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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
{T 0/2} 
 
9C_293/2016  
   
   
 
 
 
Urteil vom 18. Juli 2016  
 
II. sozialrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichterin Glanzmann, Präsidentin, 
Bundesrichter Meyer, Parrino, 
Gerichtsschreiberin Huber. 
 
Verfahrensbeteiligte 
 A.________, 
vertreten durch Rechtsdienst Inclusion Handicap, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
IV-Stelle des Kantons Aargau, Bahnhofplatz 3C, 5000 Aarau, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Invalidenversicherung, 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons Aargau vom 15. März 2016. 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.   
A.________ leidet seit 1992 an multipler Sklerose, weshalb er sich am 26. Juli 1999 bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug anmeldete. Die IV-Stelle des Kantons Aargau kam für verschiedene Hilfsmittel auf, sprach eine Entschädigung für Hilflosigkeit zu (leichter Grad ab 1. August 2003 und schwerer Grad ab 1. Dezember 2004) und bejahte einen Rentenanspruch ab März 1999. Im Jahr 2007 zog A.________ in ein von seiner Lebenspartnerin in der Gemeinde B.________ erworbenes Bauernhaus. Die IV-Stelle kam für invaliditätsbedingte bauliche Änderungen im Wert von rund Fr. 60'700.- auf (WC-Dusch- und Trockenanlage, Dusch-WC-Rollstuhl, WC-Höhenlift, Treppensteighilfe, bauliche Veränderungen im Wohnbereich und elektrischer Flügeltürantrieb). Ein Gesuch um Ausrichtung eines Assistenzbeitrages hiess die IV-Stelle ebenfalls gut und ermittelte einen jährlichen Anspruch von Fr. 70'530.90 (Verfügung vom 15. Dezember 2014). 
Am 7. März und 13. April 2015 gab A.________ der IV-Stelle seinen für Juli 2015 geplanten Umzug nach C.________ in ein - wiederum von seiner Lebenspartnerin - erworbenes Zweifamilienhaus bekannt und ersuchte erneut um Kostengutsprache für invaliditätsbedingte bauliche Änderungen. Nach durchgeführtem Vorbescheidverfahren verneinte die IV-Stelle einen Leistungsanspruch mit Verfügungen vom 20., 21. und 24. August 2015. 
 
B.   
Das Versicherungsgericht des Kantons Aargau wies die von A.________ gegen die Verfügungen vom 20. und 24. August 2015 erhobene Beschwerde mit Entscheid vom 15. März 2016 ab. 
 
C.   
A.________ führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten und beantragt, der Entscheid der Vorinstanz vom 15. März 2016 sowie die Verfügungen der IV-Stelle vom 20. und 24. August 2015 seien aufzuheben und ihm sei Kostengutsprache für die beantragten baulichen Massnahmen gemäss Ziff. 14.04 HVI und für ein Lavabo mit Waschtischmischer gemäss Ziff. 14.04 HVI zuzusprechen. 
Während die Vorinstanz und das Bundesamt für Sozialversicherungen auf eine Vernehmlassung verzichten, schliesst die IV-Stelle auf Abweisung der Beschwerde. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.   
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen Rechtsverletzung gemäss Art. 95 und Art. 96 BGG erhoben werden. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den von der Vorinstanz festgestellten Sachverhalt zugrunde (Art. 105 Abs. 1 BGG). Von diesen tatsächlichen Feststellungen kann es nur abweichen, wenn sie offensichtlich unrichtig sind oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruhen (Art. 105 Abs. 2 BGG) und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG). 
 
2.   
Im angefochtenen Entscheid werden die Rechtsgrundlagen für den Anspruch auf Hilfsmittel (Art. 21 IVG i.V.m. Art. 14 IVV, Art. 2 der Verordnung über die Abgabe von Hilfsmitteln durch die Invalidenversicherung [HVI]) zutreffend dargelegt. Ebenfalls richtig ist der Verweis auf den im Sozialversicherungsrecht geltenden Grundsatz der Schadenminderungspflicht (BGE 113 V 22 E. 4a S. 28) sowie der Hinweis, dass die Hilfsmittelversorgung den allgemeinen Anspruchsvoraussetzungen für Eingliederungsmassnahmen gemäss Art. 8 IVG unterliegt. Darauf kann verwiesen werden. 
 
3.   
Streitig ist, ob das kantonale Gericht Bundesrecht verletzte, indem es einen Anspruch des Versicherten auf erneute bauliche Änderungen in der neuen Liegenschaft seiner Lebenspartnerin in C.________ verneinte. 
 
