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«AZA 7» 
K 102/99 Vr 
 
 
IV. Kammer 
Bundesrichter Borella, Rüedi und Bundesrichterin Leuzinger; Gerichtsschreiberin Berger 
 
 
Urteil vom 19. Januar 2001 
 
in Sachen 
La Caisse Vaudoise, Kranken- und Unfallversicherung, Rue Caroline 11, Lausanne, Beschwerdeführerin, 
 
gegen 
1. R.________, 1952, 2. S.________, 1955, 
3. I.________, 1976, 
4. V.________, 1978, 
5. P.________, 1982, 
alle Schimmelstrasse 7, Zürich, Beschwerdegegner, vertreten durch X.________, 
und 
Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich, Winterthur 
 
 
A.- Der 1952 geborene R.________, seine Ehefrau S.________ (geboren 1955) und seine drei Kinder I.________ (geboren 1976), V.________ (geboren 1978) und P.________ (geboren 1982) hatten bei der "La Caisse Vaudoise", Kranken- und Unfallversicherung, Lausanne (nachfolgend: Kasse), die obligatorische Krankenpflegeversicherung mit wählbarer Jahresfranchise im Betrag von Fr. 300.-, für den jüngsten Sohn in der Höhe von Fr. 150.-, sowie je eine Zusatzversicherung abgeschlossen. Mit Schreiben vom 29. November 1996 kündigten R.________ und S.________ die Mitgliedschaft sämtlicher Familienmitglieder auf den 31. Dezember 1996. Auf demselben Schriftstück bestätigte die Kolping Krankenkasse, Zürich, die aufgeführten Personen seien nach Ablauf der Kündigungszeit ohne Versicherungsunterbruch bei ihr versichert. Die "La Caisse Vaudoise" hielt daraufhin am 16. Dezember 1996 fest, sie könne die Kündigung per Ende 1996 nicht akzeptieren. Die Frist für den Erhalt der Kündigung sei am 30. November 1996 abgelaufen. Am 6. Januar 1997 liess die Familie mitteilen, massgebend sei das Datum des Poststempels, nicht das Eingangsdatum. Die Kündigung sei am 29. November 1996, somit innert Frist, per Einschreiben verschickt worden. Daher stehe dem Austritt auf Ende 1996 nichts entgegen. In der Folge verfügte die Kasse am 18. März 1997, die am 2. Dezember 1996 bei ihr eingetroffene Kündigung sei verspätet, weshalb die obligatorische Krankenpflegeversicherung frühestens auf den 31. Dezember 1997 aufgelöst werden könne. Daran hielt sie mit Einspracheentscheid vom 30. April 1997 fest. 
 
B.- In Gutheissung der dagegen erhobenen Beschwerde hob das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich den angefochtenen Einspracheentscheid auf und stellte fest, die Kündigung der Versicherungspolicen per 31. Dezember 1996 sei fristgerecht erfolgt (Entscheid vom 28. Juli 1999). 
 
C.- Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde stellt die Kasse das Rechtsbegehren, in Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheides vom 28. Juli 1999 sei der Einspracheentscheid vom 30. April 1997 vollumfänglich zu bestätigen. 
Die Familie und das Bundesamt für Sozialversicherung (BSV) lassen sich nicht vernehmen. 
 
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: 
 
1.- Da keine Versicherungsleistungen streitig sind, hat das Eidgenössische Versicherungsgericht nur zu prüfen, ob das vorinstanzliche Gericht Bundesrecht verletzt hat, einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des Ermessens, oder ob der rechtserhebliche Sachverhalt offensichtlich unrichtig, unvollständig oder unter Verletzung wesentlicher Verfahrensbestimmungen festgestellt worden ist (Art. 132 in Verbindung mit Art. 104 lit. a und b sowie Art. 105 Abs. 2 OG). 
 
2.- Die versicherte Person kann unter Einhaltung einer dreimonatigen Kündigungsfrist den Versicherer auf das Ende eines Kalendersemesters wechseln (Art. 7 Abs. 1 KVG). Bei einer Prämienerhöhung kann sie den Versicherer unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von einem Monat seit Ankündigung der Prämienerhöhung auf das Ende eines Monats wechseln (Art. 7 Abs. 2 KVG in der vorliegend anwendbaren, bis 30. September 2000 geltenden Fassung). Für die Franchisenversicherung präzisiert Art. 94 Abs. 2 KVV (in der vorliegend massgebenden, bis 31. Dezember 1996 geltenden Fassung, dessen Gesetzmässigkeit das Eidgenössische Versicherungsgericht bejaht hat [RKUV 1998 Nr. KV 39 S. 378 Erw. 3c]), dass der Wechsel zu einem anderen Versicherer frühestens ein Jahr nach dem Beitritt zu dieser besonderen Versicherungsform unter Einhaltung einer dreimonatigen Kündigungsfrist auf das Ende eines Kalenderjahres erfolgen kann. 
 
3.- Das kantonale Gericht ist der Auffassung, die in Art. 7 Abs. 2 KVG statuierte Monatsfrist sei nicht als Kündigungsfrist im Sinne des Obligationenrechts zu verstehen, die nur dann als eingehalten gelte, wenn das empfangsbedürftige Kündigungsschreiben dem Adressaten vor Beginn der Kündigungsfrist zugegangen sei. Vielmehr gehe es dabei um eine Frist, innert welcher die versicherte Person die mit der angekündigten Prämienerhöhung vorgesehene Vertragsänderung akzeptieren oder ablehnen könne. Die Ablehnung könne mit der Auflösung des Versicherungsverhältnisses zum Ausdruck gebracht werden. Für die Berechnung und Einhaltung der Frist gälten die allgemeinen bundesverwaltungsrechtlichen Vorschriften. Die am 29. November 1996 eingeschrieben versandte Kündigung sei folglich zweifellos rechtzeitig erfolgt, zumal der 30. November 1996 auf einen Samstag gefallen sei und die Frist gemäss Art. 20 Abs. 3 VwVG erst am Montag, 2. Dezember 1996, geendigt habe. Damit seien die Versicherungsverhältnisse mit der Kasse auf Ende Dezember 1996 aufgelöst worden. Art. 94 Abs. 2 KVV gelange nicht zur Anwendung. 
Demgegenüber vertritt die Kasse die Ansicht, die Kündigung sei ein empfangsbedürftiger Akt, weshalb die allgemeinen obligationenrechtlichen Bestimmungen zur Anwendung kämen. Diese Frage könne aber vorliegend offen bleiben. Denn die Franchisenversicherungen der beschwerdegegnerischen Familie seien auf den 1. Juli 1996 abgeschlossen worden und hätten im Zeitpunkt des 31. Dezember 1996 noch kein Jahr gedauert. Deshalb habe die Kasse die Kündigung auf Grund der Regelung in Art. 94 Abs. 2 KVV zu Recht nicht akzeptiert. Eine Auflösung der Vertragsverhältnisse sei erst auf den 31. Dezember 1997 möglich. 
 
4.- a) Die Ausübung des Rechts zum Versichererwechsel gemäss Art. 7 KVG entspricht ihrer Natur und ihren Wirkungen nach einer Kündigung (im gleichen Sinn: Eugster, Krankenversicherung, in: Schweizerisches Bundesverwaltungsrecht [SBVR], S. 25 Rz 46). Dabei wird unterschieden zwischen der ordentlichen Kündigung im Sinne von Art. 7 Abs. 1 KVG und der ausserordentlichen Kündigung gemäss Art. 7 Abs. 2 KVG, welche auf die Ankündigung einer Prämienerhöhung folgt (BGE 124 V 336 Erw. 2b). 
 
 
b) Im Rahmen des bis 31. Dezember 1995 gültig gewesenen Bundesgesetzes über die Krankenversicherung vom 13. Juni 1911 (KUVG) hat das Eidgenössische Versicherungsgericht entschieden, bei der Austrittserklärung handle es sich um ein einseitiges, nicht annahmebedürftiges Rechtsgeschäft. Als (aufhebendes) Gestaltungsrecht sei sie aber stets empfangsbedürftig, entfalte ihre Wirkung somit erst dann, wenn sie in die Machtsphäre der angeschriebenen Person gelangt sei. Die Kündigung musste nach dieser Praxis mit anderen Worten spätestens am letzten Tag der gesetzlichen oder statutarischen Frist ordnungsgemäss bei der Krankenkasse eingetroffen sein. Eine Kündigung, die am letzten Tag der Post übergeben wurde, genügte deshalb zur Fristwahrung nicht, wenn sie erst zu einem späteren Zeitpunkt beim Versicherer einging (RKUV 1991 Nr. K 873 S. 195 Erw. 4a mit Hinweisen auf Lehre und Rechtsprechung). 
Die angeführte Rechtsprechung behält ihre Gültigkeit gemäss dem noch nicht veröffentlichten Urteil A. vom 1. Dezember 2000, K 69/00, auch nach Inkrafttreten des KVG. Das neue Recht hat am Umstand, dass die versicherte Person das Rechtsverhältnis mit der Krankenkasse mittels eines einfachen Gestaltungsaktes beenden kann, nichts geändert. Der einzige Unterschied zum KUVG besteht darin, dass das Versicherungsverhältnis beim bisherigen Versicherer - in Nachachtung des in Art. 3 KVG statuierten Versicherungsobligatoriums - erst endet, wenn ihm der neue Versicherer mitgeteilt hat, dass die betreffende Person bei ihm ohne Unterbrechung des Versicherungsschutzes versichert ist (Art. 7 Abs. 5 KVG). Diese Einschränkung ändert jedoch nichts an der Einseitigkeit der Willenserklärung, mit welcher die versicherte Person nach Massgabe von Art. 7 KVG das obligatorische Krankenpflegeversicherungsverhältnis mit der Kasse beenden kann. Die Wirksamkeit der Kündigung hängt, wie schon unter altem Recht, nicht von der Zustimmung des Versicherers ab. 
 
Für die Geltung der Empfangstheorie spricht im Übrigen auch die neue, seit 1. Oktober 2000 in Kraft stehende Fassung des Art. 7 Abs. 2 KVG
 
"Bei der Mitteilung der neuen Prämie kann die versicherte Person den Versicherer unter Einhaltung einer einmonatigen Kündigungsfrist auf das Ende eines Monats wechseln, welcher der Gültigkeit der neuen Prämie vorausgeht. Der Versicherer muss die neuen, vom Bundesamt für Sozialversicherung (Bundesamt) genehmigten Prämien jeder versicherten Person mindestens zwei Monate im Voraus mitteilen und dabei auf das Recht, den Versicherer zu wechseln, hinweisen." 
Nach der Botschaft betreffend den Bundesbeschluss über die Bundesbeiträge in der Krankenversicherung und die Teilrevision des Bundesgesetzes über die Krankenversicherung vom 21. September 1998 (BBl 1999 I 793) soll gemäss dem neuen Art. 7 Abs. 2 KVG die Möglichkeit für den Versichererwechsel unabhängig davon bestehen, ob die neue, vom BSV genehmigte Prämie gleich hoch, niedriger oder höher ist als die frühere Prämie. Zusätzlich wurde mit der Neuformulierung des Gesetzesartikels der Termin für den Wechsel des Versicherers im folgenden Sinn vereinheitlicht: "wenn die Prämien ab dem 1. Jan. gültig sind, so hat der Versicherer diese spätestens bis zum 31. Okt. mitzuteilen und die Versicherten können ihren Wechsel bis zum 30. Nov. mitteilen" (BBl 1999 I 836). Bezüglich des Grundsatzes, wonach die versicherte Person eine Kündigungsfrist von einem Monat einzuhalten hat, um den Versicherer wechseln zu können, hat der neue Art. 7 Abs. 2 KVG im Vergleich zur alten Version keine Neuerungen gebracht. Indem in der Botschaft ausgeführt wird, "die Versicherten können ihren Wechsel bis zum 30. Nov. mitteilen" (BBl 1999 I 836), wird klar zum Ausdruck gebracht, dass die Empfangstheorie Anwendung finden soll, um die Kündigungsfrist von einem Monat gemäss Art. 7 Abs. 2 KVG zu berechnen (noch nicht veröffentlichtes Urteil A. vom 1. Dezember 2000, K 69/00). 
 
 
c) Die der Kasse am 2. Dezember 1996 zugegangene Erklärung, mit welcher das Ehepaar für sich und die übrigen Familienmitglieder den Willen zum Ausdruck gebracht hat, den Versicherer auf den 31. Dezember 1996 zu wechseln, erweist sich nach dem Gesagten als verspätet. Das Rechtsgeschäft entfaltet seine Wirkung folglich auf den nächstmöglichen Kündigungstermin (RKUV 1991 Nr. K 873 S. 195 Erw. 4a mit Hinweisen), bei den zur Diskussion stehenden Franchisenversicherungen somit, wie von der Kasse im Einspracheentscheid vom 30. April 1997 richtig festgehalten, auf den 31. Dezember 1997 (Art. 7 Abs. 1 KVG in Verbindung mit Art. 94 Abs. 2 KVV). 
 
5.- Bei dieser Rechts- und Tatsachenlage kann offen bleiben, ob der Wechsel zu einem anderen Versicherer auf den 31. Dezember 1996 auch in Anbetracht des Umstandes, dass die Familienmitglieder die Franchisenversicherungen erst auf den 1. Juli 1996 abgeschlossen hatten und die Versicherungsverhältnisse im Zeitpunkt des 31. Dezember 1996 erst ein halbes Jahr dauerten, nicht möglich gewesen wäre, wie dies in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde geltend gemacht wird. Ebenfalls nicht beantwortet werden muss, ob die Beschwerdegegner zufolge der Regelung in Art. 94 Abs. 2 KVV überdies eine Kündigungsfrist von drei Monaten hätten einhalten müssen, damit der Austritt aus den Franchisenversicherungen auf den 31. Dezember 1996 hätte wirksam werden können. 
 
6.- Da es nicht um die Bewilligung oder Verweigerung von Versicherungsleistungen geht, ist das Verfahren kostenpflichtig (Art. 134 OG e contrario). Entsprechend dem Ausgang des Verfahrens gehen die Kosten zu Lasten der Beschwerdegegner (Art. 156 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 135 OG). 
 
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht: 
 
I. In Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird 
der Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kan- 
tons Zürich vom 28. Juli 1999 aufgehoben. 
 
II. Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden den Beschwer- 
degegnern auferlegt. 
III. Der geleistete Kostenvorschuss von Fr. 500.- wird der 
"La Caisse Vaudoise", Kranken- und Unfallversicherung, 
zurückerstattet. 
 
IV. Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversiche- 
rungsgericht des Kantons Zürich und dem Bundesamt für 
Sozialversicherung zugestellt. 
Luzern, 19. Januar 2001 
Im Namen des 
Eidgenössischen Versicherungsgerichts 
Der Präsident der IV. Kammer: