Wichtiger Hinweis:
Diese Website wird in älteren Versionen von Netscape ohne graphische Elemente dargestellt. Die Funktionalität der Website ist aber trotzdem gewährleistet. Wenn Sie diese Website regelmässig benutzen, empfehlen wir Ihnen, auf Ihrem Computer einen aktuellen Browser zu installieren.
Zurück zur Einstiegsseite Drucken
Grössere Schrift
 
[AZA 7] 
C 237/00 Gi 
 
IV. Kammer 
 
Bundesrichter Borella, Rüedi und Bundesrichterin Leuzinger; 
Gerichtsschreiber Signorell 
 
Urteil vom 17. November 2000 
 
in Sachen 
L.________, 1946, Beschwerdeführerin, vertreten durch Rechtsanwalt Hans-Rudolf Stoll, Kornhausstrasse 18, St. Gallen, 
 
gegen 
Amt für Wirtschaft und Arbeit, Verwaltungsgebäude Promenade, Frauenfeld, Beschwerdegegner, 
 
und 
Rekurskommission des Kantons Thurgau für die Arbeitslosenversicherung, Eschlikon/TG 
 
Mit Verfügung vom 30. Juli 1998 lehnte das Amt für Industrie, Gewerbe und Arbeit des Kantons Thurgau (KIGA; nunmehr: Amt für Wirtschaft und Arbeit des Kantons Thurgau [AWA]) ein Gesuch der 1946 geborenen L.________ um Erlass einer Rückforderung der Arbeitslosenkasse Thurgau im Betrage von Fr. 4123. 65 ab. 
 
Die Rekurskommission des Kantons Thurgau für die Arbeitslosenversicherung wies eine dagegen erhobene Beschwerde mit Entscheid vom 16. Juli 1999 ab, welchen das Eidgenössische Versicherungsgericht aus formellen Gründen (fehlerhafte Besetzung der Behörde) mit Urteil vom 22. November 1999 aufhob und die Sache zur Neubeurteilung an diese zurückwies. 
 
Mit Entscheid vom 31. Mai 2000 wies die Rekurskommission des Kantons Thurgau für die Arbeitslosenversicherung die Beschwerde, mit welcher einerseits die Feststellung der Nichtigkeit der Verwaltungsverfügung, andererseits der Erlass der Rückforderung und schliesslich die Abweisung des Rückforderungsanspruch zufolge Verjährung verlangt wurden, erneut ab. 
Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde lässt L.________ die Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheides und die Bewilligung des Erlassgesuchs beantragen. 
Das AWA schliesst auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. 
Das Staatssekretariat für Wirtschaft (seco) lässt sich nicht vernehmen. 
 
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: 
 
1.- Da es sich bei der angefochtenen Verfügung nicht um die Bewilligung oder Verweigerung von Versicherungsleistungen handelt, hat das Eidgenössische Versicherungsgericht nur zu prüfen, ob das vorinstanzliche Gericht Bundesrecht verletzt hat, einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des Ermessens, oder ob der rechtserhebliche Sachverhalt offensichtlich unrichtig, unvollständig oder unter Verletzung wesentlicher Verfahrensbestimmungen festgestellt worden ist (Art. 132 in Verbindung mit Art. 104 lit. a und b sowie Art. 105 Abs. 2 OG). 
 
2.- Gemäss Art. 95 AVIG muss die Kasse Leistungen der Versicherung, auf die der Empfänger keinen Anspruch hatte, zurückfordern (Abs. 1 Satz 1). War der Leistungsempfänger beim Bezug gutgläubig und würde die Rückerstattung eine grosse Härte bedeuten, so wird sie auf Gesuch hin ganz oder teilweise erlassen (Abs. 2 Satz 1). 
 
3.- a) Der Anwendungsbereich des Erlasses hat durch die Rechtsprechung dort eine Einschränkung erfahren, wo der Verwaltung die Möglichkeit der Verrechnung offen steht. Danach fällt bei der Verrechnung ein Erlass nur dann in Betracht, wenn sie mit laufenden oder künftig fällig werdenden Leistungen erfolgt. Anderes gilt jedoch, wenn es darum geht, dem Versicherten bereits ausbezahlte Leistungen durch gleich hohe, unter anderem Titel geschuldete zu ersetzen und die beiden Betreffnisse miteinander zu verrechnen. Hier besteht lediglich ein anderer Rechtsgrund für die geschuldeten Leistungen; das Vermögen des Rückerstattungspflichtigen erfährt keine Veränderung, die zu einem Härtefall im Sinne von Art. 47 Abs. 1 AHVG führen kann, weshalb die Frage des Erlasses nicht zu prüfen ist. Dabei handelt es sich um einen allgemeinen Grundsatz des Sozialversicherungsrechtes, der stets angewendet werden muss, wenn der Erlass einer verrechnungsweise geltend gemachten Rückforderung zu prüfen ist (ARV 1987 Nr. 17 S. 116). In Weiterentwicklung dieser Rechtsprechung wurde in BGE 122 V 228 Erw. 6c entschieden, dass die Rückerstattung im Falle rückwirkend ausgerichteter Rentennachzahlungen insoweit keine grosse Härte darstellen kann, als die aus den entsprechenden Nachzahlungen stammenden Mittel im Zeitpunkt, in dem die Rückzahlung erfolgen sollte, noch vorhanden sind. Massgebend sind die wirtschaftlichen Verhältnisse bei Fälligkeit des Rückerstattungsanspruchs (BGE 116 V 12 Erw. 2a). 
b) Da der Beschwerdeführerin rückwirkend ab 1. November 1994 und damit für einen Zeitraum, für den sie bereits Taggelder der Arbeitslosenversicherung bezogen hatte, eine halbe Rente der Invalidenversicherung ausgerichtet wurde, sind die Voraussetzungen zur Verrechnung bereits ausbezahlter Leistungen der Arbeitslosenversicherung mit denjenigen der Invalidenversicherung unbestrittenermassen erfüllt. Die Arbeitslosenkasse machte bei der Invalidenversicherung einen Verrechnungsanspruch auf den Zeitpunkt der Rentennachzahlung geltend, worüber die Versicherte in Kenntnis gesetzt wurde (Verfügung der Arbeitslosenkasse Thurgau vom 31. Januar 1997). Die IV-Stelle ordnete die Verrechnung des Rückforderungsbetrages in der Rentenverfügung vom 13. März 1997 ausdrücklich an. Im Zeitpunkt der Fälligkeit des Rückzahlungsbetrages (Rentenverfügung der IV-Stelle Thurgau vom 13. März 1997) verfügte die Beschwerdeführerin damit über Mittel aus der Nachzahlung. In diesem Fall ist von ihr zu verlangen, dass sie das Rentenbetreffnis für die Rückerstattung der zu Unrecht bezogenen Taggelder der Arbeitslosenversicherung verwendet. Daran ändert nichts, dass das Amt für AHV und IV des Kantons Thurgau entgegen der Rentenverfügung, in welcher der Rückzahlungsbetrag zur Verrechnung zugelassen wurde (Rentenverfügung Blatt 2 ganz oben), den gesamten Nachzahlungsbetrag (Rentenverfügung Blatt 1 am Ende) auszahlte. Damit steht die Möglichkeit des Erlasses ausser Frage, weshalb die Frage der Gutgläubigkeit der Beschwerdeführerin nicht weiter zu prüfen ist. 
 
 
 
4.- Das Verfahren vor dem Eidgenössischen Versicherungsgericht ist kostenpflichtig, weil Streitigkeiten über den Erlass der Rückerstattung unrechtmässig bezogener Versicherungsleistungen nach ständiger Praxis nicht unter die in Art. 134 OG für die Bewilligung oder Verweigerung von Versicherungsleistungen vorgesehene Ausnahmeregelung fallen. 
Die Gerichtskosten sind von der unterliegenden Beschwerdeführerin zu tragen (Art. 156 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 135 OG). 
 
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht: 
 
I.Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen. 
 
II.Die Gerichtskosten von Fr. 700.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt und mit dem geleisteten Kostenvorschuss verrechnet. 
 
 
III. Dieses Urteil wird den Parteien, der Rekurskommission des Kantons Thurgau für die Arbeitslosenversicherung, dem Amt für Wirtschaft und Arbeit des Kantons Thurgau, 
 
 
Abteilung Arbeitslosenkasse, dem Amt für AHV und IV 
des Kantons Thurgau (zu Handen der IV-Stelle und der 
Ausgleichskasse) und dem Staatssekretariat für Wirtschaft 
zugestellt. 
Luzern, 17. November 2000 
 
Im Namen des 
Eidgenössischen Versicherungsgerichts 
Der Präsident der IV. Kammer: 
 
Der Gerichtsschreiber: