Wichtiger Hinweis:
Diese Website wird in älteren Versionen von Netscape ohne graphische Elemente dargestellt. Die Funktionalität der Website ist aber trotzdem gewährleistet. Wenn Sie diese Website regelmässig benutzen, empfehlen wir Ihnen, auf Ihrem Computer einen aktuellen Browser zu installieren.
Zurück zur Einstiegsseite Drucken
Grössere Schrift
 
 
Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
{T 0/2} 
 
4A_215/2014  
   
   
 
 
 
Urteil vom 18. September 2014  
 
I. zivilrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichterin Klett, Präsidentin, 
Bundesrichterinnen Kiss, Niquille, 
Gerichtsschreiber Leemann. 
 
Verfahrensbeteiligte 
Bank A.________ AG,  
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Peter Reichart, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
B.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt 
Dr. Alexander M. Glutz von Blotzheim, 
Beschwerdegegner. 
 
Gegenstand 
Auskunftsrecht; Replikrecht, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich, II. Zivilkammer, vom 28. Februar 2014. 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
B.________ (Kläger, Beschwerdegegner) ist schweizerisch-amerikanischer Doppelbürger. Er war bei der Bank C.________ AG und nach erfolgter Fusion bei der Bank A.________ AG, Zürich, (Beklagte, Beschwerdeführerin) tätig. Per 1. April 2013 wurde B.________ in der Funktion eines Direktors im Bereich Private Banking vorzeitig pensioniert. 
Die Bank A.________ AG ist eine der Schweizer Banken, gegen welche die US-amerikanische Behörde "Department of Justice" (DOJ) eine Untersuchung über ihre grenzüberschreitenden Geschäfte eingeleitet hat. Gestützt auf die vom Bundesrat mit Beschluss vom 4. April 2012 erteilte Ermächtigung und der Empfehlung der FINMA vom 11. April 2012, "im Rahmen der durch diesen Bundesratsbeschluss geschaffenen Möglichkeiten zu kooperieren", hat die Beklagte Daten an die amerikanischen Behörden geliefert. 
Der Kläger verlangte von der Beklagten mit Schreiben vom 2. Juli 2012 Auskunft darüber, ob sein Name in den übermittelten Daten enthalten sei, und er verlangte aufgrund der Antwort der Beklagten Kopien der fraglichen Dokumente. Die Beklagte verweigerte ihm diese, bot ihm jedoch Einsicht in die Dokumente sowie die Versiegelung der eingesehenen Dokumente zu Beweiszwecken an. 
 
B.  
 
B.a. Mit Eingabe vom 1. November 2012 beantragte der Kläger dem Bezirksgericht Zürich, die Beklagte sei gestützt auf Art. 8 Abs. 5 des Bundesgesetzes vom 19. Juni 1992 über den Datenschutz (DSG; SR 235.1) zur schriftlichen Auskunfterteilung mittels Kopien der Dokumente und der Begleitschreiben zu verpflichten, wie sie von der Beklagten an die US-Behörden geliefert wurden. Die Beklagte widersetzte sich der Klage.  
Mit Urteil vom 14. Oktober 2013 hiess das Bezirksgericht Zürich die Klage im Wesentlichen gut und verpflichtete die Beklagte, dem Kläger mittels Kopien und unter Angabe des Zeitpunkts der Übermittlungen über bestimmte ihn betreffende Personendaten Auskunft zu erteilen. 
 
B.b. Am 11. November 2013 erhob die Beklagte beim Obergericht des Kantons Zürich Berufung und beantragte die Aufhebung des bezirksgerichtlichen Entscheids vom 14. Oktober 2013 und die Abweisung der Klage; eventualiter sei das Auskunftsrecht nach dem von der Beklagten formulierten Antrag zu beschränken.  
Mit Urteil vom 28. Februar 2014 wies das Obergericht des Kantons Zürich die Berufung ab und bestätigte den bezirksgerichtlichen Entscheid. 
 
C.  
Mit Beschwerde in Zivilsachen beantragt die Beklagte dem Bundesgericht, es sei der angefochtene Entscheid des Obergerichts des Kantons Zürich vom 28. Februar 2014 aufzuheben und die Klage sei abzuweisen; eventualiter sei das Auskunftsrecht in beschränkterem Rahmen (entsprechend ihrem Eventualantrag im Berufungsverfahren) zuzusprechen. 
Der Beschwerdegegner beantragt die Abweisung der Beschwerde. Die Vorinstanz hat auf eine Vernehmlassung verzichtet. 
Die Beschwerdeführerin hat dem Bundesgericht am 17. Juni 2014 eine Replik eingereicht. 
 
