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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
{T 0/2} 
 
9C_78/2014  
   
   
 
 
 
Urteil vom 18. März 2014  
 
II. sozialrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Meyer, präsidierendes Mitglied, 
Bundesrichterin Pfiffner, Bundesrichter Parrino, 
Gerichtsschreiber Schmutz. 
 
Verfahrensbeteiligte 
REVOR Sammelstiftung 2. Säule, Mattenstrasse 8, 3073 Gümligen,  
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
1.  IV-Stelle Luzern, Landenbergstrasse 35,                     6005 Luzern,  
2. W.________, 
       vertreten durch D.________, 
Beschwerdegegnerinnen. 
 
Gegenstand 
Invalidenversicherung (Invalidenrente), 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Kantonsgerichts Luzern vom 11. Dezember 2013. 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.   
Die 1951 geborene W.________ meldete sich am 9. Januar 2009 unter Angabe von chronischen Kreuzschmerzen und schweren Depressionen bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug an. Die IV-Stelle Luzern holte bei Dr. med. G.________, FMH Psychiatrie und Psychotherapie, ein Gutachten (vom 24. März 2010) ein. Mit Vorbescheid vom 28. Februar 2011 und Verfügung vom 19. Oktober 2011 sprach sie W.________ ab 1. Januar 2010 eine halbe Invalidenrente zu (Invaliditätsgrad von 50 %). 
 
B.   
Die REVOR Sammelstiftung 2. Säule, bei welcher W.________ über ihren ehemaligen Arbeitgeber vom 1. September 2006 bis 28. Februar 2009 berufsvorsorgeversichert war, erhob dagegen beim Kantonsgericht Luzern Beschwerde. Dieses gab bei Dr. med. I.________, FMH Psychiatrie und Psychotherapie, ein Gerichtsgutachten (vom 8. Oktober 2013) in Auftrag. Mit Entscheid vom 11. Dezember 2013 wies es die Beschwerde ab, soweit darauf einzutreten war. 
 
C.   
Die REVOR Sammelstiftung 2. Säule führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten. Sie beantragt die Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheides. Der Beginn des Anspruchs auf eine Invalidenrente sei, unter Berücksichtigung des Beginns der Arbeitsunfähigkeit von 50% am 14. Juni 2006, auf den 1. Juli 2009 festzulegen. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.   
Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Seinem Urteil legt es den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz, auf Rüge hin oder von Amtes wegen, berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht, und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 105 Abs. 2 BGG). Eine Sachverhaltsfeststellung ist nicht schon dann offensichtlich unrichtig, wenn sich Zweifel anmelden, sondern erst, wenn sie eindeutig und augenfällig unzutreffend ist (BGE 132 I 42 E. 3.1 S. 44). Es liegt noch keine offensichtliche Unrichtigkeit vor, nur weil eine andere Lösung ebenfalls in Betracht fällt, selbst wenn diese als die plausiblere erschiene (vgl. BGE 129 I 8 E. 2.1 S. 9; Urteil 9C_967/2008 vom 5. Januar 2009 E. 5.1). Diese Grundsätze gelten auch in Bezug auf die konkrete Beweiswürdigung (vgl. Urteil 9C_999/2010 vom 14. Februar 2011 E. 1). 
 
2.   
Streitig und zu prüfen ist der Beginn des Rentenanspruchs. Die Vorinstanz hat die rechtlichen Grundlagen korrekt dargelegt. Darauf wird verwiesen. Als beteiligte Vorsorgeeinrichtung ist die Beschwerdeführerin zur Anfechtung legitimiert (Art. 89 Abs. 1 BGG; vgl. Urteil I 349/05 vom 21. April 2006 = BSV-Liste, 2006 09 4). 
 
3.   
Das kantonale Gericht entnahm dem Gutachten des Dr. med. I.________ vom 8. Oktober 2013, ein genauer Beginn der Arbeitsunfähigkeit könne nicht festgelegt werden. Nachdem die Versicherte vom Ehemann 2005 verlassen worden sei, habe sich ihr Gesundheitszustand verschlechtert. Sie habe Teilzeitstellen in der Reinigung und der Betreuung von Kranken und Behinderten angenommen. 2006 habe die psychotherapeutische Behandlung bei Frau Dr. med. B.________ begonnen. Ende 2008 habe sie eine Betreuungsstelle verloren, weil sie sich nicht in der Lage gefühlt habe, das Pensum von 70 % auf 100 % zu erhöhen. Das Krankheitsbild zeige einen fluktuierenden Verlauf, sei innerhalb einer Bandbreite aber als stabil anzusehen. Rückblickend sei von einer reduzierten Arbeitsfähigkeit spätestens seit 2009 auszugehen. Mit überwiegender Wahrscheinlichkeit sei eine gesundheitliche Beeinträchtigung der Arbeitsfähigkeit sogar spätestens seit Januar 2008 ausgewiesen. Bei dieser Einschätzung seien die psychosozialen Belastungsfaktoren nicht mitberücksichtigt worden. Gemäss der Vorinstanz hat Dr. med. I.________ damit nachvollziehbar dargelegt, dass die Ausübung eines 50 % übersteigenden Arbeitspensums zu einer Zustandsverschlechterung geführt habe. Es liess sich für sie darum nicht beanstanden, dass die IV-Stelle den Beginn der Wartezeit auf den 1. Januar 2009 festgesetzt und ab dann eine erhebliche Einschränkung der Arbeitsfähigkeit angenommen hat. 
 
