Wichtiger Hinweis:
Diese Website wird in älteren Versionen von Netscape ohne graphische Elemente dargestellt. Die Funktionalität der Website ist aber trotzdem gewährleistet. Wenn Sie diese Website regelmässig benutzen, empfehlen wir Ihnen, auf Ihrem Computer einen aktuellen Browser zu installieren.
Zurück zur Einstiegsseite Drucken
Grössere Schrift
 
 
Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
{T 0/2} 
 
9C_495/2014  
   
   
 
 
 
Urteil vom 17. September 2014  
 
II. sozialrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Kernen, Präsident, 
Bundesrichter Meyer, Parrino, 
Gerichtsschreiber Schmutz. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwältin Petra Oehmke, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
IV-Stelle des Kantons Aargau, Bahnhofplatz 3C, 5000 Aarau,  
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Invalidenversicherung (Invalidenrente), 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons Aargau vom 6. Mai 2014. 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
 
A.a. A.________, geboren 1965, ist gelernte Medizinisch-Technische Angestellte. Zuletzt arbeitete sie bei der Schweizerischen Post als Sortiererin in einem Briefzentrum. Am 30. Oktober 2002 meldete sie sich wegen einer Fibromyalgie, Rückenproblemen (Skoliose und Diskushernie), Nackenbeschwerden, Kopfschmerzen, Gedächtnisstörungen, Lähmungserscheinungen und depressiver Verstimmung bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug an. Der behandelnde Arzt Dr. med. C.________, Allgemeine Medizin FMH, diagnostizierte eine chronisch progrediente Fibromyalgie und attestierte eine Arbeitsunfähigkeit von 50 % vom 1. Januar bis 22. September 2002 und 75 % ab 23. September 2002 (Berichte vom 20. November 2002 und 19. März 2003). Am 5. März 2004 verfügte die IV-Stelle des Kantons Aargau den Anspruch auf eine ganze Invalidenrente ab 1. Januar 2003. Die im Mai 2006 veranlasste Revision zeigte keine massgebliche Veränderung auf (Mitteilung vom 6. Juli 2006).  
 
A.b. Die IV-Stelle leitete im Oktober 2011 die revisionsweise Überprüfung des Rentenanspruches ein. Sie holte ein bidisziplinäres rheumatologisch-psychiatrisches Gutachten der Dres. med. B.________, FMH Innere Medizin, spez. Rheumatologie, und Dipl.-Psych. D.________, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, vom 15. November 2012 und 8. Januar 2013 ein. Diese diagnostizierten mit Auswirkungen auf die Arbeitsfähigkeit weder aus rheumatologischer noch aus psychiatrischer Sicht eine Gesundheitsstörung. Nach durchgeführtem Vorbescheidverfahren verfügte die IV-Stelle am 17. Mai 2013 die Rentenaufhebung.  
 
B.   
Die hiegegen eingereichte Beschwerde wies das Versicherungsgericht des Kantons Aargau mit Entscheid vom 6. Mai 2014 ab, wobei sie die IV-Stelle zur Vergütung der Kosten des Berichts des Dr. med. D.________ verpflichtete, welcher sich mit Blick auf neu eingereichte medizinische Berichte am 10. Februar 2014 geäussert hatte (Dispositiv-Ziffer 3). 
 
C.   
A.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen und beantragen, der angefochtene Entscheid (Dispositiv-Ziffern 1, 2 und 4) und die Verfügung vom 17. Mai 2013 seien aufzuheben. Die IV-Stelle sei anzuweisen, dass die mit Verfügung vom 5. März 2004 zugesprochene ganze Rente weiterhin auszurichten sei. Eventualiter seien die Dispositiv-Ziffern 1, 2 und 4 des Entscheides aufzuheben und das Verfahren sei an die Vorinstanz zurückzuweisen, damit sie nach Einholung ergänzender medizinischer Abklärungen, insbesondere nach Einholung eines psychiatrischen Obergutachtens, neu über den Rentenanspruch entscheide. 
 
Die IV-Stelle beantragt die Abweisung der Beschwerde. Die Vorinstanz und das Bundesamt für Sozialversicherungen verzichten auf eine Vernehmlassung. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.   
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen Rechtsverletzungen gemäss Art. 95 und 96 BGG erhoben werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Es legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz auf Rüge hin oder von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Artikel 95 beruht, und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 105 Abs. 2 BGG und Art. 97 Abs. 1 BGG). 
 
2.   
Die vorinstanzlich bestätigte Aufhebung der Invalidenrente erfolgte in Anwendung von lit. a Abs. 1 der am 1. Januar 2012 in Kraft getretenen Schlussbestimmungen der Änderung des IVG vom 18. März 2011 (6. IV-Revision, erstes Massnahmenpaket [AS 2011 5659; Bbl 2011 2723 und 2010 1817]; nachfolgend: SchlBest. zur 6. IV-Revision). Danach werden Renten, die bei pathogenetisch-ätiologisch unklaren syndromalen Beschwerdebildern ohne nachweisbare organische Grundlage gesprochen wurden, innerhalb von drei Jahren nach Inkrafttreten der Änderung überprüft. Sind die Voraussetzungen nach Art. 7 ATSG nicht erfüllt, so wird die Rente herabgesetzt oder aufgehoben, auch wenn die Voraussetzungen von Art. 17 Abs. 1 ATSG nicht erfüllt sind. Lit. a Abs. 1 SchlBest. zur 6. IV-Revision findet keine Anwendung auf Personen, die im Zeitpunkt des Inkrafttretens der Änderung das 55. Altersjahr zurückgelegt haben oder im Zeitpunkt, in dem die Überprüfung eingeleitet wird, seit mehr als 15 Jahren eine Rente der Invalidenversicherung beziehen (Abs. 4). 
 
