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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
1B_617/2020  
 
 
Urteil vom 17. August 2021  
 
I. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Kneubühler, Präsident, 
Bundesrichterin Jametti, Bundesrichter Müller, 
Gerichtsschreiber Härri. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Thomas Gattlen, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
1. B.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Paul Langner, 
2. C.________, 
3. D.________ Rechtsanwälte AG, 
beide vertreten durch Rechtsanwalt 
Dr. Alexander M. Glutz von Blotzheim, 
Beschwerdegegner, 
 
Staatsanwaltschaft See/Oberland, 
Weiherallee 15, Postfach, 8610 Uster. 
 
Gegenstand 
Strafverfahren; Entsiegelung, 
 
Beschwerde gegen die Verfügung des 
Zwangsmassnahmengerichts des Bezirks Uster 
vom 26. Februar 2020 (GT200001-I/az/U01/as/gp). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
A.________ und seine Ehefrau B.________ stehen in einem Scheidungsverfahren. Am 5. August 2019 erstattete er gegen sie Strafanzeige wegen Betrugs. Er warf ihr vor, sie habe im gegen ihn geführten Konkursverfahren wissentlich hohe, nicht bestehende Forderungen eingegeben. Der Strafanzeige legte er unter anderem ein E-Mail vom April 2017 eines Rechtsprofessors an den Vertreter von B.________, Rechtsanwalt C.________, mitsamt dem Kurzgutachten des Rechtsprofessors bei; zudem die Kopie eines Auszugs eines E-Mails von Rechtsanwalt C.________ an B.________. 
Am 18. Dezember 2019 verlangte B.________ die Siegelung dieser beiden Beilagen zur Strafanzeige. Am 19. Dezember 2019 schlossen sich Rechtsanwalt C.________ und die D.________ Rechtsanwälte AG, bei welcher dieser tätig ist, diesem Begehren an. 
Am 6. Januar 2020 versiegelte die Staatsanwaltschaft See/Oberland die beiden Beilagen provisorisch. 
Am 7. Januar 2020 beantragte die Staatsanwaltschaft dem Zwangsmassnahmengericht des Bezirks Uster, die Siegelungsanträge vom 18. und 19. Dezember 2019 abzuweisen. Eventualiter seien die provisorisch versiegelten Unterlagen zu entsiegeln. 
Mit Verfügung vom 26. Februar 2020 wies das Zwangsmassnahmengericht den Antrag auf Abweisung der Siegelungsanträge ab und stellte fest, dass die beiden Beilagen zur Strafanzeige versiegelt seien. Das Entsiegelungsgesuch wies es ab. Es befand, die beiden Beilagen unterstünden dem Anwaltsgeheimnis und dürften deshalb nicht durchsucht werden. 
 
B.  
A.________ führt Beschwerde in Strafsachen mit dem Antrag, die Verfügung des Zwangsmassnahmengerichts aufzuheben und das Entsiegelungsgesuch der Staatsanwaltschaft gutzuheissen. Eventuell sei die Sache an das Zwangsmassnahmengericht zur Neubeurteilung zurückzuweisen. 
 
C.  
B.________ einerseits sowie C.________ und die D.________ Rechtsanwälte AG anderseits haben sich vernehmen lassen je mit dem Antrag, auf die Beschwerde nicht einzutreten; eventualiter sei diese abzuweisen. Das Zwangsmassnahmengericht hat Gegenbemerkungen eingereicht. Es erachtet die Beschwerde als unbegründet. Die Staatsanwaltschaft hat sich nicht vernehmen lassen. A.________ hat repliziert. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
Gemäss Art. 109 BGG entscheiden die Abteilungen in Dreierbesetzung bei Einstimmigkeit über die Abweisung offensichtlich unbegründeter Beschwerden (Abs. 2 lit. a). Der Entscheid wird summarisch begründet (Abs. 3 Satz 1). 
 
2.  
Ob die Eintretensvoraussetzungen erfüllt sind, ist in verschiedener Hinsicht zweifelhaft. Wie es sich damit verhält, braucht jedoch nicht vertieft zu werden. Wäre auf die Beschwerde einzutreten, wäre sie aus folgenden Erwägungen offensichtlich unbegründet. 
 
3.  
Der Beschwerdeführer macht geltend, er sei Privatkläger und damit Partei des Strafverfahrens (Art. 104 Abs. 1 lit. b StPO). Als solche hätte ihn die Vorinstanz in das Entsiegelungsverfahren einbeziehen müssen. Indem sie das nicht getan habe, habe sie seinen Anspruch auf rechtliches Gehör nach Art. 107 StPO verletzt. 
Das Vorbringen ist unbegründet. Das Entsiegelungsverfahren stellt ein akzessorisches Zwischenverfahren dar, welches den Entscheid, ob potenzielle Beweismittel durchsucht und gesichtet werden dürfen oder schutzwürdige Geheimhaltungsinteressen vorgehen, der Strafverfolgungsbehörde entzieht und einem Gericht überträgt (ANDREAS J. KELLER, in: Donatsch und andere [Hrsg.], Kommentar zur Schweizerischen Strafprozessordnung, 3. Aufl. 2020, N. 41 zu Art. 248 StPO). Nach der Rechtsprechung - die der Beschwerdeführer übergeht - ist der Privatkläger, soweit er nicht als Geheimnisberechtigter unmittelbar betroffen ist, keine Partei des Entsiegelungsverfahrens (Urteil 1B_35/ 2018 vom 30. August 2018 E. 2.2 mit Hinweisen). Der Beschwerdeführer bringt nichts vor, was es rechtfertigen könnte, darauf zurückzukommen. Er ist, was die beiden versiegelten E-Mails betrifft, nicht Geheimnisberechtigter. Die Vorinstanz hat ihn daher zu Recht nicht in das Entsiegelungsverfahren einbezogen. 
 
