Wichtiger Hinweis:
Diese Website wird in älteren Versionen von Netscape ohne graphische Elemente dargestellt. Die Funktionalität der Website ist aber trotzdem gewährleistet. Wenn Sie diese Website regelmässig benutzen, empfehlen wir Ihnen, auf Ihrem Computer einen aktuellen Browser zu installieren.
 
 
Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
{T 0/2} 
 
9C_144/2014  
   
   
 
 
 
Urteil vom 19. Mai 2014  
 
II. sozialrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Kernen, Präsident, 
Bundesrichterinnen Pfiffner, Glanzmann, 
Gerichtsschreiber R. Widmer. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Markus Schmid, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
IV-Stelle Basel-Stadt,  
Lange Gasse 7, 4052 Basel, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Invalidenversicherung, 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Basel-Stadt vom 15. Januar 2014. 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.   
Die 1954 geborene A.________ meldete sich am 1. Februar 2012 bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug an. Am 11. September 2013 teilte die IV-Stelle Basel-Stadt A.________ mit, dass die Mitarbeiterin des Abklärungsdienstes sie am 23. Oktober 2013 zwecks Prüfung von Ansprüchen auf Leistungen der Invalidenversicherung zu Hause besuchen möchte. Die Abklärung vor Ort finde unter Ausschluss von Rechtsvertretern oder Rechtsvertreterinnen statt. Nachdem die Versicherte erklärt hatte, mit diesem Vorgehen nicht einverstanden zu sein, erliess die IV-Stelle am 30. September 2013 eine Verfügung, mit der sie wiederum festhielt, dass die Abklärung von Ansprüchen auf Leistungen der Invalidenversicherung vor Ort am 23. Oktober 2013 ohne Rechtsvertretung stattfinden werde. 
 
B.   
A.________ liess Beschwerde führen mit dem Antrag, in Aufhebung der Verfügung vom 30. September 2013 sei die IV-Stelle anzuweisen, eine Haushaltsabklärung vor Ort unter Teilnahme ihres Rechtsvertreters durchzuführen. Mit Entscheid vom 15. Januar 2014 wies das Sozialversicherungsgericht des Kantons Basel-Stadt die Beschwerde ab. 
 
C.   
A.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen mit dem Rechtsbegehren, der vorinstanzliche Entscheid sei aufzuheben und die IV-Stelle sei anzuweisen, eine "Abklärung Selbständigerwerbende" vor Ort unter Teilnahme ihres Rechtsvertreters durchzuführen. Ferner ersucht sie um die Bewilligung der unentgeltlichen Rechtspflege. 
Während die IV-Stelle auf Nichteintreten auf die Beschwerde, eventuell auf deren Abweisung, schliesst, verzichtet das Bundesamt für Sozialversicherungen auf eine Vernehmlassung. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.   
Gegen selbstständig eröffnete Vor- und Zwischenentscheide ist die Beschwerde gemäss Art. 93 Abs. 1 BGG zulässig: 
 
a. wenn sie einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken können; 
oder 
b. wenn die Gutheissung der Beschwerde sofort einen Endentscheid herbeiführen und damit einen bedeutenden Aufwand an Zeit oder Kosten für ein weitläufiges Beweisverfahren ersparen würde. 
Ein Zwischenentscheid bleibt laut Art. 93 Abs. 3 BGG im Rahmen einer Beschwerde gegen den Endentscheid anfechtbar, sofern er sich auf dessen Inhalt auswirkt. 
 
2.  
 
2.1. Beim angefochtenen Entscheid handelt es sich um einen Zwischenentscheid (vgl. zum Begriff BGE 133 V 477 E. 4.1.3 S. 481), der das Verfahren nicht abschliesst. Art. 93 Abs. 1 lit. b BGG fällt als Grundlage für eine selbstständige Anfechtbarkeit dieses Zwischenentscheides ausser Betracht, würde doch durch die Gutheissung der Beschwerde kein Endentscheid (über den Leistungsanspruch gegenüber der Invalidenversicherung) herbeigeführt. Zu prüfen ist die Eintretensfrage somit lediglich nach Massgabe von Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG.  
 
2.2. Ein im Sinne von Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG nicht wieder gutzumachender Nachteil ist rechtlicher Natur und auch mit einem für die Beschwerde führende Partei günstigen Endentscheid nicht oder nicht vollständig behebbar (BGE 139 V 604 E. 3.2 S. 607, 139 V 42 E. 3.1 S. 47, 133 V 645 E. 2.1 S. 647 mit Hinweisen).  
 
3.  
 