3.   
Streitgegenstand bildet die Frage der Weiterausrichtung der Invalidenrente. 
 
3.1. Die Beschwerdeführerin rügt zunächst, die Vorinstanz wende mit ihrem Entscheid das Recht falsch an. Denn damit eine Rentenaufhebung gestützt auf lit. a SchlBest. zur 6. IV-Revision überhaupt erfolgen dürfe, müsse erstellt sein, dass die ursprüngliche Rentenzusprache ausschliesslich aufgrund eines syndromalen Beschwerdebildes zugesprochen worden sei. Aus den Akten ergebe sich, dass die damalige IV-Rente nicht wegen der Fibromyalgie zugesprochen worden sei, sondern psychiatrische Gründe zur Rentenzusprache geführt hätten. Sie verweist dazu auf den Austrittsbericht der Klinik E.________ vom 23. Januar 2003. Dort sind als Diagnosen aufgeführt vorab ein Fibromyalgie-Syndrom und dann ein Hyperlaxizitätssyndrom, ein Status nach rezidivierenden Diskushernien, ein Status nach schwerer Lungenentzündung 2001, rezidivierende Synkopen und eine psychosoziale Belastungssituation. Nach BGE 140 V 197 E. 6.2.3 S. 200 sind vom Anwendungsbereich von lit. a Abs. 1 SchlBest. zur 6. IV-Revision laufende Renten nur auszunehmen, wenn und soweit sie auf erklärbaren Beschwerden beruhen. Lassen sich unklare Beschwerden von erklärbaren Beschwerden trennen, können die Schlussbestimmungen der 6. IV-Revision auf erstere Anwendung finden. So verhält es sich hier, womit dem Hauptargument der Beschwerde der Boden entzogen ist. Die voraussetzungslose Überprüfung der laufenden Rente ist zulässig.  
 
3.2. Ferner bezeichnet die Beschwerdeführerin das Abstellen auf das Gutachten von Dr. med. Dipl.-Psych. D.________ als willkürlich. Sie habe mit der Auflage der Berichte der Psychosomatischen Klinik G.________ aus dem Jahre 2004 und der Psychiatrischen Dienste F.________ vom 25. Mai 2009 und 6. März 2014 mehr als glaubhaft gemacht, dass Anzeichen dafür vorliegen, dass sie an einer Persönlichkeitsstörung leiden könnte. Deshalb hätte diese Diagnose einlässlich psychiatrisch abgeklärt werden müssen, bevor über den Entzug der Rente entschieden werden durfte. Erst wenn der Sachverhalt medizinisch genügend abgeklärt sei, könne der Beweisgrundsatz der überwiegenden Wahrscheinlichkeit spielen. Der Einwand geht fehl. Wie die Vorinstanz zutreffend erwogen hat, sind Differenzialdiagnosen (hier eine emotional instabile Persönlichkeitsstörung, Borderline-Typ) blosse Verdachtsdiagnosen. Die behandelnden Ärzte trafen denn auch keine weiteren Abklärungen. Dr. med. Dipl.-Psych. D.________ war entgegen dem beschwerdeführerischen Vorhalt nicht verpflichtet, sie vier Jahre später in die Wege zu leiten, wenn er keinen Klärungsbedarf sah. Dr. med. H.________, Leitender Oberarzt der Psychiatrischen Dienste F.________, schrieb zudem noch in seinem Bericht vom 6. März 2014, die Patientin habe offensichtlich ein sehr negatives Selbstkonzept, wobei er sich nicht sicher sei, ob es sich wirklich um eine Borderline-Störung handle. Der Vorinstanz kann daher weder Willkür noch sonstige Rechtsverletzung vorgeworfen werden, wenn sie zusammenfassend feststellt, dass keine konkrete Indizien gegen die Zuverlässigkeit des psychiatrischen Teilgutachtens bestünden und weitere Abklärungen sich in antizipierter Beweiswürdigung nicht rechtfertigten. Auch die restlichen Vorbringen in der Beschwerde vermögen nichts daran zu ändern, dass die tatsächlichen Voraussetzungen für die weitere Annahme einer invalidisierenden, rentenbegründenden Gesundheitsbeeinträchtigung psychischer oder somatischer Natur weder bewiesen noch beweisbar sind. Das wirkt sich zum Nachteil der Beschwerdeführerin aus, weil sie im Rahmen der voraussetzungslosen Neuprüfung der invaliditätsmässigen Anspruchsvoraussetzungen gemäss IV-Revision 6a - im Unterschied zur Revision nach Art. 17 ATSG (Urteil 8C_110/2012 vom 16. November 2012 E. 2 a.A.) - die materielle Beweislast trägt.  
 
4.   
Das Verfahren ist kostenpflichtig (Art. 65 BGG). Die Gerichtskosten werden der unterliegenden Beschwerdeführerin auferlegt (Art. 65 Abs. 4 lit. a in Verbindung mit Art. 66 Abs. 1 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.   
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt. 
 
3.   
Dieses Urteil wird den Parteien, der Pensionskasse Post, dem Versicherungsgericht des Kantons Aargau und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 17. September 2014 
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Kernen 
 
Der Gerichtsschreiber: Schmutz