4.  
Der Entsiegelung stehen die Beschlagnahmeverbote nach Art. 264 Abs. 1 StPO entgegen (KELLER, a.a.O., N. 14 zu Art. 248 StPO). Danach dürfen insbesondere nicht beschlagnahmt werden, ungeachtet des Ortes, wo sie sich befinden und des Zeitpunkts, in welchem sie geschaffen worden sind, Unterlagen aus dem Verkehr der beschuldigten Person mit ihrer Verteidigung (lit. a). Insoweit gilt ein absolutes Beschlagnahmeverbot (zur amtlichen Publikation bestimmtes Urteil 1B_333/2020 vom 22. Juni 2021 E. 2.5 mit Hinweisen). Art. 264 Abs. 1 lit. a StPO dient dem Schutz des besonderen Vertrauensverhältnisses zwischen der Verteidigung und der beschuldigten Person. Schutz geniesst alles, was in dieses Verhältnis eingebracht wird, in ihm entsteht oder aus ihm hervorgeht (Urteil 1B_198/2018 vom 11. Juli 2018 E. 2.5 mit Hinweis). Geschützt sind somit zum einen Dokumente, welche sich bildlich gesprochen zwischen den Deckeln des Dossiers der Verteidigung befinden und im Zusammenhang mit dem Mandat der Verteidigung stehen, also etwa Korrespondenz zwischen der Verteidigung und der beschuldigten Person oder Dritten, oder Dokumente, welche der Verteidigung im Zusammenhang mit dem Mandat übergeben wurden oder die sie eingeholt hat. Zum andern sind auch jene Dokumente bei der beschuldigten Person erfasst, welche diese von ihrer Verteidigung erhalten hat. Die Form der Unterlagen ist bedeutungslos. Sie können körperlich oder bloss in elektronischer Form bestehen (BOMMER/GOLDSCHMID, in: Basler Kommentar, Schweizerische Strafprozessordnung, 2. Aufl. 2014, N. 30 f. zu Art. 264 StPO). Erfasst sind somit namentlich E-Mails und deren Anhänge (Urteil 1B_198/2018 vom 11. Juli 2018 E. 2.5). Aufgrund des Passus "ungeachtet des Ortes, wo sie sich befinden, und des Zeitpunktes, in welchem sie geschaffen worden sind", gilt der Schutz von Art. 264 Abs. 1 lit. a StPO nicht nur in örtlicher, sondern auch in zeitlicher Hinsicht unbeschränkt. Geschützt sind somit auch die Unterlagen, die vor der Eröffnung einer Strafuntersuchung erstellt bzw. kommuniziert wurden (STEFAN HEIMGARTNER, in: Donatsch und andere [Hrsg.], Kommentar zur Schweizerischen Strafprozessordnung, 3. Aufl. 2020, N. 2 zu Art. 264 StPO). 
Bei den beiden hier versiegelten Unterlagen geht es einerseits um ein E-Mail, das der Beschwerdegegner 2 als Rechtsanwalt der Beschwerdegegnerin 1 dieser zukommen liess; anderseits um ein E-Mail eines Rechtsprofessors mitsamt Kurzgutachten an den Beschwerdegegner 2. Auch dieses letztere E-Mail betraf das vom Beschwerdegegner 2 betreute Mandat der Beschwerdegegnerin 1. Die beiden E-Mail unterliegen dem Anwaltsgeheimnis. Wenn die Vorinstanz die Entsiegelung abgelehnt hat, verletzt das daher kein Bundesrecht. 
Am Ergebnis änderte sich im Übrigen nichts, wenn - wie der Beschwerdeführer geltend macht - Art. 264 Abs. 1 lit. c und d StPO anwendbar wären. Da der Beschwerdegegner 2 im vorliegenden Sachzusammenhang nicht selber beschuldigt ist, bestünde ein Beschlagnahmeverbot auch nach diesen Bestimmungen. 
 
5.  
Die Beschwerde ist deshalb abzuweisen, soweit darauf überhaupt eingetreten werden kann. 
Bei diesem Ausgang des Verfahrens trägt der Beschwerdeführer die Gerichtskosten (Art. 66 Abs. 1 Satz 1 BGG). Er hat den Beschwerdegegnern eine Parteientschädigung zu bezahlen (Art. 68 Abs. 1 f. BGG). Da die Beschwerdegegnerin 1 eine eingehendere Vernehmlassung eingereicht hat als die Beschwerdegegner 2 und 3 und damit einen grösseren Aufwand hatte, wird ihr eine höhere Parteientschädigung zugesprochen. 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf eingetreten werden kann. 
 
2.  
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
3.  
Der Beschwerdeführer hat der Beschwerdegegnerin 1 eine Parteientschädigung von Fr. 1'500.-- zu bezahlen; den Beschwerdegegnern 2 und 3 eine solche von je Fr. 500.--. 
 
4.  
Dieses Urteil wird den Parteien, der Staatsanwaltschaft See/Oberland und dem Zwangsmassnahmengericht des Bezirks Uster schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 17. August 2021 
 
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Kneubühler 
 
Der Gerichtsschreiber: Härri