3.1. Die Vorinstanz stellte fest, der Beschwerdeführer habe trotz fehlenden Anschlusses seines früheren Wohnortes B.________ an den öffentlichen Verkehr mit fünf - auswärts wohnenden - Assistenzpersonen Arbeitsverträge abschliessen können. Er habe in B.________ ein seinen Bedürfnissen optimal angepasstes Haus bewohnt. Eine eigenständige Mobilität ausser Haus sei auch in C.________ nicht überwiegend wahrscheinlich möglich. Das Gericht erwog, selbst wenn der Umzugswunsch subjektiv verständlich sei, rechtfertige die Betreuungssituation diesen aus invalidenversicherungsrechtlicher Sicht nicht. Nach den beweisrechtlich höher zu gewichtenden "Aussagen der ersten Stunde" habe nicht der Umzugswunsch der Lebenspartnerin im Vordergrund gestanden, sondern es seien namentlich die aus Sicht des Versicherten besseren Betreuungsmöglichkeiten am neuen Ort ausschlaggebend gewesen.  
 
3.2. Den vorinstanzlichen Erwägungen ist beizupflichten.  
 
3.2.1. Der Beschwerdeführer bringt nichts vor, was geeignet wäre, deren Richtigkeit in Frage zu stellen. Unbegründet ist namentlich der Einwand, der gestiegene Betreuungsbedarf und die veränderte Betreuungssituation in Bezug auf seine Eltern würden den Umzug nach C.________ in das neue Zweifamilienhaus rechtfertigen. Der Versicherte hat in der Regel nur Anspruch auf die dem jeweiligen Eingliederungszweck angemessenen, notwendigen Massnahmen, nicht aber auf die nach den gegebenen Umständen bestmöglichen Vorkehren. Denn das Gesetz will die Eingliederung lediglich so weit sicherstellen, als diese im Einzelfall notwendig, aber auch genügend ist; ferner muss der voraussichtliche Erfolg einer Eingliederungsmassnahme in einem vernünftigen Verhältnis zu ihren Kosten stehen (BGE 122 V 212 E. 2c S. 214 f. mit Hinweisen). Das Bauernhaus in B.________ war für die Bedürfnisse des Beschwerdeführers nach der für das Bundesgericht verbindlichen Feststellung der Vorinstanz optimal angepasst. Es mag zutreffen, dass der Versicherte - wie er selbst vorbringt - seine Betreuungssituation durch den Umzug nach C.________ nochmals verbessern konnte. Nach dem Gesagten hat er jedoch keinen Anspruch auf die bestmöglichen Vorkehren, sondern auf die dem jeweiligen Eingliederungszweck angemessenen, notwendigen Massnahmen.  
 
3.2.2. Im Lichte der Rechtsprechung gemäss BGE 113 V 22 (und seitherige Entscheide: BGE 135 I 161; 134 I 105; 119 V 255 E. 2 S. 259; Urteil 8C_803/2013 vom 30. Juli 2014 E. 4.3, in: SVR 2015 IV Nr. 2 S. 3) zum Verhältnis von Grundrechten und Schadenminderungslast, an der festzuhalten ist, ergibt sich kein anderes Resultat. Die Grundrechtsbindung des Verwaltungshandelns bedeutet (vorbehältlich des hier nicht zur Diskussion stehenden Rechtsmissbrauchs) keineswegs, dass nach den Umständen als geradezu unvernünftig erscheinende Dispositionen anzuerkennen sind und Anspruch auf punktuelle Eingliederungsmassnahmen begründen (so schon BGE 113 V 22 E. 4d in fine S. 33; Urteil 9C_916/2010 vom 20. Juni 2011 E. 3 und 4). Das ist nichts anderes als Ausdruck der Verhältnismässigkeit, welche für jedes staatliche Handeln gilt (Art. 5 Abs. 2 BV), insbesondere auch für die Leistungsverwaltung (BGE 135 V 172 E. 7.3.3 S. 182 mit Hinweis) und damit für die Eidgenössische Invalidenversicherung (Art. 8 Abs. 1 IVG; BGE 131 V 107 E. 3.4.1 S. 113 f.; 122 V 377 E. 2b/cc S. 380; 119 V 250 E. 3a S. 253 f. mit weiteren Hinweisen). Diesem rechtlichen Aspekt hat das kantonale Gericht unter gesundheitlich-behinderungsmässigem und familiär-lebensgemeinschaftlichem Blickwinkel ohne Verletzung von Bundesrecht Rechnung getragen. In diese Verhältnismässigkeitsprüfung ist auch die Gesamtheit der laufenden Versicherungsleistungen einzubeziehen, welche dem Ansprecher die Eingliederung ermöglichen, hier der Umstand, dass der Beschwerdeführer nebst allen anderen Leistungen jährliche Assistenzbeiträge von über Fr. 70'000.- bezieht, wie die Vorinstanz für das Bundesgericht verbindlich festgestellt hat. Sämtliche Vorbringen in der Beschwerde vermögen an diesem entscheidenden Punkt nichts zu ändern.  
 
4.   
Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend hat der Beschwerdeführer die Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 Satz 1 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.   
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
3.   
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons Aargau und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 18. Juli 2016 
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Die Präsidentin: Glanzmann 
 
Die Gerichtsschreiberin: Huber