D.  
Mit Verfügung vom 4. Juni 2014 erteilte das Bundesgericht der Beschwerde aufschiebende Wirkung. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
Das Bundesgericht prüft von Amtes wegen und mit freier Kognition, ob ein Rechtsmittel zulässig ist (Art. 29 Abs. 1 BGG; BGE 139 III 133 E. 1 S. 133 mit Hinweisen). 
 
1.1. Angefochten ist ein Endentscheid einer letzten kantonalen Instanz (Art. 75 Abs. 1 und Art. 90 BGG). Dagegen steht die Beschwerde in Zivilsachen offen. Das Streitwerterfordernis nach Art. 74 BGG gilt nicht, da die Angelegenheit als nicht vermögensrechtlich zu betrachten ist (Urteile 5A_22/2013 vom 30. Juni 2014 E. 1.1; 4A_688/2011 vom 17. April 2012 E. 1). Da auch die übrigen Sachurteilsvoraussetzungen erfüllt sind, ist - unter Vorbehalt einer hinreichenden Begründung (Art. 42 Abs. 2 und Art. 106 Abs. 2 BGG) - auf die Beschwerde in Zivilsachen einzutreten.  
 
1.2. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Es ist somit weder an die in der Beschwerde geltend gemachten Argumente noch an die Erwägungen der Vorinstanz gebunden; es kann eine Beschwerde aus einem anderen als dem angerufenen Grund gutheissen oder eine Beschwerde mit einer von der Argumentation der Vorinstanz abweichenden Begründung abweisen. Mit Blick auf die Begründungspflicht des Beschwerdeführers (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG) behandelt es aber grundsätzlich nur die geltend gemachten Rügen, sofern die rechtlichen Mängel nicht geradezu offensichtlich sind; es ist jedenfalls nicht gehalten, wie eine erstinstanzliche Behörde alle sich stellenden rechtlichen Fragen zu untersuchen, wenn diese vor Bundesgericht nicht mehr vorgetragen werden (BGE 140 III 115 E. 2 S. 116; 137 III 580 E. 1.3; 135 III 397 E. 1.4). Eine qualifizierte Rügepflicht gilt hinsichtlich der Verletzung von Grundrechten und von kantonalem und interkantonalem Recht. Das Bundesgericht prüft eine solche Rüge nur insofern, als sie in der Beschwerde präzise vorgebracht und begründet worden ist (Art. 106 Abs. 2 BGG).  
 
2.  
Die Beschwerdeführerin rügt eine Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 29 Abs. 2 BV bzw. Art. 6 Ziff. 1 EMRK). Sie bringt vor, sie habe mit Eingabe vom 14. Februar 2014 eine Stellungnahme zur Berufungsantwort des Beschwerdegegners verlangt, die ihr von der Vorinstanz zur Kenntnisnahme zugestellt worden war. Ohne ihr Gesuch zu beantworten, habe die Vorinstanz am 28. Februar 2014 den Entscheid erlassen. Durch dieses Vorgehen sei der Beschwerdeführerin das Replikrecht abgeschnitten worden. 
 
2.1. Nach Art. 29 Abs. 1 und 2 BV sowie Art. 6 Ziff. 1 EMRK haben die Parteien eines Gerichtsverfahrens Anspruch auf rechtliches Gehör und auf ein faires Gerichtsverfahren, unter Beachtung des Grundsatzes der Waffengleichheit. Diese Garantien umfassen das Recht, von allen bei Gericht eingereichten Stellungnahmen Kenntnis zu erhalten und sich dazu äussern zu können, unabhängig davon, ob die Eingaben neue und/oder wesentliche Vorbringen enthalten. Es ist Sache der Parteien zu beurteilen, ob eine Entgegnung erforderlich ist oder nicht (BGE 139 I 189 E. 3.2; 138 I 484 E. 2.1; 137 I 195 E. 2.3.1; 133 I 100 E. 4.3-4.6; je mit Hinweisen).  
Es ist Aufgabe des Gerichts, in jedem Einzelfall ein effektives Replikrecht der Parteien zu gewährleisten. Hierzu kann es einen zweiten Schriftenwechsel anordnen oder den Parteien Frist für eine allfällige Stellungnahme ansetzen. Es kann Eingaben aber auch lediglich zur Kenntnisnahme zustellen, wenn von den Parteien erwartet werden kann, dass sie umgehend unaufgefordert Stellung nehmen oder eine Stellungnahme beantragen, was namentlich bei anwaltlich Vertretenen oder Rechtskundigen der Fall ist (BGE 138 I 484 E. 2.4 und 2.5 mit Hinweisen; vgl. auch Urteile des EGMR  Schmid gegen Schweiz vom 22. Juli 2014 §§ 29 ff. und  Joos gegen Schweiz vom 15. November 2012 §§ 27 ff.). Das Gericht hat demnach bei der letztgenannten Vorgehensweise mit der Entscheidfällung so lange zuzuwarten, bis es annehmen darf, der Adressat habe auf eine weitere Eingabe verzichtet (vgl. BGE 138 I 484 E. 2.2 und 2.5; 133 I 100 E. 4.8; je mit Hinweisen).  
 
