen Unterbringung (Art. 426 Abs. 3 ZGB) vorliegend nicht erfüllt sind. Eine Bundesrechtsverletzung ist nicht ersichtlich, auch wenn die Begründung des angefochtenen Entscheids im Lichte von Art. 112 Abs. 1 lit. b BGG zu wünschen übrig lässt. 
 
4. 
Damit ist die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. Den Umständen des konkreten Falles entsprechend werden keine Kosten erhoben (Art. 66 Abs. 1 BGG). 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
 
2. 
Es werden keine Kosten erhoben. 
 
3. 
Dieses Urteil wird der der Beschwerdeführerin, der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde (KESB) Y.________ und dem Obergericht des Kantons Bern, Zivilabteilung, Kindes- und Erwachsenenschutzgericht, schriftlich mitgeteilt. 
 
Lausanne, 17. April 2013 
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: von Werdt 
 
Der Gerichtsschreiber: Zbinden