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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
6B_171/2010 
 
Urteil vom 19. April 2010 
Strafrechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter Favre, Präsident, 
Bundesrichter Wiprächtiger, Mathys, 
Gerichtsschreiber Boog. 
 
Verfahrensbeteiligte 
X._________, vertreten durch Fürsprecher Luigi R. Rossi, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen 
 
Staatsanwaltschaft I des Kantons Uri, Tellsgasse 3, 6460 Altdorf UR, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Überschreiten der zulässigen Höchstgeschwindigkeit ausserorts; Willkür, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Uri, Strafrechtliche Abteilung, vom 2. Dezember 2009. 
 
Sachverhalt: 
 
A. 
X._________ wurde am 24. Juli 2008 bei der Fahrt mit seinem Motorrad auf der Oberalpstrasse in Andermatt ausserorts bei einer Geschwindigkeitskontrolle mit 135 km/h gemessen. Nach Abzug der technisch bedingten Sicherheitsmarge von 4 km/h verblieb eine Überschreitung der erlaubten Höchstgeschwindigkeit ausserorts von 80 km/h um 51 km/h. 
 
B. 
Aufgrund dieses Sachverhalts erklärte das Landgericht Ursern X._________ mit Urteil vom 16. Januar 2009 der groben Verletzung der Verkehrsregeln durch Überschreiten der zulässigen Höchstgeschwindigkeit ausserorts gemäss Art. 90 Ziff. 2 i.V.m. 27 Abs. 1, 32 Abs. 1 SVG, 4a Abs. 1 lit. b VRV und Art. 22 SSV schuldig und verurteilte ihn zu einer Geldstrafe von 10 Tagessätzen à Fr. 270.--, mit bedingtem Strafvollzug bei einer Probezeit von drei Jahren, sowie zu einer Busse von Fr. 2'600.--, bei schuldhaftem Nichtbezahlen umwandelbar in eine Ersatzfreiheitsstrafe von 10 Tagen. 
 
Eine gegen diesen Entscheid von X._________ geführte Berufung wies das Obergericht des Kantons Uri mit Urteil vom 2. Dezember 2009 ab und bestätigte das erstinstanzliche Urteil. 
 
C. 
X._________ führt Beschwerde beim Bundesgericht, mit der er beantragt, der angefochtene Entscheid sei aufzuheben und die Sache sei zur neuen Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Ferner stellt er das Gesuch um Erteilung der aufschiebenden Wirkung für seine Beschwerde. 
 
D. 
Es wurden keine Vernehmlassungen eingeholt. 
 
Erwägungen: 
 
1. 
1.1 Die Vorinstanz nimmt an, der Beschwerdeführer sei um 51 km/h zu schnell gefahren. Sie geht davon aus, dass der Tachometer des Beschwerdeführers defekt gewesen ist und eine geringere als die effektiv gefahrene Geschwindigkeit angezeigt hat. 
 
In subjektiver Hinsicht gelangt sie zum Schluss, dem Beschwerdeführer sei zumindest grobe Fahrlässigkeit vorzuwerfen. Er hätte bei Beobachtung der gebotenen Sorgfalt bemerken müssen, dass mit seinem Tachometer etwas nicht in Ordnung, und dass er mit seinem Motorrad massiv zu schnell gefahren sei. Von einem erfahrenen Motorradfahrer sei zu erwarten, dass er schon aufgrund der äusseren Umstände seine Geschwindigkeit ungefähr einschätzen könne. So müssten bei einer hohen Geschwindigkeit aufgrund des Fahrtwindes die Kopfstützmuskeln stärker aktiviert werden. Ferner könne die Geschwindigkeit in Abhängigkeit des eingelegten Ganges anhand der Motorendrehzahl abgeschätzt werden. Anhaltspunkte für die gefahrene Geschwindigkeit bildeten überdies das Motorengeräusch und die verlängerten Bremswege. Dem Beschwerdeführer hätte schliesslich auch aufgrund des Fahrverhaltens der übrigen Verkehrsteilnehmer auf der kurvenreichen Passstrasse seine massiv überhöhte Geschwindigkeit auffallen müssen. Selbst wenn ihm eine Fehleinschätzungsquote von 15% eingeräumt werde, ergäbe sich bei einer Ausgangsgeschwindigkeit von 131 km/h immer noch eine Fahrgeschwindigkeit von rund 111 km/h anstelle der erlaubten 80 km/h. Auch eine Überschreitung der Höchstgeschwindigkeit ausserorts um 31 km/h stelle eine grobe Verkehrsregelverletzung dar (angefochtenes Urteil S. 7 ff.; erstinstanzliches Urteil S. 7 ff.). 
 
1.2 Der Beschwerdeführer macht geltend, er habe nach dem Vorfall beim TCS Service Center in St. Gallen die Geschwindigkeitsanzeige seines Motorrades kontrollieren lassen. Die Prüfung habe ergeben, dass sein Tachometer von Anfang an nicht richtig funktioniert habe. Die angezeigte Geschwindigkeit liege 20 % und mehr unter der effektiv gefahrenen Geschwindigkeit. 
 
Gemäss Art. 55 VTS dürfe jeder Lenker eines Motorfahrzeugs davon ausgehen, dass die auf dem Tacho angezeigte Geschwindigkeit über der effektiv gefahrenen Geschwindigkeit liege. Für die von der Vorinstanz eingeräumte Fehleinschätzungsquote von lediglich 15 % bestünden keine objektivierbaren Gründe. Es stehe fest, dass die Differenz zwischen der angezeigten und der gefahrenen Geschwindigkeit effektiv mindestens 20 % betragen und sich bei zunehmender Geschwindigkeit vergrössert habe. Ausgehend von einer Fahrgeschwindigkeit von 131 km/h müsse ein Abzug um 21,24 % bzw. von 27,83 km/h vorgenommen werden, was einer angezeigten Geschwindigkeit von 94,5 km/h entspreche. Aus den äusseren Umständen habe er nichts über das effektive Fahrtempo ableiten können. Da der Geschwindigkeitsmesser von Anbeginn weg defekt gewesen sei, habe er aus dem Vergleich mit dem Tourenzähler keine Rückschlüsse auf die effektiv gefahrene Geschwindigkeit ziehen können. Der Fahrtwind sei je nach Sitzposition, getragenem Helm etc. nur beschränkt spürbar. Schliesslich habe er auf der kurvenreichen Oberalppassstrasse das gefahrene Tempo nicht über längere Zeit halten können, so dass sich kein Gefühl für eine bestimmte Fahrgeschwindigkeit habe einstellen können (Beschwerde S. 3 f.; vgl. auch erstinstanzliches Urteil S. 4 f.). 
 
2. 
2.1 Gemäss Art. 90 Ziff. 2 SVG wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe (vgl. Art. 10 Abs. 3 StGB) bestraft, wer durch grobe Verletzung der Verkehrsregeln eine ernstliche Gefahr für die Sicherheit anderer hervorruft oder in Kauf nimmt (vgl. auch Art. 16c Abs. 1 lit. a SVG). Der qualifizierte Tatbestand der groben Verletzung von Verkehrsregeln ist nach der Rechtsprechung objektiv erfüllt, wenn der Täter eine wichtige Verkehrsvorschrift in objektiv schwerwiegender Weise missachtet und die Verkehrssicherheit ernstlich gefährdet. Eine ernstliche Gefahr für die Sicherheit anderer ist bereits bei einer erhöhten abstrakten Gefährdung gegeben. Diese setzt die naheliegende Möglichkeit einer konkreten Gefährdung oder Verletzung voraus (BGE 131 IV 133 E. 3.2; 130 IV 32 E. 5.1 je mit Hinweisen). 
 
Subjektiv erfordert der Tatbestand von Art. 90 Ziff. 2 SVG ein rücksichtsloses oder sonst schwerwiegend verkehrsregelwidriges Verhalten, d.h. ein schweres Verschulden, bei fahrlässigem Handeln mindestens grobe Fahrlässigkeit. Dies ist zu bejahen, wenn der Täter sich der allgemeinen Gefährlichkeit seiner verkehrswidrigen Fahrweise bewusst ist. Grobe Fahrlässigkeit kommt aber auch in Betracht, wenn der Täter die Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer pflichtwidrig gar nicht in Betracht zieht. Die Annahme einer groben Verkehrsregelverletzung setzt in diesem Fall voraus, dass das Nichtbedenken der Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer auf Rücksichtslosigkeit beruht (BGE 131 IV 133 E. 3.2; 130 IV 32 E. 5.1 mit Hinweisen). 
 
2.2 Nach der Rechtsprechung begeht ungeachtet der konkreten Umstände objektiv eine grobe Verkehrsregelverletzung, wer auf einer nicht richtungsgetrennten Autostrasse die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h (BGE 122 IV 173 E. 2d S. 177; 123 II 106 E. 2c je mit Hinweisen) bzw. die allgemeine Höchstgeschwindigkeit auf Strassen ausserorts von 80 km/h um 30 km/h oder mehr überschreitet (BGE 121 IV 230 E. 2c; 124 II 259 E. 2c; zuletzt BGE 132 II 234 E. 3.1 mit Hinweisen; vgl. auch Art. 38 Abs. 2 lit. a VZV). 
 
3. 
3.1 Nach Art. 4a Abs. 1 lit. b VRV beträgt die allgemeine Höchstgeschwindigkeit für Fahrzeuge unter günstigen Strassen-, Verkehrs- und Sichtverhältnissen auf Strassen ausserhalb Ortschaften, ausgenommen auf Autobahnen, 80 km/h. Der Beschwerdeführer hat diese Höchstgeschwindigkeit nach Abzug einer Sicherheitsmarge von 4 km/h (vgl. Technische Weisungen über Geschwindigkeitskontrollen im Strassenverkehr des UVEK vom 10.8.1998 Ziff. 8.1.5) um 51 km/h überschritten. Bei den Vorschriften über die Geschwindigkeit handelt es sich um grundlegende Verkehrsregeln. Sie sind wesentlich für die Gewährleistung der Sicherheit des Strassenverkehrs (BGE 121 IV 230 E. 2c ). Bei dieser Sachlage hat die Vorinstanz im Lichte der Rechtsprechung zu Recht objektiv eine grobe Verkehrsregelverletzung gemäss Art. 90 Ziff. 2 SVG angenommen. 
 
3.2 Nach der Rechtsprechung handelt der Fahrzeuglenker, der die Höchstgeschwindigkeit ausserorts um 51 km/h überschreitet, in der Regel mindestens grobfahrlässig. Der subjektive Tatbestand ist daher in derartigen Fällen regelmässig zu bejahen (BGE 121 IV 230 E. 2c; 123 II 37 E. 1f; vgl. auch BGE 126 II 202 E. 1b). Dies gilt jedenfalls, soweit nicht besondere Umstände vorliegen, der Fahrzeuglenker etwa einem Irrtum über die geltende Höchstgeschwindigkeit erliegt (vgl. BGE 124 II 97 E. 2c und 126 II 202 E. 1a zur rein schematischen Beurteilung der Geschwindigkeitsüberschreitung im Rahmen des Verfahrens auf Führerausweisentzug). 
 
Der Schuldspruch der groben Verkehrsregelverletzung durch die Vorinstanz verletzt auch in subjektiver Hinsicht kein Bundesrecht. Die Vorinstanz nimmt zu Recht an, der Beschwerdeführer habe rücksichtslos gehandelt. Die Überschreitung der Höchstgeschwindigkeit um mehr als die Hälfte offenbart ein bedenkenloses Verhalten gegenüber fremden Rechtsgütern. 
 
Was der Beschwerdeführer hiegegen einwendet, führt zu keinem anderen Ergebnis. Es mag zutreffen, dass der Tachometer seines Motorrads die effektiv gefahrene Geschwindigkeit unrichtig angezeigt hat (vgl. Beschwerdebeilage 3; Akten des Landgerichts Ursern Beilagen 3 und 4). Doch durfte der Beschwerdeführer sich nicht auf den defekten Tachometer verlassen, sondern musste aufgrund der äusseren Umstände damit rechnen, mit einer erheblich übersetzten Geschwindigkeit zu fahren. Zu Recht verweist die Vorinstanz in diesem Zusammenhang auf den Fahrtwind sowie die Motor- und sonstige Fahrgeräusche, welche Rückschlüsse auf die gefahrene Geschwindigkeit erlaubten. Hierher gehörten auch das Fahrverhalten der anderen Verkehrsteilnehmer und die Schnelligkeit, mit der sich die Umgebung bei der Fahrt verändert. Wesentliche Bedeutung kommt darüber hinaus dem Umstand zu, dass der Beschwerdeführer auf einer kurvenreichen Passstrasse fuhr. Es trifft zu, dass er dort seine Geschwindigkeit nicht längere Zeit halten und jeweils nur über eine kurze Strecke beschleunigen konnte. Gerade das Ausmass der Beschleunigung ausgangs einer Kurve bis zum Abbremsen bei der Einfahrt in die nächste Strassenbiegung auf ein Tempo, welches die erlaubte Höchstgeschwindigkeit um mehr als die Hälfte überstieg, hätte ihm aber seine exzessive Geschwindigkeit deutlich machen müssen. Bei dieser Sachlage durfte er nicht darauf vertrauen, sein Tachometer zeige die Geschwindigkeit korrekt an. Jedenfalls wäre ein diesbezüglicher Irrtum bei pflichtgemässer Vorsicht vermeidbar gewesen (vgl. Art. 13 Abs. 2, 333 Abs. 1 StGB). Dass der Beschwerdeführer nicht versucht hat, seine Geschwindigkeit anzupassen, sondern in diesem Ausmass zu schnell fuhr, würdigt die Vorinstanz zu Recht als rücksichtsloses Verhalten gegenüber den Interessen anderer Verkehrsteilnehmer. Daran ändert nichts, dass der Beschwerdeführer das Motorrad nach seinen Angaben erst kurze Zeit vor dem Vorfall erworben hatte und die Fahrt seine erste längere Tour gewesen sei, zumal er nach den Feststellungen der Vorinstanz seit dem 5. November 2003 über den Führerausweis für Motorräder und seit 1987 über denjenigen für Personenwagen verfügt, mit dem neuen Motorrad immerhin schon 400 - 500 km zurückgelegt hat und auch schon mit seiner früheren Tourenmaschine mehrere Ausfahrten gemacht hatte. Im Übrigen war es ihm nach seinen Angaben im erstinstanzlichen Verfahren selbst bewusst, dass er zu schnell gefahren war (angefochtenes Urteil S. 9; vgl. auch erstinstanzliches Befragungsprotokoll). 
 
Zuletzt lässt sich auch aus der vom Beschwerdeführer angerufenen bundesgerichtlichen Rechtsprechung zum defekten Tachometer nichts zu seinen Gunsten ableiten. Zunächst trifft entgegen der Auffassung der Vorinstanz (angefochtenes Urteil S. 9 lit. cc) nicht zu, dass die Rechtsprechung einem Lenker im Falle eines defekten Tachometers eine Fehleinschätzungsquote von 15 % einräumt. Das Bundesgericht gibt im angerufenen früheren Entscheid lediglich die Einlassung des damaligen Beschwerdeführers wieder, welcher sich auf eine Entscheidung des deutschen Amtsgerichts Grevesmühlen vom 10. September 1999 berufen hatte, nach welcher das Gericht bei ausgefallenem Tachometer als Toleranz 15 % von der gemessenen Geschwindigkeit abzieht (vgl. DAR 1999 S. 517 f.). Das Bundesgericht erwägt in diesem Zusammenhang lediglich, dass sich gegebenenfalls fragen liesse, ob einem Fahrzeuglenker, der zwar mit einem defekten Geschwindigkeitsmesser fährt, sich aber tatsächlich bemüht, die zugelassene Höchstgeschwindigkeit einzuhalten, nicht eine gewisse Irrtumsmarge zugebilligt werden sollte, sofern er die erlaubte Geschwindigkeit nur leicht überschreitet (Urteil des Bundesgerichts 6S.266/2002 vom 13. August 2002 E. 3.3). Dass der Beschwerdeführer sich im zu beurteilenden Fall tatsächlich um die Einhaltung der Höchstgeschwindigkeit bemüht und diese nur geringfügig überschritten hätte, wird man bei einem Tempoexzess um 51 km/h nicht ernsthaft annehmen können. 
 
Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet. 
 
4. 
Aus diesen Gründen ist die Beschwerde abzuweisen. Bei diesem Ausgang trägt der Beschwerdeführer die Kosten des bundesgerichtlichen Verfahrens (Art. 66 Abs. 1 BGG). Mit dem Entscheid in der Sache wird das Gesuch um aufschiebende Wirkung gegenstandslos. 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
3. 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Uri, Strafrechtliche Abteilung, schriftlich mitgeteilt. 
 
Lausanne, 19. April 2010 
 
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: 
 
Favre Boog