2.2. Die Berufungsantwort mitsamt Beilagen wurde der Beschwerdeführerin mit Schreiben der Vorinstanz vom 4. Februar 2014 zur Kenntnisnahme zugestellt und am 5. Februar 2014 in Empfang genommen. Mit Eingabe vom 14. Februar 2014 zeigte der Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin der Vorinstanz an, zur Wahrung des rechtlichen Gehörs vom Replikrecht Gebrauch machen zu wollen und bat hierzu - unter Hinweis auf seine Ferienabwesenheit bis 1. März 2014 und den Umfang der Berufungsantwort sowie die Anzahl neuer Vorbringen - um Ansetzung einer 20-tägigen Frist.  
Damit hat die Beschwerdeführerin der Vorinstanz innert angemessener Frist unmissverständlich eine Stellungnahme zur Berufungsantwort beantragt und hat demnach in Übereinstimmung mit den vom Bundesgericht entwickelten Grundsätzen ihr Recht auf Replik eingefordert (vgl. BGE 138 I 484 E. 2.4 und 2.5; 133 I 100 E. 4.8; 132 I 42 E. 3.3.4; vgl. auch Urteile  Schmid, § 33 und  Joos, § 32). Unter diesen Umständen kann weder ein Verzicht auf das Replikrecht noch eine Verwirkung desselben angenommen werden. Indem die Vorinstanz am 28. Februar 2014 in der Sache entschied, ohne vorgängig über den Antrag der Beschwerdeführerin auf Ansetzung einer Frist zur Stellungnahme zu befinden, verletzte sie das Replikrecht und damit den Anspruch der Beschwerdeführerin auf rechtliches Gehör und auf ein faires Gerichtsverfahren.  
 
2.3. Der Beschwerdegegner wendet ein, die Berufung der Beschwerdeführerin auf ihr Replikrecht stelle eine sinnlose Rechtsausübung dar und erfolge rechtsmissbräuchlich.  
Entgegen seiner Ansicht ist nicht dargetan, dass sich die Beschwerdeführerin einzig aus sachfremden Gründen auf die Gehörsverletzung berufen und keinerlei schutzwürdiges Interesse an der Ausübung ihres Replikrechts hätte. Dem Recht auf ein faires Verfahren einschliesslich des Replikrechts kommt nach der aufgeführten Rechtsprechung des Bundesgerichts und des EGMR eine fundamentale Bedeutung zu, so dass nicht leichthin eine rechtsmissbräuchliche Anrufung dieses Anspruchs angenommen werden darf. Eine missbräuchliche Rechtsausübung lässt sich auch nicht mit der blossen Behauptung begründen, die Gewährung des Replikrechts nach Rückweisung an die Vorinstanz sei "ein verfahrensrechtlicher Leerlauf, ohne jede Auswirkung auf den letztlich materiell richtigen Entscheid der Vorinstanz". 
 
2.4. Aufgrund der formellen Natur des Gehörsanspruchs führt dessen Verletzung zur Aufhebung des angefochtenen Entscheids, ohne dass die überdies erhobenen Rügen zu prüfen wären (BGE 137 I 195 E. 2.2 und 2.7; 135 I 187 E. 2.3). Eine Heilung dieser Gehörsverletzung kommt im bundesgerichtlichen Verfahren nicht in Betracht, da das Bundesgericht den Sachverhalt nicht frei überprüfen kann (Art. 105 Abs. 1 und 2 BGG; BGE 137 I 195 E. 2.3.2 und 2.7 mit Hinweisen).  
 
3.  
Die Beschwerde ist teilweise gutzuheissen, der angefochtene Entscheid ist aufzuheben und die Sache zu neuer Entscheidung unter Gewährung des rechtlichen Gehörs an die Vorinstanz zurückzuweisen. Bei diesem Verfahrensausgang wird der Beschwerdegegner kosten- und entschädigungspflichtig (Art. 66 Abs. 1 und Art. 68 Abs. 2 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird teilweise gutgeheissen, der Entscheid des Obergerichts des Kantons Zürich vom 28. Februar 2014 wird aufgehoben und die Sache zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückgewiesen. 
 
2.  
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdegegner auferlegt. 
 
3.  
Der Beschwerdegegner hat die Beschwerdeführerin für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 2'500.-- zu entschädigen. 
 
4.  
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zürich, II. Zivilkammer, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 18. September 2014 
 
Im Namen der I. zivilrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Die Präsidentin: Klett 
 
Der Gerichtsschreiber: Leemann