3.1. Die Beschwerdeführerin zieht bezüglich des Vorliegens eines irreparablen Nachteils zunächst einen Vergleich mit dem Strafverfahren, wo sich für einen nicht verbeiständeten Angeschuldigten Nachteile ergeben könnten, die durch die Wiederholung des Verfahrens nach einem erfolgreichen Rechtsmittelverfahren kaum je gänzlich behoben werden könnten. Analog zu den im Strafprozessrecht geltenden Überlegungen müsse auch beim Ausschluss des Rechtsvertreters vom invalidenversicherungsrechtlichen Abklärungsverfahren von einem nicht wieder gutzumachenden Nachteil ausgegangen werden. Im Administrativverfahren der Invalidenversicherung komme den Abklärungen vor Ort entscheidende Bedeutung zu, und fehlerhafte Abklärungen könnten nachträglich kaum mehr korrigiert werden. Mehr noch als bei medizinischen Gutachten bestehe bei einer "Abklärung Selbständigerwerbende" oder einer Haushaltsabklärung eine latente Gefährdung der Verfahrensfairness. Im Ergebnis komme Feststellungen im Rahmen von Abklärungen hohe präjudizierende Wirkung zu. In einem späteren Verfahren seien diese kaum mehr einer Berichtigung zugänglich. Schliesslich könnte mit der Anfechtung des kantonalen Endentscheids bloss eine Verletzung des rechtlichen Gehörs gerügt werden. Damit wäre für die Beschwerdeführerin jedoch nichts gewonnen. Denn ein allfälliger derartiger Verfahrensmangel werde regelmässig als geheilt betrachtet, wenn die versicherte Person im Nachgang zur Abklärung Stellung zum Bericht nehmen konnte. Somit sei ein irreparabler Nachteil zu bejahen und die selbstständige Anfechtbarkeit des vorinstanzlichen Zwischenentscheids gerechtfertigt.  
 
3.2. Die IV-Stelle verneint die Eintretensvoraussetzung des nicht wieder gutzumachenden Nachteils damit, dass die Versicherte ihre Rechte vollumfänglich in dem an das Abklärungsverfahren anschliessenden Vorbescheid- und allenfalls Beschwerdeverfahren wahrnehmen könne, weshalb der Vergleich mit dem Strafprozess nicht statthaft sei. Im Übrigen sei nach der Rechtsprechung der Beizug eines Rechtsanwalts bereits im Vorbescheidverfahren nur in Ausnahmefällen angängig. Umso restriktiver wäre die Zulassung eines Rechtsvertreters im vorangehenden Abklärungsverfahren zu regeln.  
 
4.   
Im vorliegenden Fall lässt sich der Nachteil, welcher der Beschwerdeführerin dadurch entsteht, dass ihrem Rechtsvertreter untersagt wurde, an der "Abklärung Selbständigerwerbende" teilzunehmen, durch einen für sie günstigen Endentscheid des Bundesgerichts vollständig beseitigen. Die Versicherte kann die aus ihrer Sicht nachteiligen Konsequenzen des vorinstanzlichen Zwischenentscheids im Rahmen einer Anfechtung des Endentscheids (Art. 93 Abs. 3 BGG), mit welchem über den bei der Verwaltung geltend gemachten (Renten-) Anspruch gegenüber der Invalidenversicherung zu entscheiden ist, unter Berufung auf Art. 37 Abs. 1 ATSG vorbringen. Dannzumal hätte das Bundesgericht die Rechtsfrage zu prüfen, ob überhaupt Anspruch auf Verbeiständung anlässlich einer "Abklärung Selbständigerwerbende" besteht, was bei Bejahung zur Kassation führen würde. Es trifft somit nicht zu, dass die Beschwerdeführerin im Prozess vor Bundesgericht betreffend den Endentscheid der Vorinstanz nur eine Verletzung des rechtlichen Gehörs rügen könnte, wie sie behauptet. Die in diesem Zusammenhang angerufenen Urteile I 202/03 vom 7. April 2004 und I 42/03 vom 13. Dezember 2004, in welchen das Eidgenössische Versicherungsgericht erkannt hat, zur Wahrung des rechtlichen Gehörs sei es nicht erforderlich, dass der Rechtsvertreter oder die Rechtsvertreterin bei der Abklärung im Haushalt (der erwerblichen Abklärung an Ort und Stelle) anwesend ist, sofern nachträglich im Rahmen des Anhörungsverfahrens in den Abklärungsbericht Einblick und zu den dortigen Schlussfolgerungen Stellung genommen werden kann, sind unter der Herrschaft des OG ergangen. Hinsichtlich der Frage nach einem irreparablen Nachteil als Voraussetzung für die Anfechtbarkeit des vorliegenden Zwischenentscheids lässt sich daraus nichts ableiten. 
Auch die weiteren Argumente, welche die Beschwerdeführerin zugunsten einer selbstständigen Anfechtbarkeit des vorinstanzlichen Zwischenentscheids vorbringt, überzeugen nicht. Mangels hinreichender Vergleichbarkeit unerheblich ist der Hinweis auf die Rechtslage im Strafverfahren. 
Schliesslich erörtert die Versicherte die materiellen Aspekte der von der IV-Stelle durchzuführenden Abklärungen sowie der Notwendigkeit der anwaltlichen Verbeiständung. Mit den entsprechenden Ausführungen vermag sie jedoch ebenfalls nicht zu begründen, inwiefern mit dem angefochtenen Zwischenentscheid ein nicht wieder gutzumachender Nachteil verbunden sein soll. 
 
5.   
Dem Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege ist stattzugeben, da die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sind (Art. 64 Abs. 1 und 2 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten. 
 
2.   
Der Beschwerdeführerin wird die unentgeltliche Rechtspflege gewährt. 
 
3.   
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt, indes vorläufig auf die Gerichtskasse genommen. 
 
4.   
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege für das bundesgerichtliche Verfahren wird gutgeheissen, und es wird der Beschwerdeführerin Rechtsanwalt Markus Schmid als Rechtsbeistand beigegeben. Diesem wird für das bundesgerichtliche Verfahren aus der Gerichtskasse eine Entschädigung von Fr. 2'800.- ausgerichtet. 
 
5.   
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Basel-Stadt und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 19. Mai 2014 
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Kernen 
 
Der Gerichtsschreiber: Widmer