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Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
4C.117/2005 /grl 
 
Urteil vom 19. Mai 2005 
I. Zivilabteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter Corboz, Präsident, 
Bundesrichterinnen Klett, Rottenberg Liatowitsch, 
Gerichtsschreiber Luczak. 
 
Parteien 
X.________, 
Kläger und Berufungskläger, vertreten durch Rechtsanwalt Kurt Schwander, 
 
gegen 
 
Y.________, 
Beklagten und Berufungsbeklagten, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Roland Keller. 
 
Gegenstand 
Arbeitsvertrag; fristlose Entlassung, 
 
Berufung gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Thurgau vom 19. Oktober 2004. 
 
Sachverhalt: 
A. 
X.________ (Kläger) arbeitete seit dem 1. Juni 2001 im Restaurant von Y.________ (Beklagter) als Service-Angestellter. Am 19. Oktober 2002 entliess der Beklagte den Kläger fristlos, was er am 21. Oktober 2002 schriftlich bestätigte. Er begründete dies damit, dass der Kläger regelmässig zu spät am Arbeitsplatz erscheine und sich auch anderweitig unkorrekt verhalten habe. 
B. 
Mit Weisung vom 11. Februar 2003 belangte der Kläger den Beklagten vor der bezirksgerichtlichen Kommission Bischofszell und verlangte im Wesentlichen Zahlung von insgesamt Fr. 14'127.-- nebst Zins als Lohn für die Zeit vom 20. Oktober 2002 bis Ende Dezember 2002 einschliesslich Ferien und Gratifikation. Die bezirksgerichtliche Kommission Bischofszell schützte die Klage mit Urteil vom 14. Mai/21. Juni 2004 im Betrag von Fr. 405.65. Gleich entschied das Obergericht des Kantons Thurgau am 19. Oktober 2004 auf Berufung des Klägers. 
C. 
Der Kläger beantragt dem Bundesgericht mit eidgenössischer Berufung, das Urteil des Obergerichts aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, ihm Fr. 12'221.-- (Bruttolohn) nebst 5 % Zins seit dem 23. Januar 2003 zu bezahlen. Der Beklagte schliesst auf kostenfällige Abweisung der Berufung, soweit darauf einzutreten ist. 
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 
1. 
Im Berufungsverfahren ist das Bundesgericht an die tatsächlichen Feststellungen der letzten kantonalen Instanz gebunden, wenn sie nicht offensichtlich auf Versehen beruhen, unter Verletzung bundesrechtlicher Beweisvorschriften zustande gekommen (Art. 63 Abs. 2 OG) oder im Hinblick auf den Tatbestand einer anwendbaren Sachnorm ergänzungsbedürftig sind (Art. 64 OG). Für eine blosse Kritik an der Beweiswürdigung des kantonalen Sachgerichts ist, soweit nicht Vorschriften des Bundesrechts in Frage stehen, die Berufung ausgeschlossen (BGE 130 III 136 E. 1.4 S. 140; 120 II 97 E. 2b S. 99; 119 II 380 E. 3b S. 382 mit Hinweisen). Welche Bundesrechtssätze der angefochtene Entscheid verletzt und inwiefern er gegen sie verstösst, ist in der Berufungsschrift kurz darzulegen (Art. 55 Abs. 1 lit. c OG). 
Soweit der Kläger diese Vorschriften missachtet, ist auf die Berufung nicht einzutreten. 
2. 
Der Kläger stellte im kantonalen Verfahren nicht in Abrede, wiederholt verspätet zur Arbeit erschienen zu sein. Aus dem angefochtenen Urteil geht ferner hervor, dass sich der Kläger jeweils am Morgen bei der Öffnung des Restaurants, für die er verantwortlich war, mit grosser Regelmässigkeit verspätet hat, so dass Gäste warten mussten oder zur Konkurrenz abwanderten. Die Verspätung habe bis zu einer halben Stunde betragen. Verschiedene Gäste hätten den Beklagten auf diese Missstände aufmerksam gemacht, der alsdann dem Kläger eröffnete, ein solches Verhalten könne nicht länger geduldet werden. Dass der Beklagte von den Verspätungen gewusst und nichts dagegen unternommen habe, hielt die Vorinstanz nicht für erwiesen. 
3. 
3.1 Der Kläger rügt mit der Berufung im Wesentlichen, es liege keine Abmahnung vor, welche die fristlose Entlassung zu rechtfertigen vermöchte. Die fristlose Entlassung sei dem Kläger nicht hinreichend klar angedroht worden. Zudem gehe es angesichts der Kürze der ordentlichen Kündigungsfrist nicht an, wenn der Beklagte monatelang ein regelmässiges Zuspätkommen toleriere, um dann irgendeine Verspätung als wichtigen Grund für eine fristlose Kündigung heranzuziehen. 
3.2 
3.2.1 Nach Art. 337 OR kann der Arbeitgeber wie der Arbeitnehmer das Arbeitsverhältnis aus wichtigen Gründen jederzeit fristlos auflösen (Abs. 1). Als wichtiger Grund gilt namentlich jeder Umstand, bei dessen Vorhandensein dem Kündigenden nach Treu und Glauben die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr zugemutet werden darf (Art. 2). Über das Vorhandensein solcher Umstände entscheidet der Richter nach seinem Ermessen (Abs. 3). Ermessensentscheide überprüft das Bundesgericht an sich frei. Es übt dabei aber Zurückhaltung und schreitet nur ein, wenn die Vorinstanz grundlos von in Lehre und Rechtsprechung anerkannten Grundsätzen abgewichen ist, wenn sie Tatsachen berücksichtigt hat, die für den Entscheid im Einzelfall keine Rolle hätten spielen dürfen, oder wenn sie umgekehrt Umstände ausser Betracht gelassen hat, die hätten beachtet werden müssen. Es greift ausserdem in Ermessensentscheide ein, wenn sich diese als offensichtlich unbillig, als in stossender Weise ungerecht erweisen (BGE 130 III 213 E. 3.1 S. 220 mit Hinweisen). 
3.2.2 Nach der Rechtsprechung zu Art. 337 OR ist eine fristlose Entlassung nur bei besonders schweren Verfehlungen des Arbeitnehmers gerechtfertigt. Diese müssen einerseits objektiv geeignet sein, die für das Arbeitsverhältnis wesentliche Vertrauensgrundlage zu zerstören oder zumindest so tiefgreifend zu erschüttern, dass dem Arbeitgeber die Fortsetzung des Vertrags nicht mehr zuzumuten ist. Anderseits müssen die Verfehlungen auch tatsächlich zu einer derartigen Zerstörung oder Erschütterung des gegenseitigen Vertrauens geführt haben. Sind die Verfehlungen weniger schwerwiegend, so müssen sie trotz Verwarnung wiederholt vorgekommen sein (BGE 130 III 213 E. 3.1 S. 220 f. mit Hinweisen). Ob die dem Arbeitnehmer vorgeworfene Pflichtverletzung die erforderliche Schwere erreicht, hängt von den konkreten Umständen des Einzelfalles ab (BGE 127 III 153 E. 1a S. 155; 116 II 145 E. 6a S. 150). 
3.2.3 Was Anzahl und Inhalt der erforderlichen Abmahnungen anbelangt, lassen sich angesichts der Vielzahl möglicher Fallumstände keine festen Regeln aufstellen. Es gilt jedoch im Auge zu behalten, dass nicht die Verwarnung als solche für die Frage der Berechtigung der fristlosen Entlassung ausschlaggebend ist, sondern die Tatsache, dass ein Verhalten des Arbeitnehmers die Fortführung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist für den Arbeitnehmer nach Treu und Glauben unzumutbar machen kann. Das ist der Fall, wenn ein Arbeitnehmer, trotz klarer Verwarnung, das beanstandete Verhalten nicht ändert (BGE 127 III 153 E. 1c S.157 f.). Dabei ist für eine gehörige Verwarnung unerlässlich, dass sie als solche erkennbar ist und dass der Arbeitnehmer daraus klar ersehen kann, welche Verhaltensweisen nicht mehr toleriert werden und wie er sich in Zukunft zu verhalten hat (Bundesgerichtsurteil 4C.187/2004 vom 05. Juli 2004 E. 5.1 mit Hinweisen). 
