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Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
1C_10/2008 
 
Urteil vom 19. Februar 2008 
I. öffentlich-rechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter Aemisegger, präsidierendes Mitglied, 
Bundesrichter Reeb, Fonjallaz, 
Gerichtsschreiber Härri. 
 
Parteien 
A.X.________, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Rolf Kuhn, 
 
gegen 
 
Schweizerische Bundesanwaltschaft, 
Taubenstrasse 16, 3003 Bern. 
 
Gegenstand 
Internationale Rechtshilfe in Strafsachen; Herausgabe von Beweismitteln an den ersuchenden Staat, 
 
Beschwerde gegen den Entscheid vom 19. Dezember 2007 des Bundesstrafgerichts, II. Beschwerdekammer. 
 
Sachverhalt: 
 
A. 
Die türkische Oberstaatsanwaltschaft Sisli Istanbul ermittelt gegen mehrere Mitglieder der Familie X.________, darunter A.X.________, sowie weitere Personen wegen Geldwäscherei, Betrugs und Unterschlagung. Die Beschuldigten werden verdächtigt, an strafbaren Handlungen im Rahmen der Geschäftsführung der türkischen Bank K.________ teilgenommen zu haben. Die Geschäftsführer der Bank K.________, die gleichzeitig Geschäftsführer der X.________-Gruppe gewesen seien, hätten in den Jahren 1998 bis 2003 durch Fälschungs- und Betrugsmethoden der Bank K.________ Gelder entzogen und diese über Gesellschaften der X.________-Gruppe in verschiedene Länder, unter anderem die Schweiz, überwiesen. Die Geldabflüsse seien mittels einer gefälschten Buchhaltung und verfälschten Berichten zuhanden der türkischen staatlichen Bankenaufsicht vertuscht worden. Nachdem die Bank K.________ im Juni 2003 in Zahlungsschwierigkeiten geraten sei, habe für sie die türkische staatliche Bankenaufsicht eine neue Geschäftsführung ernannt. Für die Schulden der Bank K.________ von umgerechnet über 6 Milliarden US-Dollar habe zufolge der staatlichen Garantiehaftung grösstenteils der türkische Steuerzahler aufkommen müssen. 
 
Im gleichen Zusammenhang eröffnete die Schweizerische Bundesanwaltschaft im Anschluss an mehrere türkische Rechtshilfeersuchen am 3. September 2003 ein gerichtspolizeiliches Ermittlungsverfahren gegen B.X.________ und C.X.________ wegen des Verdachts der Geldwäscherei. Die Bundesanwaltschaft dehnte das schweizerische Strafverfahren zwischen dem 14. Oktober 2003 und dem 2. Februar 2004 auf zahlreiche weitere Personen, darunter A.X.________, aus; ebenso am 25. Februar und 20. Dezember 2004 auf die Tatbestände der qualifizierten Geldwäscherei und des gewerbsmässigen Betrugs. 
 
Im Rahmen des schweizerischen Strafverfahrens verfügte die Bundesanwaltschaft am 7. Juni 2004 die Durchsuchung einer von A.X.________ gemieteten Wohnung in N.________ (CH). Anlässlich der Untersuchung vom 9. Juni 2004 wurde umfangreiches Material (Geschäftsunterlagen, Bankcouverts, Bargeld, Checks etc.) beschlagnahmt. Die in der Folge von A.X.________ anbegehrte Aufhebung der Beschlagnahme lehnten die Bundesanwaltschaft und auf Beschwerde hin das Bundesstrafgericht sowie das Bundesgericht ab (Urteil 1S.3/2007 vom 25. April 2007). 
 
B. 
Am 29. Januar 2005 ersuchte die Oberstaatsanwaltschaft Sisli Istanbul die Schweiz um Beschlagnahme und Herausgabe von Unterlagen betreffend verschiedene natürliche und juristische Personen, die im Zusammenhang mit den mutmasslichen Straftaten stehen sollen. 
 
Am 25. Mai 2005 trat die Bundesanwaltschaft auf das Rechtshilfeersuchen ein. Mit Zwischenverfügung vom 31. Mai 2005 beschlagnahmte sie sämtliche Unterlagen und Gegenstände gemäss Sicherstellungsprotokoll der Hausdurchsuchung vom 9. Juni 2004 auch rechtshilfeweise. 
 
Mit Schlussverfügung vom 21. Juni 2007 entsprach die Bundesanwaltschaft dem Rechtshilfeersuchen vom 29. Januar 2005 und ordnete die Herausgabe in Kopie der unter Ziff. 19 Pos. 1-22 der Verfügung angeführten Unterlagen aus der Hausdurchsuchung vom 9. Juni 2004 an die ersuchende Behörde an. Sie auferlegte A.X.________ die Kosten für die Schlussverfügung von Fr. 1'500.--. 
 
C. 
In teilweiser Gutheissung der von A.X.________ dagegen eingereichten Beschwerde hob das Bundesstrafgericht (II. Beschwerdekammer) am 19. Dezember 2007 die Schlussverfügung auf, soweit die Bundesanwaltschaft darin A.X.________ Kosten auferlegte. Im Übrigen wies es die Beschwerde ab, soweit es darauf eintrat. 
 
D. 
A.X.________ führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten mit dem Antrag, der Entscheid der Vorinstanz und die Schlussverfügung seien aufzuheben; die Zwischenverfügung der Bundesanwaltschaft vom 31. Mai 2005 sei aufzuheben und letztere anzuweisen, dem Beschwerdeführer die damit beschlagnahmten Unterlagen, Gegenstände etc. umgehend herauszugeben (Originale und sämtliche Kopien), soweit sie nicht im von der Bundesanwaltschaft gegen den Beschwerdeführer geführten schweizerischen Strafverfahren beschlagnahmt seien; das Rechtshilfeersuchen vom 29. Januar 2005 sei abzuweisen, soweit es den Beschwerdeführer betreffe; diesem sei gemäss Art. 43 BGG eine angemessene Nachfrist zur Ergänzung der Beschwerdebegründung anzusetzen. 
 
E. 
Das Bundesstrafgericht hat auf Gegenbemerkungen verzichtet. 
Die Bundesanwaltschaft und das Bundesamt für Justiz haben sich vernehmen lassen je mit dem Antrag, auf die Beschwerde sei nicht einzutreten. Sie halten dafür, die Beschwerde sei unzulässig, da kein besonders bedeutender Fall vorliege. 
A.X.________ hat zu den Vernehmlassungen eine Stellungnahme eingereicht. Er beantragt, auf die Beschwerde sei einzutreten. 
 
Erwägungen: 
 
1. 
Gemäss Art. 84 BGG ist gegen einen Entscheid auf dem Gebiet der internationalen Rechtshilfe in Strafsachen die Beschwerde nur zulässig, wenn er unter anderem eine Übermittlung von Informationen aus dem Geheimbereich betrifft und es sich um einen besonders bedeutenden Fall handelt (Abs. 1). Ein besonders bedeutender Fall liegt insbesondere vor, wenn Gründe für die Annahme bestehen, dass elementare Verfahrensgrundsätze verletzt worden sind oder das Verfahren im Ausland schwere Mängel aufweist (Abs. 2). 
 
Der Begriff des schweren Mangels des ausländischen Verfahrens ist restriktiv auszulegen (BGE 133 IV 271 E. 2.2.2 S. 274, mit Hinweis). 
 
Art. 84 BGG bezweckt die starke Begrenzung des Zugangs zum Bundesgericht im Bereich der internationalen Rechtshilfe in Strafsachen (BGE 133 IV 131 E. 3 S. 132; 133 IV 132 E. 1.3 S. 134; 133 IV 271 E. 2.2.2 S. 274). Bei der Beantwortung der Frage, ob ein besonders bedeutender Fall gegeben ist, steht dem Bundesgericht ein weiter Ermessensspielraum zu (BGE 1C_205/2007 vom 18. Dezember 2007 E. 1.3.1, mit Hinweis). 
 
Gemäss Art. 42 Abs. 2 BGG ist in der Begründung der Rechtsschrift in gedrängter Form darzulegen, inwiefern der angefochtene Akt Recht verletzt. Ist eine Beschwerde nur unter der Voraussetzung zulässig, dass ein besonders bedeutender Fall nach Artikel 84 vorliegt, so ist auszuführen, warum diese Voraussetzung erfüllt ist. 
 
Erachtet das Bundesgericht eine Beschwerde auf dem Gebiet der internationalen Rechtshilfe in Strafsachen als unzulässig, so fällt es gemäss Art. 107 Abs. 3 BGG den Nichteintretensentscheid innert 15 Tagen seit Abschluss eines allfälligen Schriftenwechsels. 
 
Nach Art. 109 BGG entscheidet die Abteilung in Dreierbesetzung über Nichteintreten auf Beschwerden, bei denen kein besonders bedeutender Fall vorliegt (Abs. 1). Der Entscheid wird summarisch begründet. Es kann ganz oder teilweise auf den angefochtenen Entscheid verwiesen werden (Abs. 3). 
 
2. 
2.1 Im vorliegenden Fall geht es um die Übermittlung von Informationen aus dem Geheimbereich und damit um ein Sachgebiet, bei dem die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten nach Art. 84 Abs. 1 BGG möglich ist. Es stellt sich die Frage, ob ein besonderes bedeutender Fall gegeben sei. 
 
2.2 Der Beschwerdeführer bringt (Beschwerde S. 6 ff.) vor, das Bundesgericht habe im Urteil 1S.3/2007 vom 25. April 2007 (E. 5.2) dargelegt, es handle sich hier um eine komplexe Strafuntersuchung bzw. einen komplexen Fall. Der Beschwerdeführer ist der Auffassung, ein besonders bedeutender Fall sei damit gegeben. 
 
Zudem macht er geltend, es seien elementare Verfahrensgrundsätze verletzt worden. Die Vorinstanz habe das mangelhafte Rechtshilfeersuchen, statt nicht darauf einzutreten bzw. es zur Verbesserung zurückzuweisen, einseitig zugunsten des ersuchenden Staates um Sachverhalte ergänzt, die im Rechtshilfegesuch gar nicht ausdrücklich umschrieben gewesen seien. Überdies habe die Vorinstanz das Rechtshilfeersuchen als genügend eingestuft, obwohl das Erfordernis der doppelten Strafbarkeit nicht gegeben sei und die Unterlagen mit hoher Wahrscheinlichkeit für die Untersuchung von Steuerdelikten verwendet würden. 
 
Ferner sei zu befürchten, dass die Unterlagen in der Türkei für politische Zwecke missbraucht und in den dortigen Medien veröffentlicht würden zwecks Untergrabung der Glaubwürdigkeit der türkischen E.________-Partei, deren Mitglied C.X.________ sei. Das in der Türkei geführte Strafverfahren weise schwere Mängel auf und es sei davon auszugehen, dass es politisch motiviert sei. 
 
2.3 Zwar trifft es zu, dass dem türkischen Strafverfahren ein komplexer Sachverhalt zugrunde liegt. Deshalb ist hier jedoch kein besonders bedeutender Fall im Sinne von Art. 84 BGG gegeben. Die sich im schweizerischen Rechtshilfeverfahren stellenden Fragen sind nicht komplex. Die Vorinstanz hat dazu einlässlich Stellung genommen. Ihr Entscheid stützt sich auf die bundesgerichtliche Rechtsprechung und überzeugt. Für das Bundesgericht besteht deshalb kein Anlass, die Sache an die Hand zu nehmen. Wie das Bundesamt in der Vernehmlassung zutreffend darlegt, liefe das Eintreten auf die vorliegende Beschwerde dem Zweck von Art. 84 BGG zuwider, den Zugang zum Bundesgericht stark einzuschränken; denn bei der "kleinen" Rechtshilfe wie hier liegen dem ausländischen Verfahren häufig komplexe Sachverhalte zugrunde. Würde das für das Eintreten genügen, müsste sich das Bundesgericht ebenso häufig mit Rechtshilfefällen befassen, was Art. 84 BGG gerade verhindern will. 
 
Soweit der Beschwerdeführer die Verletzung elementarer Verfahrensrechte geltend macht, sind seine Vorbringen ebenfalls nicht geeignet, die besondere Bedeutung des Falles darzutun. Der Beschwerdeführer äussert sich insoweit in der Sache gar nicht zur Verletzung von Verfahrensrechten. Vielmehr rügt er angebliche materielle Mängel des angefochtenen Entscheids und bringt vor, die Rechtshilfe sei aus verschiedenen Gründen unzulässig. Auch dies legt das Bundesamt in der Vernehmlassung (S. 2/3) zutreffend dar. 
 
Die Vorbringen des Beschwerdeführers sind ebenso unbehelflich, soweit er geltend macht, das türkische Verfahren sei politisch motiviert. Dazu äusserte sich die Vorinstanz bereits in ihrem Urteil vom 16. August 2006, welches das schweizerische Strafverfahren betraf. Sie verneinte ein rein politisch motiviertes Vorgehen der türkischen Behörden (S. 18 f. E. 6.3.1). Die vom Beschwerdeführer dagegen erhobene Beschwerde beurteilte das Bundesgericht (ausser im Kostenpunkt) als unbegründet. Es bejahte insbesondere einen hinreichenden, objektiv begründeten konkreten Tatverdacht in Bezug auf die den Beschuldigten in der Türkei vorgeworfenen Straftaten (Urteil 1S.16/2006 vom 9. Januar 2007 E. 4.2 und 4.3.3-4.3.5; vgl. auch Urteil 1S.3/2007 vom 25. April 2007 E. 3). Besteht ein objektiv begründeter konkreter Tatverdacht, kann nicht angenommen werden, das türkische Strafverfahren sei lediglich vorgeschoben und politisch motiviert. Hinreichende Anhaltspunkte für einen schweren Mangel des ausländischen Verfahrens im Sinne von Art. 84 Abs. 2 BGG bestehen nicht. Ein solcher schwerer Mangel kann umso weniger angenommen werden, als der Begriff - wie dargelegt - nach der Rechtsprechung restriktiv auszulegen ist. 
 
Der Beschwerdeführer macht zu Recht nicht geltend, es liege ein besonders bedeutender Fall vor, weil sich der mutmassliche Deliktsbetrag im türkischen Verfahren auf mehrere hundert Millionen US-Dollar beläuft und möglicherweise sogar im Milliardenbereich liegt. Massgeblich ist in erster Linie der Gegenstand des schweizerischen Rechtshilfeverfahrens. Dabei geht es nicht um einen solchen Geldbetrag, sondern darum, ob Unterlagen, die hier bei einer Hausdurchsuchung beschlagnahmt worden sind, an den ersuchenden Staat herausgegeben werden dürfen. Der Fall läge anders, wenn in der Schweiz mehrere Milliarden Dollar beschlagnahmt worden wären und zu entscheiden wäre, ob die Beschlagnahme verhältnismässig sei. In einer derartigen Konstellation käme die Annahme eines besonders bedeutenden Falles in Betracht (vgl. Heinz Aemisegger/Marc Forster, in: Niggli/Uebersax/Wiprächtiger [Hrsg.], Basler Kommentar zum Bundesgerichtsgesetz, 2008, Art. 84 BGG N. 30). 
 
2.4 Nach dem Gesagten liegt hier nach der zutreffenden Ansicht des Bundesamtes und der Bundesanwaltschaft kein besonders bedeutender Fall nach Art. 84 BGG vor. Auf die Beschwerde kann deshalb nicht eingetreten werden. 
 
3. 
Bei diesem Ausgang des Verfahrens trägt der Beschwerdeführer die Kosten (Art. 66 Abs. 1 Satz 1 BGG). 
 
Da die Beschwerde unzulässig ist, ist der Antrag auf Einräumung einer Nachfrist nach Art. 43 BGG zur Ergänzung der Beschwerdebegründung gegenstandslos. 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
1. 
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten. 
 
2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
3. 
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Schweizerischen Bundesanwaltschaft, dem Bundesstrafgericht, II. Beschwerdekammer, und dem Bundesamt für Justiz, Abteilung internationale Rechtshilfe, Sektion Rechtshilfe, schriftlich mitgeteilt. 
Lausanne, 19. Februar 2008 
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Das präsidierende Mitglied: Der Gerichtsschreiber: 
 
Aemisegger Härri