4.   
Die vorinstanzlichen Sachverhaltsfeststellungen und die konkrete Beweiswürdigung sind weder offensichtlich unrichtig, noch beruhen sie auf einer Rechtsverletzung (E. 1). Noch vor kantonaler Instanz postulierte die Beschwerdeführerin, der Beginn des Wartejahrs sei auf den 17. März 2010 zu setzen. Ein früherer Zeitpunkt entspreche nicht der in der Arbeitswelt gezeigten Realität. Neu nimmt sie nun den Standpunkt ein, das Wartejahr habe bereits ab dem 14. Juni 2006 zu laufen begonnen, da die behandelnde Ärztin seit jenem Tag eine 50%ige Arbeitsunfähigkeit attestiert habe. Beide Positionen vermögen keine Bundesrechtswidrigkeit des angefochtenen Entscheides darzutun: Wenn die Beschwerdeführerin rügt, aus den Darlegungen des Dr. med. I.________ (in Verbindung mit den Angaben der behandelnden Psychiaterin Dr. med. B.________) ergebe sich mit aller Deutlichkeit eine Arbeitsunfähigkeit (von 50 %) ab 14. Juni 2006, weshalb die Vorinstanz in einen Widerspruch verfalle, indem sie sich in diesem Punkt (Eröffnung der Wartezeit), gestützt auf den Administrativgutachter Dr. med. G.________, vom ansonsten als gesteigert beweiskräftig bezeichneten Gerichtsgutachten entferne, so liegt darin eine rein formalistische Betrachtungsweise, welche dem Wesen der psychiatrischen Begutachtung im Allgemeinen und der konkreten Aktenlage im Besonderen nicht gerecht wird. Die psychiatrische Exploration kann von der Natur der Sache her nicht ermessensfrei erfolgen. Sie eröffnet dem begutachtenden Psychiater daher praktisch immer einen gewissen Spielraum, innerhalb dessen verschiedene medizinisch-psychiatrische Interpretationen möglich, zulässig und zu respektieren sind, sofern der Experte lege artis vorgegangen ist (Urteile 9C_794/2012 vom 4. März 2013 E. 4.2, 9C_935/2012 vom 16. September 2013 E. 5, I 676/05 vom 13. März 2006 E. 2.4). Dieser Ermessenscharakter kommt in gesteigertem Masse der Arbeits (un) fähigkeitsschätzung zu, vor allem dann, wenn sie rückwirkend über viele Jahre hinweg erfolgen soll, wo es bei fluktuierenden Beschwerden der hier vorliegenden Art nur um mehr oder weniger plausible Annahmen gehen kann. Gerade das hat der Gerichtsgutachter selber eingeräumt, ist es doch nach seinen eigenen Worten aufgrund "der wechselhaften Beschwerden und des inkonstanten Gesundheitszustandes (...) schwierig, die Arbeitsfähigkeit mit einer genauen Prozentzahl zu beziffern (...) "; ein "genauer Beginn der Arbeitsunfähigkeit" könne "retrospektiv nicht festgelegt werden" (Gerichtsgutachten S. 10). Es überzeugt daher nicht ohne Weiteres, wenn Dr. med. I.________ andernorts eine (bloss) 50%ige Arbeitsfähigkeit "mit dem Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit bereits seit 2006 (nicht genau bestimmbarer Zeitpunkt) " attestiert (S. 12). Davon abgesehen ist es nicht seine Sache als psychiatrischer Gerichtssachverständiger zu entscheiden, ob die Tatsachen mit dem rechtsprechungsgemäss geforderten Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit erstellt sind. Dieser Schritt fällt, als abschliessender Teil der Beweiswürdigung, allein dem urteilenden Gericht zu (vgl. Urteil U 506/00 vom 30. August 2001 E. 3c in fine, wo sich der Sachverständige auch zu den Beweisgraden geäussert hatte). Es kommt hinzu, dass die Beschwerdegegnerin effektiv bis Ende 2008 in einem Pensum von 70 % gearbeitet hatte und entlassen wurde, als sie sich nicht in der Lage fühlte, ihr Pensum von 70 % auf 100 % zu erhöhen (Gerichtsgutachten S. 10). Unter all diesen Umständen kann von einer qualifiziert fehlerhaften (Art. 105 Abs. 2 BGG) oder rechtsverletzenden (Art. 95 lit. a BGG) Beweiswürdigung und Sachverhaltsfeststellung des kantonalen Gerichts nicht gesprochen werden. 
 
5.   
Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend hat die Beschwerdeführerin die Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.   
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt. 
 
3.   
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Kantonsgericht Luzern und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 18. März 2014 
 
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Das präsidierende Mitglied: Meyer 
 
Der Gerichtsschreiber: Schmutz