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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
                 
 
 
6B_1049/2017  
 
 
Urteil vom 19. Januar 2018  
 
Strafrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Denys, Präsident, 
Bundesrichter Rüedi, 
Bundesrichterin Jametti, 
Gerichtsschreiberin Bianchi. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Markus Loher, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
1. Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich, Florhofgasse 2, 8090 Zürich, 
2. X.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Guy Reich, 
Beschwerdegegner. 
 
Gegenstand 
Einstellung (fahrlässige Körperverletzung), 
 
Beschwerde gegen den Beschluss des Obergerichts des Kantons Zürich, III. Strafkammer, vom 8. August 2017 (UE170042-O/U/HEI). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Am 4. Oktober 2015 kam es auf dem Trottoir an der Kreuzung B.________-Strasse/C.________-Strasse in D.________ zu einer Kollision zwischen A.________ und X.________. X.________ war gerade daran, mit seinem Fahrzeug von der B.________-Strasse auf die C.________-Strasse einzubiegen und musste dabei das Trottoir überqueren. Beim Anfahren traf er auf A.________, die mit ihrem E-Bike unterwegs war. Durch die Kollision erlitt sie eine Gehirnerschütterung, Prellungen sowie eine Rissquetschwunde. A.________ erhob Strafantrag gegen X.________. 
 
B.  
Die Staatsanwaltschaft See/Oberland des Kantons Zürich führte gegen X.________ eine Strafuntersuchung wegen fahrlässiger Körperverletzung. Mit Verfügung vom 3. Februar 2017 stellte sie das Strafverfahren ein. 
 
C.  
A.________ erhob Beschwerde gegen die Einstellungsverfügung. Das Obergericht des Kantons Zürich wies die Beschwerde mit Beschluss vom 8. August 2017 ab. 
 
D.  
A.________ beantragt mit Beschwerde in Strafsachen, der Beschluss des Obergerichts sei aufzuheben und die Staatsanwaltschaft sei anzuweisen, das Strafverfahren zur Anklage zu bringen. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Die Privatklägerschaft ist zur Beschwerde in Strafsachen nur berechtigt, wenn der angefochtene Entscheid sich auf die Beurteilung ihrer Zivilansprüche auswirken kann (Art. 81 Abs. 1 lit. b Ziff. 5 BGG). In erster Linie geht es um Ansprüche auf Schadenersatz und Genugtuung gemäss Art. 41 ff. OR. Richtet sich die Beschwerde gegen die Einstellung eines Strafverfahrens, muss die Privatklägerschaft im Verfahren vor Bundesgericht darlegen, aus welchen Gründen und inwiefern sich der angefochtene Entscheid auf bezeichnete Zivilforderungen auswirken kann. Das Bundesgericht stellt hohe Anforderungen an die Begründung der Legitimation. Genügt die Beschwerde diesen Anforderungen nicht, kann darauf nur eingetreten werden, wenn aufgrund der Natur der untersuchten Straftat ohne Weiteres ersichtlich ist, dass bestimmte Zivilforderungen im Raum stehen (BGE 141 IV 1 E. 1.1 S. 4 f. mit Hinweisen).  
Wird von der Privatklägerschaft eine einfache Körperverletzung geltend gemacht, ist auf die Beschwerde grundsätzl ich nicht e inzutreten, wenn es an einer überzeugenden Begründung der Zivilforderung fehlt (Christian Denys, Le recours en matière pénale de la partie plaignante, in: SJ 2014 II S. 254 mit Verweis auf Urteil 6B_1001/2013 vom 16. Januar 2014 E. 1.2). Unter Berücksichtigung der Arbeitsunfähigkeit kann eine nicht anderweitig gedeckte Forderung (Genugtuung) indes aufgrund der Natur der Sache auf der Hand liegen (vgl. Urteil 6B_498/2017 vom 6. November 2017 E. 1.2.). 
 
1.2. Im Beschluss der Vorinstanz wird ausgeführt, dass die Beschwerdeführerin infolge der erlittenen Gehirnerschütterung, Prellungen und Rissquetschwunde vom 4. Oktober 2015 bis Ende Januar 2016 zu 100% und seit Februar 2016 zu 50% arbeitsunfähig geschrieben sei. Ob zumindest eine daraus erwachsende nicht anderweitig gedeckte Forderung (Genugtuung) auf der Hand liegt, kann offen bleiben, da die Beschwerde ohnehin abzuweisen ist.  
 
2.  
 
2.1. Die Beschwerdeführerin rügt, die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz sei in verschiedener Hinsicht willkürlich (Art. 9 BV) erfolgt.  
 
2.2. Die vorinstanzliche Sachverhaltsfeststellung kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG; vgl. auch Art. 105 Abs. 1 und 2 BGG). Offensichtlich unrichtig im Sinne von Art. 97 Abs. 1 BGG ist die Sachverhaltsfeststellung, wenn sie willkürlich ist (BGE 143 IV 241 E. 2.3.1 S. 244 mit Hinweisen).  
Willkür liegt vor, wenn der angefochtene Entscheid schlechterdings unhaltbar ist oder mit der tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch steht. Dass eine andere Lösung oder Würdigung ebenfalls vertretbar oder gar zutreffender erscheint, genügt nicht (BGE 143 IV 241 E. 2.3.1 S. 244 mit Hinweisen). Die Willkürrüge muss explizit vorgebracht und substanziiert begründet werden (Art. 106 Abs. 2 BGG). Dazu genügt es nicht, einen von den tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz abweichenden Sachverhalt zu behaupten oder die eigene Beweiswürdigung zu erläutern (BGE 137 II 353 E. 5.1 S. 356). Dass die von den Sachgerichten gezogenen Schlüsse nicht mit der Darstellung der beschwerdeführenden Partei übereinstimmen, belegt keine Willkür. Auf ungenügend begründete Rügen oder allgemeine appellatorische Kritik am angefochtenen Entscheid tritt das Bundesgericht nicht ein (BGE 142 III 364 E. 2.4 S. 368). 
Art. 97 Abs. 1 BGG gelangt auch bei Beschwerden gegen eine Einstellung des Strafverfahrens zur Anwendung (vgl. BGE 138 IV 186 E. 4.3.2 S. 193). Die Staatsanwaltschaft und die Beschwerdeinstanz dürfen der Beweiswürdigung durch das Sachgericht bei einer unklaren Beweislage nicht vorgreifen. Das Bundesgericht prüft bei der Willkürkognition nach Art. 97 Abs. 1 BGG im Rahmen einer Beschwerde gegen eine Einstellung daher nicht wie beispielsweise bei einem Schuldspruch, ob die vorinstanzlichen Sachverhaltsfeststellungen willkürlich sind, sondern im Sinne des Grundsatzes "in dubio pro duriore", ob die Vorinstanz willkürlich von einer "klaren Beweislage" ausging oder gewisse Tatsachen willkürlich für "klar erstellt" annahm. Dies ist der Fall, wenn offensichtlich nicht gesagt werden kann, es liege ein klarer Sachverhalt vor bzw. wenn ein solcher Schluss schlechterdings unhaltbar ist (BGE 143 IV 241 E. 2.3.2 S. 244 f.). 
 
2.3. Die Vorinstanz hält aufgrund der Aussagen des Beschwerdegegners 2, der Beschwerdeführerin sowie der Zeugin E.________ fest, der Beschwerdegegner 2 sei in angemessener Weise an die Kreuzung herangefahren und habe vor dem Trottoir angehalten. Die Zeugin habe bestätigt, dass der Beschwerdegegner 2 sich mit mindestens drei Seitenblicken einen Überblick über die Verkehrssituation verschafft habe. Der Beschwerdegegner 2 sei sich nach eigenen Angaben der unübersichtlichen Verkehrsverhältnisse bewusst gewesen. Es sei schwer vorstellbar, dass er die in knallrot gekleidete Beschwerdeführerin übersehen hätte, wenn diese wie von ihr beschrieben neben ihrem E-Bike auf dem Trottoir gewartet hätte und dann ihr E-Bike stossend vor dem Beschwerdegegner 2 durchgegangen wäre. Die Zeugin habe freie Sicht auf den Unfallort gehabt und das Fahrzeug von vorne beobachten können. Sie hätte insofern die Beschwerdeführerin sehen müssen, wenn diese wie von ihr beschrieben vor dem Fahrzeug des Beschwerdegegners 2 durchgegangen wäre. Es sei demnach davon auszugehen, dass die Beschwerdeführerin nicht neben ihrem E-Bike wartend auf dem Trottoir bereit gestanden sei, sondern dass sie in einer für den Beschwerdegegner 2 nicht vorhersehbaren und überraschenden Weise vor sein Fahrzeug gelangt sei. Eine Sorgfaltspflichtverletzung durch den Beschwerdegegner 2 sei somit nicht erstellbar, weswegen die Staatsanwaltschaft bei einer Anklage mit einem Freispruch rechnen durfte und das Strafverfahren zu Recht eingestellt habe.  
 
2.4. Die Beschwerdeführerin macht geltend, die Vorinstanz sei in willkürlicher Art und Weise davon ausgegangen, dass der Beschwerdegegner 2 mit genügender Aufmerksamkeit an die Kreuzung herangefahren sei. Die Kollision lasse sich auch mit der Geistesabwesenheit des Beschwerdegegners 2 erklären.  
 
2.5. Die Beschwerdeführerin legt einzig ihre Sicht der Dinge dar, wonach der Beschwerdegegner 2 sie trotz mehrfacher Seitenblicke aufgrund seiner Unaufmerksamkeit übersehen habe und stellt bei ihren Vorbringen auf einen von der Vorinstanz abweichenden Sachverhalt ab. So beruhen etwa ihre Berechnungen zur Geschwindigkeit, mit welcher sie sich dem Fahrzeug des Beschwerdegegners 2 hätte nähern müssen, damit dieser sie trotz aufmerksamer Seitenblicke hätte übersehen können, auf der von ihr vertretenen Sachverhaltsvariante, wonach sie für den Beschwerdegegner 2 überschaubar aus Richtung F.________ gekommen sei. Dass die Vorinstanz willkürlich von einer klaren Beweislage ausgegangen wäre, vermag sie damit nicht darzulegen.  
 
2.6. Weiter wendet die Beschwerdeführerin ein, die Vorinstanz habe die Zeugenaussage von E.________ willkürlich gewürdigt. Die Zeugin habe den Bereich in Richtung F.________ nicht wahrnehmen können. Dennoch habe die Vorinstanz festgestellt, dass die Zeugin sie hätte wahrnehmen müssen, wenn sie auf dem Trottoir von F.________ kommend auf die Kreuzung getreten wäre.  
Die Vorinstanz stellt fest, dass die Zeugin freie Sicht auf das Fahrzeug von vorne hatte und insofern hätte sehen müssen, wenn die Beschwerdeführerin "wie von ihr beschrieben" vor dem Fahrzeug des Beschwerdegegners 2 durchgegangen wäre (angefochtener Beschluss, S. 13). Die Vorinstanz bezog sich dabei nicht auf die von der Beschwerdeführerin beschriebene Richtung, sondern auf den Umstand, dass sie neben ihrem E-Bike stehend auf dem Trottoir gewartet habe und dann das E-Bike stossend vor dem Fahrzeug des Beschwerdegegners 2 durchgegangen sei. Die Vorinstanz konnte willkürfrei davon ausgehen, es sei klar erstellt, dass die Zeugin die Beschwerdeführerin dabei wahrgenommen hätte, zumal sie freie Sicht auf das Fahrzeug von vorne hatte. 
 
2.7. Die Beschwerdeführerin bringt schliesslich vor, die Vorinstanz sei in willkürlicher Weise davon ausgegangen, dass sie in für den Beschwerdegegner 2 nicht vorhersehbarer Weise vor sein Fahrzeug gelangt sei. Die Vorinstanz habe nicht dargelegt, aus welcher Richtung sie vor das Fahrzeug des Beschwerdegegners 2 gelangt sei, weswegen auch nicht festgestellt werden könne, dass dies in nicht vorhersehbarer Weise geschehen sei.  
Die Vorinstanz hat in nachvollziehbarer Weise dargelegt, warum gestützt auf die Aussagen des Beschwerdegegners 2 sowie der Zeugin davon auszugehen ist, dass die Beschwerdeführerin in überraschender Weise vor das Fahrzeug gelangte. Die fehlende Präzisierung der Richtung, aus welcher die Beschwerdeführerin kam, vermag nicht darzutun, dass die Vorinstanz willkürlich von einem klaren Sachverhalt ausgegangen wäre. 
 
2.8. Insgesamt zeigt die Beschwerdeführerin nicht auf, dass die Vorinstanz willkürlich davon ausging, dass eine Sorgfaltspflichtverletzung durch den Beschwerdegegner 2 klar nicht erstellbar sei. Die Beschwerde erweist sich als unbegründet, soweit sie den Begründungsanforderungen von Art. 106 Abs. 2 BGG überhaupt zu genügen vermag.  
 
3.  
Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. Die Gerichtskosten sind der Beschwerdeführerin ausgangsgemäss aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
 
2.  
Die Gerichtskosten von Fr. 3'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt. 
 
3.  
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zürich, III. Strafkammer, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 19. Januar 2018 
 
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Denys 
 
Die Gerichtsschreiberin: Bianchi