3.3 Die Vorinstanz nahm gestützt auf die Aussagen zweier Zeugen an, dass der Beklagte den Kläger wegen der Verspätungen mehrmals verwarnt habe, und zwar im Zeitraum Mai bis August 2002, bzw. Ende August/Anfang September 2002. Die Vorinstanz führte aus, obwohl einer der Zeugen nur mit halbem Ohr zugehört habe, habe er mitbekommen, dass der Beklagte dem Kläger bezüglich der Verspätung mitteilte, so gehe es einfach nicht. Nach Auffassung der Vorinstanz ist demgemäss erstellt, dass der Beklagte dem Kläger wiederholt zu erkennen gab, dass er dessen Verhalten nicht weiter dulden werde und dass der Kläger bei Nichtbeachtung dieser Verwarnung mit Konsequenzen rechnen müsse. Insoweit liegt Beweiswürdigung vor, welche das Bundesgericht im Berufungsverfahren nicht überprüfen kann (Art. 63 Abs. 2 OG), ebenso mit Bezug darauf, dass die letzte Ermahnung am 14. Oktober 2002 erfolgte. Wenn der Kläger in der Berufung anführt, es sei nichts darüber ausgesagt, worin die Verwarnungen bestanden haben sollen, übergeht er die für das Bundesgericht verbindlichen Feststellungen, dass die Beanstandungen jeweils die Verspätung betrafen und dass der Beklagte dem Kläger klar gemacht hat, er werde diese nicht länger hinnehmen. 
3.4 Aufgrund der konkreten Umstände musste dem Kläger auch bewusst sein, dass die angedrohten Konsequenzen nach Treu und Glauben nichts anderes als eine fristlose Auflösung des Arbeitsverhältnisses bedeuten konnten, zumal es für eine ordentliche Kündigung keiner Warnung bedarf. Zwar ist mit dem Kläger davon auszugehen, dass auch Fälle denkbar sind, in denen es der Arbeitgeber bei einem Verweis bewenden lassen oder lediglich die ordentliche Kündigung androhen will. Entscheidend ist aber, dass der Kläger sein beanstandetes, betriebsschädigendes Verhalten trotz wiederholter Ermahnung nicht einstellte, obwohl ihm der Arbeitgeber mit mehreren ernsthaften Warnungen vor Augen geführt hat, welchen Stellenwert er rechtzeitigem Erscheinen beimass. Wegen der mit der verspäteten Öffnung des Restaurants verbundenen Gefahr, Kundschaft zu verlieren, musste sich der Kläger bewusst sein, dass es sich bei den angedrohten Konsequenzen weder um einen blossen Verweis noch um eine ordentliche Kündigung handeln würde, hätten doch beide Massnahmen in Anbetracht des bisherigen Verhaltens des Klägers die Gefahr eines weiteren Kundenverlustes nicht gebannt. Angesichts der Bedeutung des Fehlverhaltens für den Geschäftsgang und der Renitenz des Klägers war dem Beklagten die Fortführung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf des ordentlichen Kündigungstermins nicht zuzumuten. Entgegen der Ansicht des Klägers ist unter diesen Umständen die Dauer der Kündigungsfrist nicht erheblich. Wenn die Vorinstanz vor diesem Hintergrund die fristlose Entlassung als begründet erachtete, hat sie ihren Ermessensspielraum nicht überschritten und Art. 337 OR nicht verletzt, zumal der Einwand des Klägers, der Beklagte habe das Zuspätkommen des Klägers monatelang geduldet, den verbindlichen tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz widerspricht und daher nicht zu hören ist. 
4. 
Aus den dargelegten Gründen ist die Berufung abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. Das Verfahren ist kostenlos (Art. 343 Abs. 3 OR). Der Kläger hat jedoch dem obsiegenden Beklagten für das Verfahren vor Bundesgericht eine Entschädigung zu bezahlen (Art. 159 Abs. 1 und 2 OG; BGE 115 II 30 E. 5c S. 42). 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
1. 
Die Berufung wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
2. 
Es wird keine Gerichtsgebühr erhoben. 
3. 
Der Kläger hat den Beklagten für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 2'500.-- zu entschädigen. 
4. 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Thurgau schriftlich mitgeteilt. 
Lausanne, 19. Mai 2005 
Im Namen der I. Zivilabteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: